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Verhaltensorientierte Beratung bei Patienten mit Non-Compliance im Krankenhaus - Eine systematische Übersichtsarbeit

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Academic year: 2021

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(1)Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Fakultät Wirtschaft und Soziales Department Pflege & Management Bachelorstudiengang Pflegeentwicklung & Management. Verhaltensorientierte Beratung bei Patienten mit Non-Compliance im Krankenhaus - Eine systematische Übersichtsarbeit Bachelor-Thesis. Tag der Abgabe:. 30.08.2012. Vorgelegt von:. Danilo Taubeneck. Betreuender Prüfer: Zweite Prüfende:. Prof. Dr. Stratmeyer Prof. Dr. Petersen-Ewert.

(2) Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ....................................................................................................................... 2. 2. Fragestellung .................................................................................................................. 3. 3. Theoretischer Hintergrund ............................................................................................. 4 3.1. Verhaltensorientierte Beratung ............................................................................... 4. 3.2. Non-Compliance ..................................................................................................... 9. 4. Methodik ...................................................................................................................... 12. 5. Ergebnisse .................................................................................................................... 13. 6. 5.1. Studie 1: Golin et al. (2006).................................................................................. 14. 5.2. Studie 2: Dilorio et al. (2008) ............................................................................... 20. 5.3. Studie 3: Brodie, Inoue (2005) ............................................................................. 25. 5.4. Studie 4: Knight et al. (2006)................................................................................ 30. Diskussion .................................................................................................................... 35 Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 41 Anhang ......................................................................................................................... 43. 1.

(3) 1 Einleitung Die Pflegediagnose Non-Compliance bzw. „fehlende Kooperationsbereitschaft” (Doenges, Morrhouse 1995, S. 509) wird definiert als die bewusste Entscheidung einer Person, sich nicht an eine therapeutische Empfehlung zu halten (vgl. Doenges, Morrhouse 1995, S. 509). Krankenhauseinweisungen in den USA, welche mit dem Medikamentenregime in Verbindung stehen, werden in 33 bis 69% der Fälle auf Non-Compliance zurückgeführt (vgl. Osterberg, Blaschke 2005, S. 488). Gesundheitliche Folgen von Non-Compliance bei der ärztlich verordneten Medikamenteneinnahme können eine substanzielle Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Tod des Patienten sein (vgl. Osterberg, Blaschke 2005, S. 488). Bei chronischen Erkrankungen kann diese Pflegediagnose zu medizinischen und psychosozialen Komplikationen, eine Reduzierung der Lebensqualität (vgl. WHO 2003, S. 11) als auch zu längeren und häufigere Krankenhausaufenthalte führen (vgl. Lubkin 2002, S. 35). Die WHO gibt an, dass in den Industrieländern mangelnde Therapietreue bei ca. 50% aller Langzeittherapien von chronischen Erkrankungen vorkommt (vgl. WHO 2003, S. 7). Ebenfalls wird ein weltweites Voranschreiten chronische Erkrankungen beobachtet (siehe Kapitel 3.2 Non-Compliance): In den Industrieländern betrug ihr Anteil im Jahr 2001 an allen Erkrankungen 46%, dieser soll bei gleichzeitiger Zunahme der chronischen Erkrankungen in absoluten Zahlen bis zum Jahr 2020 auf 56% ansteigen (vgl. WHO 2003, S. 8). Daher ist mit einer erhöhten Inzidenz von Non-Compliance bei Patienten in Langzeittherapien zu rechnen, wie auch mit einer entsprechenden Zunahme gesundheitlich nachteiliger Folgen für diese Personen. Eine Methode, um die Compliance von Patienten zu verbessern, könnte die verhaltensorientierte Beratung sein. Inwieweit diese Beratungsform wirksam ist im Vergleich zu üblichen Interventionen, die Compliance von erwachsenen, chronisch kranken Patienten im Krankenhaus zu fördern, soll Gegenstand dieser Übersichtsarbeit sein. Um die hieraus resultierende und in Kapitel 2 näher dargelegte Fragestellung zu beantworten, wurde zum Auffinden geeigneter Studien eine systematische Recherche durchgeführt und relevante Studien ausgewählt. Insgesamt konnten 4 relevante Studien ermittelt werden, eine systematische Übersichtsarbeit und 3 randomisierte Kontrollstudien. In allen 4 Studien wurde die Intervention motivierende Gesprächsführung auf ihre Wirksamkeit überprüft bzw. diesbezüglich Studien ausgewertet. Motivierende Gesprächsführung ist eine Form von verhaltensorientierter Beratung (siehe Kapitel 3.1 verhaltensorientierte Beratung). Studien mit 2.

(4) weiteren Formen der genannten Beratungsart als Untersuchungsgegenstand konnten in der Recherche nicht gefunden werden. Weitere Inhalte dieser Arbeit sind eine Ausführung des theoretische Hintergrundes bzgl. der Begriffe verhaltensorientierte Beratung und Non-Compliance, ferner die Beschreibung des methodischen Vorgehens, die Vorstellung der Studienergebnisse sowie eine abschließende Diskussion der Ergebnisse. Im Folgenden soll zunächst die zentrale Fragestellung dargestellt werden.. 2 Fragestellung Das Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit ist, folgende Fragestellung zu beantworten: In wie weit ist im klinischen Setting verortete verhaltensorientierte Beratung wirksam, die Compliance von erwachsenen, chronisch kranken Patienten zu verbessern im Vergleich zu Standardmethoden? Für die genannten Begriffe verhaltensorientierte Beratung, Compliance und chronische Erkrankungen gelten in dieser Arbeit folgende Definitionen: - Verhaltensorientierte Beratung: Die verhaltensorientierte Beratung ist eine spezielle Form von Beratung, welche spezifischen Zielen folgt: Die Unterstützung bei der Lösung der Probleme des Klienten sowie die Initiierung von Veränderungsprozessen (vgl. Waschburger 2009, S. 29). Die Definition der verhaltensorientierten Beratung erschließt sich daher aus der Definition der allgemeinen Beratung: Diese ist eine vielgestaltige, sich ständig verändernde und durch viele interne und externe Einflussfaktoren bestimmte professionelle Hilfeform, welche in variantenreichen Formen Unterstützung liefert bei der Bewältigung von Entscheidungsanforderungen, Problemen, Krisen als auch bei der Gestaltung individueller und sozialer Lebensstile sowie Lebensgeschichten (vgl. Nestmann et al 2004, S. 599). Es existiert jedoch keine allgemeingültige Definition von Beratung, da sehr unterschiedliche Beratungsansätze existieren und der Schwerpunkt einzelner Definitionen auf den jeweiligen Ansätzen liegen kann (vgl. Waschburger 2009, S. 19ff). Daher soll verhaltensorientierte Beratung hier in Anlehnung an die eben genannte Definition und die dargestellten Ziele definiert werden: Als eine sich ständig verändernde und 3.

(5) durch viele interne und externe Einflussfaktoren bestimmte professionelle Hilfeform, welche dem Klienten Unterstützung liefert bei der Bewältigung von Problemen und Krisen sowie bei der Initiierung von Veränderungsprozessen. - Compliance: Die hier verwendete Definition entspricht jener der WHO; demnach ist Compliance „das Ausmaß, in dem das Verhalten eines Patienten bei der Medikamenteneinnahme, der Befolgung einer Diät und/oder der Durchführung von Lebensstiländerungen mit den Empfehlungen von Vertretern aus Gesundheits- und Heilberufen übereinstimmen” (vgl. WHO 2003, S. 3). - Chronische Erkrankungen: Lubkin zählte im Jahr 1998 neun verschiedene Definitionen für chronische Erkrankungen auf (vgl. Lubkin 2002, S. 24f). Die hier verwendete Definition ist die von Lubkin vorgeschlagene: „Unter chronischer Krankheit versteht man das irreversible Vorhandensein bzw. die Akkumulation oder dauerhafte Latenz von Krankheitszuständen oder Schädigungen, wobei im Hinblick auf unterstützende Pflege, Förderung der Selbstversorgungskompetenz, Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und Prävention weiterer Behinderung das gesamte Umfeld des Patienten gefordert ist” (Lubkin 2002, S. 26).. 3 Theoretischer Hintergrund Zwei zentrale Begriffe werden in dieser Arbeit verwendet: verhaltensorientierte Beratung und Non-Compliance. Beiden Begriffe sollen daher im Folgenden näher erläutert werden.. 3.1 Verhaltensorientierte Beratung Professionelle Beratung kann bei verschiedensten Problemfeldern zum Einsatz kommen (z.B. bei Sucht- oder Beziehungsproblemen, bei Scheidungen oder Entwicklungsauffälligkeiten) (vgl. Waschburger 2009, S. 5), entsprechend existieren eine Reihe unterschiedlichster Beratungsansätze, wovon eine Art die verhaltensorientierte Beratung ist. Andere Beratungsansätze sind z.B. die informationsvermittlungsorientierte und die problemlösungsorientierte Beratung (vgl. Waschburger 2009, S. 29).. 4.

(6) Grundlagen der verhaltensorientierten Beratung Die verhaltensorientierte bzw. behaviorale Beratung begründet sich ursprünglich auf den Ergebnissen der Lernpsychologie. Zwei Lernprinzipien, werden, im Sinne des Behaviorismus, als entscheidend für eine Verhaltensänderung beim Menschen angesehen: Die klassische Konditionierung nach Iwan Pawlow (†1936) und die instrumentelle bzw. operante Konditionierung, wie sie unteranderem von Burrhus E. Skinner (†1990) beschrieben wurde (vgl. Borg-Laufs 2004, S. 629) (vgl. Reinecker 1999, S. 93). In der klassischen Konditionierung wird ein neutraler Reiz (z.B. das Erklingen einer Glocke) gemeinsam mit einem weiteren Reiz, welcher eine Empfindung oder Verhalten auslöst (z.B. die Präsentation und Futterfreigabe für einen Hund), gesetzt. Durch diese Kombination zwei Reize erhält der neutrale Reiz ebenfalls eine Auslösefunktion für die jeweilige Reaktion (z.B. der Speichelfluss des Hundes). Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung, bei welcher die gewünschte Reaktion fast zwangsweise ausgelöst wird, tritt instrumentell konditioniertes Verhalten weniger regelhaft auf. Bei der instrumentellen Konditionierung wird das Verhalten durch ihm nachfolgende Konsequenzen bestimmt. Die Konsequenzen können demnach z.B. als Verhaltensverstärker auftreten, wenn sie als positiv erlebt werden. Je positiver die Verhaltenskonsequenzen erlebt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten erneut gezeigt wird (vgl. Borg-Laufs 2004, 629-631). Andererseits können die Konsequenzen auch erlebt werden, als: - negative Verstärker, wenn durch das Verhalten eine negativer Zustand ausgeschaltet wird (z.B. die Schmerz lindernde Wirkung als Ergebnis der Medikamenteneinnahme); - direkte Bestrafung, wenn eine negativ negative Konsequenz durch das Verhalten eintritt oder - als indirekte Bestrafung, wenn durch das Verhalten eine positiver Zustand ausgeschaltet wird. Die positive und negative Verstärkung begünstigen damit eine Verhaltenswiederholung, die direkte und indirekte Bestrafung verringern hingegen die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung (vgl. Reinecker 1999, S. 93f). Die Kombination von der den zwei Lernprinzipien beruhenden Modellen ist das ZweiFaktoren-Modell. Dieses Modell geht von der Annahme aus, dass ein bestimmtes Verhalten, wie z.B. die Nicht-Einnahme von Medikamenten, ursächlich durch klassische Konditionierung bedingt ist (z.B. weil die Medikamenteneinnahme zu Übelkeit geführt hat) und 5.

(7) die Aufrechterhaltung des Verhaltens durch instrumentelle Konditionierung bestimmt wird (z.B. das Wegwerfen der Medikamente, um die Übelkeit zu vermeiden) (vgl. Reinecker 1999, S. 95). Das Zwei-Faktoren-Modell erklärt u.a., weshalb Menschen an bestimmten, für sie schädlichen Verhaltensweisen festhalten, obwohl der eigentliche Auslöser (Übelkeit) längst nicht mehr vorliegt: Das Verhalten, welches der Vermeidung dient (Medikamente Wegwerfen), wird permanent durch das Ausbleiben der negativen Konsequenz (Übelkeit) verstärkt (vgl. Reinecker 1999, S. 96). Die behavioralen Grundkonzepte und Modelle wurde in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Integration kognitiver Theorien sowie kognitiv orientierter Interventionsformen erheblich erweitert (vgl. Borg-Laufs 2004, 633). Die Kognitiven Theorien besagen, dass zwischen dem Entstehen von Reizen und der menschlichen Reaktion Begriffsbildungs- und Koordinierungsprozesse ablaufen, welche mit den behavioristischen Modellen nicht zu erklären sind (vgl. Brem-Gräser 1993, S. 205). In den hieraus resultierten neuen Methoden zur Verhaltensänderung steht im Gegensatz zu behavioralen Methoden daher nicht die direkte Beeinflussung des gezeigten Verhalten im Vordergrund, sondern die Arbeit an den kognitiven Vorgängen beim Klienten. Durch spezielle Techniken wird versucht, kognitive Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Problemlösungsprozesse zu verändern (vgl. Borg-Laufs 2004, 633).. Verhaltensänderung als Prozess Verhaltensänderung kann als ein Prozess gesehen werden, in welcher der Klient mehrere Phasen durchläuft, bis er im Ergebnis ein bestimmtes problematisches Verhalten abgelegt hat und ein neues Verhalten zeigt. Das Transtheoretische Modell (im Folgenden TTM) von Prochaska und DiClemente (1983) beschreibt einen solchen Veränderungsprozess in 6 Stufen, wobei sich dieser sowohl zu einer Motivationsänderung als auch zu einer daraus folgenden Verhaltensänderung führt: 1. Sorglosigkeit/Absichtslosigkeit; es gibt keine Intention, dass problematische Verhalten in den nächsten 6 Monaten zu ändern, 2. Bewusstwerden/Absichtsbildung; es wird erwogen das problematische Verhalten innerhalb der nächsten 6 Monate zu ändern, zudem werden positive und negative Handlungserwartungen reflektiert, 3. Vorbereitung einer Handlung; erste Schritte zur Veränderung werden eingeleitet und das Zielverhalten soll in 30 Tagen erreicht werden, 4. Handlung; das Zielverhalten wird seit weniger als 6 Monaten gezeigt, 6.

(8) 5. Aufrechterhaltung; das Zielverhalten wird seit länger als 6 Monaten gezeigt und 6. Beendigung; es liegt keine Rückfallgefahr zum Problemverhalten mehr vor (z.B. bei Suchterkrankungen) (vgl. Waschburger 2009, S. 85).. Wirkfaktoren der Verhaltensänderung Die Wirkprinzipien, welche in der Beratung zu einer Verhaltensänderung führen, werden im TTM zwei unterschiedlichen Strategien zugeordnet: Kognitiv-affektiven und verhaltensorientierten/behavioristischen Strategien, entsprechend der geschilderten Grundlagen der verhaltensorientierten Beratung. Kognitiv-affektive Strategien richten sich auf die Steigerung des Problembewusstseins, das emotionale Erleben, die Neubewertung der persönlichen Umwelt, die Selbstneubewertung als auch das Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen des Klienten. Verhaltensorientierte Strategien sollen zu einer Selbstverpflichtung, Kontrolle der Umwelt, Gegenkonditionierung, zur Nutzung hilfreicher Beziehungen und zu einer Selbst-Verstärkung des Klienten führen (vgl. Waschburger 2009, S. 88).. Beratung als Prozess Der Beratungsprozess im allgemeinen kann in mehreren Phasen beschrieben werden, z.B. in den folgenden vier: 1. Problemdefinition; durch diagnostische Methoden sollen Problemlagen geklärt und Entscheidungen über erforderliche Hilfen getroffen werden, 2. Zieldefinition; der Klient soll mit Unterstützung des Beraters ein Beratungsziel entwickeln, 3. Intervention; notwendige Maßnahmen zur Problemlösung werden geplant und eingeleitet (z.B. Vermittlung notwendiger Kompetenzen) sowie 4. Evaluation; die eingesetzten Maßnahmen sowie der Erfolg der Beratung werden von Berater und Klient kritisch reflektiert (vgl. Waschburger 2009, S. 88). Im Gegensatz hierzu ist der Prozess der verhaltensorientierten Beratung etwas komplexer. So haben Kanfer et al. (1996) das Selbstmanagementmodell vorgelegt, welches sich in 7 Phasen gliedert. Die verhaltensorientierte Beratung beginnt demnach in Phase 1 mit der Schaffung günstiger Ausgangsbedingungen für den Beratungsprozess, was durch ein genaues Problemscreening und vertrauensvolle Berater-Patienten-Beziehung erreicht werden soll. Hierauf basieren die nachfolgenden Phasen: - der Aufbau von Änderungsmotivationen und die vorläufige Auswahl von Änderungsbereichen (Phase 2), 7.

(9) - die Verhaltensanalyse (Phase 3), - die Zielvereinbarung (Phase 4), - die Planung, Auswahl und Durchführung geeigneter Methoden (Phase 5), - die Evaluation der Fortschritte (Phase 6) und - die Erfolgsoptimierung sowie der Abschluss (Phase 7) (vgl. Borg-Laufs 2004, S. 634ff). Die Besonderheit dieses Modells ist, dass die Methoden zur Verhaltensänderung erst in Phase 5 eingesetzt werden und dass der Vorbereitung des Beratungsprozesses (z.B. Motivation und Berater-Klienten-Beziehung) ein großes Gewicht eingeräumt wird (vgl. Reinecker 1999, S. 112). Die Unterteilung von Beratung in Phasen besagt außerdem, dass zu verschiedenen Zeitpunkten des Beratungsprozesses unterschiedliche Schwerpunkte gelegt werden, und zu jeder Phase einzelne Ziele zugeordnet werden können (z.B. die Klärung der Änderungsmotivation des Klienten in Phase 2 des Selbstmanagementmodells) (vgl. Borg-Laufs 2004, S. 636).. Motivierende Gesprächsführung Eine spezielle Variante der verhaltensorientierten Beratung ist die motivierende Gesprächsführung. Sie wird definiert als eine klientenzentrierte, non-direktive Methode zur Verbesserung der intrinsischen Motivation für eine Veränderung, durch die Erforschung und Auflösung von Ambivalenzen (vgl. Miller, Rollnick 2009, S. 47). Die Methode basiert auf den 3 Grundhaltungen des Beraters: 1. Partnerschaftlichkeit zwischen Berater und Klient, welche die Änderungsbereitschaft fördern soll, 2. Evokation, d.h. im Beratungsprozess werden auf die im Klienten vorhandene Motivation und seine Ressourcen aufgebaut und 3. Autonomie des Klienten, welche seine Verantwortung für den Veränderungsprozess begründet und den Respekt vor seiner Selbstbestimmung einschließt (vgl. Miller, Rollnick 2009, S. 47f). Die kommunikativen Methoden der motivierenden Gesprächsführung sind im Wesentlichen das Stellen offener Fragen, aktives Zuhören, Bestätigung, Zusammenfassung und Change-Talk (vgl. Miller, Rollnick 2009, S. 98-116), und werden eingesetzt, um Motivation zur Veränderung aufzubauen (vgl. Miller, Rollnick 2009, S. 80) sowie eine Selbstverpflichtung zur Veränderung zu verstärken (vgl. Miller, Rollnick 2009, S. 174).. 8.

(10) Das Modell legt damit seine Schwerpunkte auf die Aktivierung der gegebenen Ressourcen sowie der Motivation des Klienten und auf eine non-direktive Berater-Klienten-Beziehung, gleichwohl der Berater Experte bleibt. Im Beratungsergebnis wird zunächst ein Entschluss des Klienten zur Verhaltensänderung angestrebt. Die tatsächliche Umsetzung der zuvor gemeinsam entwickelten Maßnahmen und der Änderung im gezeigten Verhalten können dann vom Klienten allein oder mit weiterer Unterstützung des Beraters vorgenommen werden (vgl. Miller, Rollnick 2009, S. 190).. Verhaltensorientierte Beratung und Psychotherapie Eine Unterscheidung von verhaltensorientierter Beratung und Psychotherapie ist nicht sehr einfach, aber sinnvoll, da in dieser Übersichtsarbeit nicht die Effekte von Psychotherapie besprochen werden sollen. Die genannte Beratungsform lässt sich von Psychotherapie kaum abgrenzen, da beide auf den gleichen Grundlagen aufbauen (primär Lernpsychologie und kognitive Psychologie) und die gleichen Methoden verwenden (operante und kognitive Methoden), auch die jeweiligen Ziele und Formen der Beziehungsgestaltung bieten keine ausreichenden Differenzierungsmöglichkeiten (vgl. Borg-Laufs 2004, S. 636ff). Unterschiede finden sich jedoch in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Psychotherapeutengesetz/ PsychThG), die eine klare Trennung von Psychotherapie und Beratung vornehmen sowie Regelungen für die Ausübung von Psychotherapie festlegen (vgl. Waschburger 2009, S. 21). Die durch den rechtlichen Rahmen vorgegebenen Settings von Beratung und Psychotherapie sind im allgemeinen nicht vergleichbar und machen eine Differenzierung notwendig. Im Folgenden soll der Begriff Non-Compliance beschrieben werden.. 3.2 Non-Compliance Non-Compliance bezeichnet ein Verhalten von Patienten, das den medizinischen und gesundheitlichen Ratschlägen und Anordnungen in unterschiedlichem Ausmaß widerspricht (vgl. Winkler 2000, S. 247). Der Gegenpart von Non-Compliance ist Compliance. Der Begriff Compliance bedeutet wörtlich Einwilligung oder Einverständnis (vgl. Winkler 2000, S. 246) und wird auch als Synonym für Therapietreue verwendet (vgl. Simons, Roth, Jaehde 2007, S. 16). Für Compliance/Non-Compliance werden auch die Begriffe Adherence/Non-Adherence verwendet, welche mit Therapiebefolgung/fehlende Therapiebefolgung. 9.

(11) und Therapiemotivation/fehlende Therapiemotivation übersetzt werden können (vgl. Winkler 2000, S. 246).. Ausprägungen von Compliance und Non-Compliance Da die Therapietreue des Patienten unterschiedlich ausgeprägt sein kann, wird Compliance/Non-Compliance in Grade eingeteilt: - Compliance liegt vor, wenn der Patient sich zu 80% oder mehr an die ihm empfohlene Therapie hält, - partielle Compliance bezeichnet eine Therapietreue des Patienten von 20-79% und - Non-Compliance liegt bei einer Therapietreue von unter 20% vor (vgl. Heuer, Heuer 1999, S. 11). Zudem werden die primäre und sekundäre Non-Compliance unterschieden. Primär noncompliant ist ein Patient, der ein erhaltenes Arzneimittelrezept nicht beim Apotheker einlöst und sekundär non-compliant, wenn er das Rezept einlöst, die Einnahme der Medikamente aber zu weniger als 20% befolgt (vgl. Heuer, Heuer 1999, S. 11).. Prävalenz mangelnder Therapietreue Laut WHO wird in den Industrieländern Compliance bei ca. 50% der Langzeittherapie von chronischen Erkrankungen erreicht, dem entsprechend tritt Non-Compliance oder partielle Compliance bei ca. 50% dieser Langzeittherapien auf. In Schwellen- und Entwicklungsländern, wie China, Gambia oder den Seychellen, wurden bei an Hypertonie leidenden Patienten Compliance bei der Medikamenteneinnahme in 43%, 27% bzw. 26% der Fälle festgestellt (vgl. WHO 2003, S. 7). Krankenhauseinweisungen in den USA, welche mit Medikamenteneinnahme in Verbindung stehen, werden in 33 bis 69% der Fälle auf Non-Compliance zurückgeführt (vgl. Osterberg, Blaschke 2005, S. 488).. Folgen Als gesundheitliche Folgen mangelnder Therapietreue bei der Medikamenteneinnahme werden eine substanzielle Verschlechterung des Gesundheitszustandes und Tod angegeben (vgl. Osterberg, Blaschke 2005, S. 488). Die Folgen der Non-Compliance bei chronischen Erkrankungen können medizinische und psychosoziale Krankheitskomplikationen, eine Reduzierung der Lebensqualität (vgl. WHO 2003, S. 11) als auch längere und häufigere Krankenhausaufenthalte der Patienten sein (vgl. Lubkin 2002, S. 35) sowie ein erhöhter Verbrauch von Ressourcen der Gesundheitsfürsorge (vgl. WHO 2003, S. 11). 10.

(12) Ursachen Die Ursachen für mangelnde Therapiemotivation können in 4 Bereiche unterteilt werden, diese sind: 1. Die Merkmale der Therapie (z.B. hohe Anzahl verordneter Medikamente), 2. die Krankheitssymptome (z.B. subjektiv geringe Symptomwahrnehmung), 3. die Qualität der therapeutischen Beziehung (z.B. unverständliche Informationsvermittlung durch den Therapeuten/Pflegenden) und 4. die Persönlichkeitsmerkmale des Patienten (z.B. geringe Erfolgserwartung an die Behandlung) (vgl. Winkler 2000, S.251-255). Persönlichkeitsmerkmale, wie Geschlecht, Alter, sozio-ökonomischer Status und Religion scheinen jedoch nicht signifikant zu sein (vgl. Winkler 2000, S. 255).. Messung Zur Messung von Compliance/Non-Compliance werden direkte und indirekte Methoden verwendet. Direkte Methoden sind: Urin- oder Blutproben zur Überprüfung der Medikamenteneinnahme. Indirekte Methoden sind: Selbstauskunft, das Ausfüllen von Formblättern, Tablettenzählen als auch Interviews zwischen Arzt/Pflegenden und Patient (vgl. Lubkin 2002, S. 361). Nach Simons, Roth und Jaehde sind weitere, indirekte Messungsmethoden die Verwendung von Patiententagebüchern, Medikationsprofilen und elektronischen Beobachtungssystemen (Simons, Roth, Jaehde 2007, S. 16).. Kritik an der Pflegediagnose Non-Compliance Die Pflegediagnose Non-Compliance ist umstritten, da sie ein Beziehungsgefälle zwischen Therapeut/Pflegendem und Patient implizieren kann, in welcher der Patient den Anordnungen des Therapeuten/Pflegenden passiv zu folgen hat und jede Abweichung des Patienten als Fehlverhalten verstanden wird (vgl. Winkler 2000, S. 248). Auch ist es schwer von Non-Compliance zu sprechen, wenn z.B. ein Patient seine Therapie an persönliche Lebensumstände oder Bedürfnisse anpasst, damit also vom Therapieplan abweicht, und dennoch zu dem geplanten Therapieziel gelangt. Gleichwohl ist die Beziehung von Therapeuten/Pflegendem und Patienten so bestimmt, dass ihre Interaktion fast immer zu Verhaltensempfehlungen oder Hinweisen für den Patienten führen. Dementsprechend ist der Erfolg einer Therapie oder pflegerischen Intervention nicht zuletzt von der Therapiemotivation bzw. Therapietreue des Patienten abhängig (vgl. Winkler 2000, S. 249). 11.

(13) Im Weiteren soll das methodische Vorgehen dieser Arbeit beschrieben werden.. 4 Methodik Um relevante Studien für diese Übersichtsarbeit zu finden, wurde eine systematische Recherche in der elektronischen Datenbank Medline durchgeführt. Die Entscheidung für diese Datenbank wurde getroffen, da eine Vielzahl von medizinischen Artikeln und Studien auf Pubmed hinterlegt sind. Die Stichwörter der Recherche waren: compliance, noncompliance, adherence, nonadherence, consultation, consulting, counselling, counseling, motivational interviewing, behavioral Intervention, hospital und clinic. Als Schlagwörter bzw. Medical Subject Headings (MeSH) wurden verwendet: Study Characteristics, Counseling, Patient Compliance, Medication Adherence, Behavior Therapy,. Adaptation. Psychological sowie Chronic Disease. Zudem wurde mit Kombinationen aus diesen Stichund Schlagwörtern gesucht, unter der Verwendung der logischen Operatoren AND und OR. Limits wurden für das Alter der Studien gesetzte. (maximal 10 Jahre). Weitere. Beschränkungen wurden nicht verwendet. Die Anzahl der Recherchetreffer betrug max. 6935 und min. 4 gefundene Abstracts.. Einschlusskriterien Für die Studienauswahl wurden folgende Einschlusskriterien festgelegt: - Die Intervention ist eine Form verhaltensorientierter Beratung, - den Teilnehmern wurde eine gemeinsame chronischer Erkrankung diagnostiziert bei systematischen Übersichtsarbeiten können es verschiedene chronische Erkrankungen der eingeschlossenen Studien sein - die Teilnehmer sind erwachsen, - die Intervention wurde in einer Klinik oder unter klinischen Bedingungen durchgeführt, - die Studien wurden nicht vor mehr als 10 Jahre erstveröffentlicht, - das Studiendesign ist eine systematische Übersichtsarbeit mit oder ohne MetaAnalyse, eine randomisierte Kontrollstudie oder eine nicht-randomisierte Kontrollstudie und. 12.

(14) - als primärer Endpunkt wird (u.a.) die Compliance der Teilnehmer erfasst bzgl. der zugrunde gelegten medizinischen Therapie oder eine solche Compliance unmittelbar mit einbezogen.. Ausschlusskriterium Wenn die untersuchte Intervention der Studie keine Form von Verhaltens- oder Psychotherapie ist, führt dies zum Ausschluss der Studie. Identifizierte Studien Insgesamt wurden 43 relevante Abstracts gefunden. Nach deren inhaltlichen Überprüfung auf Grundlage der genannten Ein- und Ausschlusskriterien konnten 4 Studien für eine genaue Analyse, Ergebnisdarstellung und Bewertung ausgewählt werden. Drei dieser Studien sind randomisierte Kontrollstudien (im Folgenden RCT) und die vierte eine systematische Übersichtsarbeit. Die Form von verhaltensorientierter Beratung, welche in diesen Studien untersucht wurde, ist die motivierende Gesprächsführung (engl. motivational interviewing (siehe Kapitel 3.2 verhaltensorientierte Beratung)). Studien mit einer anderen Form dieses Beratungsansatzes konnten während der Recherche nicht gefunden werden.. 5 Ergebnisse Die vier ausgewählten Studien untersuchten die Wirksamkeit von motivierender Gesprächsführung bei chronisch kranken Patienten, entweder direkt bezogen auf deren Compliance (Studie 1 und 2) oder bzgl. sonstiger Outcomes, welche die Compliance der Probanden unmittelbar mit einschloss (Studie 3 und 4). Die eingeschlossenen chronischen Erkrankungen der Teilnehmer waren: HIV und Herzinsuffizienz in den 3 RCTs sowie Diabetes mellitus Typ 1 und 2, Asthma, Hyperlipidämie als auch Hypertonie und koronare Herzkrankheit in der systematischen Übersichtsarbeit. Die Studien werden im Folgenden einzeln vorgestellt.. 13.

(15) 5.1 Studie 1: Golin et al. (2006) „A 2-arm, randomized, controlled Trial of a motivational interviewing-based Intervention to improve adherence to antiretroviral Therapy (ART) among Patients failing or initiating ART” Die von Golin et al. im Jahr 2006 veröffentlichte RCT verfolgte das Ziel, zu ermitteln, ob motivational interviewing (im Folgenden MI) die Compliance von Patienten mit HIV (n=155) bei der antiretroviralen Therapie (im Folgenden ART) verbessern kann im Vergleich zu einer reinen Wissensvermittlung (vgl. Golin et al. 2006, S. 42). Die Intervention wurde in einer u.a. auf Infektionskrankheiten spezialisierten Klinik in North Carolina getestet, über einen Zeitraum von 12 Wochen (unterteilt in drei 4-Wochen-Blöcke) (vgl. Golin et al. 2006, S. 42f).. Begriffsdefinition und Qualität der MI-Beratung Die Studie liefert knappe Angaben zu MI und der MI-Ausbildung der Berater. Ohne Vorkenntnisse wird aus diesen Informationen jedoch kaum klar, worum es sich bei MI konkret handelt. Eine detaillierte Definition zur Intervention fehlt. Die Angaben bezüglich der MI-Ausbildung verweisen auf die externe Kompetenz der Ausbilder und lassen vermuten, dass die Berater hinreichend qualifiziert waren (vgl. Golin et al. 2006, S. 43), detaillierte Angaben über Ablauf und Inhalte der Ausbildung fehlen jedoch. Die MI wurden von drei Gesundheitserziehern mit Master-Abschluss und einer 3-monatigen MI-Ausbildung (insgesamt 3 Ausbildungstage) durchgeführt. Alle MISitzungen wurden auf Tonband aufgenommen und von einem Mitglied des Motivational Interviewing Network of Trainers kontrolliert. Die Ergebnisse dieser Bewertung wurden alle 14 Tage auf Schulungen von den Trainern und Beratern reflektiert. Außerdem haben die Berater im Anschluss an jede Sitzung Protokolle angelegt (validiert mit 86% der Tonbänder und zu 20% von einem unabhängigen Gutachter überprüft). Nach Angaben der Studie erreichten die meisten Sitzungen die notwendigen Qualitätsstandards (vgl. Golin et al. 2006, S. 43), genaue Angaben darüber, wie viele Sitzungen in welchem Ausmaß diese erreichten oder nicht, fehlen allerdings.. Stichprobe Insgesamt wurden 155 Teilnehmer aufgenommen, wovon 15 Patienten von ihren Ärzten für die antiretrovirale Therapie als nicht geeignet befunden und daraufhin von der Studie 14.

(16) ausgeschlossen wurden. Vierundsiebzig Teilnehmer wurden in die Interventionsgruppe aufgenommen und 66 in die Kontrollgruppe und erhielten jeweils die ART. Die Teilnehmer, welche die Studie abschlossen, waren überwiegend männlich (72% in der Experimentell- und 65% in der Kontrollgruppe) und hatten einen Altersdurchschnitt von 68 Jahren in der Interventions- und 66 Jahren in der Kontrollgruppe (vgl. Golin et al. 2006, S. 46). Die Einschlusskriterien für die Probanden waren: 1. Diagnostizierte HIV-Infektion, 2. klinische Behandlung innerhalb der Jahre 2001 bis 2003 in der Infection Diseases Clinic in North Carolina, 3. älter als 18 Jahre, 4. Einwilligung zur Studienteilnahme, 5. die ART wurde neu begonnen oder a) eine starke Erhöhung der Viruslast in den letzten 6 Monaten wurde nachgewiesen oder b) die Viruslast war höher als 200 Viruskopien/ml oder c) ein ausbleibender Viruslast-Abfall 60 Tage nach Beginn der ART wurde festgestellt oder d) aus den medizinischen Dokumenten ging hervor, dass der Patient langsam den Entschluss fasste mit der ART zu beginnen (vgl. Golin et al. 2006, S. 43). Insgesamt haben 117 Probanden die Studie beendet (59 in der Interventions- und 58 in der Kontrollgruppe) (vgl. Golin et al. 2006, S. 46). Damit konnten allerdings nur von 75,5% der Teilnehmer Outcome-Daten ausgewertet werden, was die Teststärke der Studie einschränkt und ihre Validität schmälert. Hinzu kommt, dass keine Angaben darüber getroffen wurden, wie hoch die Stichprobengröße hätte sein müssen, um eine repräsentative Teststärke zu erreichen. Die Berechnungsgrundlagen der Stichprobengröße bleiben unklar. Gründe für das Aussteigen der Teilnehmer wurden von den Autoren genannt, z.B. Krankheit (n=2), Tod (n=1) und Kontaktverlust (N=8). Eine Intention-to-treat-Analyse wurde durchgeführt (vgl. Golin et al. 2006, S. 46). Kritisch anzumerken ist, dass die Autoren eine Stichprobengröße von n=140 angeben, aber einräumen müssen, dass ursprünglich 155 Teilnehmer auf zwei Gruppen randomisiert verteilt wurden, von denen danach, auf Grund ärztlicher Entscheidungen, 15 ausgeschlossen werden mussten (vgl. Golin et al. 2006, S. 46). Die Aussteigerquote erhöht sich damit entsprechend und reduziert die Teststärke in einem größeren Ausmaß, als aus den Informationen der Autoren unmittelbar hervor geht. Außerdem sind hier deutlich mehr Teilnehmer aus der Kontrollgruppe gefallen (n=12), als aus der Interventionsgruppe (n=3) (vgl. Golin et al. 2006, S. 46), dies könnte die Vergleichbarkeit der Gruppen im Follow-up beeinträchtigt haben. Es wäre vermutlich 15.

(17) sinnvoller gewesen, den tatsächlichen Beginn der ART für alle Teilnehmer abzuwarten, und anschließend die Randomisierung durchzuführen.. Randomisierung und Verblindung Angaben bezüglich des Radomisierungsverfahrens fehlen gänzlich und die Informationen bezüglich der Verblindung sind nicht vollständig. In dieser Art von Studie ist eine vollständige Verblindung (der Probanden, Behandler und Untersucher). sicherlich nicht herzustellen, da zumindest die Berater immer wissen. werden, welche der Probanden in der experimentellen Gruppe sind und welche nicht. Allerdings ist eine Verblindung der Teilnehmer und Auswerter durchaus möglich sowie eine räumliche Trennung der Teilnehmer, die einen Austausch von Informationen und persönlichen Wahrnehmungen zwischen den Gruppen verhindern könnte. Das medizinische Personal in der Klinik wurde nicht darüber informiert, welche Patienten zu welcher Gruppe gehören und eine Verblindung hat bei den Untersuchern stattgefunden, welche die Baseline- und Abschlussdaten auswerteten. Das Bias in dieser Studie aufgetreten sind, kann letztlich aber nicht ausgeschlossen werden (vgl. Golin et al. 2006, S. 42f).. Intervention Insgesamt haben die Teilnehmer der Interventionsgruppe 2 face-to-face MI-Sitzungen im Laufe der 12 Wochen erhalten (in Woche 4 und 8) (vgl. Golin et al. 2006, S. 42). Die Mitglieder der Kontrollgruppe haben Informationskurse besucht, in denen Wissen über HIV vermittelt wurde und die in der Länge mit den MI-Sitzungen vergleichbar waren (vgl. Golin et al. 2006, S. 42) .. Endpunkte Der primären Endpunkt war der durchschnittliche Compliance-Grad der Medikamenteneinnahme in Prozent nach der 12. Woche. Sekundäre Endpunkte waren: - Die Veränderung der durchschnittlichen Compliance vom ersten 4-Wochen-Block zum letzten 4-Wochen-Block, - der Prozentsatz der Patienten, die im letzten 4-Wochen-Block eine durchschnittliche Compliance von über 95% aufwiesen, - die Veränderungen der HIV-Viruslast zwischen Baseline und dem Ende der Follow-up-Phase und. 16.

(18) - die Veränderungen der durchschnittlichen, wöchentlichen Compliance von Beginn bis Ende der Datenerhebung (vgl. Golin et al. 2006, S. 43). Zudem wurde eine Reihe von psychosozialen und sozioökonomischen Variablen gemessen, u.a. soziale Unterstützung, Selbstwirksamkeit, Verständnis der ART, Zufriedenheit mit der medizinischen Therapie, Vertrauen in die medizinischen Therapeuten sowie Coping, Schulabschluss und Arbeitsstatus. Hinzukamen abhängige Variablen der Verhaltensänderung, u.a. Anzahl der gesetzten Ziele in der Beratung; Anzahl der gesetzten Strategien; Anzahl der Strategien, die geholfen haben als auch der Prozentsatz der Probanden, die fühlten, dass ihnen nichts geholfen hat (vgl. Golin et al. 2006, S. 44-49).. Messinstrumente Zur Messung der Medikamenten-Compliance wurde das Electronic Drug Event Monitoring System verwendet (im Folgenden eDEMS). Dieses System zählt jedes Öffnen der Verschlusskappe der Medikamentenflasche und den entsprechenden Zeitpunkt (vgl. Golin et al. 2006, S. 43). Zudem wurden, um weitere Informationen über die Compliance zu erhalten, Umfragen durchgeführt und die Medikamente der Teilnehmer von wissenschaftlichen Mitarbeitern gezählt (vgl. Golin et al. 2006, S. 43ff). Zur Messung der abhängigen psychosozialen Variablen wurden unterschiedliche Skalen verwendet, die namentlich nicht genannt werden, aber nach Angaben der Autoren validiert sind bzw. von den Autoren in früheren Studien entwickelt und überprüft wurden (vgl. Golin et al. 2006, S. 45). Eindeutige Informationen fehlen auch hier, die Namen der Skalen lassen sich lediglich über die Studienbelege aus anderen Publikationen heraussuchen. Eine Blutuntersuchung mit dem COBAS AMPLICOR HIV-1 MONITOR (Version 1.0 und 1.5) wurde ferner durchgeführt, um die Viruslast zu bestimmen (vgl. Golin et al. 2006, S. 45). Da das eDEMS durchaus fehleranfällig ist (Probanden können die Kappen öffnen ohne eine Tablette zu entnehmen oder Tabletten werden entnommen, aber nicht eingenommen usw.) wurden die Teilnehmer über die Verwendung des Systems instruiert und konnten Tablettendispenser verwenden, wenn sie dies wollten (vgl. Golin et al. 2006, S. 45). Ungenauigkeiten des Systems wurden durch Einzelfallbesprechung im Konsens von 4 Forschern und auf Grundlage aller verfügbarer Informationen geklärt (vgl. Golin et al. 2006, S. 45). Nichts desto trotz bleiben bei der Compliance-Messung durch elektronische Medikamentenflaschen-Verschlusszähler immer Risiken für fehlerhafte und/oder fehlende Daten bestehen. Die Verwendung von Fragebögen/Umfragen zur Einschätzung der Compliance ist zudem ebenfalls kein absolut sicheres Verfahren, da Teilnehmer natürlich gewünschte 17.

(19) Antworten geben oder, wegen mangelnder Motivation, wichtige Angaben auslassen können. Ob die Verwendung beider Methoden die jeweiligen Mängel der anderen ausgeglichen hat ist unklar.. Datenerhebung und -analyse Die Messung mit eDEMS wurde fortlaufend durchgeführt. In den Wochen 4, 8 und 12 sind jeweils für alle Teilnehmer Follow-up-Umfragen durchgeführt, die Tabletten in den Flaschen gezählt sowie die eDEMS-Daten herunter geladen worden (vgl. Golin et al. 2006, S. 42-45). Laboruntersuchungen wurden zu Beginn und Ende der Studie durchgeführt (vgl. Golin et al. 2006, S. 45). Die statistische Analyse der Daten erfolgte mit SPSS 8.2 (vgl. Golin et al. 2006, S. 46).. Studienergebnisse Zu Beginn betrug die durchschnittliche Compliance bei den Patienten, welche die ART neu begonnen hatten, 75,3% und bei den Patienten, welche vor Studienbeginn bereits in der Therapie waren, 73,6%. Insgesamt waren in beiden Gruppen weniger Teilnehmer, welche die Therapie neu begonnen hatten, als Teilnehmer, welche bereits in laufender Therapie waren (97% in der Interventions- und 88% in der Kontrollgruppe) (vgl. Golin et al. 2006, S. 47f). Von der 4. bis zur 12. Woche hatte sich die durchschnittliche Compliance in der Interventionsgruppe um 4,5% verbessert, während sie in der Kontrollgruppe um 3,83% abnahm (p=0,10). Eine Compliance über 95% zeigten nach 12. Wochen 29% der Teilnehmer in der Interventions- und 17% in der Kontrollgruppe (p=0,13). In der Intention-to-treat-Analyse betrug die durchschnittliche Compliance nach Abschluss in der Interventionsgruppe 76% (SD=27%) und 71% (SD=27%) in der Kontrollgruppe (p=0,62) (vgl. Golin et al. 2006, S. 48). Sämtliche Unterschiede der Compliance-Werte zwischen den Gruppen sind statistisch nicht signifikant. Die Veränderungen der Viruslast zeigten ebenfalls keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. 52% in der Interventions- und 44% in der Kontrollgruppe erreichten eine nicht nachweisbare Viruslast (vgl. Golin et al. 2006, S. 48). In den Ergebnissen der psychosozialen und psychoökonomischen Werte gab es gleichfalls keine statistisch signifikanten Unterschiede (vgl. Golin et al. 2006, S. 48). Bei 7 von 9 Variablen der Verhaltensänderung wurde hingegen statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt (z.B. Anzahl der gesetzten Ziele 18.

(20) (p=0.0149) und Anzahl der entwickelten Strategien (p=0,0085)) (vgl. Golin et al. 2006, S. 48f). Konfidenzintervalle wurden mit Ausnahme der Ergebnisse bezüglich der ViruslastVeränderungen nicht angegeben, daher lassen sich die mehrheitlich statistisch signifikanten Ergebnisse bei den Variablen der Verhaltensänderung auf eine vergleichbare Bevölkerungsgruppe nicht übertragen (vgl. Golin et al. 2006, S. 46ff). Kritisch anzumerken ist weiter, dass nur von 81 Teilnehmern verwertbare eDEMS-Daten ausgewertet werden konnten (vgl. Golin et al. 2006, S. 46). Da dieses Instrument eine von drei Methoden war, um die Medikamenten-Compliance zu messen (vgl. Golin et al. 2006, S. 45), erscheint die Validität der Ergebnisse weiterhin fraglich.. Diskussion der Autoren Golin et al. kommen zu dem Ergebnis, dass für die Wirksamkeit der MI im Vergleich zu der Kontrollintervention keine Belege, allenfalls nur Indizien vorliegen. Sie geben an, dass die meisten Teilnehmer vor der Studie mindestens eine ART abgebrochen haben, was generell Interventionen zur Compliance-Steigerung zusätzlich erschweren kann. Dieser Umstand lag allerdings bei beiden Gruppen vor und relativiert die überwiegend statistisch nicht-signifikanten Ergebnisse daher nicht (vgl. Golin et al. 2006, S. 48f). Als Limitierung ihrer Studie geben sie an, dass die Studiendauer zu kurz angelegt sein könnte. Eine weitere Schwäche sehen sie in der geringen Teilnehmerzahl und verweisen darauf, dass 33% der in Frage kommenden Patienten eine Teilnahme abgelehnt haben. Außerdem geben sie an, dass die eingesetzten Messinstrumente, insbesondere der eDEMS zu Fehlern führen kann - dieses Risiko habe allerdings für beide Gruppen bestanden. Das Bias-Risiko schätzen die Autoren sehr gering ein (vgl. Golin et al. 2006, S. 49f). Für neue Studien empfehlen sie einen längeren Zeitraum als 12 Wochen, eine höhere Intensität der MI-Intervention und eine größere Studienpopulation (vgl. Golin et al. 2006, S. 50).. Kritik zur Studie Die Studie weist insgesamt einige methodische Schwächen auf: es fehlt eine detaillierte Definition von MI. Die Stichprobengröße war zu gering und ihre Berechnungsgrundlage fraglich. Angaben zum Radomisierungsverfahren fehlen und ob eine Verblindung der Teilnehme erfolgte ist unklar. Die Aussteigerquote von 26,5% war relativ hoch, zudem können Bias nicht ausgeschlossen werden. Der Umfang von allein 2 MI-Sitzungen in 12 19.

(21) Wochen ist aus Sicht einer zielorientierten Beratung schwer nachvollziehbar ferner bleibt die durchschnittliche Dauer der Sitzungen unklar. Genaue Angaben über die Inhalte der MI-Beratungen sowie über jene der Standardbehandlung in der Kontrollgruppe fehlen. Die Genauigkeit von eDEMS ist fraglich, allerdings wurden verschiedene Messinstrumente eingesetzt, um diesen Mangel auszugleichen. Nur von 81 der Teilnehmer konnten außerdem eDEMS-Daten ausgewertet werden. Die Studiendauer war wohl zu kurz angelegt und die Autoren scheinen die Limitierungen ihrer Studie nicht vollständig angegeben zu haben. Die Validität der Studie ist fraglich. Positiv zu werten ist, dass die Gruppen in der Baseline offenbar gut vergleichbar waren.. 5.2 Studie 2: Dilorio et al. (2008) „Using motivational interviewing to promote adherence to antiretroviral medications: A randomized controlled study” Dilorio et al. legten im Jahr 2008 eine RCT vor in welcher untersucht wurde, ob MI die Compliance bei Medikamenteneinnahme von einkommensschwachen, HIV infizierten Erwachsenen (n=247) verbessern kann. Alle Teilnehmer erhielten eine Behandlung mit einer ART. Die Intervention wurde in einer AIDS-Klinik in Atlanta, Georgia, im Vergleich zu der dort üblichen Versorgung getestet. Die erste Rekrutierung begann im Jahr 2001, und 2005 wurde die Studie abgeschlossen. Der Interventionszeitraum betrug 3 Monate und die Beobachtungsphase endete 12 Monate nach der Baseline (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 273f).. Begriffsdefinition und Qualität der MI-Beratung Die MI wird von den Autoren umrissen, wobei auf ihre Ziele und den Beratungsstil nur in knappen Worten eingegangen wird (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 273f). Eine detaillierte Definition fehlt allerdings, daher sind Vorkenntnisse notwendig, um die Grundlagen und Merkmale dieser Intervention zu verstehen. Elf Pflegekräfte erhielten eine MI-Schulung mit einem Workload von 24 Stunden, in welcher Theorien und Methoden vermittelt sowie Beratungs-Trainings durchgeführt wurden. Als Ausbilder fungierten zwei der Studien-Autoren, ausgebildete Psychologen, welche selbst in MI geschult waren. Die Trainings wurden auf Tonband aufgenommen und von einem Psychologen und einem Doktoranden auf ihre Qualität hin überprüft. FeedbackGespräche zwischen den Ausbildern und den Pflegeberatern wurden durchgeführt und zusätzliche individuelle Schulungen für die Pflegeberater bei Bedarf angeboten (vgl. Dilo20.

(22) rio et al. 2008, S. 275). Der Ablauf der Ausbildung ist ausführlich beschrieben, die Qualifikation der Ausbilder kann allerdings nicht eingeschätzt werden.. Stichprobe Zu Beginn wurden 247 Teilnehmer rekrutiert, von denen 125 Personen die Interventionsund 122 in die Kontrollgruppe aufgenommen wurden. Die Teilnehmer hatten erstmalig die ART erhalten oder ihre Medikamente wurden in der laufenden Therapie geändert. In beiden Fällen erhielten sie die an dieser Klinik üblichen Schulungen, zur Förderung der Compliance bei ärztlich verordneter ART (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274). Das Durchschnittsalter aller Probanden, welche die Studie abschlossen, betrug 41 Jahre, 65% waren männlich, 88% hatten eine Einkommen von monatlich <1.200 $ und 83% der Teilnehmer waren arbeitslos (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 277). Folgende Einschlusskriterien zur Studienteilnahme mussten erfüllt sein: 1. Eine diagnostizierte HIV-Infektion, 2. dass die Patienten von kompetenten Pflegekräften der üblichen ComplianceSchulung zu gewiesen wurden, 3. dass die Patienten eine ART erstmalig aufgenommen oder ihre Medikamente bei laufender Therapie verändert wurden, 4. ein Alter von mindestens 18 Jahren, 5. der englischen Sprache mächtig zu sein und 6. bereit zu sein, mit einem Studienmitarbeiter zu sprechen (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274). Insgesamt haben 213 Probanden die Studie abgeschlossen (107 Personen in der Experimentell- und 106 in der Kontrollgruppe) (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 275). Damit konnten von 87% der Teilnehmer Daten ausgewertet werden, was die Teststärke der Studie nicht sehr beeinträchtigte. Als Ausstiegsgründe nennen die Autoren Zeitdruck und Verlust des Interesses. Die meisten Aussteiger waren jedoch im Studienverlauf verstorben (70%) (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 277). Die Berechnungsgrundlagen der Stichprobengröße werden allerdings nicht erläutert, was die Repräsentativität der Studie fraglich erscheinen lässt.. Randomisierung und Verblindung Die Teilnehmer wurden mit computergenerierten Codes zufällig den Gruppen zugeteilt (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274). Statistisch signifikante Unterschiede gab es an der Baseline zwischen den Gruppen nicht (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 277). Ob die Teilnehmer und 21.

(23) die Untersucher der Studiendaten verblindet wurden bleibt unklar. Bias können daher nicht ausgeschlossen werden.. Intervention Während des dreimonatigen Interventionszeitraumes haben die Mitglieder der Interventionsgruppe 5 MI-Sitzungen erhalten mit einem durchschnittlichen Beratungszeitraum von 20 bis 90 Minuten. Den Beratungen wurden folgende Ziele zugrunde gelegt: 1. den Probanden das Verständnis über die Bedeutung des Medikamenten-Einnahmeverhaltens zu vermitteln ,und 2. die Medikamenten-Compliance der Teilnehmer auf einem hohen Level aufrechtzuerhalten (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274f). Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Teilnehmer dadurch vermutlich in einer eigenständigen, freien Entwicklung von Beratungszielen eingeschränkt wurden. Ein Abweichen vom ursprünglichen MI-Konzept hat hier offenbar stattgefunden (siehe Kapitel 2.1). Die Berater nutzten ein semi-strukturiertes Beratungsskript, um, nach Angaben der Autoren, die Standardisierung und Vergleichbarkeit der Sitzungen zu erhöhen (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274). 80% aller Beratungen wurde im direkten Einzelgespräch durchgeführt, die restlichen 20% durch telefonischen Kontakt. Als Grund für die telefonische Beratung wird angegeben, dass einige Teilnehmer nicht in der Lage waren, die Klinik aufzusuchen (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 275). Ob die telefonische Beratung zwangsläufig zu den gleichen Ergebnissen führt, wie Face-to-Face-Sitzungen ist unklar. Eine gleichbleibende Qualität der Intervention ist hierdurch jedoch in Zweifel zu ziehen. Alle Sitzungen wurden auf Tonband aufgenommen, um ihre Qualität zu überprüfen (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 275). Angaben bezüglich dieser Überprüfungsergebnisse bleiben die Autoren schuldig, Reporting-Bias liegen somit vor. Die Mitglieder der Kontrollgruppe haben als Vergleichsintervention die an der Klinik übliche Patientenschulung zur Förderung der Medikamenten-Compliance bei ART erhalten (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276). Detaillierte Angaben über die Inhalte dieser Standardschulung geben Dilorio et al. nicht.. Endpunkte Die primären Endpunkte waren die durchschnittlichen Compliance-Quoten der Gruppen bei Medikamenteneinnahme in Prozent (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276). Die ComplianceWerte wurde für zwei Faktoren bestimmt: 1. für die tägliche Anzahl der eingenommen Medikamentendosen im Verhältnis zu der ärztlich verordneten Anzahl und 2. für die tägli22.

(24) chen Zeitpunkten der Medikamenteneinnahmen im Verhältnis zu den ärztlich verordneten Einnahmezeitpunkten (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276). Sekundären Endpunkte waren Veränderungen: der HIV-Viruslast, der Immunzellen mit CD4-Rezeptoren - diese werden von HIV-Viren befallen - sowie des Drogenkonsums als auch des Depressions-Scores der Teilnehmer im Vergleich zwischen Baseline und dem Ende der Follow-up-Phase (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276ff). Verhaltensbezogene oder sonstige abhängige Variablen wurden nicht erhoben.. Messinstrumente Die Forscher haben das Medication Event Monitoring System (im Folgenden MEMS) eingesetzt, um die Compliance bei Medikamenteneinnahme zu messen. MEMS misst elektronisch jedes Öffnen der Medikamentenflasche (Anzahl und Zeitpunkte) (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276). Es funktioniert nach dem gleichen Prinzip, wie das eDEMS in der zuvor vorgestellten Studie von Golin et al. und weist die gleichen Mängel auf: Jedes Öffnen wird grundsätzlich als Medikamenteneinnahme gewertet, obgleich Letzteres nicht zutreffen muss, auch könnten die Patienten mehrere Medikamentendosen auf einmal entnehmen, diese deponieren und zu den korrekten Zeitpunkten in der korrekten Anzahl einnehmen - das System könnte dies ebenfalls nicht erfassen. Des Weiteren wurden Fragenbögen eingesetzt (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274), um zusätzliche Informationen über die Compliance als auch Daten bezüglich des Drogenkonsums zu gewinnen (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276ff). Zur Bestimmung der Viruslast und der Immunzellen mit CD4-Rezeptoren haben Dilorio et al. Blutuntersuchungen durchführen lassen. Die validierte CES-D-Skala wurde zur Bestimmung des Depressions-Scores verwendet (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276f).. Datenerhebung und -analyse Der MEMS wurde bei den Teilnehmern bis zu drei Wochen vor Bestimmung der Baseline und anschließend weitere 12 Monate bis zum Abschluss des Follow-up eingesetzt. Der Datenupload erfolgte monatlich in der Studienklinik. Umfragen mit den Fragebögen wurden in beiden Gruppen drei mal nach der Baseline durchgeführt (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 274). Die genauen Zeitpunkte der Blutuntersuchungen werden von Dilorio et al. nicht genannt. Die Analyse der Daten erfolgte mit SPSS 15.0 (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 276).. 23.

(25) Studienergebnisse Die durchschnittliche Compliance bei Einnahme der verordneten Anzahl von Medikamentendosen nahm in beiden Gruppen im Verlauf der 12 Monate ab, von anfangs 79% auf 64% in der Interventions- und von 80% auf 55% in der Kontrollgruppe. Statistisch signifikante Unterschiede gab es hier zwischen den Gruppen nicht (p=0,9). Ebenfalls hat die durchschnittliche Compliance bei Medikamenteneinnahme zum angeordneten Zeitpunkt im selben Zeitraum abgenommen, zunächst von 58% auf 41% in der Interventions- und von 57% auf 24% in der Kontrollgruppe. Statistisch signifikante war damit die bessere Compliance bei Medikamenteneinnahme zum angeordneten Zeitpunkt zu Gunsten der mit MI beratenen Probanden (p=0,004). Die Berechnung der Werte erfolgte nach dem Intention-to-treat-Prinzip (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 279f). Die Werte der Viruslast wurden in zwei Bereiche unterteilt: für eine nachweisbare und für eine nicht nachweisbare Viruslast. Die durchschnittlich nachweisbare Viruslast hat in der Interventionsgruppe etwas nachgelassen, von 3,29 log auf 3,05 log, und in der Kontrollgruppe leicht zugenommen, von 3,35log auf 3,39log, jeweils in 12 Monaten. Die durchschnittliche Viruslast unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze (<0,40log) hat in beiden Gruppen innerhalb der 12 Monate zugenommen, von 27% auf 58% in der Interventionsund von 20% auf 47% in der Kontrollgruppe. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gab es bei diesen Werten nicht (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 279f). Die durchschnittliche Anzahl der Immunzellen mit CD4-Rezeptoren hat in der Interventionsgruppe leicht zu- und in der Kontroll-Gruppe leicht abgenommen. Einen statistisch signifikanten Unterschied gab es hier ebenso nicht (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 279f). Konfidenzintervalle wurden für alle Outcome-Daten angegeben und sprechen für eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine entsprechende Grundgesamtheit (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 280).. Diskussion der Autoren Dilorio et al. kommen zu dem Schluss, dass MI die Compliance positiv beeinflussen kann. Nach ihren Angaben haben auch andere Studien gezeigt, dass die Compliance der jeweiligen Probanden mit der Zeit nachlässt (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 279). Als Limitierung ihre Studie geben sie an, dass die Ergebnisse der Stichprobe (aus einkommensschwachen HIV-Patienten) schlecht auf alle an HIV erkrankten Personen mit ART übertragen werden können, ferner die Anwendung von MEMS einigen Teilnehmern schwer gefallen ist, Teilnehmer, von denen eine mangelnde Compliance bekannt war, von 24.

(26) der Studie nicht ausgeschlossen wurden und dass sich die Art und Dosierung der Medikamente im Studienverlauf bei einigen Teilnehmern änderte, was Einfluss auf deren Compliance gehabt haben könnte (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 281f).. Kritik zur Studie Die Methode der Randomisierung wurde angegeben, Informationen zur Verblindung der Teilnehmer und Untersucher fehlen jedoch. Entsprechende Bias können nicht ausgeschlossen werden. Die Definition von MI hätte detaillierter ausfallen können. Dass die MIAusbildung von Studienautoren durchgeführt wurde, ist vermutlich keine Musterlösung, allerdings sind hieraus keine direkten Schwächen abzuleiten. Die Untersucher wurden allerdings offenbar nicht verblindet. Die Gruppen scheinen gut vergleichbar zu sein. Der Umfang von 5 MI-Sitzungen in 3 Monaten erscheint angemessen gewählt und spricht für eine adäquate Nachkontrolle. Die Validität der Compliance-Messung mit MEMS ist fraglich, allerdings wurden Umfragen durchgeführt, welche diesen Mangel vermutlich ausgeglichen haben. Psychosoziale und Verhaltensbezogene Outcomes (abgesehen von Compliance) wurden nicht gemessen, was im Sinne eines Beratungskonzeptes, welches zunächst auf die Förderung der intrinsischen Klienten-Motivation abzielt, kritisch zu sehen ist. Detaillierte Angaben über die Inhalte der Kontrollinterventionen fehlen. Ebenso ist die Berechnungsgrundlagen der Stichprobengröße nicht angegeben. Eine hinreichende Teststärke der Studie ist daher zweifelhaft. Konfidenzintervalle wurden zu den Outcome-Daten angegeben und liegen eng beieinander (vgl. Dilorio et al. 2008, S. 280). Insgesamt weist die Studie einige, aber keine gravierenden Mängel auf.. 5.3 Studie 3: Brodie, Inoue (2005) „Motivational interviewing to promote physical activity for people with chronic heart failure” Brodie und Inoue wollten mit ihrer im Jahr 2005 veröffentlichten RCT überprüfen, ob MI die körperliche Aktivität bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (n=92) verbessern kann. Die Studie war dreiarmig angelegt: Die MI als alleinige Intervention wurde im Vergleich zu einer alleinigen Standardschulung sowie im Vergleich zu dieser Schulung inklusive MI getestet. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich über 5 Monate (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 518).. 25.

(27) Begriffsdefinitionen und Qualität der MI-Beratung Die Autoren gehen auf die Vorteile von körperlicher Aktivität für an chronischer Herzinsuffizienz erkrankte Patienten ein und benennen hierfür u.a. die Verbesserungen der Lebensqualität (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 518f). Das MI-Beratungskonzept wird in der Studie verständlich umrissen (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 519), eine detaillierte Definition fehlt jedoch. Die MI-Sitzungen wurden von den Forschern durchgeführt (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 519f). Die Qualifikation der Berater wurde nicht angegeben. Inwieweit Brodie und Inoue die Qualität der Beratung sicher stellen konnten ist daher unklar.. Stichprobe Zweiundneunzig Probanden wurden randomisiert in drei Gruppen verteilt. In Gruppe eins (n=30) bestand die Intervention aus der MI und der Standardversorgung, in Gruppe zwei (n=32) allein aus der Standardversorgung und in Gruppe drei (n=30) nur aus der MI (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 519ff). Die Einschlusskriterien zur Studienteilnahme waren: 1. eine diagnostizierte chronische Herzinsuffizienz, 2. ein Alter von mindestens 65 Jahren, 3. Gehfähigkeit mit oder ohne Mobilitätshilfe und 4. die Fähigkeit eine schriftliche Einverständniserklärung geben zu können. Als Ausschlusskriterien wurden festgelegt: 1. eine diagnostizierte, normale systolische Herzfunktion, 2. das Wohnen in einem Pflegeheim oder der geplante Einzug in eine solches, 3. wohnhaft außerhalb des Einzugsgebietes des örtlichen Krankenhauses (vermutlich in England), 4. ein Myokardinfarkt oder eine instabile Angina Pectoris in den letzten 3 Monaten, 5. eine operationspflichtige Herzklappenerkrankung, 6. eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, 7. Krankenhausaufnahme zur Sterbebegleitung oder eine Lebenserwartung von unter 5 Monaten, 8. ein Wert von ≤6 auf dem Mini-Mental-Status Fragebogen oder 9. die Unfähigkeit, einen schriftliche Einverständniserklärung zu geben (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 520).. 26.

(28) Insgesamt sind 32 Teilnehmer nach dem Studienstart aus der Studie ausgeschieden, 21 waren verstorben, 11 Probanden wurden ausgeschlossen, da sie jede Interventionsteilnahme verweigerten (n=7) oder in ein Pflegeheim zogen (n=4). Die Aussteigerquote betrug damit 34,8%, was die Teststärke der Studie herabsetzt. Eine Intention-to-treat-Analyse wurde offenbar nicht durchgeführt. Die 60 Probanden, welche die Studie beendeten, hatten ein Durchschnittsalter von 79 Jahren (Range 68-94 Jahre). Die Unterschiede in der Geschlechtsverteilung in den Gruppen soll nach Brodie und Inoue statistisch nicht signifikant gewesen sein, allerdings waren doppelt so viele Männer in Gruppe 2, wie in Gruppe 1 (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 521f). Der entsprechende P-Wert wurde nicht angegeben.. Randomisierung und Verblindung Die Randomisierung wurde durch eine zufällige Verteilung von Umschlägen an die Teilnehmern durchgeführt (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 521). Ob diese Methode eine Einflussnahme der Forscher ausschließen konnte bleibt unklar. Eine Selektionsbias kann daher nicht ausgeschlossen werden. Inwieweit eine Verblindung der Teilnehmer stattgefunden hat, wird von den Autoren nicht angegeben. Eine Verblindung der Untersucher wurde durch eine unabhängige Datenauswertung erreicht (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 523).. Intervention Die Mitglieder der Gruppen 1 und 3 haben 8 MI-Sitzungen mit einer durchschnittlichen Dauer von einer Stunde erhalten. Zu Beginn des Beratungsprozesses wurden in Face-toFace-Sitzungen mit den Probanden, deren geleisteten körperlichen Aktivitäten innerhalb eines Wochenzeitraumes untersucht sowie der zeitliche Umfang, welchen sie im Sitzen verbrachten. Ferner wurden mit ihnen u.a. Verhaltensänderungsstrategien besprochen und geübt (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 519f). In Gruppe 2 bestand die Standardintervention aus einer am Krankenhaus üblichen Schulung in der den Mitgliedern Informationen und Empfehlungen bzgl. körperlicher Aktivitäten vermittelt wurden. Die Schulung wurde von kardiologischen Fachpflegekräften durchgeführt (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 518).. Endpunkte Der primäre Endpunkt war die tägliche, körperliche Aktivität der Teilnehmer, gemessen als täglicher Energieumsatz (kcal/kg/Tag). Der sekundäre Endpunkte war die Veränderung der körperlichen Belastbarkeit der Probanden zwischen Baseline und Abschluss der Follow-up (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 520). 27.

(29) Messinstrumente Die Messung des täglichen Energieumsatzes erfolgte mittels eines Fragebogens über die körperliche Aktivität in der Freizeit, in welchem mehrere Übungen angegeben werden konnten: Sitzen, Gehen und Treppensteigen. Ebenfalls zur Messung des tägl. Energieumsatzes wurde ein von den Probanden auszufüllendes Tagebuch über die körperliche Aktivität innerhalb von 3 Tagen verwendet. Die körperliche Belastbarkeit wurde mit einem 6Minuten-Gehtest gemessen (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 520). Angaben über die Validität dieser Instrumente fehlen.. Datenerhebung und -analyse Genaue Zeitpunkte der Datenerhebung nennen Brodie und Inoue nicht, es scheint jedoch logisch, dass Daten vor bzw. an der Baseline und zum Ende des 5-monatigen Untersuchungszeitraumes erhoben wurden (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 522f). Die Analyse der Daten erfolgte mit SPSS 10.0 (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 521).. Studienergebnisse In den aufgezeichneten, körperlichen Aktivitäten Sitzen, Gehen und Treppensteigen gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 522). P-Werte zu diesen Ergebnisse nennen die Autoren nicht. Der durchschnittliche tägliche Energieumsatz betrug an der Baseline bei den Teilnehmern, welche die Studie beendeten, 8,2 kcal/kg/Tag. Die Mitglieder der Gruppe 1 (Schulung + MI) und 3 (MI) steigerten diesen Wert nach 5 Monaten um 2,3 kcal/kg/Tag in Gruppe 1 und um 2,4 kcal/kg/Tag in Gruppe 3. Der Energieumsatz in Gruppe 2 (Schulung) fiel im gleichen Zeitraum um -0,1 kcal/kg/Tag. Die Veränderungen dieser Werte zwischen den Gruppen waren statistisch nicht signifikant (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 522). Die P-Werte wurden nicht genannt. Die durchschnittliche Gehstrecke aller, die Studie abschließenden Probanden, betrug im 6Minuten-Gehtest in der Baseline 115 m. Alle Gruppen steigerten ihre durchschnittliche Gehstrecke (p=<0,0001): Gruppe 1 auf 109,3 m, Gruppe 2 auf 181 m und Gruppe 3 auf 119,3 m (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 522f). Es ist allerdings anzumerken, dass die mittlere Gehstrecke in Gruppe 2 in der Baseline aus unbekannten Gründen bereits deutlich länger war (157 m), als in den beiden anderen (Gruppe 1: 89,5 m; und Gruppe 3: 97,2 m). Dennoch haben die Mitglieder in Gruppe 2 ihre durchschnittliche Gehstrecke am stärksten ver28.

(30) bessert (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 522). Diese Resultate sollen im Gruppenvergleich statistisch nicht signifikant gewesen sein (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 524f), die Autoren nennen hier jedoch ebenfalls keinen P-Wert. Die Konfidenzintervalle zu den Outcome-Daten fehlen ebenso.. Diskussion der Autoren Limitierungen ihrer Studie sehen die Autoren in der Beteiligung der Forscher an der Intervention und schließen hierbei Bias nicht aus. Außerdem wurden Ergebnisse des Energieumsatzes und der körperlichen Aktivität der Teilnehmer aus Informationen der Fragebögen abgeleitet. Dieses Messinstrument sei aber von der Korrektheit der Teilnehmerangaben abhängig und damit nicht absolut zuverlässig, wie z.B. die direkte Beobachtung körperlicher Aktivitäten. Die Autoren räumen ein, dass Daten bzgl. psychosozialer und soziökonomischer Variablen nicht umfassend erhoben wurden, mit Ausnahme des Sprachverständnisses und des sozialen Netzwerkes der Probanden (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 523). Brodie und Inoue kommen zu dem Schluss, dass weitere Forschung notwendig ist, um die Wirkung von MI zu erforschen, und empfehlen hierfür eine größere Stichprobe (vgl. Brodie, Inoue 2005, S. 525).. Kritik zur Studie Die Studie hat einige methodische Mängel: Eine Verblindung der Teilnehmer hat womöglich nicht stattgefunden. Die Gruppen waren an der Baseline zwar gut vergleichbar, dennoch konnten die Mitglieder der Gruppe 2 aus ungeklärten Gründen im Mittel deutlich weiter gehen als die restlichen Probanden. Bias können nicht ausgeschlossen werden. Die Stichprobengröße war gering und offenbar nicht auf Grundlage einer Powerkalkulation berechnet worden. Des Weiteren haben nur 65,2% aller Teilnehmer die Studie abgeschlossen, was die Teststärke weiter einschränkt. Eine Intention-to-treat-Analyse wurde offenbar nicht durchgeführt (Angaben fehlen). In welcher Frequenz die MI-Beratungen durchgeführt wurden, bleibt ebenso unklar. Außerdem fehlt eine detaillierte Definition der MIBeratung. Angaben bzgl. des Ablaufes und der genauen Inhalte der Standardschulung wurden gleichfalls ausgelassen. Bezüglich des Endes der Interventions- und der Länge der Follow-Up-Phase geben die Autoren gleichsam keine Informationen. Die Qualifikation der Forscher, welche die MI-Beratung durchführten, ist nicht bekannt und die Qualität der Beratungen damit fraglich. Abhängige Variablen bzgl. der Lebensqualität oder anderer für die Teilnehmer relevante Outcomes (z.B. positive Beratungseffekte) wurden nicht erhoben. 29.

(31) Die Validität der Messinstrumente ist zudem fraglich und die Konfidenzintervalle zu den Outcome-Daten sind nicht angegeben. Außerdem fehlen die P-Werte bei den Ergebnissen im Gruppenvergleich. Die Validität der Studie ist insgesamt in Zweifel zu ziehen.. 5.4 Studie 4: Knight et al. (2006) „A systematic review of motivational interviewing in physical health care settings” Knight et al. haben mit dieser im Jahr 2006 veröffentlichen systematischen Übersichtsarbeit untersucht: in welchem Umfang MI in unterschiedlichen Gesundheitssettings verwendet wird, wie wirksam MI ist und zu welchen Effekten es führt, wenn MI bei Patienten mit physischen Gesundheitsproblemen eingesetzt wird. Ferner waren die Autoren bestrebt einen Überblick über die Qualität der diesbezüglichen, damaligen Forschung zu geben und weiteren Forschungsbedarf zu identifizieren (vgl. Knight et al. 2006, S. 319). Insgesamt haben Knight et al. 8 relevante Studien (darunter 4 RCTs) identifiziert, beschrieben und beurteilt (vgl. Knight et al. 2006, S. 323). Die Recherche wurde im August 2002 durchgeführt und im September 2003 sowie im April 2004 aktualisiert (vgl. Knight et al. 2006, S. 321).. Methodik Die Recherche wurde in den elektronischen Datenbanken Amed, Cinahl, Embase, Medline, Psych Info, ISI Web of Science und SIGLE durchgeführt und umfasste einen Publikationszeitraum vom Jahr 1966 bis 2004 (vgl. Knight et al. 2006, S. 319ff). Suchbegriffe waren: motivational interviewing, stages of change, transtheoretical model, behavior change und client centred couselling. Umfangreiche Suchbegrifflisten wurden für chronische Erkrankungen zusammengestellt als auch mit Medical Subject Headings (MeSH) für chronic illness in die Recherche einbezogen (vgl. Knight et al. 2006, S. 321). Ebenfalls wurde die Webseiten der Cochrane Libary, des National Research Registers sowie drei weitere wissenschaftliche Internetseiten nach Studien mit dem Suchwort motivational interviewing durchsucht. Zudem wurden Experten und Personen, welche zu diesem Thema in aktuellen Forschungsprojekten arbeiteten, nach unveröffentlichtem Material und weiteren Informationen gebeten. Graue Literatur wurde mit Hilfe der Datenbank Sigle durchsucht. Ferner erstreckte sich die Recherche über 7 wissenschaftliche Fachzeitschriften (u.a. American Journal of Preventative Medicine) (vgl. Knight et al. 2006, S. 321). Die Einschlusskriterien waren: 30.

(32) - Im Bereich Zielgruppe, dass die Studienpatienten ein Risiko aufwiesen, eine gemeinsame körperliche Krankheit zu entwickeln und - im Bereich Intervention, dass MI in der Studie als Methode der Verhaltensänderung verwendet wurden (vgl. Knight et al. 2006, S. 321). In Bezug auf das Studiendesign lagen keine Kriterien vor, da nur eine geringe Anzahl von RCTs gefunden und daher auch Nicht-RCTs einbezogen wurden. Gleichfalls gab es für gemessene Outcomes keine spezifischen Kriterien. Knight et al. begründen dies damit, dass alle Studien mit wirksamen Ergebnissen identifiziert werden sollten (vgl. Knight et al. 2006, S. 321).. Studienabruf und -analyse Einundfünfzig relevante Abstracts wurden gefunden. Insgesamt konnten 43 Abstracts ausgeschlossen werden, da sie die Einschlusskriterien nicht erfüllten und z.B. Fragen der Berufsausbildung thematisierten oder MI und/oder körperliche Erkrankungen nicht einbezogen. Insgesamt konnten 8 Studien für eine beschreibende Analyse ausgewählt werden (vgl. Knight et al. 2006, S. 321f). Um Verzerrungen zu vermeiden, erfolgte das Auswahlverfahren durch zwei Forscher, welche Unstimmigkeiten in Diskussionen klärten (vgl. Knight et al. 2006, S. 322). Auf eine Metaanalyse haben Knight et al. verzichtet, aufgrund der Heterogenität der Studien in den gemessenen Endpunkten bzgl. des Interventionszeitraumes, im definierten Problemverhalten der Probanden, in den Studien-Settings sowie hinsichtlich der Qualifikation und Erfahrung der MI-Berater (vgl. Knight et al. 2006, S. 322).. Identifizierte Studien Unter den ausgewählten Studien waren vier RCTs, drei Pilotstudien und eine nichtrandomisierte Kontrollstudie (vgl. Knight et al. 2006, S. 323) (siehe Tabelle 1). Die eingeschlossenen Erkrankungen bzw. Therapien dieser Studien waren: Diabetes mellitus Typ 1 und 2, Asthma, Hyperlipidämie als auch Hypertonie, koronare Bypass-Chirurgie und kardiologische Rehabilitation. Mit allen 8 Studien sollte herausgefunden werden, ob MI zu besseren Behandlungsergebnissen führt, als die jeweilige Standardversorgung in den Bereichen: Compliance, Gesundheitsverhalten und Ergebnisverbesserungen der verschiedenen medizinischen Therapien (vgl. Knight et al. 2006, S. 323).. 31.

(33) Nr.. Autoren und Population. 1. Channon et al. (2003), Kinder mit Diabetes Typ 1 Clark und Hampson (2001), übergewichtige Erwachsene mit Diabetes Typ 1 Smith et al. (1997), übergewichtige Frauen mit Diabetes Typ 2. Pilotstudie. 4. Schmaling et al (2001), Patienten mit Asthma. Randomisierte, n=25; FU 2 Wokontrollierte chen; Ø 39,32 LePilotstudie bensjahre. 5. Mhurchu et al. (1998) Patienten mit Hyperlipidämie Woollard et al. (1995), Patienten mit Hypertonie. RCT n=97; FU 6 Mona(Teststärke nur te; Durchschnittsal61%) ter unbekannt. 2. 3. 6. 7. 8. McHugh et al. (2001), Patienten, die eine arterielle Bypass-OP erwarten Scales (1998) Patienten mit Koronarer Herzkrankheit, die eine Rehabilitation erwarten. Studiendesign. Stichprobengröße Intervention (n), Follow-upPeriode (FU) und Durchschnittsalter n=22; FU 6 Mona- Interventionsgruppe: individuelle MI-Beratung (Ø 4,7 Sitzungen); te; Ø 15,8 Lebensjahre keine Kontrollgruppe. RCT (nur mit Baseline-Daten). n=100; FU 1 Jahr; Ø 59,4 Lebensjahre. randomisierte Pilotstudie. n=16; FU 4 Monate; Ø 62,4 Lebensjahre. Nichtrandomisierte Kontrollstudie. n=146; FU 18 Wochen; Ø 58 Lebensjahre. RCT. N=98; FU 15 Monate; Ø 62 Lebensjahre. RCT. n=61; FU 12 Wochen; Ø 59,6 Lebensjahre. Interventionsgruppe: Kurz-MI-Beratung plus drei 10minütige Telefongespräche in der Follow-Up; Kontrollgruppe: Standardbehandlung Interventionsgruppe: 3 MI-Sitzungen plus 16-wöchige verhaltensbeinflussende Gewichtskontrolle; Kontrollgruppe: nur besagte Gewichtskontrolle Interventionsgruppe: einmalige Kurz-Schulung und eine MISitzung; Kontrollgruppe: einmalige KurzSchulung Interventionsgruppe: 3 MI-Beratungen; Kontrollgruppe: Standardtipps für Cholesterin arme Ernährung Interventionsgruppe 1: vier 15minütige Telefonberatungen; Experimentellgruppe 2: vier 45minütige MI-Beratungen; Kontrollgruppe: Standardbehandlung Interventionsgruppe: MI-Beratung plus monatliche Gesundheitsschulung; Kontrollgruppe: Standardbehandlung Interventionsgruppe: 1 bis 4 MI-Beratungen plus übliches Rehabilitationsprogramm; Kontrollgruppe: übliches Rehabilitationsprogramm mit Gruppendiskussion plus optionale Intervention zur Lebensstiländerung. Tabelle 1: Übersicht der von Knight et al. bewerteten Studien (vgl. Knight et al. 2006, S. 324ff). 32.

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