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Predigt bei der Messe vom Letzten Abendmahl (Gründonnerstag) im Linzer Mariendom.

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Begreift ihr, was ich euch getan habe?

Predigt bei der Messe vom Letzten Abendmahl Gründonnerstag, 18. April 2019, Linzer Mariendom

Begreift ihr, was ich an euch getan habe? So die Frage Jesu an Petrus. Auf vielen Darstellun- gen wird Petrus bei der Fußwaschung als einer dargestellt, der sich auf den Kopf greift, der das Ganze nicht begreift. Geht’s eigentlich noch? Spinnst du? Eine solche Szene ist auf dem spätromanischen Portal der Abteikirche St. Gilles bei Arles (Provence) zu sehen. „Niemals sollst du mir die Füße waschen, wenn schon, dann die Hände und den Kopf.“ Petrus greift sich an den Kopf. Als Jesus dem Petrus die Füße waschen will, lehnt dieser energisch ab. Er spürt vermutlich sehr richtig und instinktiv, dass dieses Handeln an ihm auch Konsequenzen für ihn haben könnte, Konsequenzen für sein eigens Verständnis vom Leben, vom Leiden, von dem, was erstrebenswert ist, was „in“ ist, worauf es ankommt. Die Fußwaschung ist eine liebevolle Lektion Jesu, nicht weniger radikal als jene nach dem Messiasbekenntnis, als Jesus den Petrus zuerst seligpreist und dann wegschickt: Weg von mir, Satan (Mt 16,18ff.).

Versteht ihr, wenn ich, euer Herr und Meister, euch die Füße wasche? Versteht ihr, wenn ich mich für euch hingebe? Fußwaschung und Eucharistie sind so etwas wie eine Revolution.

Augustinus hat schon gemeint, dass Gott seine Gegenwart und seine Liebe an die unschein- baren Zeichen von Brot und Wein gebunden hat, um die Überheblichkeit, die Arroganz und auch die Verblendung unserer Vernunft zu demütigen. Da wird unsere Vernunft auf den Kopf gestellt, da gilt nicht mehr die Logik der Macht und des Geldes. Wer ist obenauf? Normal der, der sich die Hände nicht schmutzig macht. Jesus wäscht den Schweiß und den Staub von den Füßen. Jesus stellt einen ganz und gar nicht eifersüchtigen, nicht neidischen, nicht egoisti- schen, nicht selbstgenügsamen, nicht willkürlichen Gott dar. Im buchstäblichen Sinn ist er ein auf den Boden heruntergekommener Gott, der sich nicht heraushält, dem nichts fremd ist.

Wenn Petrus Jesus begegnet, macht der die Erfahrung, dass hier eine Umkehrung geschieht.

Wir haben nicht einfach eine irgendwie Beziehung zu Gott als zu einem denkbar höchsten, mächtigsten, besten Wesen – dies ist keine echte Transzendenz –, sondern unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im ‚Dasein-für-andere’, in der Teilnahme am Sein Jesu.“1 Der Weg Jesu geht den Weg zum anderen, den Weg der Proexistenz, der Solidarität, des Dienstes, des Verzichts, des Leidens um des Reiches Gottes willen. Da gibt es kein kaltes Mein und Dein, weder im Hinblick auf materielle Güter, auch nicht im Hinblick auf das Tragen der Lasten.

Denn: „Einer trage des anderen Last.“ (Gal 6,2).

Fußwaschung und Eucharistie zeigen uns zusammengefasst, gebündelt, wer Jesus ist und wie er ist. Sie tun dies nicht in Form einer Belehrung, sondern auf die Weise einer Feier, eines Ritus, eines Sakraments. Sie zeigen uns das tiefe Mitleid, das er mit jedem Einzelnen hat, besonders gegenüber den Leidenden und den Sündern. So entsteht im Umfeld der Eucharistie der Dienst der Nächstenliebe, die darin besteht, „dass ich auch den Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe.“ Zu wem sage ich denn Amen? Von Paulus her gehören die Feier des Herrenmahles und das Teilen des täglichen Brotes zusammen. Er sieht es als Verrat am Herrenmahl an, wenn die Armen vom anschlie- ßenden Sättigungsmahl ausgeschlossen bleiben (1 Kor 10,17–34). Wer Eucharistie feiert, darf

1 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung (1944): Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von E.

Bethge, München 1970, 414.

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so kein „Eigenbrötler“ sein. Es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen Caritas und Eucharistie. In der Schwester und im Bruder ist Jesus selbst gegenwärtig, sie sind Träger der Anrede Gottes, Sakrament des Alltags. Jesus fordert heute immer noch seine Jünger auffor- dert, sich persönlich zu engagieren: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16).

Das zeigen uns große Heilige, dass Eucharistie und Dasein für andere zusammengehören.

Diese ist geprägt von Präsenz unter den Kranken und Armen (Mutter Teresa, Charles de Foucauld), von Stellvertretung (Thérèse von Lisieux), von Barmherzigkeit (compassio) und Solidarität mit Obdachlosen und Asylanten (Gemeinschaft von Sant’ Egidio). Gerade geistig behinderte Menschen spüren oft, worauf es ankommt, und sind so Lehrmeister im Glauben (Glaube und Licht, Arche).

In diesen Österlichen Tagen denken wir an den Martertod des Linzer Priesters und Pädagogen Johann Gruber, der am 7. April 1944, das war damals der Karfreitag, vom Lagerleiter Seidler im KZ Gusen grausam ermordet wurde. Gruber hatte im KZ geheime Gottesdienste gefeiert und er sorgte sich als Priester, Möglichkeiten zum Empfang des Sakraments zu schaffen. Er hat auch Hostien besorgt. In extremen Situationen der Barbarei und der Unmenschlichkeit verband Gruber die Eucharistie mit der Vor-Sorge um das Überleben, als Widerstand gegen das Sterben. Christian Bernadac erzählt: „Jean Cayrol hatte aus der Hand des Paters [Gruber]

kommuniziert. Ich teilte ihm mein Verlangen mit, meine Hoffnung. Er sah mich lange an und sagte ganz vorsichtig: ‚In Ihrem Zustand, für den Augenblick, brauchen Sie besser eine gute Suppe als die Hostie … Wir werden noch einmal darüber sprechen.“2

„Die ,Mystik’ des Sakraments hat sozialen Charakter ... Die Vereinigung mit Christus ist zu- gleich eine Vereinigung mit allen anderen, denen er sich schenkt. Ich kann Christus nicht allein für mich haben, ich kann ihm zugehören nur in der Gemeinschaft mit allen, die die Seinigen geworden sind oder werden sollen.“3 So gehören auch Eucharistie und Versöhnung zusam- men. Eucharistie drängt besonders jene, die miteinander im Konflikt sind, ihre Versöhnung zu beschleunigen. Eucharistie und Fußwaschung sind ein Aufruf, wirklich Friedensstifter und Urheber von Gerechtigkeit zu sein: „Wer nämlich an der Eucharistie teilnimmt, muss sich dafür einsetzen, den Frieden herzustellen in unserer Welt, die gezeichnet ist von so viel Gewalt, von Krieg und – besonders heute – von Terrorismus, Wirtschaftskorruption und sexueller Ausbeu- tung.“4 Die Speise der Wahrheit, so der em. Papst Benedikt, drängt uns, die menschenunwür- digen Situationen anzuprangern, in denen man wegen des von Ungerechtigkeit und Ausbeu- tung verursachten Nahrungsmangels stirbt, und gibt uns neue Kraft und neuen Mut, ohne Un- terlass am Aufbau der Zivilisation der Liebe zu arbeiten. Von Anfang an waren die Christen darum bemüht, ihre Güter miteinander zu teilen (vgl. Apg 4,32) und den Armen zu helfen (vgl.

Röm 15,26). Die Kollekte, die während der liturgischen Zusammenkünfte eingesammelt wird, ist eine lebendige Erinnerung daran, aber auch eine sehr aktuelle Notwendigkeit.

Die Eucharistie wirft schließlich ein starkes Licht auf die gesamte Schöpfung. Die Liturgie selbst erzieht uns zu einem Mentalitätswandel, wenn der Priester während der Gabenberei- tung in Bezug auf Brot und Wein – „Frucht der Erde“, „des Weinstocks“ und der „menschlichen Arbeit“ – ein Lob- und Bittgebet an Gott richtet. Mit diesen Worten nimmt der Ritus alles

2 Zitiert nach: Helmut Wagner, Dr. Johann Gruber. Priester – Lehrer – Patriot (1889-1944). Nonkonformität und ihre Folgen in der Zeit des Nationalsozialismus, Linz 2011, 316f.

3 Benedikt XVI., Deus caritas est (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 171) Bonn 2006Nr. 14.

4 Benedikt XVI., Sacramentum caritatis. Nachsynodales Schreiben über die Eucharistie Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche, Vatikan 2007, Nr. 89.

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menschliche Tun und Mühen mit in das Gott dargebrachte Opfer hinein und drängt uns darüber hinaus, die Erde als Schöpfung Gottes zu betrachten, die für uns hervorbringt, was wir zum Leben brauchen. Sie ist nicht eine neutrale Wirklichkeit, kein Steinbruch, den wir abbauen könnten, keine bloße Materie zum wahllosen Gebrauch nach menschlichem Begehren. Die berechtigten Sorgen wegen des ökologischen Zustands, in dem sich die Schöpfung in vielen Teilen der Erde befindet, kann Trost schöpfen aus der Perspektive der christlichen Hoffnung, die uns verpflichtet, verantwortlich für die Bewahrung der Schöpfung zu arbeiten. (250) + Manfred Scheuer

Bischof von Linz

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