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Von Ehre, Akzeptanz und Verdrängung

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Academic year: 2022

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Von Ehre, Akzeptanz und Verdrängung

Frauen in der patristischen Literatur

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

eingereicht von Monika Knapp BEd

am Institut für Ökumenische Theologie, Ostkirchliche Orthodoxie und Patrologie Univ.-Prof. DDr. Pablo Argárate

Graz, 2016

(2)

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Moosburg, am Monika Knapp BEd

(3)

Danksagung

Für die Betreuung der vorliegenden Arbeit danke ich im Besonderen Herrn Univ.- Prof. DDr. Pablo Argárate sehr herzlich.

Das Masterstudium Katholische Religionspädagogik konnte ich im Rahmen der Kooperation der Karl-Franzens-Universität Graz mit der Katholischen Pädagogischen Hochschuleinrichtung (KPHE) Kärnten absolvieren. Besonderer Dank gilt seitens der KPHE Herrn Rektor P. Dr. Franjo Vidović OFM und seinem Team für das Zustandekommen, die Begleitung und die Organisation der Kooperation.

.

(4)

Abstract

Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit der Ehre, Akzeptanz und Verdrängung der Frau in der patristischen Literatur. Am Beginn der Arbeit wird die Stellung der Frau im antiken griechischen, römischen, jüdischen und christlichen Kulturkreis beschrieben.

Anhand von zwei Kurzportraits von Frauen der paulinischen Literatur und der Bearbeitung der Maria Magdalena der Bibel und der Apokryphen wird auf die sieben Frauenportraits der patristischen Zeit vorbereitet. Das Leben und Wirken von Thekla, Makrina, Paula, Olympias, Egeria, Synkletike und Proba wird besonders herausgearbeitet. Anschließend wird anhand eines synodalen Beschlusses und mehrerer Aussagen von Kirchenvätern auf die systematische, bis heute wirksame Verdrängungsgeschichte der Frauen aus kirchlichen Ämtern aufmerksam gemacht.

Im Conclusio werden noch einmal die Unterschiede, Zusammenhänge, Widersprüche und Gemeinsamkeiten der Frauen herausgestrichen, sowie der theologische Aspekt des Endes von männlich und weiblich betrachtet.

Keywords

Amma, Antike, apokryph, Apophthegmata Patrum, Apostolin, Askese, Asketin, Augustinus von Hippo, Basilius von Cäsarea, Bekennerin, Bibel, Briefe, Cento, Christen, Christinnen, Christentum, Diakonin, Dichterin, Egeria, Ehefrau,

Eustochium, Frau, Gleichberechtigung, Gregor von Nyssa, Hieronymus, Historia Lausiaca, Jesus Christus, Johannes Chrysostomos, Jungfrau, Junia(s), Kirche, Kirchenväter, Lehrerin, Lydia, Märtyrerin, Makrina, Marcella, Maria Magdalena, Mutter, Neues Testament, Olympias, Palladius, Patristik, patristische Literatur, Patriarchat, Paulus, Phöbe, Pilgerreise, Proba, Synkletike, Synode von Gangra, Tertullian, Thekla, Vermännlichung, Witwe, Wüstenmutter

(5)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... 7 

Die Stellung der Frau in der Antike ... 11 

1.1  Die Stellung der Frau in der griechischen Antike ... 11 

1.2  Die Stellung der Frauen im römischen Reich ... 13 

1.3  Die Stellung der Frau im Judentum um die Zeitenwende ... 16 

1.4  Die Stellung der Frau im frühen Christentum ... 18 

Frauen im Neuen Testament ... 19 

2.1  Phöbe, die Postbotin? ... 20 

2.2  Eine Apostelin in der Bibel – das geht gar nicht! Aus Junia wird Junias ... 24 

Frauen in der apokryphen Literatur ... 27 

3.1  Das Genderkonzept des Thomasevangeliums (EvThom) ... 30 

3.2  Wer ist Maria von Magdala? ... 32 

3.2.1  Aus Maria Magdalena wird eine Hure ... 33 

3.2.2  Das Evangelium nach Maria (EvMar) ... 38 

3.3  Thekla ... 40 

3.3.1  Der erste Martyriumsbericht aus Ikonion ... 41 

3.3.2  Der zweite Martyriumsbericht aus Antiochien ... 43 

3.3.3  Über die Historizität der Thekla ... 45 

3.3.4  Reaktionen auf Thekla ... 46 

3.3.5  Wer war Thekla nun wirklich? ... 49 

Christliche Frauen des 4. Jahrhunderts ... 50 

4.1  Makrina, die Große (Schwester) ... 51 

4.1.1  Die Vita Macrinae ... 53 

4.1.2  Die Bedeutung Makrinas ... 60 

4.2  Paula, die Freundin des Hieronymus ... 61 

4.2.1  Marcellas Einfluss ... 62 

4.2.2  Hieronymus ... 63 

4.2.3  Paula und Hieronymus - der gemeinsame Weg ... 64 

4.2.4  Oder war zwischen den beiden doch nicht alles eitel Wonne? ... 66 

4.2.4.1  Das Leben der Väter ... 66 

4.2.4.2  Paula und Hieronymus im Paradies ... 68 

4.3  Die schöne, reiche Diakonin Olympias ... 71 

4.3.1  Das Amt der Diakonin in der frühen Kirche ... 73 

(6)

4.3.2  Olympias und Johannes Chrysostomus ... 74 

4.3.3  Olympias (Ver-)Dienst ... 76 

4.4  Auf Pilgerreise mit Egeria ... 78 

4.4.1  Wer war diese Egeria? ... 80 

4.4.2  Der Reisebericht ... 82 

4.4.3  Egerias Beschreibung der Liturgie in Jerusalem ... 86 

4.4.4  Was bedeutet der Reisebericht Egerias für uns? ... 89 

4.5  Frauen in der ägyptischen Wüste ... 90 

4.5.1  Die heilige und gesegnete Lehrerin Synkletike ... 92 

4.5.1.1  Synkletikes Vita ... 93 

4.5.1.1.1  Die Biographie ... 93 

4.5.1.1.2  Die Lehre ... 95 

4.5.1.1.3  Leiden und Tod ... 96 

4.5.1.2  Die Sprüche der Synkletike ... 96 

4.5.1.3  Die Bedeutung von Frauen in der Wüste ... 100 

4.6  Proba – „unvergleichliche Gattin“ und (Kirchen-)Mutter ... 101 

4.6.1  Die Dichterin ... 103 

4.6.2  Der Cento ... 105 

4.6.3  Die Rezeption des Cento ... 108 

4.6.4  Proba – eine Feministin? ... 111 

Die Synode von Gangra und andere patriarchale Thesen ... 112 

Conclusio und Ausklang ... 118 

6.1  Die Qual der Wahl ... 118 

6.2  Die Frage nach dem Familienstand ... 121 

6.3  Der Lebensraum der Frauen ... 123 

6.4  Und worum geht’s den Frauen in der patristischen Literatur? ... 129 

6.5  Die Stellung der Frau im Neuen Testament und der patristischen Literatur ... 130 

6.6  Das Ende von männlich und weiblich aus theologischer Sicht ... 132 

6.7  Mögliche Gründe, warum das Konzept nicht gehalten hat ... 134 

6.8  Und trotzdem beschritten sie neue Wege ... 137 

6.9  Ausblick ... 138 

Abkürzungsverzeichnis: ... 142 

Quellenverzeichnis ... 143 

Literaturverzeichnis ... 147 

(7)

Vorwort

Noch vor einigen Jahrzehnten war weder im Schulunterricht, noch in der Liturgie oder der Seelsorge, von Frauen um Jesus und in der Kirche beziehungsweise Kirchengeschichte die Rede. In Pfarren gab es vielleicht Jungscharleiterinnen oder Pfarrhaushälterinnen, doch alle weiteren Dienste waren männlich besetzt. Es gab Mesner, Organisten, Lektoren, Kantoren und natürlich Priester. Letztgenannte unterrichteten in den meisten Fällen auch in sämtlichen Schulen. Frauen durften in dieser Zeit genauso wenig liturgische Dienste übernehmen, wie Mädchen ministrieren durften. Einzig in Chören waren Frauen und Mädchen in der Kirche aktiv.

Aus der Bibel, dem Neuen Testament, war dem „gewöhnlichen“ Gläubigen oder der

„gewöhnlichen“ Gläubigen wahrscheinlich nur eine Frau bekannt. Das war Maria, die Mutter Jesu, die von Josef hochschwanger auf dem Esel nach Bethlehem gebracht wurde, wo sie Jesus in einem Stall gebar. Maria Magdalena wäre vielleicht noch dem einen oder anderen Erwachsenen ein Begriff gewesen, aber über diese Frau sprach man ja nicht, da sie doch angeblich eine Prostituierte war.

Heute ist das anders. Auf die Kirche wird ein unglaublicher Druck ausgeübt, doch endlich Frauen gleichberechtigt zu behandeln und sich für Frauen in Weiheämtern zu öffnen. Vor kurzem hat Papst Franziskus eine Studienkommission angekündigt, deren Aufgabe es sein soll, zu prüfen, welche Dienste von Diakoninnen in der frühen Kirche ausgeführt wurden.1 Am 19. Oktober 2015 hat die Generalversammlung der Pfarrer-Initiative beschlossen, dass sie „das Recht der Frauen auf ebenbürtigen, vollen Zugang zu allen Weiheämtern in unserer Kirche“2 anerkennt. Am 1. November 2015 wurde eine Verlautbarung mit folgendem Titel auf der Homepage der Association of Catholic Priests (Ireland) veröffentlicht: „Priests call for open discussion on the need for equality of Women in all aspects of Church life, including Ministry.“3 In Magazinen und Illustrierten, wie zum Beispiel am 12. November 2015 in       

1 Radio Vatikan: Kommission zu Diakoninnen: Es geht um das Gestern. 27.06.2016. In: http://de.radiovaticana.v 

a/news/2016/06/27/kommission_zu_diakoninnen_es_geht_um_das_gestern/1240462  [abgerufen  am  28.08.2016]. 

2 SCHÜLLER, Helmut: Leitbild 2016: Bekenntnis zu einer erneuerten Seelsorge. Beschluss der Generalversam‐

mlung am 19.10.2015. In: http://www.pfarrer‐initiative.at/ [abgerufen am 28.08.2016]. 

3 The Association of Catholic Priests (Ireland). (ACP): Priests call for open discussion on the need for equality of 

Women in all aspects of Church life, including Ministry. In: http://www.associationofcatholicpriests.ie/2015/11 

(8)

der „WIENERIN“, wird die katholische Kirche in einer großen Überschrift als frauenfeindlich verunglimpft4, oder wie im „KURIER“ vom 1. März 2013 mit dem Frauenbild der Kirche hart ins Gericht gegangen. Über die Weihe der ersten anglikanischen Bischöfin, Libby Lane, im Jänner 2015 wurde in allen Zeitungen groß berichtet. In dem Artikel „Katholische Kirche gibt den Laien mehr Gewicht“, der KLEINEN ZEITUNG vom 28. August 2016, spricht der Generalvikar der Diözese Gurk-Klagenfurt, Monsignore Doktor Engelbert Guggenberger, davon, wie die Übergangssituation, bis das Diakonat der Frau von Papst Franziskus erlaubt wird, geschafft werden kann.5 In vielen Medien wird die breite Öffentlichkeit mit

„passenden“ Aussagen von Klerikern wie auch Zitaten von Kirchenvätern konfrontiert, deren Wahrheitsgehalt von Laien nicht nachgeprüft werden kann.

Wahrscheinlich könnten aus allen Teilen der Welt noch unzählige Beispiele von Pressemeldungen, Berichten und Veröffentlichungen angeführt werden.

Welche Rollen sollen Frauen in der Kirche spielen, welche Rolle spielen sie und wie präsent waren Frauen in der Geschichte des Christentums? Aufgrund meines großen Interesses an der Patristik, setze ich mich mit meiner Masterarbeit mit der Rolle der Frau in der patristischen Zeit, mit ihrer Anerkennung, aber auch ihrer Ablehnung und Verdrängung durch die frühe Kirche und den sich aus all dem ergebenden Einfluss auf die patristische Literatur auseinander. Die Fülle der bereits bestehenden Literatur zum Thema ist enorm. Viele originale Texte wurden bereits mehrfach übersetzt beziehungsweise wissenschaftlich rezipiert. Immer wieder kam es vor allem im letzten Jahrhundert zu Neufunden von antiken Texten. Auch christlich-literarische Werke von Frauen sind bekannt, übersetzt und erforscht. Erhalten und gesichert sind vor allem Erkenntnisse und Informationen von Frauen aus aristokratischen Kreisen, die hoch gebildet waren und ihr Leben für die Christusnachfolge radikal verändert haben.

       /priests‐call‐for‐open‐discussion‐on‐the‐need‐for‐equality‐of‐women‐in‐all‐aspects‐of‐church‐life‐including‐min  istry/ [abgerufen am 28.08.2016]. 

4 Vgl. GUCANIN, Jelena: Warum die katholische Kirche frauenfeindlich ist. Die Frauen dienen, die Männer  führen – die konservativen Frauenbilder der katholischen Kirche sind immer wieder Anstoß für Kritik. In: 

http://wienerin.at/home/leben/4865003/Kommentar_Warum‐die‐katholische‐Kirche‐frauenfeindlich‐ist  [ab‐

gerufen am 28.08.2016]. 

5 Vgl. BERGMANN, Andrea: Katholische Kirche gibt den Laien mehr Gewicht. In: Kleine Zeitung Kärnten,  28.08.2016, S. 22. 

(9)

Im ersten Kapitel der Arbeit werde ich mich mit der allgemeinen Stellung der Frau in der Antike, im griechischen, jüdischen und christlichen Milieu, besonders um die Zeitenwende beschäftigen. Das zweite Kapitel wird nach einer kompakten Übersicht über die Frauen in den Evangelien, von zwei exemplarisch gewählten Frauen, der Diakonin Phöbe und der Apostelin Junia, die im Brief an die Römer genannt werden, handeln. Sie werde ich in kurzen Porträts vorstellen und in weiterer Folge, einige Überlegungen zu diesen Persönlichkeiten anführen. Im nächsten, dem dritten Kapitel, wird es um den mittlerweile berühmt gewordenen Spruch des apokryphen Thomasevangeliums gehen, in dem geschrieben steht, dass jede Frau, die sich männlich macht, ins Himmelreich eingehen wird (vgl. EvThom, Logion 114).

Außerdem werde ich das ebenfalls apokryphe Evangelium nach Maria (Magdalena) und die in der patristischen Literatur nachvollziehbare Verschmelzung der Figur der Maria Magdalena mit anderen biblischen Frauenfiguren bearbeiten. Der dritte Teil des Kapitels wird den Theklaakten und dem Portrait der Thekla gewidmet.

Im vierten Kapitel, dem umfangreichsten Teil dieser Arbeit, wird das Leben und Wirken von sechs großen Frauen des 4. Jahrhunderts vorgestellt. Makrina, die Asketin, Gründerin eines Klosters, sowie große Schwester und Lehrerin der Kappadokier und Kirchenväter des Ostens, Basilius von Cäsarea und Gregor von Nyssa. Letzterer hat ihr mit seiner Vita über ihr Leben ein großes Denkmal gesetzt.

Paula, die weise, asketische Witwe, die mit ihrer Tochter Eustochium dem großen Bibelübersetzer und Kirchenvater des Westens Hieronymus nach Jerusalem gefolgt ist, in begleitet und beraten hat, und ein Männer- und ein Frauenkloster gegründet hat. Außerdem wird in dem Kapitel das Leben der Olympias vorgestellt, die in sehr engem Kontakt zu dem später verbannten und bei der Deportation verstorbenen Kirchenlehrer des Ostens, Johannes Chrysostomos, gestanden hat. Egeria wiederum war eine Frau, die über ihre Pilgerreise durchs Heilige Land und bis nach Ägypten berichtet hat, und die durch ihre Aufzeichnungen über die Liturgie in den großen Kirchen Jerusalems die maßgebliche Informantin über die dortigen liturgischen Feierlichkeiten im Jahreskreis wurde. Über Synkletike, sozusagen dem weiblichen Pendant zu Antonius, erfahren wir durch die Apophthegmata Patrum. Sie war eine Mutter, eine Amma, in der ägyptischen Wüste und lehrte Frauen und vielleicht auch Männer die radikale Nachfolge als Asketin in der Wüste, das Training der Tugenden und letztlich die Unterscheidung der Geister. Mit dem letzten Porträt

(10)

10  wird Proba, eine römische Patrizierin höchsten Ranges, die verheiratet und Mutter war, vorgestellt. Sie hat als Dichterin mit dem Cento eine neue Literaturgattung geschaffen, indem sie aus Versen der Aeneis des Vergil die Heilsgeschichte Christi komponiert hat.

Im letzten Kapitel werden die Reaktion des Klerus auf die neuen Lebensweisen der christlichen Frauen beschrieben und die Beschränkungen durch die Synode von Gangra aufgezeigt. Ebenfalls betrachtet werden jene Frauen zurückweisenden Aussprüche von Augustinus, die für die Beschränkung der weiblichen Freiheit in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft bis heute ihre Spuren hinterlassen haben.

Mit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, dass Frauen in vielen verschiedenen Formen hohen Einfluss auf das frühe Christentum, die Verbreitung der christlichen Lehre, die Installation von christlichen Gemeinden und auf die patristische Literatur und die Kirchenväter hatten. Von Seiten der männlich-kirchlichen Elite wurde die Mitarbeit der Frauen jedoch maßgeblich zurückgedrängt und größtenteils verschwiegen. Frauen verloren aufgrund dieser Haltung alle Achtung und Rechte, die sie sich bis dahin erarbeitet und erkämpft hatten.

Die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, wurde ein starres Patriarchat, in dem schon lange nicht mehr gilt, was Paulus im Galaterbrief verkündet hat: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alles seid ‚einer‘ in Christus Jesus.“ (Gal 3,28).

Mit dem ersten Kapitel tauchen wir nun in die Lebenswelt der Griechinnen, Jüdinnen und ersten Christinnen ein.

(11)

11 

1 Die Stellung der Frau in der Antike

In „des Origenes Schriften vom Gebet“6, die er in gleicher Weise einem gottesfürchtigen und arbeitsamen Ambrosius und der Tatiana, einer frommen und dem Ambrosius nahestehenden Christin widmet7, führt Origenes (gestorben 254) beide in die richtige Weise des Betens ein, ohne einen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen. Zusätzlich zu der allgemeinen Vorgabe vor dem Beten allen zu vergeben, keinen Groll gegen jemanden zu haben und alles weltliche, was einem umgibt zu vergessen, fordert er gemäß des Apostels Paulus von einer betenden Frau, dass sie „innerlich und äußerlich bescheiden und sittsam [sei], indem sie vor allem, besonders auch wenn sie betet, Gott fürchtet, jede zügellose und weibische Erinnerung aus ihrer Vernunft verbannt und geschmückt ist nicht >>mit Haargeflecht und Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand<<, sonder >>womit es einer Frau, die sich zur Gottesfurcht bekennt, geschmückt zu sein geziemt<<.“8

Bei einer solchen Anweisung stellt sich sogleich die Frage, welches Frauenbild in der Antike vorherrschte.

1.1 Die Stellung der Frau in der griechischen Antike

Um das Jahr 500 vor Christus entstand im antiken Griechenland eine erste frühe Form der Demokratie, die aber nur für freie Männer galt. Frauen und Sklaven waren von dieser Staatsform ausgeschlossen und somit auch nicht wahlberechtigt. Zur gleichen Zeit lehrten die Sophisten, eine philosophische Schule, das alle Menschen nach ihrer Natur gleich waren. Freilich fanden sich die Vertreter und vielleicht auch Vertreterinnen dieser philosophischen Strömung vor allem in den unteren Schichten der Gesellschaft. Davor kaum denkbar, wurde jedenfalls ab dieser Zeit die Eheschließung zwischen Bürgern und (rechtlich nicht gleichgestellten) Fremden erlaubt, was zu einem umfassenden Austausch zwischen den Kulturen – griechisch, babylonisch, ägyptisch und persisch – beitrug. Eine neue Blüte der Kultur, die sich in       

6 ORIGENES: De Oratione/Des Origenes Schriften vom Gebet und Ermahnung zum Martyrium. Übersetzt von  Paul Koetschau. München: Verlag Josef Kösel & Friedrich Pustet KG 1926, S. 1. 

7 Ebd., S. 6. 

8 Vgl. ebd., S. 34f; 1 Tim 2,9. 

(12)

12  der Errichtung von Theatern, Thermen und Gymnasien zeigte war die Folge. Unter Alexander dem Großen (356 bis 323 v.Chr.) wurden Antiochien und Alexandrien gebaut und in der Oberschicht begannen sich Frauen langsam zu emanzipieren.

Viele Rituale, zahlreiche Initiationsriten bei Burschen oder Hochzeitsriten bei Mädchen9, zur Anbetung der zahlreichen griechischen Götter und Göttinnen führten dazu, dass sich der neue Berufsstand der Priester herausbildete, der auch für Frauen, aber ausschließlich Damen der Elite, offen war und ausgelost wurde.

Menschen mit körperlichen Gebrechen und Fremde waren vom Amt ausgeschlossen10

An dieser Stelle scheint es wichtig einzufügen, dass es in der griechischen Gesellschaft ein wesentliches Merkmal war, dass nicht nur Priesterinnen und Priester, sondern jeder Bürger zu den verschiedensten Zeiten und Anlässen, an den unterschiedlichsten Orten rituelle Handlungen und die damit verbundene Darbringung von Opfern vollziehen durfte. Priesterinnen und Priester, die verheiratet waren und ein Leben führten, wie jeder oder jede andere, hatten eine Art Beamtenstatus und leiteten diese rituellen Handlungen. In ihrem Dienst unterlagen sie der Kontrolle der Polis. Interessant ist auch, dass die Priesterinnen die Darbringung von Opfern nie selbst, sondern immer durch Opferdiener vollzogen. Der Opferakt selbst war den Frauen untersagt, obwohl die Verehrung der Muttergottheiten eine große Rolle im Leben der antiken Griechen und Griechinnen spielte.11

 

Im Gegensatz zu den Burschen, die durch einen besonderen Ritus zu erwachsenen Bürgern gemacht wurden und denen fortan „die Türen der Welt offen standen“

beschränkte sich das Erwachsenwerden eines Mädchens auf den Übergang vom Haus des Vaters auf das Haus des Ehemannes. Verschleiert und mit ihren Küchengeräten (Töpfen und dergleichen) wurden die jungen Frauen auf Ochsenkarren zu ihrem neuen Zuhause gebracht. Ihre Aufgabe bestand in der Folge

      

9 Vgl. BRUIT ZAIDMANN, Louise/SCHMITT PANTEL, Pauline: Die Religion der Griechen. Kult und Mythos. 

Darmstadt: C.H. Beck Verlag 1994, S. 66‐74.. 

10 Vgl. GRABNER‐HAIDER, Anton:  Griechen, in: GRABNER‐HAIDER, Anton/PRENNER, Karl (Hg.), Religionen und  Kulturen der Erde. Ein Handbuch. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004, S. 71‐75. 

11 Vgl. BRUIT ZAIDMANN/SCHMITT PANTEL, Griechen, S. 29‐56. 

(13)

13  fast ausschließlich darin, sich um das Wohl ihrer neuen Familie zu kümmern und deren Fortbestand durch das Gebären von Kindern zu sichern.12

Platon teilte die Wirklichkeit in eine körperlich-irdische, weibliche und eine geistige, männliche Dimension, wobei von der weiblichen alles Unheil ausging, das vom männlichen unter Kontrolle gebracht und beherrscht werden musste, womit die Vormachtstellung des Mannes und die Unterdrückung der Frau begründet werden konnte.13

1.2 Die Stellung der Frauen im römischen Reich 

Natürlich beeinflussten die griechisch-hellenistische Gesellschaftsstruktur, sowie die Kultur der Etrusker, in der Frauen ein sehr hohes Ansehen hatten und weitgehend unabhängig waren, und die Traditionen der übrigen Urbevölkerung des heutigen Italiens massiv die Herausbildung der römischen Gesellschaft, die in Oberschicht (Patrizier) und Unterschicht (Plebejer) geteilt war. Dazu kam noch der rechtlose Sklavenstand. Grundsätzlich waren Frauen für den Haushalt und die Erziehung der Kinder verantwortlich und beaufsichtigten die Nahrungsmittel- und Kleiderproduktion, sowie die Sklavinnen und Sklaven. Zwar hatten die Ehefrauen kein politisches Mitbestimmungsrecht, doch konnten sie die Geschäfte ihrer Männer unterstützen und sie sogar bei deren Abwesenheit weiterführen. Obgleich sie gebildet waren, wirkten sie stets demütig im Hintergrund ihrer Ehemänner. Ärmere Frauen arbeiteten zusätzlich zu ihrer Hausarbeit in der Landwirtschaft, auf Märkten und in Werkstätten.

Im Gegensatz zu griechischen Frauen, die nur andere Frauen besuchen oder zu sich einladen durften, durften römische Frauen auch ohne ihre Ehemänner ausgehen und so am öffentlichen, gesellschaftlichen Leben teilnehmen.14

Die Religion regelte sowohl im Staatskult als auch als Miniatur im privaten Bereich, in jedem einzelnen Haushalt, sowohl der Ober- als auch der Unterschicht, viele       

12 Vgl. ebd., S. 66‐74. 

13 Vgl. RADFORD RUETHER, Rosemary: Gaia Gott. Eine ökofeministische Theologie der Heilung der Erde. 

Übersetzer: Veronika Merz. Luzern: Edition Exodus 1994, S. 33‐35. 

14 Vgl. HOFER, Jutta/PAIREDER, Bettina: Netzwerk Geschichte politik 2. Linz: Veritas‐Verlag 32012, S. 68‐69,  70, 78 u. 83. 

(14)

14  Einzelheiten des Alltags. Die gewissenhafte Einhaltung der Kulte und Opfer war von höchster Wichtigkeit und bezog sich im privaten Bereich natürlich auf die Familie und auf Eckpunkte der Familienleben, wie Geburt, Eheschließung und Tod, samt Bestattung, wobei diese Riten vom Oberhaupt der Familie, dem pater familias, vollzogen wurden, die Klage bei Todesfällen aber Sache der Frauen war. Zur familia gehörten nicht nur Vater, Mutter und Kinder, sondern der gesamte Haushalt mit allen im Haus lebenden Kindern und Verwandten, Mägden und Knechten, den Freigelassenen und Sklaven. Aus einem Urteil des Jahres 61 nach Christus, über einen Sklaven der seinen Herrn, einen Stadtpräfekten, getötet hatte, weiß man, dass mit ihm der gesamte „mitschuldige“ Sklavenstand des Hauses, insgesamt 400 Personen – Kinder, Frauen und Männer – hingerichtet wurden. Nach dem Zwölftafelgesetz, dem ältesten kodifizierten römischen Recht aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, hatte der pater familias über alle Mitglieder seiner Familie und seines Hauses uneingeschränkte Gewalt, ja sogar Tötungsrecht15. Söhne blieben solange unter der Gewalt des Vaters, bis dieser sie offiziell und förmlich aus der Verfügungsgewalt entließ oder starb, auch wenn die Söhne bereits verheiratet oder volljährig waren. Damit hatten sie rechtlich keinen Anspruch auf eigenen Besitz. Die einzige Familienangehörige, über die der Mann nicht uneingeschränkte Gewalt hatte, war seine Ehefrau. Sie blieb nach der jüngeren Form der römischen Eheschließung unter der Gewalt ihres Vaters oder, nach dessen Tod, unter der eines vom Vater testamentarisch eingesetzten Vormundes. Das bedeutete für Frauen einerseits, dass sie ihr eigenes Vermögen besitzen konnten und Ehemänner nur über die Einkünfte aus der Mitgift verfügen durften. Andererseits wurden Mädchen schon sehr jung verlobt und zwischen 12 und 14 Jahren verheiratet.16 Bekannt ist auch, dass fruchtbare Frauen in weitere Ehen und an weitere Männer weitergereicht wurden, wenn ein Haushalt genügend Nachkommen hatte.17

Jede fromme, römische Familie ehrte in pietas, in Pflichterfüllung und Treue, die Hausgötter. Es gab, entsprechend den familiären Möglichkeiten, kleine Kapellennischen in den Küchen, die mit dem focus, dem Herdfeuer, zentraler Ort des       

15 Das Tötungsrecht wurde im 2. Jhdt. n. Chr. abgeschafft. 

16  Vgl. LYTTELTON, Margaret/FORMANN, Werner:  Die Römer. Ihre Götter  und ihr Glaube.  Luzern und  Herrsching: Atlantis Verlag 1986, S. 83‐84. 

17 Vgl. HÖBENREICH, Evelyn: Nichts leichter als Frau. Über das Gewicht des römischen Rechts. In: FISCHER,  Irmtraud/HEIL, Christoph (Hg.): Geschlechterverhältnisse und Macht. Lebensformen in der Zeit des frühen  Christentums. Aus der Reihe: Exegese in unserer Zeit. Wien: LIT Verlag 2010, Frau, S. 61‐62. 

(15)

15  Hauses waren, oder größere Hauskapellen mit Götterbildern in Form von Wandmalereien. Den Schutzgeistern und Penaten, den Göttern der Vorratskammer, wurden bei jeder Mahlzeit einfache Gaben dargebracht, was natürlich von den Frauen des Hauses, in adeligen Haushalten von der Matrona, der Ehefrau, gemacht wurde. Mit zirka 14 Jahren erreichten die Söhne das Mannesalter und brachten am 17. März, dem Fest des Liber Pater, den Hausgöttern ihr kindliches Schutzamulett und ihre gestreifte Kindertoga dar. Die Mädchen brachten beim Erreichen ihrer Reife ihre Spielsachen und die ebenfalls gestreifte Kindertoga dar. Dann folgte eine ordnungsgemäße Eheschließung gemäß dem Gesetz, da diese wichtige Voraussetzung für legitime Kinder war. Die Eheschließung war eine Mischung aus religiöser Zeremonie und abergläubischen Bräuchen, bei der die Bräute lange, weiße Gewänder mit einem um die Taille gebundenen wollenen Gürtel trugen. Das perfekt frisierte Haar wurde, je nach Stand der Herkunftsfamilie der Braut, durch einen roten bis orangenen Schleier bedeckt auf dem ein Blumenkranz getragen wurde. Nach einem Tieropfer, meist einem Schwein oder Mutterschaf, wurde der Ehevertrag unterschrieben, die Eheleute gaben sich die rechte Hand und tauschten Gelübde aus. Erst nach dem Fest, zum Sonnenuntergang, ging das Paar zum Haus des Bräutigams, wo die Braut über die heilige Schwelle getragen wurde. Anschließend wurde die Ehe vollzogen.18

Scheidungen waren anfangs selten, doch am Ende der römischen Republik, im letzten Jahrhundert vor Christus, wurden Scheidungen und der Geburtenrückgang zu einer Bedrohung der Stabilität des familiären Lebens. Viele noble, patrizische Familien starben aus. Ob auch unterprivilegierte Familien von diesem Schicksal betroffen waren, entzieht sich mangels entsprechender Aufzeichnungen leider unserer Kenntnis. Ein Grund könnte die zunehmende Emanzipation der Frauen gewesen sein, die nach Seneca finanziell unabhängig blieben, die Gefahren von Schwangerschaften mieden, indem sie Verhütungsmittel verwendeten, Schwangerschaftsabbrüche durchführen ließen und ihre Gatten nach Lust und Laune oder finanziellem Interesse wechselten. Außerdem gab es eine sehr hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit, viele Fehlgeburten, und Unfruchtbarkeit. Dies alles könnte auch mit der chronischen Bleivergiftung der Römer in Verbindung stehen, deren       

18 Vgl. LYTTELTON, Römer, S. 84‐96; EHRENSPERGER, Kathy: Wie lebten Lydia, Priska und Chloë? Frauenalltag  im römischen Reich. In: WUB 78 (4/2015), S. 18‐23. 

(16)

16  Trinkwasser durch Bleichrohre geleitet wurde. Kaiser Augustus erließ im Jahr 18 vor Christus ein neues Gesetz, mit dem Ehebruch zum schweren Verbrechen wurde und schuldige Ehefrauen mit der Enteignung ihres Vermögens und der Ausweisung aus Rom zu rechnen hatten. Absichtliche Kinderlosigkeit wurde als Vergehen gegen die sittliche Ordnung Roms verstanden, wohingegen Mütter, die drei Kindern oder mehr das Leben geschenkt hatten, keinen Vormund mehr benötigten.19

Ulpian, ein römischer Jurist des dritten nachchristlichen Jahrhunderts bringt die Stellung der römischen Frau auf den Punkt. „Eine Frau ist zugleich der Anfang und das Ende ihrer familia.“20 Das bedeutet, dass nichts über die Hausgewalt, die potestas, des pater familias hinausgeht.21

1.3 Die Stellung der Frau im Judentum um die Zeitenwende  

Von den griechischen Göttinnen, die durch ihre mütterliche Schöpfungskraft zum Teil an der Erschaffung der Welt maßgeblich beteiligt gewesen sein sollen, ist in der hebräischen Mythologie nicht mehr die Rede. Selbst die Vermischung mit dem kanaanäischen Volk und der Einfluss deren weiblicher Gottheiten hat daran nichts geändert, dass nur mehr der eine, männliche Gott im Mittelpunkt stand. Die im Tempel durchgeführten Kulte für einzelne Göttinnen, die vor allem für die Liebe, Fruchtbarkeit und Geburt zuständig waren und die damit verbundene Tempelprostitution führten dazu, dass die Sexualität unter den Kanaanitern und Kanaaniterinnen im Gegensatz zum späteren Juden- und Christentum keine negative Bedeutung hatte und damit auch nicht Sünde war. Mit der Rückkehr der Israeliten aus dem babylonischen Exil verschwanden diese Kulte aus der Öffentlichkeit, da der Tempel zum Zentrum der jüdischen Kultur wurde.22 Später wurde aus vorwiegend politischen Gründen der Monotheismus durchgesetzt – oft auch gewaltsam -, der den Interessen der (männliche) Priester entsprach. Man ging davon ausging, dass die Unabhängigkeit des Volkes Israel nur dadurch erreicht werden konnte, indem die nicht biblischen Göttinnen ausgelöscht werden würden. Mit der Schlechtmachung       

19 Vgl. ebd., S. 96‐98. 

20 ULP 46 ed. D. 50,16,195,5: Mulier autem familiae suae et caput et finis est. (Zit. n. HÖBENREICH, Frau, S. 60). 

21 Vgl. HÖBENREICH, Frau, S. 60. 

22 Vgl. LAUT, Renate: Weibliche Züge im Gottesbild israelitisch‐jüdischer Religiosität. E.J. Brill, 1983, S. 29‐54. 

(17)

17  und dem Verbot von weiblichen Gottheiten wurde auch der weibliche Teil des Volkes degradiert. Neu war jetzt auch ein Gott, der asexuell war.23

Der Alltag von jüdischen Frauen war durch die jüdische Tradition geprägt und durch religiöse Rituale mitbestimmt, was gerade durch die Speisegesetze und die dadurch aufwendige, spirituelle Zubereitung der Mahlzeiten Ausdruck findet. Auch Frauen pilgerten zum Pessachfest nach Jerusalem zum Tempel (vgl. Lk 2,41). Sie nahmen an Sabbaten an Synagogenversammlungen24 teil und wurden durch das Lesen und die Auslegung der Schriften in der Tora und der Tradition geschult. Einzelne Inschriften belegen, dass Frauen „gute Studentinnen“, „leicht zu Unterrichtende“ und

„Liebhaberin der Gebote“25 waren. Als Mutter oder Vorsteherin hatten sie manchmal sogar Führungsaufgaben in Synagogen übernommen.26

Mit der durchgängigen Verdrängung der weiblichen Gottheiten in der hebräischen Mythologie oder ihre Degradierung in der griechischen wurden gleichzeitig der Einfluss und die Stellung der Frauen in der Gesellschaft herabgestuft, besonders da im Verständnis beider Kulturen durch die Frau das Böse oder die Sünde in die Welt gebracht wurde: durch den Sündenfall Evas im Paradies und durch Pandora im griechischen Mythos.27

Insgesamt kann gesagt werden, dass die Frau dem Mann in allen Bereichen untertan und weitgehend rechtlos, beziehungsweise einem Leumund unterstellt war.

Möglicherweise schafften es einzelne Frauen, vor allem Vertreterinnen der höheren Gesellschaftsschichten, sich aus bestimmten Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen, doch von einer Gleichstellung kann in keinster Weise gesprochen werden. Das Patriachat war in allen Teilen des römischen Reichs und in allen darin vertretenen Kulturen und Glaubensüberzeugungen allgegenwärtig.

      

23 Vgl. ASSMANN, Jan: Die Mosaische Unterscheidung, oder, Der Preis des Monotheismus. München: Hanser  2003, S. 30 ff. 

24 Vgl. PHILO, Dec 32 und JOSEPHUS, Ant. 14.260 (Zit. n. EHRENSPERGER, Frauenalltag, S. 23). 

25 CIJI 132, 190, 215, 482 (Zit. n. EHRENSPERGER, Frauenalltag, S. 25). 

26 Vgl. EHRENSPERGER, Frauenalltag, S. 23‐25. 

27 Vgl. VON RANKE‐GRAVES, Robert/PATAI, Raphael: Hebräische Mythologie. Über die Schöpfungsgeschichte  und andere Mythen im Alten Testament. Reinbek: Rowohlt 1986, S. 12‐15. 

(18)

18 

1.4 Die Stellung der Frau im frühen Christentum

In eine Welt der Verdrängung, Erniedrigung und Schlechtmachung von allem Weiblichen kam Jesus. Nicht nur, dass er sich als Mann mit Frauen aller Gesellschaftsschichten und gegen alle Sitte öffentlich abgab, sondern er diskutierte mit ihnen und lehrte sie, nahm sie in Schutz und ließ sogar zu, dass ihn Frauen begleiteten und maßgebliche Rollen in seinen Gleichnissen und seinem Leben übernahmen. Damit schuf er eine neue Lebensform für das weibliche Geschlecht.

Unverheiratete Jungfrauen, Witwen und auch Ehefrauen folgten ihm nach, unterstützten ihn und die Jüngerschaft finanziell oder materiell und setzten so vorgegebene Strukturen außer Kraft. Das eröffnete der weiblichen Bevölkerung seiner Zeit neue Möglichkeiten ihres Frauseins, in die sie sich langsam und vorsichtig immer weiter vorwagten. Die Frau hatte als Christin solche nunmehr die Chance, aus ihrer rechtlosen Hausfrauen- und Mutterrolle unter der Herrschaft eines Ehemannes herauszutreten. Aus der Situation der Unterdrückung und Ohnmacht wurde eine Hoffnung auf Freiheit.28

Paulus schreibt in Galater 3,28: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus.“

Frauen leisteten bei der Etablierung des Christentums einen maßgeblichen – wenn nicht den größeren – Teil des Dienstes. Das belegt unter anderem die lange Adressatenliste am Schluss des Römerbriefes. Auch Celsus, ein römischer Beobachter schrieb im 2. Jahrhundert verächtlich, dass das Christentum von Frauen in ihren Kemenaten weitergegeben und gelehrt wird. Ein riesiger Zulauf von heiratsfähigen jungen Frauen und ein damit verbundener Rückgang von Ehen und Geburten waren die Folge, was – das liegt auf der Hand – der patriarchalen Gesellschaft und dem römischen Kaiser, wie bereits erwähnt, nicht gefiel. Mit den Pastoralbriefen (Tim 1 und 2, Tit) versuchten die Autoren unter der Autorität des

      

28 Vgl. GERL‐FALKOWITZ, Hanna‐Barbara: Frauen im frühen Christentum. Horizonte heute. In: BIBEL und  KIRCHE. Frauen in der frühen Kirche. 65. Jahrgang, 4. Quartal 2010. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk e.V., S. 

246. 

(19)

19  Paulus diese Entwicklung noch zu stoppen, doch geistbegabte, unabhängige Frauen lebten bereits für ihre Berufung.29

2 Frauen im Neuen Testament

Irgendjemand hätte den Verfassern oder Verfasserinnen der Texte des Neuen Testaments sagen müssen, dass sie ihre Erzählungen gendergerecht schreiben sollen – was hätte uns das Missverständnisse erspart! Wie in der deutschen Sprache werden auch im Griechischen Personenaufzählungen einer gemischten Gruppe von Männern und Frauen formuliert, indem man den männlichen Plural verwendet. So bleiben Judäerinnen, Jüngerinnen und alle anderen –innen in einer Gruppe mit Männern unsichtbar, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht da waren. Andererseits gibt es im Neuen Testament auch viele Texte, wo Frauen ganz konkret, häufig auch mit Namen genannt werden. Sie wären Jesus nachgefolgt (von avkolouqei/n), hätten ihm gedient (von diakonei/n) oder wären gar mit ihm nach Jerusalem heraufgekommen (von sunanabai,nein), was uns zeigt, dass sie mit Jesus tatsächlich unterwegs waren.

Das Frauen in allen Texten mitzudenken beziehungsweise männliche Plurale inklusive zu verstehen sind, zeigt uns auch die Erzählung in der die Familie Jesu Jesus zurückholen will: „Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mk 3,34-35) Wären nämlich keine Frauen dagewesen, hätte sich der Verfasserkreis des Markus- Evangeliums hier wohl Schwester und Mutter gespart. Im Lukasevangelium (8,2-3) werden namentlich Frauen (Maria von Magdala, Johanna und Susanna) genannt, die mit Jesus, ebenso wie der Zwölferkreis, als Wanderprophetinnen umherziehen.

Während bei der Kreuzigung Jesu seitens der männlichen Jünger von Flucht (Mk 14,50-52), Verrat (Mk 14,10f.43-45par) und Verleugnung (Mk 14,66-72par) erzählt wird, entnehmen wir den Evangelien nach Markus, Matthäus und Johannes namentlich, welche Frauen unter dem Kreuz Jesu ausharrten. Der Höhepunkt der

      

29 Vgl. ebd., S. 247. 

(20)

20  Narrationen ist natürlich, dass Frauen (im JohEv Maria Magdalena als Einzige) als erste Osterzeuginnen genannt wurden.30

Jesus Umgang mit Frauen könnte man als ungewöhnlich frei oder gar revolutionär ansehen. Sogar in der Öffentlichkeit sprach er mit ihnen, selbst mit einer Samariterin, obwohl das die rabbinische Tradition schwer missbilligte. Auch in seinen engsten Jüngerkreis waren Frauen mit einbezogen. Als Rabbi unterwies Jesus beide Geschlechter, was man den Schriften, die Jahrzehnte nach seinem Tod entstanden sind nur dann entnehmen kann, wenn man – vielleicht mithilfe der feministischen Exegese – ganz genau hinsieht. 31

Welchen Beitrag die Frauen von Anfang an bei der Verbreitung des Christentums im ganzen Mittelmeerraum geleistet haben, kann am Besten den Briefen des Paulus entnommen werden. Exemplarisch für viele Frauen soll in dieser Arbeit wie bereits erwähnt auf zwei von ihnen kurz eingegangen werden. Am Ende des Römerbriefes (16,1-16) findet sich eine Grußliste an deren Anfang gleich Phoebe als Überbringerin des wertvollen Schreibens genannt wird.

2.1 Phöbe, die Postbotin?

„1 Suni,sthmi de. u`mi/n Foi,bhn th.n avdelfh.n h`mw/n, ouv/san [kai.] dia,konon th/j evkklhsi,aj th/j evn Kegcreai/j, 2 i`,na auvth.n prosde,xhsqe evn kuri,avxi,wj tw/n a`gi,wn kai. parasth/te auvtevn

av.n u`mw/n crzpra,gmati\ kai. ga.r auvth. prosta,tij pollw/n evgenh,qh kai. evmou/ auvtou/.“

(Röm 16,1-2)

„1 Ich empfehle euch unsere Schwester [Anm.: oder Mitchristin/Mitarbeiterin/Kollegin]

Phöbe an, die Dienerin [Anm.: eher Diakonin/Bevollmächtigte/Abgesandte/Leiterin]

der Gemeinde von Kenchreä: 2 Nehmt sie auf [Anm.: im Herrn], wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; sie selbst hat [Anm.:

      

30 Vgl. BIEBERSTEIN, Sabine: Die Frau rede in der Gemeinde! Frauen in der Jesusbewegung und in den frühen  Gemeinden. In: BACKHAUS, Franz Josef (u.a. Hg.): Bibel und Kirche (BUK), Stuttgart: Katholisches Bibelwerk e.v. 

65. Jahrgang 4. Quartal 2010, S. 198‐201.  

31 Vgl. HALBFAS, Hubertus: Das Christentum. Düsseldorf: Patmos 2004, S. 456‐458. 

(21)

21  als ‚prostatis‘ – Patronin/Rechtsbeistand/Wohltäterin/Mäzenin/Hilfe] vielen, darunter auch mir [Anm.: Paulus], geholfen.“ (Röm 16,1-2)

Paulus widmete Phöbe im Römerbrief zwei Verse und deklarierte sie, mit der Art wie er über sie schreibt, als maßgebliche Leitungsfigur der frühchristlichen Gemeinde in Kenchreä, was leider in der Einheitsübersetzung der Bibel und in den anderen gängigen Übersetzungen eher verschleiert dargestellt wird. Die Anmerkungen, die im obigen Übersetzungstext angeführt wurden, stellen die Bandbreite dar, innerhalb derer der Text interpretiert werden kann. Phöbe von Kenchreä, der Hafenvorstadt im Südosten von Korinth, war die Überbringerin des Paulusbriefes an die römische Gemeinde und Paulus stellte dies den Christinnen und Christen in Form einer ordentlich formulierten Empfehlung dar. Phöbe wurde damit wie Timotheus (Kor 4,17), Titus (2 Kor 8,6.16-24) und andere nicht nur in die Reihe der Briefüberbringer des Paulus eingereiht. Sie wurde damit auch zu der großen Gruppe derer gezählt, die mit Paulus gemeinsam das Evangelium von Jesus Christus verbreiteten. Das Wort „Schwester“ zeigt dabei ihren Mitarbeiterinnenstatus an. Ein antiker Briefüberbringer, in unserem Fall eine Briefüberbringerin, hatte eine weit höhere Bedeutung, als jene eines simplen Boten oder einer simplen Botin. Der Briefüberbringer oder die Briefüberbringerin war ein Vertrauter, eine Vertraute des Briefschreibers. Er oder sie stand für Rückfragen und zusätzliche Informationen zum Inhalt des Briefs zur Verfügung und konnte ihn deuten. Die auf die zwei angeführten Verse folgende Grußliste des Römerbriefes (Röm 16, 3-15) beinhaltet zahlreiche Persönlichkeiten, Männer und Frauen der römischen Gemeinde, die Phöbe erreichen sollte. Der Brief öffnete ihr die Türen. Ihnen sollte sie den Inhalt des Römerbriefes näherbringen. Mit den darin angesprochenen Problemen (Fehlurteile über die paulinische Theologie – Röm 3,8; die unwillkommene Kollektenaktion – Röm 15,25- 29.31 oder die Unstimmigkeiten in der römischen Gemeinde – Röm 14,1-15,13) und den mannigfaltigen angesprochenen theologischen Themen dürfte das für Phöbe keine leichte Aufgabe gewesen sein.32

Da Phöbe als prosta,tij, als Patronin, bezeichnet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sie zur gehobenen Gesellschaft, vielleicht zur super-reichen Elite       

32 Vgl. MERZ, Annette: Phöbe von Kenchreä. Kollegin und Patronin des Paulus. In: Bibel und Kirche (BUK), 65. 

Jahrgang, 4. Quartal 2010, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk e.V., S. 228‐229. 

(22)

22  gehörte. Als Patronin kümmerte sie sich um Menschen, die Hilfe nötig hatten. So konnte ein Patron, eine Patronin sich mit politischem Einfluss für Fairness vor Gericht einsetzen, eine Bürgschaft übernehmen oder vor dem Gefängnis retten. Auch wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung, Gastfreundschaft und Vermittlungsdienste waren vorstellbar und wahrscheinlich, da Paulus den Römerbrief in Korinth als Gast des Gaius geschrieben (Röm 16,23), beziehungsweise dem Schreiber Tertius (Röm 16,22) diktiert hatte. Irgendwer musste das alles ja bezahlt haben. Außerdem ist davon auszugehen, dass Phöbe ihre Reise nach Rom (mit einer entsprechenden Begleitung) ebenfalls selbst bezahlt hat.33

Es lag sicherlich im Sinne des Paulus, Phöbe auch mit dem angeführten Titel dia,konoj Ehre zu erweisen. Zwar können vom späteren Ämterverständnis keine Schlüsse gezogen werden, welche Aufgaben Phöbe in der Gemeinde übernommen hatte, doch ist gewiss, dass dieses Wort nicht für Diener oder Dienerinnen verwendet wurde, die niedere Dienste ausführten. Viel eher und auch gemäß dem lateinischen Äquivalent minister wird es um einen Dienst in verantwortlicher, leitender Stellung gegangen sein. Phöbe könnte also durchaus einerseits die Leiterin der Gemeinde von Kenchreä, andererseits aber auch als beauftragte Abgesandte von Kenchreä bevollmächtigte Verkünderin des Evangeliums und Mitarbeiterin in der Mission gewesen sein, die vermutlich für den Dienst an der Gemeinde zur Verfügung stand oder bereit war, die Leiden Christi auf sich zu nehmen. In diesem Sinne bezeichnet sich Paulus in 1 Kor 3,5 nämlich auch selbst als dia,konoj. Auch die Verbindung

„Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“ spricht nicht gegen diese These, da auch Epaphroditus als Abgesandter und Diener der Gemeinde von Philippi (Phil 2,25) zu Paulus ins Gefängnis (wahrscheinlich nach Ephesus) reiste, um ihn zu unterstützen.34

Chrysostomos schreibt in seinem Kommentar zum Römerbrief: „Kap. XVI V. 1: ‚Ich empfehle euch die Schwester Phoebe, derzeit Diakonin der Kirche in Kenchreä.‘ - Sieh, mit wie auszeichnenden Worten der Apostel diese Frau ehrt! Er tut ihrer Erwähnung vor allen andern und nennt sie ‚Schwester‘. Nichts Geringes ist es, Schwester des Paulus genannt zu werden. Er setzt auch ihre Würde hinzu, indem er

      

33 Vgl. ebd., S. 229‐230. 

34 Vgl. ebd., S. 230‐231. 

(23)

23  sie ‚Diakonin‘ nennt. V. 2: ‚Daß ihr sie aufnehmet im Herrn, wie es Heiligen gehört‘, d.

h. um des Herrn willen, daß sie von euch Achtung erfahre. Denn wer einen um des Herrn willen aufnimmt, der nimmt ihn mit fürsorglicher Gastlichkeit auf, wenn er in dem Gast auch nicht gerade einen bedeutenden Mann aufnimmt. Ist der Aufgenommene aber gar ein Heiliger, dann stelle dir vor, welche Verehrung er genießen soll! Darum fügt der Apostel bei: ‚Wie es Heiligen gehört‘, wie man solche aufnehmen soll. Einen zweifachen Grund, von euch mit Verehrung behandelt zu werden, hat diese Frau: daß sie um des Herrn willen aufgenommen wird, und daß sie eine Heilige ist. ‚Und steht ihr bei, wo sie eurer bedarf!‘ - Siehst du, wie wenig er lästig fallen will? Er sagt nicht, daß ihr sie ganz aushalten sollt, sondern daß ihr sie unterstützt, so viel in euren Kräften steht, und ihr die Hand reicht, und: ‚wo sie eurer bedarf‘; also nicht in allem, sondern nur da, wo sie euch in Anspruch nimmt; sie wird euch aber nur in solchen Dingen in Anspruch nehmen, in denen ihr imstande seid, zu helfen. Dann folgt wieder ein ausnehmend großes Lob: ‚Denn sie ist selbst vielen eine Stütze gewesen und auch mir.‘ Siehst du da die Klugheit des Paulus? Zuerst kommt Lob, dann in der Mitte eine Ermahnung (der Frau behilflich zu sein) und dann wieder Lob. So umgibt Paulus von allen Seiten seine Bitte um Hilfe mit Lobsprüchen auf diese glückselige Frau. Wie sollte sie nicht glückselig sein, sie, die von Paulus ein solches Zeugnis ausgestellt erhält und die dem Völkerlehrer selbst einen Dienst erweisen durfte! Das war der Gipfel ihrer Auszeichnung. Darum kommt zum Schluß:

‚und auch mir‘. Was heißt das: ‚und auch mir‘? Mir, dem Weltprediger, der so viel gelitten hat, der vielen Tausenden seine Kräfte gewidmet hat. Ahmt darum, ihr Männer und Frauen, dieses heilige Weib nach […].“35

Dieser Kommentar zum Römerbrief ist von Johannes Chrysostomos mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Zeit (381 bis 398) in Antiochien geschrieben worden, in der er selbst noch nicht Bischof war, sondern als Diakon und Presbyter gewirkt hat.36

      

35 CHRYSOSTOMOS: Einunddreißigste Homilie. Kap. XV, V. 25—33 und Kap. XVI, V. 1—5. Kommentar zum Briefe 

des hl. Paulus an die Römer (In epistula ad Romanos commentarius)Des heiligen Kirchenlehrers Johannes  Chrysostomus Erzbischofs von Konstantinopel Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer aus dem  Griechischen übers. von Josef Jatsch. (Des heiligen Kirchenlehrers Johannes Chrysostomus ausgewählte Schriften  Bd. 5‐6; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 39 und 42) Kempten; München: J. Kösel: F. Pustet, 1922. Für  die BKV im Internet bearbeitet von Uwe Holtmann. In: https://www.unifr.ch/bkv/kapitel2717‐1.htm [abgerufen  am 29.08.2016]. 

36 Vgl. ebd.: JATSCH, Josef: Einleitung. Zeit und Ort der Abfassung. In: https://www.unifr.ch/bkv/kapitel5442‐

2.htm [abgerufen am 29.08.2016]. 

(24)

24  Der „Goldmund“37 lobt Phöbe, arbeitet vor allem heraus, wie hoch die Anerkennung des Paulus gegenüber der Diakonin war und fordert die Leserinnen und Leser oder Hörerinnen und Hörer seines Kommentars zur Nachahmung auf. Besonders interessant scheint, dass der Übersetzer der vorliegenden Translation aus dem Griechischen im Jahr 1922 tatsächlich zwei Mal das Wort Diakonin verwendet hat, das es in die 5. Auflage der Einheitsübersetzung von 2004 aber nicht geschafft hat.

Vorangegangene und nachfolgende Verdienste der Phöbe bleiben im Dunkeln der Geschichte verborgen. Als Überbringerin des Römerbriefes, des Testaments des Paulus, und als Patronin des Paulus hat sie der Christenheit unsagbar große Dienste erwiesen38. Diese großen Taten bleiben aber bis zum heutigen Tag für den normalen (geschichtlich-exegetisch nicht interessierten) Gläubigen in zwei kurzen Versen des Neuen Testaments versteckt.

Von der wohlhabenden und einflussreichen Phöbe wollen wir uns nun der Apostelin Junia zuwenden, aus der die Übersetzer und Abschreiber der Bibel über die Jahrhunderte einen Mann, Junias, gemacht haben.

2.2 Eine Apostelin in der Bibel – das geht gar nicht! Aus Junia wird Junias

Nimmt man die Einheitsübersetzung oder eine andere gängige Übersetzung der Bibel in die Hand, dann findet man im Brief an die Römer 16,7 derzeit noch die Erwähnung von Andronikus und Junias als „angesehene [Anm: männliche] Apostel“, obwohl sich Exegeten längst einig sind, dass IOUNIAN, als griechischer Akkusativ auf die weibliche Junia hinweist. In Großbuchstaben und ohne Akzente könnte die Form natürlich sowohl auf einen Mann als auch auf eine Frau verweisen. So einfach

      

37 Vgl. DROBNER, Hubertus: Lehrbuch der Patrologie. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH Internationaler  Verlag der Wissenschaften 32011, S. 336. 

38 Vgl. MERZ, Phöbe, S. 231‐232. 

(25)

25  ist also die Übersetzung nicht. Ein guter Grund, entsprechende Kommentare in der patristischen Literatur näher zu betrachten.39

So schreibt Chrysostomos in seiner 32. Homilie:

„V. 7: ‚Grüßt den Andronikus und die Junias, meine Landsleute.‘ Schon darin scheint ein Lob zu liegen; noch mehr aber in dem folgenden. Wie lautet es? ‚Und meine Mitgefangenen.‘ Das ist wohl der schönste Ruhmeskranz, der höchste Lobpreis! […]

Weil nun die Genannten wahrscheinlich seine Genossen in vielen dergleichen Gefahren gewesen waren, darum nennt er sie seine ‚Mitgefangenen‘; so sagt er auch an einer andern Stelle: „Aristarchus mein Mitgefangener“. — Dann folgt ein weiteres Lob: ‚Welche unter den Aposteln hervorragend sind.‘ Es ist schon etwas Großes, ein Apostel zu sein; aber erst unter den Aposteln hervorragend zu sein, bedenke, was das für ein Lob ist! Hervorragend waren sie durch ihre Taten und guten Werke. Ach, was muß das für eine erleuchtete Tugend dieser Frau gewesen sein, daß sie des Titels eines Apostels würdig erachtet wurde!“40

Genauso weiblich ist Junia auch beim mittelalterlichen Theologen und Philosophen Petrus Abelardus (1079 bis 1142) oder im Ambrosiaster. Männlich wurde Junias erst durch Aegidius von Rom (1245 bis 1316) und Martin Luther (1483 bis 1546), die im Gegensatz zu den Kirchenvätern mit der im Kontext genannten Bezeichnung als Apostel anscheinend ein echtes Problem hatten. Nach ihnen kann es sich bei Aposteln nun einmal ausschließlich um Männer gehandelt haben.41

Mittlerweile wissen wir, dass der männliche Name Junias in der gesamten Antike nicht bezeugt werden kann, die weibliche Form Junia aber sehr wohl häufig vorkommt und der Name Junia „die zur [Göttin] Juno Gehörende“42 bedeutet. Doch man fand auch für diese Forschungserkenntnis wieder ein Gegenargument. So       

39  Vgl.  ARZT‐GRABNER,  Peter:  Junia,  die rehabilitierte  Apostelin.  Aus  der  Werkstatt  der  Exegeten:  Ein  textkritischer Beitrag. In: BACKHAUS, Franz Josef (u.a. Hg.): Bibel und Kirche (BUK), Stuttgart: Katholisches  Bibelwerk e.v. 65. Jahrgang 4. Quartal 2010, S. 243. 

40 CHRYSOSTOMOS: Zweiunddreißigste Homilie. Kap. XVI, V. 5—16. Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die 

Römer (In epistula ad Romanos commentarius)Des heiligen Kirchenlehrers Johannes Chrysostomus Erzbischofs  von Konstantinopel Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer / aus dem Griechischen übers. von Josef  Jatsch. (Des heiligen Kirchenlehrers Johannes Chrysostomus ausgewählte Schriften Bd. 5‐6; Bibliothek der  Kirchenväter, 1. Reihe, Band 39 und 42) Kempten; München: J. Kösel: F. Pustet, 1922. Für die BKV im Internet  bearbeitet von Uwe Holtmann. In: https://www.unifr.ch/bkv/kapitel2718‐1.htm [abgerufen am 06.09.2016]. 

41 Vgl. ARZT‐GRABNER, Junia, S. 243. 

42 ARZT‐GRABNER, Junia, S. 243. 

(26)

26  wurde Junias nun als Kurzform der Namen Iunianus, Iunianius, Iunilius oder Iunius wiedererkannt, was aber durch eine klare unterschiedliche Akzentsetzung ausgeschlossen werden kann. Obwohl der Dominikaner und Theologe Marie-Joseph Lagrange (1855 bis 1938), der seinerseits einen Kommentar zum Römerbrief verfasste und sich auch aus diesem Grund mit den Erkenntnissen aus den Schriften der Kirchenväter befasste, sich im Jahr 1914 eindeutig für die weibliche Junia ausgesprochen hatte, wurde in den folgenden textkritischen Ausgaben des Neuen Testaments einerseits mit der Schreibweise vIouni,an offen gehalten, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt, andererseits in der 13. Auflage des Novum Testamentum Graece mit der Form VIounia/n die männliche Form als „richtige“ Form vorgegeben43.

Fakt ist, dass die Erkenntnisse aus den ältesten Texten, den Papyri, eindeutig auf die weibliche Form Junia verweisen. Alle Majuskelhandschriften, die wie der Codex Vaticanus, der ungefähr um 1000 entstand, mit Akzenten versehen wurden, weisen auf einen männlichen Junias hin, wogegen die Minuskelhandschriften auf die weibliche Form verweisen. Die wertvollsten Translationen, wie die koptischen, syrischen und lateinischen Schriften, sind natürlich auch hier jene, die direkt vom Griechischen stammen. Die koptischen und syrischen Texte sprechen von einer weiblichen Junia, in altlateinischen Schriften findet sich die weibliche Form Iuliam, die auch in den meisten Vulgata-Handschriften verwendet wurde. Nur in einer einzigen dieser Handschriften der Vulgata, dem Codex Reginensis aus dem 8. Jahrhundert, findet man eine männliche Form. All diese Erkenntnisse und die Rezeption der entsprechenden Schriften der Kirchenväter führten dazu, dass im Jahr 1998 im Nestle-Aland, dem Novum Testamentum Graece statt der eindeutig männlichen Form wieder VIouni,an geschrieben wurde. Bleibt nur mehr zu hoffen, dass Paulus in neuen Bibelübersetzungen schon bald (wieder) „Andronikus und Junia […], die unter den Aposteln angesehen sind“ (Röm 16,7) grüßen wird, so wie die Kirchenväter den Gruß an den Apostel und die Apostelin verstanden haben.44

      

43 Vgl. ebd., S. 244. 

44 Vgl. JANTSCH, Torsten: Die Apostelin Junia. Wie eine Frau verschwinden konnte, die im Römerbrief genannt 

wird. In: WUB 78 (4/2015), S. 27. 

(27)

27 

„Die Existenz der namentlich genannten Apostelin Junia kann heute, nach einer fast tausendjährigen Verdrängungsgeschichte, nicht mehr geleugnet werden.“45 Als Apostelgleiche wird sie mit Maria Magdalena und Thekla, auf die in dieser Arbeit noch eingegangen wird, bis heute im Liturgikon, dem Messbuch der byzantinischen Kirche verehrt.46 Laut der Süddeutschen Zeitung vom 20. September 2016 wird in der neuen Version der Einheitsübersetzung, die am 6. Dezember dieses Jahres erscheinen wird, Junia als Frau ausgewiesen sein und ist somit offiziell die erste Apostelin der Heiligen Schrift.47

Die ersten Christinnen und Christen glaubten fest daran, dass der Heilige Geist auf Männer und Frauen in gleicher Weise kommen kann.48 Schauen wir nun, ob sich auch in der apokryphen Literatur Hinweise auf Frauen finden, die in der frühen Kirche verehrt und akzeptiert oder aber verdrängt wurden.

3 Frauen in der apokryphen Literatur

Den Kanon, kanw,n49, des Neuen Testaments machen 27 Bücher aus, die zu den ältesten christlichen Werken gehören und als wichtigstes entscheidendes Kriterium ihrer Zuverlässigkeit die Apostolizität der Schriften und damit die direkte Berufung auf Christus aufweisen. Wenn das Werk nicht von einem Apostel oder Apostelschüler verfasst wurde, so schrieb man es einem zu, um die apostolische Autorität und die damit verbundene verbürgte Glaubenswahrheit anzuzeigen. In den ersten Jahrhunderten entstanden natürlich viel mehr als diese 27 Bücher, doch wiesen die Werke, Evangelien, Briefe, Apostelgeschichten und Offenbarungen, unterschiedliche Qualität und Zuverlässigkeit, beziehungsweise heterodoxe Inhalte auf. Bis zur Mitte       

45 EISEN, Ute: Frauen in leitenden Positionen. Im Neuen Testament und in der frühen Kirche. In: BACKHAUS,  Franz Josef (u.a. Hg.): Bibel und Kirche (BUK), Stuttgart: Katholisches Bibelwerk e.v. 65. Jahrgang 4. Quartal  2010, S. 209. 

46 Vgl. ebd., S. 209. 

47  Vgl.  DROBINSKI,  Matthias:  Ein  bisschen  Jungfrau  bleibt.  In:  Süddeutsche Zeitung.  Katholizismus.  20. 

September  2016.  In:  http://www.sueddeutsche.de/politik/katholizismus‐ein‐bisschen‐jungfrau‐bleibt‐

1.3170349 [abgerufen am 24.09.2016]. 

48 Vgl. JANTSCH, Torsten: Schweigend und verschleiert: Ein frühchristliches Frauenideal? In: WUB 78 (4/2015),  S. 28. 

49 Griechisch für Regel, Richtschnur oder Maßstab. 

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