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Angstappelle : [Lexikon-Eintrag]

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Academic year: 2022

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Angstappelle, auch: fear appeals, threat appeals, sollen neben der Vermittlung von Informationen  über die objektive Gefährdung auch Gefühle der Angst und Furcht erzeugen, wodurch eine  Einstellungs‐ und Verhaltensänderung bewirkt werden soll. Die frühen Anti‐Raucher‐Kampagnen  versuchten beispielsweise, die Risikoinformation "Rauchen schadet Ihrer Gesundheit" in 

Kombination mit Bildern von schwarzen Lungen, Grabsteinen und Skeletten wirkungsvoll zu  unterstreichen (Abb.). 

Witte (1992) umschreibt diese Strategie mit "scaring people into changing their behaviors", und  Sutton (1992) bezeichnet sie als "Schocktaktik". Heute rufen derartige drastische Kampagnen Kritik  hervor, allerdings nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch, weil die Wirksamkeit von  Angstappellen in Frage gestellt wird. Dies bedeutet jedoch nicht, daß heutzutage in der Praxis auf  angsterzeugende Informationen verzichtet wird. Vielmehr werden diese in moderaterem Format im  Rahmen der Gesundheitsaufklärung und in Arzt‐Patienten‐Gesprächen (Arzt‐Patient‐Beziehung)  weiterhin zur Anwendung gebracht.  

Die theoretischen Vorstellungen zur Wirkung von Angstappellen können drei verschiedenen  Kategorien zugeordnet werden.  

‐ In den 50er und 60er Jahren dominierten die sogenannten "fear drive"‐Modelle.  

‐ Diese Modellvorstellungen wurden in den 70er Jahren abgelöst von dem "Parallel Response  Model".  

‐ Und schließlich wurden in den späten 70er und frühen 80er Jahren verschiedene 

Gesundheitsverhaltensmodelle entwickelt oder adaptiert, wie beispielsweise das "Health Belief  Model" oder die "Protection Motivation Theory" . 

Diese sehen in der hervorgerufen Angst bzw. Furcht nur ein Epiphänomen, das weder eine  notwendige noch hinreichende Bedingung für eine Einstellungsveränderung darstellt. Fear drive‐

Modelle hingegen sprechen der induzierten Furcht eine zentrale kausale Bedeutung zu. 

Angenommen wird, daß Verhaltensweisen, die die empfundene Angst angesichts von 

Risikoinformationen reduzieren, später bevorzugt gezeigt werden. Angenommen wird ferner ein  umgekehrt U‐förmiger Zusammenhang, wobei die Furchtinduktion am wirksamsten sein sollte, wenn  sie ein moderates Ausmaß erreicht, jedoch wirkungslos, wenn sie keine oder zu intensive Gefühle  von Angst bewirkt. Diese Annahme konnte empirisch nicht bestätigt werden. Vielmehr besteht ein  schwacher linearer Zusammenhang: je höher die induzierte Furcht ist, desto größer ist das Ausmaß  der Einstellungsveränderung. Eine Meta‐Analyse von 25 Studien (mit insgesamt 3.892 

Untersuchungsteilnehmern) erbrachte eine mittlere Korrelation von r = .21 zwischen Angstappell und  Einstellung. Auch in einer weiteren Meta‐Analyse fand sich nur ein einfacher linearer 

Zusammenhang: Die relativ geringe mittlere Effektstärke von Z = 5.19 verweist darauf, daß  Angstappelle zwar eine gewisse Veränderung in der Wahrnehmung der eigenen Gefährdung  bewirken können, diese aber offenbar nur gering bis moderat sind. Ferner dauern diese günstigen  Einstellungsänderungen meist nur ein bis zwei Tage an. In neueren Studien wird deshalb zum  größten Teil darauf verzichtet, ein hohes Ausmaß an Angst zu erzeugen, um eine Einstellungs‐ und  Verhaltensänderung zu bewirken, sondern mit Hilfe von gezielten Sachinformationen (information  appeals) und einer konstruktiven Ressourcenkommunikation wird versucht, protektives Verhalten  anzuregen.  

Zuerst ersch. in: Lexikon der Psychologie / G. Wenninger (Hrsg.). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verl., 2001, Band 1, S. 85-86

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2009/7182/

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-71826

(2)

B.Re. 

Literatur 

Barth, J. & Bengel, J. (1998). Prävention durch Angst? Stand der Furchtappellforschung. In Series: 

Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche  Aufklärung.  

Renner, B., & Schwarzer, R. (2000). Gesundheit: Selbstschädigendes Handeln trotz Wissen. In H. 

Mandl & J. Gerstenmaier (Hrsg.), Die Kluft zwischen Wissen und Handeln: empirische und  theoretische Lösungsansätze. Göttingen: Hogrefe. 

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