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Notizen und Correspondenzen.
Die menschliche Lebensdauer nnd das Alter des Moses.
(Zu Band XXVIII, 489 f.) Von
Dr. Eberhard Nestle.
Nach Deut. 34,7 (31,2) jvar Moses 120 Jahre alt, da er starb :
jSeuie Augen waren nicht dunkel geworden und seine Kraft war
nicht verfallen" ; nach Gen. 6,3 soll das menschliche Leben über¬
haupt 120 Jahre dauern. Ich zweifle nicht, dass zwischen beiden
Traditionen ein ursprünglicher Zusammenhang besteht, fraglich
könnte nur sein, welcher von beiden die Priorität zukomme, ob
man glaubte, Moses sei 120 Jahre alt geworden, weil dieses Alter
für die Normalhöhe menschlichen Lebens galt, oder ob man jene
Zahl für die menschliche Lebensdauer festsetzte, erst nachdem man
glaubte, Moses sei so alt geworden, und niemand dürfe, auch in
diesem Stück nicht, den ersten der Propheten übertreffen: non
numerabis annos Mosis. Das erstere ist wahrscheinlicher; dass
aber schon in alter Zeit ein solcher Zusammenhang zwischen diesen
beiden Traditionen aufgefunden wurde, zeigen die interessanten
Mittheilungen, die Geiger in dieser Zeitschrift a. a. 0. gemacht hat.
Ich habe mir aus Anlass dieser Mittheilungen damals die
Preiheit genommen, mich wegen jenes Zusammenhangs brieflich an
Geiger zu wenden und ihm auch die Frage vorzulegen , ob ihm
nichts über eine Tradition bekannt sei, nach welcher Moses nicht
120, sondem 125 Jahre alt geworden sei. Kurz zuvor war ich
nämhch auf folgende höchst interessante Stelle in der Vita Claudii
des Trebellius Pollio c. 1 (Scriptores hist. latin, veteres ed.
Hauris, Heidelb. 1743 fol. II, S. 397») gestossen: Doctissimi Mathe-
maticoram centum et viginti annos bomini ad vivendum datos
judicant , neque amplius cuiquam jactitant esse concessum :
etiam illud addentes, Mosen solum, Dei (ut Judaeorum libri lo¬
quuntur) familiärem, CXXV annos vixisse: qui quum quereretur
quod juvenis interiret, responsum ei ab incerto ferunt numine,
510 Notizen und Correspondenzen,
neminem plus esse victurum. In der freundlichsten Weise beant¬
wortete Geiger den Brief am Tage, an dem er denselben erhielt
(22. October 1874). In der folgenden Nacht machte ein Schlag
seinem für die Wissenschaft so reichen Leben ein plötzliches Ende ;
man fand den beendeten Brief auf seinem Pulte , das letzte , was
seine Hand geschrieben; eine Abschrift desselben hat mir sein Sohn,
Dr. Ludwig Geiger, seiner Zeit freundlichst zugestellt. Unter
Verweisung auf seinen ausführlichen Artikel im ersten Band der
„Jüdischen Zeitschrift für Wissenschaft und Leben" S. 179 S. be¬
kennt sich Geiger zu der Ansicht, dass die 120 Jahre in Gen. 6
nicht" das menschliche Lebensalter, sondem die Zeitdauer bis zum
Eintreffen der Plut angeben sollen, hält aber den ganzen Vers
für eine spätere Einschiebung. „Jedenfalls," fährt er fort, „sehe
ich keinen Zusammenhang zwischen den 120 Jahren in Gen. 6,3
und dem Lebensalter Mose's; man hat einen solchen erst dann
gefunden, als man nicht wusste, was mit unsern 120 Jahren an¬
zufangen, sie daher auf das allgemeine Lebensziel des Menschen
deuten musste, und da doch dies zu keiner Zeit zutraf, eine Be¬
ziehung auf Moses suchte. — Die Sage bei Pollio, die Sie bei¬
bringen, steht natürlich auch damit im Zusammenhang, und denke
ich, dass CXXV lediglich Schreib- oder Drackfehler ist für CXX.
Mir ist keine Andeutung sonst von 125 Jahren bekannt."
So weit Geiger. Es dürfte nun zwar nicht angezeigt sein,
die Zahl 125 in 120 zu ändem, denn aus dem Wortlaut der an¬
geführten Stelle scheint deutlich hervorzugehen, dass Moses eine
Ausnahme gemacht und die für andere Sterbliche höchste Zahl
von 120 Jahren noch überschritten habe; dass die Stelle aber auf
Gen. 6 und Deut. 34 hinweist, ist nicht zu verkennen. Wie aber
die Angabe von 125 Jahren des Moses zu erklären sei, kann ich
nicht sagen; vielleicht ist jemand anders im Stande das Dunkel
derselben aufzuhellen. —
Nachschrift. Dies diem docet: längere Zeit nachdem
vorstehende Bemerkung niedergeschrieben war, fand ich im Ein¬
gang der syrischen Kirchengeschichte des Gregorius Barhebraeus
(ed. , Abbeloos et Lamy I, col. 7) die Angabe, Aaron sei im 87.
Lebensjahr des Moses Hoherpriester geworden und habe 38 Jahre
seines Amts gewartet: das ergiebt für Moses obige Zahl von
125 Jahren, vgl. Theol. Lit. Zeitg. 1878, Sp. 488. Woher stammt
diese den biblischen Angaben völlig widersprechende Berechnung
und die seltsame Uebereinstimmung zwischen Trebellius Pollio
vmd Barhebraeus?
Notizen und Correspondenzen. 511
Ueber eine pehleTisch-arabische Mflnze.
Von C. Salemsnii.
S. 105 f. dieses Bandes der Zeitschrift bespricht Herr Dr. Mordt¬
mann die pebleviscbe Inschrift einer bihnguen Münze (No. 16), die
er auf Grund aus Beladori und Ibn el Atir geschöpfter Nachrichten Rukad Ateki.
Bin Eschat.
lesen zu können glaubt. Ich muss gestehen, diese Lesung für ver¬
fehlt zu halten, da sie einerseits den Schriftzeichen erheblichen
Zwang anthut, andererseits das arab. ^ auf den pehl. Münzen stets
durch das patronymicum auf än wieder gegeben wird. Im ersten
Augenblicke vermeinte ich
_J (fOÜ t|üf^ 1 irmb ^c>ß\ c^^w^aJ
l(W ^ Nba
zu sehen, als üebersetzung des arabischen aJUl "iS »Jl "Jf; wobei
nur störend war, dass der letzte Buchstabe der ersten Zeile bei
dieser Deutung unberücksichtigt bleiben musste. Die vollständige
Beschreibung der Münze ZDMG VIII, 170 No. 864 bietet aber
auch ihre arabische Legende »JL! fS»- "i und diese leitete auf
die ricbtige Lesung
.Aj'JOü ifCjl^ -laiHNT in-iib o^/*^
(»üü inT-ii Nba Ojj| ^\
,Es ist kein Herrscher (Gesetzgeber) ausser Gott". Könnte man
niiairiNT lesen, so wäre die üebersetzung nocb ge¬
nauer. Zu J:^^ Nba päz. be, ave, awe bemerke ich, dass es
nicht nur ,ohne", np. ^ C,^') sondern auch „ausser" bedeutet;
vgl. die Glossare zum Ardäviräfnäma und Minochirad.
Wir haben somit neben den bihnguen Münzen mit blossen
Eigennamen hier eine mit einem vollständigen Satze, — meines
Wissens die erste , welche bekannt geworden. Mordtmann selbst,
und ebenso Thomas, sind nah an der richtigen Lesung vorbei
gegangen; erwarteten sie nicht Eigennamen zu finden, so wären
sie zweifellos auch auf die richtige Deutung verfallen.