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Predigt bei der Weihnachts-Vesper im Linzer Mariendom

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Ist das Leben heilbar geworden?

Predigt bei der Weihnachts-Vesper

24. Dezember 2020, Mariendom Linz

„Und mancher, dessen Wohnung nicht einmal den Kälteschutz des Stalles von Bethlehem mehr aufbringt, vergisst die Idylle von Ochs und Esel und kommt vielleicht vor die Frage, was nun eigentlich geschehen sei. Ist die Welt schöner geworden, ist das Leben heilbar geworden, weil Weihnachten war, weil die Engel nun in aller Offenheit und Öffentlichkeit ihr Gloria gesun- gen haben, weil die Hirten staunten und liefen und anbeteten?“1 Diese Zeilen hat Alfred Delp im Advent 1944 in seiner Haft im Blick auf Weihnachten zu Papier gebracht. Ist die Welt schö- ner geworden? Ist sie heilbar geworden?

Die Frage nach einem heilbaren Leben stellt sich auch in diesen Tagen ganz besonders. Kann Weihnachten heil machen, was an offenen Fragen, Unsicherheiten und Ängsten da ist? Und was heilt: Medikamente? Was schützt vor Covid: Impfung, Abstand, Mund-Nasen-Schutz, Lockdown? Weihnachten feiern wir unter den heurigen Bedingungen anders feiern. Große Familienzusammenkünfte sind nicht möglich. Gottesdienste in der Heiligen Nacht sind anders, einfacher, ruhiger. Es ist wie ein Fahren auf Sicht. Langfristige Planungen waren schwer mög- lich und wurden bisweilen von einem Tag auf den anderen über den Haufen geworfen. Ander- weitige anstehende Themen, Entscheidungen und Überlegungen werden überlagert und in den Hintergrund gedrängt. Flüchtlinge auf griechischen Inseln, Kinder, Jugendliche, Familien!

Viele Menschen sind hin- und hergerissen zwischen berechtigten Sorgen um Gesundheit ei- nerseits und dem genauso berechtigten Freiheitsdrang andererseits. Die Emotionen gehen auseinander: Viele sind einfach nur noch müde und erschöpft, andere werden eher aggressiv, manche laufen zur Hochform der Kreativität und der Nächstenliebe auf. Wir schauen auf uns selbst und auf andere?!

So viele in unserem Land haben in den vergangenen Wochen und Monaten Enormes leisten und aushalten müssen. Es war sicher auch Ärger und manches Unverständnis dabei. Ich danke für das Mittragen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Ich danke aber auch von Herzen für die Begleitung der Menschen. Vieles musste abgesagt und verschoben wer- den, vieles ist aber anders und auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich.

Bedeutsam bleibt der persönliche Kontakt, bleibt die unmittelbare Begegnung mit den Men- schen in ihrem Zuhause, dort wo sie arbeiten oder Freizeit verbringen. Wir dürfen uns nicht lähmen lassen vom Thema Corona, sondern weiter die frohe Botschaft verkünden, Gottes- dienst feiern und für Bedürftige da sein.

Und vielleicht war es gerade der heurige Advent, der uns die nötige Ruhe und Gelassenheit gibt im Zugehen auf die große Verheißung des Weihnachtsfestes. Vielleicht gibt gerade dieses Weihnachtsfest die Gelegenheit, dem auf die Spur zu kommen, was eigentlich in Bethlehem geschehen ist. Vielleicht ist es gerade dieser Advent, der uns die Ausgesetztheit und Nacktheit

1 Alfred Delp, Im Angesicht des Todes, hg. v. Andreas R. Batlogg u. Richard Müller, Ignatianische Impulse Bd. 21, Würzburg 22008.

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des kleinen Kindes, in dem wir die Ankunft Gottes erfüllt sehen, vor Augen führt. Vielleicht nähern wir uns gerade in diesem Advent dieser aufwühlenden und aufregenden Dimension unseres Glaubens in besonderer Weise: Gott wird Mensch. Er ist und bleibt ein Gott der Ver- heißung, der Zuversicht und der Hoffnung.

Um wieder mit Alfred Delp zu sprechen: „Gott ist mit uns: So war es verheißen, so haben wir geweint und gefleht. Und so ist es seinsmäßig und lebensmäßig wirklich geworden: ganz anders, viel erfüllter und zugleich viel einfacher, als wir meinten. Gott ist Mensch geworden.

Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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