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Ein Antihistaminikum gegenAlzheimer?

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Academic year: 2022

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Ausgerechnet ein Antihistaminikum scheint in der Lage, den klinischen Verlauf der Alzheimer-Krankheit nachhaltig zu verbessern. Das zeigt eine Studie, die kürzlich im

«Lancet» erschienen ist. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, steht womöglich eine kostengüns- tigere Alternative zu den bislang eingesetzten Acetylcholesterin- hemmern bereit. Um eine kausale Therapie handelt es sich aber auch hier nicht.

L A N C E T

Dimebon ist ein oral verabreichtes Medi- kament, das eine Zeitlang in Russland verkauft wurde, zuletzt allerdings mit wenig durchschlagendem Erfolg. Mit den neueren selektiven Antihistaminika konnte es schlicht nicht mithalten, die Verkaufszahlen sanken, bis der Herstel- ler sich entschloss, das Präparat aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt zu nehmen. Momentan ist es nirgends auf der Welt erhältlich. Das allerdings könnte sich bald ändern. Untersuchun- gen hatten zwischenzeitlich ergeben, dass das Antihistaminikum Eigenschaf- ten besitzt, die bei neurodegenerativen Erkrankungen sehr erwünscht sind. Es

hemmt die Si gnalkaskade der N-Methyl- D-Aspartat-Rezeptoren und die Cholin - es terase. Es vereint folglich Wirkmecha-

nismen der Cholinesterasehemmer wie Donepezil oder Rivastigmin mit denen des NMDA-Blockers Memantin. In Tier- modellen ergaben sich tatsächlich Hin- weise auf neuroprotektive Wirkungen bei Alzheimer- und Huntington-Krank- heit. Die Forscher mutmassen inzwi- schen, dass Dimebon darüber hinaus die Mitochondrien stabilisiert und mögli- cherweise den Untergang von Gehirnzel- len hinauszögert. Letztlich ist der Wirk - mechanismus aber nicht sicher geklärt.

Erste Studie bei Alzheimer- Patienten

Rachelle S. Doody vom Alzheimer's Disease and Memory Disorders Center am Baylor College of Medicine im US- amerikanischen Houston und mehrere Kollegen, darunter auch russische Me - diziner, haben sich jedenfalls daran gemacht, Wirkung, Sicherheit und Ver- träglichkeit von Dimebon bei Alzheimer- Patienten zu testen. An der randomisier- ten und kontrollierten Studie nahmen 183 leicht bis mittelschwer erkrankte Patienten teil, die in russischen Pflege- heimen leben. Der Krankheitsgrad wurde anhand des Mini-Mental-Status- Tests (MMSt) festgelegt. Die Patienten

erhielten nach dem Zufallsverfahren dreimal täglich 20 mg Dimebon (89 Pa- tienten) oder Plazebo (94 Patienten). An- dere Antidementiva waren nicht erlaubt, was in Russland leicht sichergestellt werden kann. Dort mangelt es an Geld für die teuren Cholinesterasehemmer, zudem sind, wie Alistair Burns von der Universität Manchester und Robin Jacoby von der Universität Oxford in einem «Lancet»-Editorial vermerken (Lancet 2008; 372: 179), nichtmedika- mentöse Therapieansätze den russi- schen Therapeuten fremd.

Klinisch signifikante Ergebnisse

Die Ergebnisse fielen durchwegs positiv aus: Die Therapie mit Dimebon führte in den ersten 26 Wochen zu einer Besse- rung der Alzheimer-Disease-Cognitive- Assessment-Skala (ADAS-cog-Skala) um 2 Punkte. Der ADAS-cog, der als primä- rer Endpunkttest eingesetzt wurde, ist ein Fragenkatalog, mit dessen Hilfe die Fähigkeit des Patienten bewertet wird, ein Datum zu erkennen, Anleitungen zu verstehen, Anweisungen zu folgen, eine Wörterliste zu erinnern und einfache Aufgaben wie Zeichnungen zu kopieren oder einen Briefumschlag zu beschrif- ten. Die mit Plazebo Behandelten büss- ten hingegen wie zu erwarten 2 Punkte

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ARS MEDICI 16 2008

S T U D I E R E F E R I E R T

Ein Antihistaminikum gegen Alzheimer?

Dimebon — als Antiallergikum ausgemustert, bei Demenz wirksam

Merksätze

Das Antihistaminikum Dimebon hat einen langfristigen günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf bei Alzheimer-Patienten.

Die Wirkung übertrifft womöglich die von Cholinesterasehemmern.

Die Ergebnisse müssen allerdings zunächst in weiteren Studien bestätigt werden.

«Die Studie von Doody und Kollegen zeigt, dass Dimebon besser als Plazebo ist — eine beachtliche Leistung, wenn man die positiven Plazeboreaktionen bei Demenz in

Betracht zieht.»

Alistair Burns und Robin Jacoby im Lancet-Editorial

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ARS MEDICI 16 2008

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S T U D I E R E F E R I E R T

auf der Skala ein. Dieser Unterschied von 4 Punkten erscheint nicht nur statistisch, sondern auch klinisch relevant. Das deutsche Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln bezifferte im vergange- nen Jahr die Wirkung von Donepezil mit 2 bis 3 Punkten auf der ADAS-cog-Skala.

Auch in 4 weiteren Messparametern – MMSE, ADCS-ADL, CIBIG-plus und NPI – konnten Verbesserungen mit Dimebon dokumentiert werden. In einer sich an- schliessenden 26-wöchigen Extensions- phase hielten diese Wirkungen an. Erst ab der 39. Woche war eine allmähliche Verschlechterung zu beobachten. Nach einem Jahr fielen die Ergebnisse jedoch immer noch besser aus als bei Aufnahme der Behandlung. «Normalerweise sind wir zu einem frühen Zeitpunkt der Me-

dikamentenentwicklung froh, wenn ein Parameter positiv anspricht, hier waren es alle fünf», erklärte Studienleiter Doody erfreut. «Wir hoffen nun, dass wir die Ergebnisse bestätigen können.» In- zwischen wird in den USA eine interna- tionale Phase-III-Studie geplant.

Die Verträglichkeit von Dimebon erwies sich übrigens als gut. Die häufigste Ne- benwirkung scheint ein trockener Mund zu sein, worüber fast jeder fünfte Patient klagte. Kein Patient brach die Studie wegen Nebenwirkungen ab. Rachelle S. Doody et al.: Effect of dimebon on cognition, activi- ties of daily living, behaviour, and global function in patients with mild-to-moderate Alzheimer's disease: a randomised, double- blind, placebo-controlled study. Lancet 2008; 371: 207-215.

Interessenkonflikte: keine deklariert

Uwe Beise

■MMSE: Mini Mental State Examination, prüft die Kognition

■NPI: Neuropsychiatric Inventory, prüft das Verhalten

■ADCS-ADL: Alzheimer's Disease Coope- rative Study — Activities of Daily Living, misst die Funktionsfähigkeit im Alltag

■CIBIC-plus: Clinician's Interview-based Impression of Change plus Caregiver Input ist ein halbstrukturiertes Inter- view von Patient und Versorger über allgemeinen Zustand, Kognition, Ver- halten und Alltagsaktivität

Alzheimer-Tests

Referenzen

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