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Liebe Kinder, liebe Jugendliche, liebe Jugendfestgäste,

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Jugendfestrede Brugg, Bürgermeister Werner Guhl Donnerstag, 04. Juli 2013 in Brugg

Liebe Kinder, liebe Jugendliche, liebe Jugendfestgäste,

seit fast dreißig Jahren komme ich immer wieder nach Brugg, auch beim

Jugendfest war ich bestimmt schon zehn Mal dabei. Aber nie hätte ich gedacht einmal hier an diesem Rednerpult zu stehen und die Jugendfestrede zu halten!

Ich bin froh, dass ich Unterstützung habe.

Vier Schüler aus Brugg werden mir helfen. Barbara und Yves sowie Julia und Lukas werden nachher meine Überraschungspakete auspacken.

Pause- Applaus für meine Assistenten.

Wisst ihr woher ich komme?

Schaut einmal dahinten auf die Fahne: Ihr erkennt das Schweizer Kreuz und das Stadtwappen von Brugg. Daneben die Farben schwarz-rot-gold für Deutschland und einen Adler, das Stadtwappen von Rottweil.

Wer von euch war schon einmal in Rottweil? Hebt mal die Hand hoch – das sind aber nicht viele. Ich glaube ich muss mal die ganze Schule einladen - am besten zur Fasnet. Ein Schulausflug zur Fasnet nach Rottweil –

das ist doch eine gute Idee, oder?

Die Fasnet bei uns ist anders als der Karneval oder die Schweizer Fastnacht.

Für uns sind das die höchsten Feiertage im Jahr, so wie bei euch das Jugendfest.

Rottweil hat eine ganz besondere, eine lebendige, eine alte Fastnacht mit historischen Narrenkleidern.

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Barbara und Yves packt mal euer Paket aus. Ihr seht zwei typische Larven – so sagen wir zu den Masken – von Rottweiler Narren. Barbara hat die Larve von einem wilden Federahannes und Yves von einem noblen Schantle – so heißen die Narren. Insgesamt gibt es bei uns über sechstausend Kleidlesträger. Viele Rottweiler verwandeln sich an zwei Tagen im Jahr vom Alltagsmenschen in einen Narren. Man kann das Geheimnis nicht erklären, man muss es sehen, ihr müsst unbedingt mal kommen, dann spürt ihr die besondere Stimmung an der Fasnet in Rottweil.

Bestimmt wisst ihr auch, was Rottweil mit Brugg zu tun hat?

Schaut mal da oben auf der Fahne steht die Zahl 1913 – warum? Ja, richtig, weil zwischen diesen beiden Städten seit genau hundert Jahren eine

Freundschaft besteht. Diese Städtefreundschaft ist auch der Grund, warum heute ein Rottweiler die Jugendfestrede halten darf.

Aber geht das überhaupt – eine Freundschaft zwischen zwei Städten?

Ich habe im Vorfeld Schüler der Klasse 2a von der Bezirksschule Brugg gefragt, was für sie Freundschaft bedeutet.

Florian schreibt mir: „Freundschaft ist, wenn man sich vertraut, wenn man zusammen lachen und über alles reden kann.“

Für Aline hält man in einer Freundschaft immer zusammen, in guten und in schlechten Zeiten.

Und für Jan sind Freunde das Wichtigste im Leben, weil Freunde immer füreinander da sind.

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Freundschaft heißt nach Meinung der Schüler also: Gemeinsam lachen, sich vertrauen, immer füreinander da sein. Da frage ich euch - wie soll das zwischen Städten funktionieren?

Ist es schon Freundschaft, wenn der Stadtammann von Brugg und die Stadträte zur Fasnet nach Rottweil kommen? Oder wenn der Bürgermeister von Rottweil zum Jugendfest nach Brugg reist?

Nein - ganz sicher nicht. Eine Freundschaft muss mehr sein. Man muss sie – wie Lilja schreibt – im Herzen tragen.

Ich erzähle euch eine wahre Geschichte. Dann könnt ihr selbst beurteilen, ob zwischen Rottweil und Brugg eine echte Freundschaft besteht.

Julia, was ist in deinem Paket? Pack mal aus. Aha – ein Paar alte Wanderschuhe – von einem solchen Paar Schuhe handelt meine Geschichte.

Irgendwo dahinten im Publikum sitzt ein 83-jähriger Mann aus Rottweil, er kommt jedes Jahr zum Jugendfest. Viele Brugger kennen ihn, er heißt Karl Nagel. Wo ist Karl Nagel? Bitte steh auf und zeige dich.

Als Karl Nagel 14 Jahre alt war hatte er Glück und Pech zugleich.

Glück hatte er, weil er eine Lehrstelle als Maurer bekam.

Das war 1945 keine Selbstverständlichkeit. Rechnet mal nach – das war vor fast 70 Jahren. Der Zweite Weltkrieg war gerade erst vorbei, viele in Deutschland waren arbeitslos und eine Lehrstelle war die Ausnahme.

Pech hatte er, weil seine einzigen Schuhe bei einem Arbeitseinsatz kaputt gegangen sind.

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Er war barfuß und verzweifelt, weil ohne Schuhe hätte er die Maurerlehre nicht fortsetzen können. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte.

Da kam Hilfe und die Hilfe kam aus Brugg. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Schüler in Brugg, Schuhe und Kleidung für die notleidenden Rottweiler

gesammelt. Aus diesem Hilfstransport erhielt Karl Nagel ein Paar Schweizer Wanderschuhe, sie waren gebraucht, aber in seinen Augen wunderschön.

Sie waren stabil und die Sohle hatte keine Löcher. Das war wichtig. Mit diesen alten Schuhen konnte er seine Lehre fortsetzen.

Es ist unglaublich, aber wahr: Ein Paar alte Wanderschuhe aus Brugg haben das Leben eines Rottweilers entscheidend beeinflusst.

Jetzt haben wir aber noch ein Überraschungspacket. Lukas, was hast du?

Aha, Schoggipulver und echte Schweizer Schokolade. Was hat das mit der Städtefreundschaft zu tun? Ich erzähle es euch.

Neben Karl Nagel sitzt eine Rottweilerin, die in Brugg auch viele kennen, sie heißt Maja Becht – unsere langjährige Stadtführerin – Maja zeig dich.

Sie denkt immer an Brugg, wenn sie eine heiße Schokolade trinkt.

Als Kind dachte sie tatsächlich in Brugg würden Kakaobohnen wachsen, Kakaobohnen, aus denen man Schoggipulver macht. Ihr glaubt mir nicht?

Doch, es ist wahr, nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Kinder in Rottweil unterernährt. Sie hatten einfach nicht genug zum Essen und ständig Hunger.

Auch diesen Kindern wurde von Brugg aus geholfen. Die Brugger

Einwohnerinnen und Einwohner sammelten Geld und kauften Lebensmittel.

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Damit konnte in Rottweil für viele Schulkinder täglich eine warme Mahlzeit zubereitet werden. Und die elfjährige Maja Becht bekam damals zum ersten Mal in ihrem Leben eine große Tasse heiße Schokolade. Also dachte sie:

- In Brugg wachsen Kakaobohnen.

- In Brugg gibt es für alle Kinder Schokolade.

- Brugg muss das Paradies sein.

Allein schon diese Geschichten beweisen, dass es Freundschaften auch zwischen Städten gibt, Freundschaften, die mehr als nur symbolischen Charakter haben, die sich nicht nur auf Feiern reduzieren lassen.

Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Freundschaft zwischen den Städten auch die Menschen, noch besser, die Herzen der Menschen erreicht. Wie zum

Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg, als Menschen, die sich gar nicht kannten, einander halfen.

In einem Gedicht einer Rottweilerin, das in dieser Zeit entstanden ist, heißt es: S‘

Christkindle hätt im Schweizerland an warme Herza klopfet.

Was will ich damit sagen?

Freundschaften sind vor allem dann wichtig, wenn es einem nicht so gut geht.

Die Freunde, die für einen da sind, wenn man Tränen in den Augen hat, diese Freunde vergisst man nie.

Freundschaft besteht aber nicht nur im Nehmen, sondern auch im Geben. Dabei rechnet man nicht auf – eine Schokolade für dich, gibt eine Schokolade für

mich. Nein, wo Freundschaft rechnet, ist sie bettelarm. An Freundschaften klebt kein Preisschild.

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Die Rottweiler konnten damals weder Schokolade noch Wanderschuhe oder Geld zurückschicken. Das hatten sie nicht.

Nein, sie sind in den Wald gegangen und haben vor Weihnachten 1947 über fünfhundert Weihnachtsbäume geschlagen und nach Brugg geschickt.

So stand an Weihnachten 1947 in fast jeder Brugger Stube ein

Weihnachtsbaum aus Rottweil. Das war mehr als die Brugger erwartet hatten.

Alles was ich bisher gesagt habe gilt auch für die Freundschaften zwischen euch. Ihr feiert heute mit euren Freunden das Jugendfest.

Ihr lacht zusammen und ihr seid fröhlich.

Eine tiefere Freundschaft entwickelt sich aber erst dann, wenn jemand für euch da ist, wenn es euch nicht so gut geht.

- Wenn ihr beispielsweise Zoff habt mit euren Eltern, - wenn es in der Schule mal nicht so läuft,

- wenn ihr vor lauter Liebeskummer nicht mehr wisst, wohin mit dem Schmerz

- oder wenn ihr vor wichtigen Entscheidungen steht: Lehrstelle, Studium usw.

An Schulkameraden, die dann für euch da sind, erinnert ihr euch auch noch in ein paar Jahren, ja manchmal ein Leben lang. Solche Freunde sind auch der Grund, dass es so viele ehemalige Brugger am Jugendfest nach Hause zieht.

Freundschaften machen letztendlich das aus, was wir Heimat nennen. Und Heimat ist wichtig. Weil jeder Wurzeln braucht. Kein Mensch hält es ohne freundschaftliche Bindungen aus.

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Ich wünsche euch, dass ihr in eurem Leben viele gute und echte Freunde gewinnt. Denkt daran, Freundschaften müssen gepflegt werden.

Facebook, SMS und E-Mails alleine reichen nicht. Wichtig ist, dass man sich trifft, dass man redet, dass man zuhört, auch dazu ist das Jugendfest da.

Ich selbst kenne das Jugendfest seit vielen Jahren und bin immer wieder beeindruckt von der Tradition, von dieser Atmosphäre des Miteinanders, von der sympathischen Bescheidenheit und von der Freude, die in allen Gesichtern leuchtet.

Ich wünsche euch allen viel Spaß bei diesem tollen Fest, schöne erholsame Ferien und im August einen guten Start ins neue Schuljahr, in die Lehrzeit oder in einer weiterführenden Schule.

Und vergesst nicht: Ich habe euch nach Rottweil eingeladen, also: Besucht uns, vielleicht sogar mit der ganzen Klasse. Schreibt mir eine Mail, dann werde ich in unserer neuen Jugendherberge Zimmer reservieren – versprochen.

Zum Abschluss möchte ich noch eine Schülerin der Klasse 2a zum Thema Freundschaft zitieren.

Andjela hat mir geschrieben:

„Mein Freund,

geh nicht hinter mir, so kannst du mich nicht begleiten.

Geh nicht vor mir, so kann ich dich nicht begleiten.

Geh neben mir, so sind wir gleich wert.“

Schöner kann man es nicht sagen.

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Es lebe die Freundschaft zwischen Brugg und Rottweil.

Referenzen

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