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Predigt zum Gründonnerstag im Linzer Mariendom

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Academic year: 2022

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… in der Nacht, da er ausgeliefert wurde … (1 Kor 11,23c) Predigt zum Gründonnerstag

1. April 2021, Mariendom Linz

Sieger Köder: Das Mahl der Sünder (San Pastore in Lazio)

Wer sitzt um diesen Tisch? Der Afrikaner, ein Genosse aus der Dritten Welt, mit verbundenem Arm, verwundet im Kampf um das Lebensrecht seines Stammes; eine vornehme Dame, standes- und traditionsbewusst; der Intellektuelle, ein Student, einer, der Gewohntes infrage stellt und deshalb zum Ärgernis geworden ist; der Clown, der im Spiel der Ironie die Realität des Lebens erträglich macht: zwischen Lachen und Weinen ein Spiegel unserer Existenz; eine alte, blinde Frau, vornüber gebeugt, lauschend, weil sie den Gastgeber nicht sieht; die Dirne, eine von den vielen Frauen des ambulanten Gewerbes; der jüdische Rabbi mit dem Gebetsschal, harrend auf den Messias, hier abwägend, was der Gastgeber kündet. Eine seltsame Gesellschaft, die kaum je real um einen Tisch sitzen wird. Aber jede Gestalt zeigt ein Stück von uns. Es bleibt uns überlassen, uns mit dem einen oder anderen mehr zu identifizieren, mit der jeweiligen Angst und Not, mit seinen Leiden und Leidenschaften. Der achte Platz: Er wird vom Gastgeber eingenommen. Wir sehen seine austeilenden Hände, sein Licht fällt auf die Gesichter der Gäste.

Die Mähler Jesu mit den Sündern sind nicht gleich mit dem Letzten Abendmahl zu vergleichen.

Und doch, wenn man näher hinschaut, ist auch der Zwölferkreis beim Mahl keine Gemeinschaft von ausschließlich moralisch hochstehenden Idealisten. Man braucht nicht gleich auf Judas verweisen, der Jesus verraten hat. Schon Petrus kann nicht verstehen, was mit ihm bei der Fußwaschung geschieht. Seine Reaktion auf die Leidensweissagung hatte ihm die harsche Kritik Jesu eingebracht. Und einige Stunden später wird er bei der Verleugnung Jesus nicht mehr kennen. Oder Johannes, von dem es heißt, dass er Jesus besonders nahestand, hatte er sich nicht darüber Gedanken gemacht, wer im Reich Gottes vorne sitzt?

Ging es ihm nicht auch um Macht und Prestige? Davonlaufen werden die meisten Jünger.

Beim Kreuzweg selbst haben sie sich aus dem Staub gemacht. Der Zwölferkreis, Säulen der späteren Kirche, eine höchst gemischte, menschliche, allzu menschliche Gesellschaft.

Das gilt auch für die Kirche. Die konkrete Kirche ist nicht eine Gemeinschaft von ausschließlich Gesunden und Reifen, sondern eine höchst gemischte Gesellschaft. In Auseinandersetzung mit Eugen Drewermann hat vor einigen Jahren Albert Görres auch dessen idealistisches Kirchenbild kritisiert: „Die Kirche ist, wie die Sonne, für alle da. Für Gerechte und Ungerechte, Sympathen und Unsympathen, Dumme und Gescheite; für Sentimentale ebenso wie Unterkühlte, für Neurotiker, Psychopathen, Sonderlinge, für Heuchler und solche wie Natanael, ‚an denen kein Falsch ist’ (Joh 1,47); für Feiglinge und Helden, Großherzige und Kleinliche. Für zwanghafte Legalisten, hysterisch Verwahrloste, Infantile, Süchtige und Perverse. Auch für kopf- und herzlose Bürokraten, für Fanatiker und auch für eine Minderheit von gesunden, ausgeglichenen, reifen, seelisch und geistig begabten, liebesfähigen Naturen.

Die lange Liste ist nötig, um klarzumachen, was man eigentlich von einer Kirche, die aus allen Menschensorten ohne Ansehen der Person, von den Gassen und Zäunen wie wahllos zu- sammengerufen ist und deren Führungspersonal aus diesem bunten Vorrat stammt, erwarten kann – wenn nicht ständig Wunder und Verzauberung stattfinden, die uns niemand verspro- chen hat. Heilige, Erleuchtete und Leuchtende sind uns versprochen. Wer sie sucht, kann sie

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finden. Wer sie nicht sucht, wird sie nicht einmal entdecken, wenn sie jahrelang neben ihm gehen, weil er sie vielleicht nicht wahrhaben will oder kann.“1

Traditio zwischen Verrat und Hingabe

In diese Gemeinschaft hinein hat sich Jesus beim Abendmahl verschenkt. Es ist interessant, dass diese Hingabe Jesu mit demselben griechischen Wort beschrieben wird wie der Verrat, wie die Auslieferung, wie die Weitergabe des Glaubens. Das griechische Verb „paradidónai“

(= überliefern, übergeben, ausliefern) wird im Neuen Testament in christologisch bedeutsamen Zusammenhängen vor allem zur Bezeichnung von vier Akten verwandt: (1) die Auslieferung eines Menschen an Gewalt durch einen Menschen, (2) die Auslieferung des eigenen Sohnes für uns alle durch Gott, (3) die Selbsthingabe Christi ‚für uns‘, (4) die Überlieferung im Sinne von Weitergabe, Tradition.2 In der Passionsgeschichte, wie sie Markus wiedergibt, ist der Abendmahlsbericht unlöslich mit dem Hinweis auf den Verrat verknüpft. (1) Und zwar steht hier nicht der namentlich bekannte Verräter im Vordergrund, sondern die Tatsache, dass ‚einer der Zwölf’, der zur engsten Tischgemeinschaft Jesu gehört, den vertrauten Freund und Ge- rechten ausliefert (vgl. Mk 14,18.20 mit Ps 41,10). Die Auslieferung des Gerechten durch Gott selbst (2) kommt allgemein durch den Rückbezug des in der Passionsgeschichte Berichteten auf alttestamentliche Aussagen in den Blick. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die Selbsthingabe Jesu (3) im Rückgang auf die Prophetie vom Gottesknecht gedeutet wird (Mk 14,24b – Jes 53,13). Durch den mit dem Alten Testament hergestellten Zusammenhang be- gegnet die Auslieferung Jesu zugleich als ein zentrales Geschehen von Überlieferung (4).

Communio durch Hingabe

Jesus stiftet durch seine Hingabe und durch die Fußwaschung Erlösung und Heil. Es ist ein

„leidendes Durchtragen des Bösen, ohne neues Böses zu schaffen; ein freudiges Ja zur Com- munio mit Gott und untereinander.“3 Sühne ist die Realisierung von Versöhnung im Raum menschlicher Freiheit und menschlicher Gemeinschaft, und zwar gerade dann, wenn Freiheit und Beziehung von sich aus pervertiert, festgefahren, monologisch einzementiert, arrogant aufgeblasen, narzisstisch vergiftet, in ihren eigenen Möglichkeiten erschöpft und zu Tode ge- laufen sind. Von innen her bricht Jesus die Logik des Bösen auf und überwindet sie. Nur so wird nicht das Karussell von Gewalt und Gegengewalt fortgesetzt. Nur so werden Leiden und Gewalt nicht zum Wachstumshormon von Ressentiment, Rachegelüsten und Revanchismus.

Aus der Einwurzelung in Gott durchbricht Jesus die unheilvolle Kette von Gewalt und Gegen- gewalt. Am Kreuz, dem Gipfel der Feindesliebe, der Bereitschaft zu Vergebung und Versöh- nung, ist Jesus bereit, die Aggressionen der anderen auf sich zu ziehen und diese an sich auslaufen zu lassen. So überwindet er das Böse durch das Gute (Röm 12,21).

Wir feiern heute Eucharistie und Fußwaschung, die beiden Brennpunkte des Lebens und Wir- kens Jesu. Die Personen spiegeln sich in unserem Leben und auch in unseren Beziehungen wider. Wir haben Anteile des Verrats und der Auslieferung, des Bruchs von Vertrauen. Wir verdunkeln auch durch unser Leben die frohe Botschaft, wir stellen uns auch zwischen Jesus

1 Albert Görres/Walter Kasper (Hrsg.), Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewer- mann (QD 113), Freiburg 1988, 134.

2 Vgl. dazu Hansjürgen Verweyen, Gottes letztes Wort. Grundriss der Fundamentaltheologie, Düsseldorf 1990, 68ff.

3 Gisbert Greshake, Erlöst in einer unerlösten Welt?, Mainz 1987, 106.

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und die Menschen und blockieren den Zugang. Aber auch: Wir lassen an uns die Liebe Gottes geschehen, wir vollziehen die Selbsthingabe Jesu mit, und wir geben den Glauben in Wort und Tat weiter.

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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