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Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache

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KURZREZENSIONEN 297

Hanno Birken-Bertsch/Reinhard Markner: Rechtschreibreform und National- sozialismus. Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache.

Göttingen: Wallstein Verlag 2000. 134 Seiten.

Dirk Michel

Die Zeit des Nationalsozialismus zu beschreiben und zu erklären ist auch Aufgabe der Sprach- und Wissenschaftsgeschichtsschreibung. Insofern ist eine Studie zu den Rechtschreibreformbemühungen im „Dritten Reich" erst einmal zu begrüßen, insbesondere da dieses Thema wenig erforscht ist. Die Autoren legen mit dieser Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung die bislang umfassendste Darstellung vor, mit Akribie zeichnen sie gesellschaftliche Prozesse im historischen Kontext detailliert nach. Im Mittelpunkt stehen die Bemühungen des Reichserziehungsministers Rust um eine Rechtschreibreform im „Dritten Reich".

Über die orthografischen Debatten hinaus beschäftigen sich Birken-Bertsch/Mark- ner auch mit der Sprachpolitik der Nationalsozialisten und erörtern den im Nationalsozialismus aus ideologischen Gründen eingeräumten Vorrang der gespro- chenen gegenüber der geschriebenen Sprache. So weit zu den Stärken des Buches.

Die Darstellung beschränkt sich jedoch nicht auf die NS-Zeit, sondern es werden Verbindungslinien zur aktuellen Reform gezogen. Es geht den Autoren nämlich um den Nachweis, dass die 1996 beschlossene Neuregelung der deutschen Orthografie sich nicht zuletzt einer ungebrochenen inhaltlichen und personellen Kontinuität zu den Reformbestrebungen im NS verdankt. Parallelen gebe es auch in der ansonsten nicht da gewesenen Tiefe des staatlichen Eingriffs. Spätestens an dieser Stelle muss Kritik einsetzen: Die Interpretation der historischen Fakten, die nur noch selektiv wahrgenommen werden, und der Vergleich mit der aktuellen Reform, bei dem die historische Genauigkeit einer erschreckenden Unkenntnis des Regelwerkes und der Entstehungsgeschichte weicht - so wird beispielsweise die Kommission mit der traditionell phonetischen Richtung gleichgesetzt - , fuhren die eigene Forschung zum Teil ad absurdum.

Die Verfasser zeigen selbst, dass eine Rechtschreibreform im „Dritten Reich"

politisch nicht durchsetzbar war, weil es einerseits Widerstände aus dem Innenminis- terium gab, andererseits Hitler sie als nicht kriegswichtig erachtete. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, wie sie den rustschen Reformvorschlag als nie da gewesenen staatlichen Eingriff bezeichnen können. Und in mangelnder Sorgfalt beim Vergleich gründet die Behauptung, dass die konkreten Inhalte der rustschen und der heutigen Reform vergleichbar seien, dass, von der Lösung des Drei-Buchstaben-Problems abgesehen, sie inhaltlich weitestgehend übereinstimmen. Es gibt inhaltliche Gemein- samkeiten bei der Silbentrennung und Zeichensetzung, aber auch deutliche Unter- schiede. So sahen die rustschen Vorschläge den Wegfall der Dehnungsbezeichnungen {das bot, der kan, di libe) vor, die Einführung des langen „s" von der Fraktur in die Antiqua zur Darstellung des stimmhaften s-Lauts, die Einebnung des Unterschiedes zwischen das und dass, die Ersetzung von ν d u r c h / i n allen deutschen Wörtern, um nur einige zu nennen.

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298 Guido Oebel

Die Verfasser bleiben es auch schuldig zu argumentieren, was denn nun der spezifisch nationalsozialistische Gehalt der „rustschen Reform" gewesen sei; und das aus gutem Grund: Es gibt ihn nicht. Der Studie ist ja gerade zu entnehmen, dass es innerhalb der NSDAP sowohl vehemente Befürworter wie Gegner einer Recht- schreibreform gab, von einem einheitlichen Handeln oder einer einheitlichen Theorie der Nationalsozialisten kann also nicht die Rede sein. Und alle Varianten, die im Ν S diskutiert wurden, waren nichts originär Neues, sondern sind bereits vor 1933 in der Debatte gewesen, insofern ist es nicht verwunderlich, dass sie es nach 1945 waren - und zwar auch die Argumente der Reformgegner, bei denen sich nach 1945 zweifelsohne genauso personelle Kontinuitäten zur NS-Zeit feststellen lassen.

Letztlich entsteht der Eindruck, dass hier politische Geschichte für andere Interessen konstruiert wird, und zwar als Vehikel für grundsätzliche Erwägungen gegen die Rechtschreibreform, für die aber anscheinend die besseren linguistischen Argumente fehlen. Verschwörungstheorien von einer „Schweigespirale" runden das Bild ab.

Dirk Michel, Mannheim (michel@uni-mannheim.de)

Klaus-Peter Gapp: Objektlokalisation. Ein System zur sprachlichen Raumbe- schreibung. Wiesbaden: DUV 1997 ( = Studien zur Kognitionswissenschaft).

Guido Oebel

Das vorliegende Buch - gleichzeitig Dissertation des Autors - ist im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs „Kogni- tionswissenschaft- Empirie, Modellbildung, Implementation" entstanden. Obschon seit der Erstveröffentlichung bereits fünf Jahre verstrichen sind, rechtfertigt diese Pionierleistung im Forschungsgebiet der Künstlichen Intelligenz eine verspätete Rezension. Gapps Ziel ist es, die Semantik der 78 häufigsten Lokalpräpositionen und -adverbien referenzsemantisch dahingehend zu formalisieren, dass ein möglichst universelles Applikationsmodell zur statischen Raumbeschreibung von Objekten in zwei- und dreidimensionalen Umgebungen entsteht, das sein operationalisiertes Ein-/Ausgabeverhalten empirisch zu validieren ermöglicht. Kurzum: es geht um „die Umsetzung visueller Informationen in natürlichsprachliche Beschreibungen", deren

„Vorteil auf den kompakteren und prägnanteren Möglichkeiten" von Sprache bei der „Übermittlung von Informationen gegenüber einer graphischen Repräsentation gleichen Informationsgehaltes" gründet (Herzog 1997:1).

Was dem besseren Verständnis einer auch weniger mit dieser Thematik vertrauten Leserschaft zugute kommt, ist die adressatenfreundliche Entscheidung des Autors zur Dekomposition der Aufgabe in zwei Teilziele: die Selektion eines adäquaten

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