Eigenständige Lernerinnen und Lerner:
Lernförderung durch Metakognition
SINUS-Workshop, 31. März 2006, Soltau Dr. Titus Guldimann
Kompetenzzentrum Forschung und Entwicklung Pädagogische Hochschule St. Gallen/Rorschach
Kompetenzzentrum Forschung & Entwicklung
Pädagogische Hochschulen St. Gallen (PHS) und Rorschach (PHR)
Kompetenzzentrum F + E Lehr-Lernforschung
- NF-Projekt ‚Adaptive Lehrkompetenz‘
- NF-Projekt ‚Standarderreichung in der Lehrerbildung‘
Entwicklungsprojekte
- Basisstufenversuche im Kanton SG - Volksschulabschluss
- Tagesstruktur
Bildungsevaluation
- PISA
- Fremdevaluation der Basisstufenversuche in 19 Kantonen - Fremdevaluation von Schulen und Ausbildungen
Ziele des Workshops
- Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner kennen - Konzept der Metakognition zur Lernförderung verstehen - Methoden zur Förderung eigenständigen Lernens kennen - Schülerdokumente analysieren
- Reaktionsweisen der Lehrpersonen diskutieren
Programm des Workshops
1. Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner 2. Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen 3. Forschungshintergrund
4. Studium von Schülerdokumenten 5. Diskussion von Fragen und Einsichten 6. Aufgaben der Lehrperson
Instruktives Lehr-Lernverständnis
setzt Ziele
plant
- Lernphase/Methode - Medieneinsatz -Sozialform -Zeit
führt durch
überwacht
beurteilt
vollzieht nach
reproduziert - träges Wissen - kein Transfer - Wissen als
Fertigprodukt - für alle das Gleiche - kaum
Selbständigkeit analysiert instruiert
Interaktives Lehr- Lernverständnisses
• vereinbaren Ziele
• planen Lehren &
Lernen
• beurteilen &
Selbstbeurteilung
• Lernen beobachten
• und unterstützen
• Lernreflexion anregen
• Lernmodell sein
• Lernen durch Verstehen
• Informationsquellen nutzen
• Lernen reflektieren
• Strategien entwickeln
• Metakognition nutzen
Kompetenzen eigenständiger Lernerinnen und Lerner
Kognition Motivation Kommunikation
Sie verfügen über ein differenziertes, gut organisiertes Wissen
Sie sind durch die Sache motiviert und entwickeln ihre Interessen
Sie können sich mit anderen verständigen und voneinander lernen
Metakognition Sie setzen sich Ziele,
planen, steuern und kontrollieren das eigene Lernen
Sie besitzen Strategien, das eigene Wissen anzuwenden und zu entwickeln
Sie kennen ihre Stärken und Schwächen und können aus ihren Erfahrungen lernen
Programm des Workshops
1. Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner 2. Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen 3. Forschungshintergrund
4. Studium von Schülerdokumenten 5. Diskussion von Fragen und Einsichten 6. Aufgaben der Lehrperson
Metakognitives Wissen
= (Meta)wissen über Wissen
DASS (= deklarativ) WIE (= prozedural)
Person Sachwissen Aufgaben Strategien Kooperation
Metakognitive Fähigkeiten
Æ Wissen, wie das Gedächtnis funktioniert (John Flavell) Æ Eigenes Gedächtnis kennen
Æ Sensibel gegenüber eigenen Lernerfahrungen sein Æ Eigenes Lernen steuern, z.B. (Anne Brown)
- Grenzen vorhersagen
- Strategien bewusst werden und auswählen - neue Probleme erkennen
- mit Stärken und Schwächen umgehen - Motivation erhöhen
Arten von metakognitivem Wissen
Æ Metakognitives Wissen über die eigene Person
Æ Metakognitives Wissen über Lernaufgaben
Æ Metakognitives Wissen über Lernstrategien
Metakognitives Wissen über die eigene Person
Æ Selbstwahrnehmung der eigenen Person beim Lernen:
Was lerne ich momentan?
Æ Selbstbewertung:
Kann ich unter den momentanen Bedingungen gut lernen?
Æ Selbstregulation:
Ist mein Lernprozess erfolgreich ?
Metakognitives Wissen über Lernaufgaben
Æ Erkennen des Aufgabentyps:
Um welchen Aufgabentyp handelt es sich?
Æ Vorwissen aktivieren:
Welche Kenntnisse sind notwendig, um diese Aufgabe zu lösen?
Æ Lösungswege bestimmen:
Wie gehe ich bei diesem Aufgabentyp am besten vor?
Metakognitives Wissen über Lernstrategien
Æ Lernstrategie/n auswählen:
Welche Strategie ist Erfolg versprechend?
Æ Merkmale der Lernstrategie:
Worauf muss ich bei der Anwendung achten?
Æ …
Wie kann das Lernen gelernt werden?
3 Möglichkeiten der Förderung des eigenständigen Lernens:
A Allgemeines Denk-, Intelligenz- und Problemlösetraining durchführen B Lern- und Arbeitstechniken vermitteln
C Eigenständiger Lernen durch erkennen und entwickeln eigener Strategien in spezifischen Sachbereichen
zu B) Lern- und Arbeitsstrategien vermitteln
ÆWissen über Strategie vermitteln.
ÆStrategien werden im erlernten Bereich angewendet.
ÆStrategien werden als Routinen eingesetzt und auf neue Anwendungsbereiche übertragen.
ÎAnwendungsdefizit
ÎTransferdefizit
ÎIntegrationsdefizit
zu C) Eigenständig lernen: Projektziele
3. Lehrpersonen sollen das Lernen ihrer Schüler besser ver- stehen lernen, um eigenständiges Lernen zu unterstützen.
1. Schüler/innen sollen sich ihre eigenen höheren Lern- und Denktätigkeiten bewusst machen und entwickeln:
• sich beim Arbeiten und Lernen beobachten lernen
• eigene Lernstrategien bewusstmachen
• Lernerfahrungen mit anderen austauschen und sich anregen lassen
• Lernfortschritte beachten und Ergebnisse selber prüfen
• aus eigenen Fehlern lernen
2. Schüler/innen sollen handlungswirksames Wissen über das WIE des Lernens, den Lernprozess und dessen
Bedingungen aufbauen resp. erweitern.
Programm des Workshops
1. Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner 2. Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen 3. Forschungshintergrund
4. Studium von Schülerdokumenten 5. Diskussion von Fragen und Einsichten 6. Aufgaben der Lehrperson
Haupthypothese
Bei den Lernenden der Versuchsklassen soll gegenüber denjenigen der Kontrollklassen durch
Ö Selbstbeobachtung und Reflexion des eigenen Lernens, Ö Einsicht in die eigenen kognitiven Fähigkeiten und Ö das Entwickeln der autonomen Anwendung Î das Strategiewissen erweitert,
Î die Anwendung gesteigert und Î die Fachleistungen verbessert werden.
Forschungsdesign
Lehrerdokumentation Fallstudie
Arbeitsheft VK
VK KK
4. Primar1. Real VK
VK KK
1. Sek VK
VK KK
t 0
Lehrerdokumentation Fallstudie
Arbeitsheft
Lehrerdokumentation Fallstudie
Arbeitsheft
Wissenserwerb / Textschreiben / Mathematik
Leistungstest Metakogn. Fragebogen Videotest Leistungstest Metakogn. Fragebogen Videotest Videotest
t 1 (20 Monate) t 2 (12 Monate)
5 Instrumente zur Förderung eigenständigen Lernens
ÆArbeitsheft ÆArbeitsrückblick ÆAusführungsmodell ÆKlassenkonferenz ÆLernpartnerschaft
Methoden zur Reflexion, zum Austausch und zur Anregung von Lernerfahrungen:
Arbeitsheft
Lernende beobachten sich bei der Arbeit und halten wichtige Beobachtungen im Arbeitsheft fest.
Beispielsweise:
- beim Setzen von Zielen
- Bei der Planung, Überwachung und Prüfung des eigenen Vorgehens
- Bei der Arbeiten mit verschiedenen Lernmedien - notieren Bemerkungen über sich als Lernende
- notieren Bemerkungen zum Lernauftrag, den Lernpartner, die Kollegen und die Lehrperson
- zu den Rahmenbedingungen
Beispiel Arbeitsheft “Skelett”
Arbeitsrückblick
Arbeitsrückblick nach einer Lernsequenz um festzuhalten, was persönlich gelernt wurde:
- Ziele erreicht?
- jetziger Lernstand?
- zielgerichtetes Vorgehen?
- eigene Schwächen und Stärken?
- Umgang mit Fehlern?
- Verbesserungen?
- Motivation und Interesse?
Festhalten in einem Lerntagebuch/Lernjournal
Arbeitsrückblick: Leitfragen
Ausführungsmodell
Die Lehrperson oder ein Schüler machen laut denkend vor, wie sie/er eine Aufgabe löst. Die andern Lernenden beobachten das Vorgehen:
– die Handlung unmittelbar beobachten – sich handelnd anregen lassen
– sich des eigenen Vorgehens bewusst werden – handlungsleitende Begriffe aufbauen
Klassenkonferenz
Periodisch werden persönliche Erfahrungen in grösseren Gruppen oder in der Klasse ausgetauscht:
- Lernerfahrungen
- Strategie- und Aufgabenwissen - anderen zuhören und daraus lernen - gute Lern- und Rahmenbedingungen - häufigste Probleme und Lösungsversuche - Fehlerquellen und Vermeidungsstrategien - …
Lernpartnerschaft
Zwei Lernende arbeiten über längere Zeit zusammen:
– von andern und mit andern lernen
– ein Wegstück der Lerngeschichte miteinander gehen – den andern beobachten, beraten, fragen, unterstützen – mit dem andern zusammenarbeiten
≠Partnerarbeit
Lernpartnerschaft: Schülerinnen schreiben sich
Auf dem Weg zum eigenständigen Lernen
Vom angeleiteten zum eigenständigen Lernen L macht Handlungen
vor. S ahmen nach
S denkt laut. S vergleichen
mit eigenen Strategien Ausführungs- modell
L beobachtet und kommentiert Lernprozesse
S beobachten eigenes Vorgehen und notieren Probleme, Erkenntnisse
Arbeits- heft
S arbeiten für sich allein S lernen mit und von anderen, helfen einander
Lernpartner- schaft
L begutachtet das Lernergebnis
S evaluieren selber das Vorgehen und Ergebnis
Arbeits- rückblick
L bespricht Arbeiten vor der Klasse
Klasse/Gruppe tauscht Lernerfahrungen aus
Klassen- konferenz
Verwendung der Instrumente
Ausführungsmodell
Selbstbeobachtung
Erfahrungen im Arbeitsheft festgehalten mit dem
Lernpartner besprochen Klassenkonferenz
Æflexibler und situativer Einsatz
Æausgelöst von der Lehrperson und den Schülern Æindividuell und sozial
Programm des Workshops
1. Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner 2. Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen 3. Forschungshintergrund
4. Studium von Schülerdokumenten 5. Diskussion von Fragen und Einsichten 6. Aufgaben der Lehrperson
Leitfragen zu den Schülerdokumenten
- Wie äussert sich eigenständiges Lernen in den einzelnen Dokumenten und Instrumenten?
- Wie würden Sie auf die Schüleräusserung reagieren?
Allgemeine Überlegungen
- Unter welchen Bedingungen könnten Sie sich den Einsatz der Instrumente vorstellen?
- Was sind ihre Bedenken?
Programm des Workshops
1. Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner 2. Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen 3. Forschungshintergrund
4. Studium von Schülerdokumenten 5. Diskussion von Fragen und Einsichten 6. Folgerungen für den Unterricht
Operationalisierung von eigenständigem Lernen
Selbständigkeit Eigenständigkeit im Lernen
Metakognitive Bewusstheit
anderen Hilfe zur Selbsthilfe geben (6-stufige) Qualität der Hilfe in
8 Unterrichtssituation
= MKB-Score
Beispiel zur mkB
X Sage dir nichts
Y Sedimentation bedeutet Ablagerung.
Z2 Schaue im Duden selber nach.
Z3 Du könntest aus dem Text das Wort versuchen zu erschliessen; du könntest aber auch im Duden nachschlagen oder deinen Lernpartner fragen.
Z4 Wie bist du in vergleichbaren früheren Situationen vorgegangen?
Z5 Wie könntest du das selber herausfinden?
Metakognitive Bewusstheit - Videotest
Æ4. Szene: “Was heisst Sedimentation?”
8 Unterrichtsszenen entlang des Lernprozesses:
Entwicklung metakognitiver Bewusstheit
0 2 4 6 8 10 12 14
Prä Post Follow
Kontroll Versuch
Beliebtheit der Instrumente
0 2 4 6 8 10 12
von 20 L setzten auf Rang 1
AH AM AR LP KK
L S Aus Lehrer- sicht
Aus Schüler -sicht
Umgang mit Fehlern
Erwartete und unerwartete Ergebnisse
Erwartete Ergebnisse Unerwartete Ergebnisse sign. Steigerung metakognitiver
Bewusstheit in den Versuchsklassen
langsame Entwicklung metakognitiver Bewusstheit in Kontrollklassen keine sign. Leistungssteigerung
über die 3 Fachbereichen
sign. Leistungssteigerung im Fach Mathematik
spez. Wirksamkeit bei Primarschü- lerinnen im mittleren Leistungen
keine sign. Wirkung bei Schülern mit geringer Leistungsfähigkeit grössere Bewusstheit führt zu
breiterem Strategierepetoire, das konsequenter umgesetzt wird
Dies lässt sich nur in Einzelfällen, aber noch nicht statistischen signifikant nachweisen Lernpartnerschaft als besonders
wirksames Instrument
allgemeine Steigerung des sozialen Klimas in den Versuchsklassen Schwierigkeiten mit dieser neuen Rolle. Auswirkung auf die didaktische Gestaltung von Unterricht und Beurteilungsformen neue Rolle des Lehrers als
Lernberater
Programm des Workshops
1. Merkmale eigenständiger Lernerinnen und Lerner 2. Metakognition und seine Bedeutung für das Lernen 3. Forschungshintergrund
4. Studium von Schülerdokumenten 5. Diskussion von Fragen und Einsichten 6. Folgerungen für den Unterricht
Folgerungen für den Unterricht
1. Das eigene Lernen verstehen ist eine wichtige Voraussetzung für eigenständiges Lernen.
2. Reflexionsinstrumente fördern den Aufbau metakognitiver Bewusstheit.
3. Lernpartnerschaften erleichtern das Lernen.
4. Eigenständige Lerner verfügen über ein differenziertes, gut organisiertes und verstandenes Sachwissen.
5. Mädchen profitieren von Lernpartnerschaften speziell.
6. Die Förderung eigenständigen Lernens muss unterrichtliches Prinzip werden.