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Balücische Texte mit Uebersetzung.
Von Wilh. Geiger.
II.
Das erste der beiden Stücke, die icb in Text und üebersetzung
mittheile, stammt aus den Materialien, welche Dames mir zur
Verfügung gestellt hat (vgl. meine „Lautlehre des BalüJSl" S. 5—6);
es ist somit vollkommen neu. Leider sind die übrigen Stücke
meiner Sammlung poetisch und daher so schwierig und dunkel,
dass sie sich vorläufig kaum zur Veröffentlichung eignen dürften.
Es ist kein Zweifel, dass alle balü6ischen Dichtungen zwar sehr
alt sind, aber dadurch, dass sie lange Zeit nur mündlich überliefert
wurden, zahlreiche obsolete, ja wohl auch entstellte und verdorbene
Formen enthalten, so dass sie zwar im Ganzen verständlich sind,
im Einzelnen jedoch unlösbare Schwierigkeiten bieten. Die zweite
Erzählung, die inhaltlich allerdings zum Theil recht schwach ist,
wurde dem neuerdings erschienenen „Text-Book of the Balochi
Language' von Dames (Lahore 1891) entnommen, und soll auf
dieses wichtige Werk hinweisen , das sich bis jetzt wohl nur in
wenigen Händen befinden dürfte. Den Text selbst änderte ich nur
in ein paar Kleinigkeiten , wo mir ein Missverständniss vorzuliegen
schien, die Uebersetzung habe ich hinzugefügt.
In den erläuternden Anmerkungen habe ich mich fast ganz
auf die Angabe der wichtigeren LW. aus dem Sindhi beschränkt.
Die üebersetzung, welche sich dem Originale eng anschliesst und
die durch ihre seltsame ümständlichkeit charakterisirte Ausdrucks¬
weise des Balütl , so weit es möglich ist , beibehält , mag im
Uebrigen als Commentar dienen. Der von mir und meinem Collegen
Kuhn geplante „Grundriss der Iränischen Philologie" wird mir
ohnehin in Bälde die Gelegenheit geben, die Grammatik des BalüSi
in den Hauptzügen darzustellen. Nur auf drei Punkte, die für
das Lesen balü^ischer Texte von Wichtigkeit sind, möchte ich in
Kürze hinweisen :
1) Das Baluci kennt keine oratio obliqua. So
lautet beispielsweise I, 14 in wörtlicher üebersetzung: „den Ring
erkannte er: er ist der meinige'. Vgl. 1, 20: „er sah: ich bin
ein Weib . . .', ebenso 1, 24, 25, 27 u. s. w., 11, 5: er sah: „es ist
3 1 *
Geiger, Balücische Texte mit üebersetzung. 441
eine Peri; nach dem sie gebadet hat, ist sie eben im Begriffe die
Kleider anzulegen."
2) Das transitive Verbum v\rird im Präteritum
passivisch construirt, d. h. statt „ich habe dies gethan"
sagt der BalüSe: „dies wurde von mir gethan". So sind 1, 1 die
Worte mi'räjä vahlän zurfa wörtlich zu übersetzen „er wurde
von Engeln in die Höhe getragen". Ebenso I, 4: „wie von dem
Tiger der Rachen geöffnet wurde (das Suffix -l der 3. Pers. sing,
wiederholt, wie dies öfter geschieht, am Verbum das schon voraus¬
gegangene nom. agentis mazärär), da wurde vom Prophetea der
Ring vom Pinger gezogen und in den Rachen des Tigers geworfen".
Und so sehr häufig. Durch eine Vermengung der activischen und
der passivischen Construetion können selbst Sätze entstehen wie
I, 8 mä t'arä paidä Ic'u&a „ich habe dich geschafi'en", wtl. : „a me te creatus est."
3) Beachtenswerth ist endlich im BalüöT der Gebrauch des
sog. Absolutivs auf -t^ö. Dasselbe ist speciell dem Nordbalüßl
eigenthümlich, hier aber in sehr ausgedehnter Verwendung. Es
kann sowohl auf das grammatische wie auf das logische Subject
sich beziehen, wie das Absol. im Sskr. Vgl. I, 23 cw/c'e ]ar zurtö
Su&a daryä Ic'arayä, wtl. „des Kindes Kleider genommen habend
ging sie an das Flussufer" ; II, 4: än bac' mazain bi&ö rösä
Hhär h'u&at^i, wtl. „dieser Knabe gross geworden, wurde am
Tage von ihm Jagd gemacht." Aber auch in ganz freier Con¬
structionsweise kommt das Absolutivum vor; so z. B. II, 24:
naryän m&o, läy ä^tö düma j'akitfa, wtl. „das Pferd fortgegangen,
ein Esel herbeigekommen trat vor ihn hin", und ähnliche Fälle.
Ich bin übrigens der Ansicht, dass wir es bei dem sog. Absolutiv
ursprünglich mit einer Verschmelzung des praet. auf -ta mit
der Copulativpartikel 5 zu thun haben.
Was schliesslich die Sprache unserer Erzählungen betrifft, so
sind dieselben in dem Mazäri-Dialect verfasst. Wie uns nämlich
Dames (Textbook S. 1) jetzt mittheilt, zerfällt das Nord-BalüSi
wieder in zwei Unterdialecte, einen nördlichen, den Le;'ärl-Dialect,
und einen südlichen , den Mazäri-Dialect. Die Bezeichnungen sind
gewählt nach den bedeutendsten Stämmen, welche den betreffenden
Dialect reden. Das Lej'ärl, in welchem z. B. alle die von Lewis
mitgetheilten Erzählungen verfasst sind, unterscheidet sich vom
Mazärl namentlich durch stärkeren Zerfall der Endungen. Die
Pluralendung -ant wird im L. -tw oder -än, das ausl. -& der 3. sg.
aoi-. fällt ab (z. B. L. dä = M. däd-), ebenso das -& der 2. pl.
imp. Charakteristisch für das Le/äri ist auch der Uebergang von
m in iiv, (also L. denvä = M. demä), ferner gewisse Eigenthüm¬
lichkeiten im Wortschatze, wie z. B. nyänvän für M. läfä. Ich
möchte diese Notiz als Nachtrag zu meiner Abhandlung über
„Dialectspaltung im Balütl' angesehen wissen, in welcher noch kein
Versuch zu einer Gliederung des Nord-Balü6i gemacht werden konnte.
442 Geiger, Bahicische Texte mit Uebersetzung.
I. Legende vom Propheten.
A. Text.
1. An rösä Ici Hazrat Rasülu'lläh arsä su&a, mi'räjä
vahlän zurfa; hapten azmänän burzä gvast'a, gudä p'ristayän
gvast'a: „mä demä iud na bün^), ki main p'ar suiant."
2. Dastgir Bädsäh, ki Hazrat P'lr gvänjanant-e , äytö k^öfay
dä&ai , köf ayä sarä labay ^) er-k'ud-ayant-l , cari&ö su&a.
3. gudä Hazrat Nablä p'armainta Dastgir Bädsahärä ki: „malii
kadam t'ai cak'ä-en, t'ai kadam hamü p'lr cak'ä-en. 4. dümä
iu&ö, mazäre öitä&lyen ; mazärä ki daf p'ati&ai, Nablä vindö ^) az dastä k'a&tö mazärär ma dafä dä&al". 5. niii ki su&5
mi'räjä häzir bi&a, Hu8ä p'armainta ki: „cädarü nyämä k'arö
k'anP. pardah süngü." 6. iiädar ki k'arö bl&a, ya demä HuSä
bi&a, ya demä liasidu'llüli bl&a. 7. Hudä p'armaint'a: „main
döst!" Rasülu'lläh gvasta: „mäin döst!'' 8. Huöä p'ar¬
mainta : „mä tarä paidä k'u&a, mä havän deh, diyär, 'ars-kursi
t'ai k'uiiyä k'u&ayant; ay mä t'arä paidä na k'u&ün, ta mä
bäki ji/iäii paidä na k'uü". 9. gudä Rasülä gvaita: „väzä!
mail t'ai ginday västä äy^tayän." 10. gudä Huöä p'armainta:
„0 maiii döst! yö tö mä jäiz k'u&a, ki ya-röse mail va&l demä
t'arä p'Svdärän: kiyämat rösä gö va&i ummatä p'ajyä ay fö
ginde, gudä havän. rösä t'arä p'edärän-l.'^ 11. Nabui gvasta:
„dlSür kiyämat rösä k'anän, ki main ummat dt tal demä gindi.''
12. cyärglst-ö-dah hazär tauy-tavär*) k'u&a-ü ma ya safä;
hazdak sälä ya iaf bl&a. 13. Rasülu'lläh v'ard ki äyta, gudä
gvastal : „wzö .' mä i vak'ä nayan mund'ö na värtaHuSä
p'armaint'a: J'ö bavar! yak'i- di gö tö p'ajl värt'.'' 14. Nablä
ki nayan värt'a, ya daste 's kaväTi cädarä gvast' k'äyta&, v'ard
zurta&-l; havän. vindö, ki mazär dafä dä&al, nin haväri dast-
murdänä p'ajyärtai ki maiyün. 15. gudä mökal bl&a Nabiärä,
t'ar&ö handä äytal ; cönän äyta ki kundö *') täke ludaye&
haveTirgä ki juzay vayta ludayii&. 16. äytö kissav k'u&al ki:
„hameTir'gä tikkäiyä t'ar&ayän , ya iaf bl&a hazdah sälän."
17. gudä bakkalt'ä gvasta: ,,gindän, ciytarün mazain mardän,
iiytarüTi dröyi' bandayiii." 18. rö«(", HuSäi bl&a, havän bakkalä
mähu' giptö dä&a zälär p'a cillayä gvaital: „man raväh havän
d'andä '•), jün di .södän, äf-g'aröä di p'urk'u&l k'äräii." 19. iu&a 1) bfiag oder lanag in Verbindung mit dom part, praet. dienen im B.
zum Ausdruck der Mögliciilieit, z. 15. leut nalcant (sb.) „er kann niclit tliuu".
2) = Si. laila „a bundle of faggots etc., a load" (Stack).
3) = Si. vhl'd.
4) Si. tavära und ar. taux.
5) Si. mund'ö „from tlie first, from tlie top, in tho least, in any degree."
Vgl. II, 18.
6) Si. küd'ü „an iron staple."
7) Si. d'ad'a „pond, lake, tank".
Geiger, BalUcische Texte mit TJebersetzung. 443
ki bakkal daryä k'arayä, töpi dl er-k'u&al, kaui dier-hu&al,
g'arö di er-k'udai, p'ehi&a ma daryä läfä jän söSayä p'a.
20. tvibi ki ja&al äf-az dar k'aptai , gindi: man zäl-ün; nen
mam jar Or-ant, nsn mäin g'arö-en, tl diyär-en, tl hand-eh,
man zäl bi&ayäh; kandlä^) k'indariä bl&ö nista. 21. äyta ki
avzäre, zurtö mädin zOn p'v^stä cärent'al; iu&ö burt'ai va&l
iahrä, sir k'u&ai. 22. havd cuk' paidä bi&ayant-i. 23. röse
p'adi cuk'e jar zurtö iu&a p'a iödayä daryä k'arayä; su^tö
rösä p'irentayant-i , andarä p'ehi&a jän iödayä. 24. ja&al ki
tubi, dar-k'aptö gindi ki: man mard-än, öll hand-en, dillö di
er-en, kaui di töpi dl er-ün, havän bakkal-än. 25. tar&ö tik¬
käiyä i-u&a löyä, gindi : havän mählä zäl haven-r'gä ya pahnäöä
cillayen. 26. gudä zälä gvasta: „fa daryä iu&ayäi yä-nOm-rähä
far&ayäi? iitäfiä äytayäi.'' 27. ,raw/"^) gvaitö, „mah bäz säl
gvast ayän." gudä häl va&l dä&al; gudä kabiil k'u&a ki:
paiyambar kissav räst-Bh; äytö Musalmän bi&a.
28. Paöä Rasülu'lläh nä-duräh bl&a, mardume äyta galöä
dastay ja&al, k'arkent'at 29. dätär gvaital: „barö gind-l
cacöen banda-en, eil naik cl-ant." 30. dälä ki äytö di&a gvaital :
„esi sijdl*) e bandl bandayänl nen." 31. Rasülä gvaita: „ö
Azräil-en ; äyta main säh girayä. ta barö gvai ki; hazdah säl
mnih umrä dälh asteh, barö az Huöä p'ölä k'an." 32. Dälä
havän-r'gä gvaita. Azräil iu&a gvar Huöä, gvaital ki: „väzä!
fal döst gvaiayeh ki: hazdah säl malh umrä dälh asteh; fal
cl hukm-eh? " 33. Hudä p'armainfa: „barö, malh döstär gvai:
fäl hazdahah sälän ya safä ml'räj vaytä fa gvast aye; 34. fäl
saläh-eh, mah hazär säl farä vadainäii ^) ; fa iara' kabül k'anü,
fal vayt hamei-eh." 35. äytö Azräilä haveh-r'gä d,asi&al^);
gvaital : „manäh manziir-eh, gvaz biyä." 36. äytö Azräil senayä
zör-dä&ai säh k'aiayä p'a. 37. Nablä gvaita: „Azräil, fa la,
manäh zörä deayäl main ummatär dl hamiytareti zöre. deäi?"
38. Azräilä gvaita : „ fai ummatärä mah p'ancen mördänay zör
deäil; farä mah ya mördän zör deayäh". 39. gvaita Nabiä:
„har p'ancen mördänay zörä manäh dai, ya mördän zör um¬
matär dai! " 40. gudä faut bl&a Paiyambar.
B. Uebersetzung.
1. An dem Tage, wo der heilige Sendbote Gottes in den
Himmel kam, trugen ihn Engel in die Höhe. Er stieg durch die
sieben Himmel empor ; da sprachen die Engel : „Wir können nicht
weiter vorwärts kommen, weil unsere Flügel verbrennen." 2. Dastgir
1) Si. käd'l „the bank of a river".
2) Si. rana „widow, harlot".
3) Das Verb, ist mir bisjetzt sonst nicht begegnet; viell. = Si. Icarkanu.
4) Si. sijili „neatnes, arrangement, order, method".
5) Dames vergleicht panj. vadävan. Text Book, Vocabulary u. d. W.
6) Si. dasaiiu „to point out, show".
444 Geiger, Balüiiisclie Texte mit Uebersetzung.
Bädsbäh, den man Hazrat Plr nennt, kam herbei und bot ihm
seine Schulter ; sie hoben ihn auf die Schulterund er stieg
hinauf. 3. Darauf sprach der heilige Prophet : „Meine Füsse ru.Äen
auf dir, deine Füsse auf allen Heiligen.' 4. Nun ging er weiter.
Da stand ein Tiger da. Wie aber der Tiger den Rachen öffnete,
nahm der Prophet einen Ring von der Hand tind warf ihn dem
Tiger in den Rachen. 5. Wie er nun oben angelangt in Gottes
Gegenwart sich befand, da befahl Gott: „Zieht in der Mitte ein
Stück Tuch auf als Vorhang.' 6. Nachdem das Tuch aufgezogen
war, befand sich Gott auf der einen, der Sendbote Gottes auf der
anderen Seite. 7. Gott sprach: „Mein Freund!' Der Prophet
antwortete: „Mein Freund!' 8. Gott sprach: „Ich habe dich ge¬
schaffen ; ich habe dieses Land , die Erde , den Himmelsthron dir
zu Liebe geschaffen ; wenn ich dich nicht geschaffen hätte, so würde
ich auch die übrige Welt nicht geschaffen haben.' 9. Darauf sagte
der Prophet : ,0 Herr ! ich bin gekommen dich zu sehen.'
10. Darauf sprach Gott: „Ich habe mit dir die Uebereinkunft ge¬
troffen, dass ich mein Angesicht dir eines Tages zeigen werde:
wenn du am Tage der Auferstehung mit deinem Volke mein An¬
gesicht sehen willst, so werde ich es dir zeigen.' 11. Der Prophet
sagte : „Ich will es am Tage der Auferstehung schauen, damit mein
Volk es auch sehe.' 12. Sie hielten 90000 Unterredungen ab in
einer Nacht, 18 Jahre dauerte die Nacht. 13. Als des Propheten
Speise kam, da sagte er: „Herr! ich habe noch nie allein mein
Brot gegessen.' Da sprach Gott: „Iss du nur! noch einer wird
mit dir zusammen essen." 14. Wie nun der Prophet sein Brot
ass, kam eine Hand aus jenem Stück Tuch hervor, sie näherte sich
und nahm Speise; den Ring aber, welchen er in den Rachen des
Tigers geworfen hatte, erkannte er jetzt an dem Finger jener Hand
als seinen eigenen. 15. Darauf wurde der Prophet verabschiedet;
er kehrte um und kam nach Hause, so kam er, dass der Schloss¬
haken an der Thüre sich noch ebenso bewegte, wie er zur Zeit
seines Fortgehens sich bewegt hatte. 16. Angekommen erzählte
er: „So schnell bin ich zurückgekehrt, und doch war die eine
Nacht achtzehn Jahre lang." 17. Da sagte ein Händler*): „Ich
sehe, was für ein grosser Mann er ist und wie sehr er lügt."
18. Eines Tages fing nach Gottes Willen jener Händler einen Fisch
und gab ihn seiner Frau ihn abzuschuppen und sprach: „Ich will
zum Teiche gehen, ein Bad nehmen und den Wasserkrug gefüllt
holen.' 19. Wie der Händler an das Ufer des Flusses kam, legte
er seine Mütze und seine Schuhe ab, stellte den Krug weg nnd
stieg in das Wasser hinein um zu baden. 20. Nachdem er ge-
1) Uames: „he placed his feet on his shoulder."
2) Dames bemerkt am Rande: „the shop-keepers known to the Balochees are all Hindiis, and in this story the Unbeliever is represented as a Hindü shop-keeper."
Geiger, Balüiische Texte mit Uebersetzung. Ub
taucht hatte und aus dem Wasser herausgestiegen war, merkte er,
dass er ein Weib sei, dass weder seine Kleider noch sein Krug
da seien , dass es eine andere Gegend , ein anderer Platz sei, dass
er ein AVeib geworden; da setzte er sich, nackt, wie er war, am
Ufer nieder. 21. Da kam ein Reiter, ergriff ihn, setzte ihn hinter
den Sattel seines Pferdes, brachte ihn in seine Stadt und heirathete
ihn. 22. Sieben Kinder wurden von ihm geboren. 23. Eines Tages
nahm er des jüngsten Kindes Kleider und ging, sie zu waschen,
an das Flussufer; wie er sie gewaschen und an die Sonne gelegt
hatte, ging er selbst hinein um zu baden. 24. Wie er untergetaucht
und heraus gestiegen war, merkte er, dass er ein Mann sei, dass es
wieder die frühere Gegend sei, dass auch der Wasserkrug dastehe
und Mütze und Schuhe vorhanden seien, kurz, dass er wieder jener
Händler sei. 25. Er kehrte um und ging schnell nach Hause, da
sah er, wie sein Weib jenen Fisch noch ebenso auf einer Seite ab¬
schuppte. 26. Da sagte das Weib: „Bist du zum Flusse gegangen
und auf halbem Wege nmgekehrt? Du bist schnell wieder ge¬
kommen.' 27. „Fran', sagte er, „ich habe viele Jahre verbracht.'
Dann erzählte er ihr sein Erlebniss. Nnn erkannte er, dass die
Erzählung des Propheten wahr sei. Er kam zu ihm nnd ward
ein Gläubiger.
28. Später war der Prophet krank; es kam Jemand, griff an
die Thüre und rüttelte daran. 29. Er sprach zu seiner Dienerin:
„Geh' und sieh , was für ein Mann es ist und wie er aussieht.'
30. Die Dienerin kam, sah ihn nnd berichtete: „Sein Aussehen ist
nicht wie das von Lenten dieses Ortes." 31. Der Prophet sagte:
„Das ist Azräil; er ist gekommen, meine Seele zu holen. Gehe du
und sage : noch sind achtzehn Jahre meines Lebens übrig , geh'
und frage Gott." 32. Die Dienerin sprach so. Azräil begab sich
zu Gott und sagte: „Herr! dein Freund sagt, es seien noch acht¬
zehn Jahre seines Lebens übrig ; was ist nun dein Befehl ?' 33. Gott
sprach : „Geh' und sage zu meinem Freunde : deine achtzehn Jahre
hast du in einer Nacht zur Zeit deiner Himmelfahrt verbracht ;
34. wenn du den Wnnsch hegst, so will ich dir das Leben um
tansend Jahre verlängern ; gehorchst dn aber dem "Schicksale, so
ist deine Zeit diese.' 35. Azräil kam nnd setzte es ihm so aus¬
einander; der Pro]}het sagte: „Es ist mir recht, trete ein und
komme.' 36. Azräil kam und presste ihm die Brust, um ihm die
Seele zu nehmen. 37. Der Prophet sprach : „AzräU, wirst du mein
Volk ebenso stark pressen, wie du mich pressest?' 38. Azräil
erwiderte : „Dein Volk werde ich mit den fünf Fingern pressen, dich
presse ich nur mit einem Finger.' 39. Der Prophet sagte : „Presse
mich mit allen fünf Fingern , mein Volk aber mit einem Finger.'
40. Hierauf verschied der Prophet.
446 Geiger, Baliieisehe Texte mit Uebersetzung.
II. Kismat Pari.
A. Text.
1. Ya hüdsühe-a& , bao' na bi&al, oz faqiräh neyeri du'ä
löt&al. faqirä p'armatni'a ki: „fai mastür rö&, safeä daryä
k'arayä nindid", neyen du'ä löti&, gudä Hudä farä bac'e däß-.*
2. bädsähä va&l mastürär gvasta : „tau barö , ya safeä nind
daryä k'arayä, kaizäh Huöä baii'e dä&.'' su&, bädsähzädi
nistai daryä sarä, ne^en du'ä löt&ai. 3. sve-riseh marde dar
k'aptö äyta az daryä, cäpöl zäl p'usfä ja&ai kt: „Huöä farä
bai'e dä&, barö va&i löyä, k'us bl!" su&ai löyä, p'ilaven vaytä
zä&ö bac'e ärfai. 4. k'arde säl p'aöä äh bau' mazain bl&ö
rösä sikär k'u&a&i, begahä bäy sail wästä k'äyta&. 5. röse
farfaräna äyta, ask'u& ki äf-dör ') läfä k'ase k'aptö jänä Soda-
yeii. nazi äytö gindi ki: Parl-en; jän susfö jaräh k'anayeh.
6. p'öl-k'u&al ki: „ta k'ai-tnl" gvastai ki: „man Pari-än, main
näm Kismat-Pari-eh." tauy k'u&ö bäi gipta havän Pari azmän
p'alavä; sähzäda löyä äytö Jm/> ") k'u&ö akist'a. 7. k'ards rös
p'aöä vazirä bädsäh-as p'öl-k'u&a ki: „fai bac' p'ac'e münj'äiä ')
nistayeh?" 8. bädsähä gudä bac'är gvän-j anaint a ki : „fö va&i
hälä dai." sähzädä gvasta: „balö, Kismat-Pari ! * tl fauy na
k'u&ai. gudä bädsähä p'armainfa ki: „sahar dari demä ya
faqir-eh; haväh farä haven häl dä&." 9. su&a ki sähzäda
hamööä gindi ki haväh faqlr nistiyen, c'örav cyärek d^mä levah
k'anayant; hec'i k'ühi janayeni, hec'i tahlänkä deayeni, hec'l
gösä 6ikayeni. 10. sähzäda su&ö cup-k'u&ö östä&a; faqira
gvasta ki „sähzäda ! tö p'ac'e gö mä lev na k'ane ?" sähzäda
gvasta: „balö! Kismat-Pari dastä manäh dai !" 11. faqirä dast
dräz k'u&a ki: „äh sahrä gindayäi?" sähzäda ki väj'entö di&al
ki sahr p'eöäy-eh. faqirä gvaita ki: „barö haveh sahrä."
12. sähzäda i-u&ö darainta; asulä haven sahr dlr-a&; faqirä
gö karämaiä näziyä sahrä ku&ai. 13. hasiumi rösä sähzäda
rasi&a hamööä; barö& caräna, gindi ya bäy-eh, bäy nyähväh
palangü k'aptayeh, sarbarä sejband nlstayen&iyeni. 14. sähzäda
su&ö cari&a, bi&ö vapta. haväh palang Kismat-Pariiy-a&.
15. äytö Kismat-Pari gindi ki: „mardü maih palang sarä vap-
tiyeh." häyä k'u&ö gvastai ki: „fö k'ai-e hi maih palang sarä
vaptiyH?" 16. sähzäda gvasta ki: „mah p'ilän bädiäh bac'-äh."
k'ui bi&a Kismai-Pari sakiyä gö e hälä: „suyun k'u&ayäh ki
haväh mardä gö slr-k'anäh ki biyäi&i main palang sarä bi-
yakisi ; niii mah k'üs-äü hi bädsäh-bac' äxta. farä sir-k'anäh."
17. su&a gvar va&i mä&-ö-p'i&ä ki: „nih. esiyärä manäh sir-
kfane dastä däe." ähhäü gvasta ki: „mä esiyär air-k'anüh na
1) Si. d'örö „a hollow, a low spot in which water rests, a pond."
2) Si. lujm „silence".
3) Si. munj'aim „to tangle, be perplexed, confused."
Geiger, Balühische Texte mit Uebersetzung. 447
düüri, kt esänt bandänl 'umra k'amm-i, matti parläni 'umra dö
dö hazär säl-eh." 18. gudä Kismat-Pariä gvasta ki: „mä suyun
k'u&a, ti-k'ase na girän." p'i&ä gvasta ki: „man di gusayän
tfai mä& di gviayen ki esiyärä mä farä mund'ö na däün."
19. Kismat-Pariä gvasta ki: „mah gö sara'eä haqq-nikäh girayän-i,
savä manäh ilayä ne&; juz manäh, Rasülu'lläh gvar sar'ä k'anüh ;
Rasülu'lläh manäh hukm dä&-i, mah k'anän-i, hukm na dä&-i,
mah na girän-i." 20. p'i&ä gvasta ki: „juz, mah gö fö gön-äh."
Kismat-Pari, p'i& di mäd- di sar ■giptayant gö Rasrdu'lläh.
Kismat-Pariä va&i häl dä&a; mä&-ö-p'i&ä va&i häl dä&a. —
21. NaryänH havän vaytä, gö fangaveu sanjä sanj-bi&iyä, äxtö
sähzäda demä östä&ö gvastai ki: „fö malh sarä zavär bi, mah
farä javäin savädä p'ed-äräh." 22. sähzäda cari&ö nistai, bäi
giptö naryän su&a ma Rasülu'lläh kacehriä. 23. gindi& ki
Kismat-Pari ö esl mä&-p'i& östä&iyeu. äh vayt naryän berö
k'u& ö far&ö handä ä-^ta ; sähzäda bäyä er-k'apta ; haväh palangä bi&ö nista. 24. gindi ki, naryän Su&ö, läy sanj-bl&lyä äytö
demä j'ald&a. ') läyä gvasta ki: „fö naryän saväd di&ai^, nih
malh sarä car, mah di farä savädä p'ed-äräil." 25. zavär bi-
&al haväh läy sarä; bal gipta ki läy hamöää bädsäh jind
.iahrä; äytö er-k'apta. 26. sähzäda ö Kismat-Pari p'a-va&äh
melä^) na bi&a; daniyara gusant ki yak-aptlyä p'öläna märi-
ravayant.
B. Uebersetzung.
1. Es war einmal ein König, der hatte keinen Sohn; er ver¬
langte daher von den Fakirs einen Segen. Der Fakir sprach :
„Deine Gemahlin soll sich aufmachen , soll sich zur Nachtzeit am
Flussufer niedersetzen und Segen erflehen, so wird Gott dir einen
Sohn geben." 2. Der König sprach zu seiner Gemahlin: „Mache
dich auf, setze dich in einer Nacht am Plussufer nieder, vielleicht
schenkt Gott dir einen Sohn." Die Königin ging, setzte sich am
Flusse nieder und flehte um Segen. 3. Da tauchte ein weiss-
bärtiger Mann auf aus dem Flusse und gab der Prau mit der
Hand einen Schlag auf den Rücken mit den Worlen: „Gott wird
dir einen Sohn geben; geh nach Hause und sei gutes Muthes."
Sie ging nach Hause und wie die Zeit um war, gebar sie und
brachte einen Sohn zur Welt. 4. Etliche Jahre hernach war der
Sohn herangewachsen und pflegte nun tagsüber zu jagen , des
Abends aber , um sich zu ergehen , in den Garten zu kommen.
6. Wie er eines Tages so auf und ab ging, hörte er, vrie jemand
in dem Wasserbassin drinnen badete. Er ging hinzu und sah,
dass es eine Peri war, die gebadet hatte und sich nun ankleidete.
6. Er fragte sie : „Wer bist du ?" Sie antwortete : „Ich bin eine
1) Das Verb, ist mir unbeliannt.
2) Si. meti „an aequaintance" melu „soeiety, concord".
Bd. XLVII 30
448 Geiger, BalüliscJie Texte mit Ueliersetzung.
Peri , mein Name ist Kismat-Pari.' Wie sie so gesprochen , flog
sie fort zum Himmel der Peris; der Prinz aber ging heim, redete
kein Wort und legte sich schlafen. 7. Etliche Tage hernach fragte
der Vezir den König : „Warum sitzt dein Sohn so traurig da ?'
8. Der König liess seinen Sohn rufen und sagte: „Theile mir mit,
was dir fehlt." Der Prinz sprach: „Ach, Kismat-Pari !' sonst sagte
er kein Wort. Da sprach der König: „Draussen vor der Stadt
ist ein Fakir, der wird dir Aufschluss geben." 9. Der Prinz ging
dorthin und sah einen Fakir sitzen und vier Knaben trieben vor
ihm ihre Spiele 10. Der Prinz trat herzu und blieb
schweigend stehen. Der Fakir fragte ihn : „Prinz ! warum spielst
du nicht mit uns?" Der Prinz rief: „Ach, die Kismat-Pari ver¬
schaffe du mir!" 11. Der Fakir streckte die Hand aus: „Siehst
du jene Stadt ?" Der Prinz schaute hin und sah , dass da eine
Stadt sichtbar war. Der Fakir aber sagte : „Gehe in diese Stadt !"
12. Der Prinz machte sich auf den Weg; allein die Stadt lag
ferne, der Fakir aber brachte ihn auf wunderbare Weise in ihre
Nähe. 13. Am achten Tage gelangte der Prinz dorthin, er erging
sich in der Stadt und erblickte einen Garten, in dem Garten stand
ein Bett und die Kissen lagen darauf. 14. Der Prinz ging hin
und legte sich darauf und schlief ein. Das Bett aber gehörte der
Kismat-Pari. 15. Diese kam herzu und sah, dass ein Mann auf
ihrem Bette schlief; sie weckte ihn auf und sagte: „Wer bist du,
dass du auf meinem Bette schläfst?" 16. Der Prinz antwortete:
„Ich bin der Sohn des Königs So-und-So." Da freute sich Kisraat-
Parl gar sehr über diese Auskunft: „Ich habe das Gelübde gethan,
sprach sie, den Mann zu heirathen, der kommen vrärde und auf
meinem Bette schlafen; nun bin ich froh, dass ein Königssohn ge¬
kommen ist. Ich werde dich also heirathen." 17. Sie ging zu
ihren Eltern und sprach : „Gebt mir diesen da zum Manne !" Jene
erwiderten: „Wir werden dir diesen hier nicht zum Manne geben;
denn der Menschen Leben ist kurz, unser der Peris Leben aber
dauert zweimal zweitausend Jahre. 18. Darauf sagte Kismat-Pari:
„Ich habe einmal das Gelübde gethan ; einen andern werde ich
nicht nehmen." Ihr Vater sprach : „ünd ich erkläre und deine
Mutter erklärt, dass wir dich diesem unter keinen ümständen
geben werden." 19. Kismat-Pari sagte: „Ich werde ihn auf dem
Wege der Rechtsentscheidung nehmen (?); ihr habt mir überhaupt
nichts zu erlauben; kommt mit, wir wollen unsere Sache dem
Propheten zur Entscheidung vorlegen ; erlaubt es mir der Prophet,
so werde ich es thun, erlaubt er es nicht, so werde ich ihn nicht
nehmen." 20. Der Vater entgegnete: „Gut, ich gehe mit dir.*
Kismat-Pari, ihr Vater und ihre Mutter begaben sich also zum
Propheten. Dort brachte Kismat-Pari ihre Sache vor und die
Eltern brachten auch ihre Sache vor. — 21. Währenddem kam
ein Hengst, mit goldenem Zaumzeug aufgezäumt, trat vor den
Prinzen und sprach zu ihm: «Besteige du mich; ich werde dir
Geiger, Balücische Texte mit Uebersetzung. 449
einen schönen Anblick zeigen." 22. Der Prinz bestieg das Pferd,
der Hengst flog davon und kam zum Hofe des Propheten. 23. Der
Prinz sah, wie eben Kismat-Pari und ihre Eltern sich dort befanden.
Darauf machte der Hengst wieder kehrt, wandte sich um und
kam nach Hause ; der Prinz wurde in dem Garten wieder abgesetzt
und lag wieder auf jenem Bette. 24. Er sah, wie das Pferd ver¬
schwand und ein aufgezäumter Esel herbei kam und vor ihn trat.
Der Esel sprach : ,Du hast den Anblick, den dir das Pferd gezeigt,
angesehen ; geh du nun mit mir ; auch ich werde dir einen Anblick
zeigen." 25. Er bestieg den Esel; dieser flog davon nach des
Königs eigener Stadt; hier stieg der Prinz ab. 26. Der Prinz und
Kismat-Pari sind niemals zusammen gekommen; noch jetzt, heisst
es, wandern sie, einander suchend, umher.
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Neue Materialien für den Dialekt der Zigeuner
Deutschlands.
Von B. T. Sowa.
So viel seit dem Erscheinen von Pott's umfassendem Werke:
Die Zigeuner in Europa und Asien, für die Zigeunerkunde im
Allgemeinen und für die Kenntniss zahlreicher Dialekte der Rom¬
sprache geschehen ist, so wenig Berücksichtigung hat dabei der
Dialekt der deutschen Zigeuner gefunden. Pür dessen Grammatik
sind vrir bekanntlich noch immer auf Graffunder's Skizze und die
reichhaltigen aber schwer zu überblickenden Angaben in Pott's Werke
angewiesenNur das Lexikon hat durch Liebich's bekanntes
Buch : Die Zigeuner in ihrem Wesen und in ihrer Sprache , eine
ganz erhebliche Erweiterung gefunden.
Ich habe in Ostpreussen (in Klein-Rekeitschen 1887), West¬
falen (in Sassmannshausen *) 1887) und im nordwestlichen Böhmen,
nahe der sächsischen Grenze (in Wiesa bei Brüx und in Hraidisch
nächst Saaz 1889), Gelegenheit gefunden mit Zigeunem dieses
Stammes zu verkehren und aus ihrem Munde einiges Material zu
sammeln ^). In der Meinung, dass dieses trotz seiner Unvollständig¬
keit einem künftigen Grammatiker dieser Mundarten — vielleicht
findet sich doch noch ein solcher — dienlich sein könne, theile
ich hier meine Sammlungen mit. Ich schicke im Hinblick auf die
ungenaue Schreibart in Pott's Quellen eine Darstellung der Laut¬
verhältnisse des Dialekts voraus.
1) Das nach Angabe Liebich's 1. c. S. IX von ihm selbst ausgearbeitete MS. einer Grammatik ist, wie ich einer freundlichen Mittheilung des Herrn Prof. Pischel entnehme, nicht mehr aufzufinden.
2) Aus dem Munde der iu Sassmannshausen ansässigen Zigeuner wäre
naeh einer Notiz bei Pott 1. c. I. 26 Anm. ein Wörterbuch aufgezeichnet worden, das auf Schloss Wittgenstein liegen soll; nach eingezogener Erkundigung ist ein solches dort nicht vorhanden.
3) Vgl. meine Aufsätze in der Zeitschrifl für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft Bd. XVUI S. 82 fr. und XIX S. 192 ff.