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Predigt bei der Feier des Ostersonntags im Linzer Mariendom

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Was ist anders?

Predigt bei der Feier des Ostersonntags

4. April 2021, Mariendom Linz

„Auf allen (gesellschafts-)politischen Ebenen beunruhigt mich zusehends, dass man nicht einmal mehr sagen kann, das mittelmaß sei die neue exzellenz (was schlimm genug wäre).

Nein, dummheit, brutalität, niedertracht und eine bizarre form von moralterrorismus bestimmen zusehends den diskurs (so man das dauerempörte gekeife über alles und jeden überhaupt diskurs nennen möchte).“ (I. H., 3. April 2021)

„In diesem Jahr beschert uns die Pandemie den Lockdown, die physische Distanz und den mentalen Tunnelblick. Unser aller Alltag präsentiert sich dort als Jammern und Kritisieren. Und als Ausleeren von Schmutzkübeln. Der Verwesungsgeruch wird durch Geschäftigkeit ver- drängt.“ (Jozef Niewiadomski)

Was ist anders?

Warum ist diese Nacht ganz anders als alle anderen Nächte? So fragt der Jüngste am Beginn der Feier des jüdischen Osterfestes. Der Hausvater erzählt daraufhin die Heilstaten Gottes für das Volk Israel, besonders die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. „Ein jedermann aus jedem Geschlecht muss sich betrachten, als wäre er persönlich aus Ägypten gezogen: ‚Und an diesem Tage musst du deinem Sohn erzählen: Dies geschieht um dessentwillen, was der Herr für mich getan hat, als ich aus Ägypten zog.’“

Was ist seit vorgestern, seit dem Karfreitag anders? Ist die Dummheit, die Brutalität, das Aus- leeren der Schmutzkübel vorbei, gibt es kein dauerempörtes Gekeife mehr? Ist die Geschäf- tigkeit einem inneren und äußeren Frieden gewichen? Was ist seit dem Karfreitag anders?

Jesus ist auferweckt, er ist wahrhaft auferstanden! Das ist der Ostergruß der Ostkirche, das ist die zentrale christliche Botschaft.

Diese Ereignisse der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten und der Auferweckung Jesu von den Toten sind nicht bloß Vergangenheit. Es wird unsere Sache abgehandelt, es geht um unser Leben, unser Glück, unseren Sinn, unsere Beziehung, unsere Gemeinschaft. Von Johann Wolfgang von Goethe stammt das geflügelte Wort: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Dieser Satz aus dem Munde Fausts im ersten Teil der Tragödie drückt das mehr oder weniger begründete Unvermögen aus, jemandem Glauben zu schenken und war ursprünglich auf die Osterbotschaft bezogen. Ist Auferstehung nur schöner Schein, aber nicht wirklich? Manchmal geht es mit dem Brauchtum der heiligen Gräber, mit den Ritualen der Speisensegnung, mit dem Osterhalleluja von Händel, auch mit unseren schönen Messge- wändern so: Sie sind schön, sie gefallen, aber geglaubt werden sie nicht (mehr). Spielen wir in der Kirche Theater, während die Welt im Argen liegt? Die Osterliturgie beansprucht, dass die Liebe Gottes wirkmächtig gegenwärtig ist.

Oder ist das Ganze nur Wunschdenken, Projektion unserer eigenen Bedürfnisse, dass wir ins Jenseits vertröstet werden wollen? Illusion? Gehören die Karfreitage der Menschheit einfach der Vergangenheit an, die Kriege, die Verwesung, die Ängste, das Schreien der Tränen in Krankheit und Einsamkeit. Ist nicht das Weinen der Kinder lauter als unser Osterhalleluja?

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Schein und Wirklichkeit

Es ist ein großer Unterschied, ob Versöhnung bloß innerlich gewünscht wird oder ob das Ver- zeihen wirklich zugesprochen wird. Es ist ein großer Unterschied zwischen einer Fata Mor- gana, die eine bloße Luftspiegelung ist, und einer wirklichen Quelle. Es ist ein Unterschied, ob einer sich träumt, geliebt zu werden oder ob das in Wirklichkeit so ist. Ein gedachter Kuss ist etwas anderes als ein wirklicher, eine vorgestellte Umarmung kann die wirkliche nicht einho- len.

Die Osterliturgie inszeniert nicht unsere Träume oder unsere Bedürfnisse. Man muss fragen:

Eines Tages würde man dann die Erlösung denken statt feiern. Oder statt der Osterbotschaft würde auf einem Appellplatz das moralische Kommando geschrien: Seid anständig! – Liturgie wäre so kein Zugang zur Wirklichkeit Jesu mehr, wir würden im eigenen Saft stecken bleiben.

Es ist der Glaube, der uns zu Jesus führt.

Von der Auferstehung her leben

Ein Gewaltschlag ist die Auferstehung nicht und die Probleme und Krisen sind auch nicht ein- für allemal weg. Und doch ist Ostern das Fest der Läuterung, der Verwandlung und der Frei- heit. „Ostern? Unser Blick fällt mehr auf das Sterben als auf den Tod. Wie wir mit dem Sterben fertig werden, ist uns wichtiger als wie wir den Tod besiegen. Sokrates überwand das Sterben, Christus überwand den Tod. … Mit dem Sterben fertig werden bedeutet noch nicht mit dem Tod fertig werden. … Nicht von der Kunst des Sterbens, sondern von der Auferstehung Christi her kann ein neuer reinigender Wind in die gegenwärtige Welt wehen. … Wenn ein paar Men- schen dies wirklich glaubten und sich in ihrem irdischen Handeln davon bewegen ließen, würde vieles anders werden. Von der Auferstehung her leben – das heißt doch Ostern.“1

„Gott, gib uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben zu sehen vermögen, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du. Schenke uns dazu alle österliche Kraft und die Kraft deines Heiligen Geistes.“2 (Klaus Hemmerle)

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

1 Dietrich Bonhoeffer, Brief am 27.3.1944, in: Widerstand und Ergebung, DBW Bd. 8, 368f.

2 Klaus Hemmerle, Hirtenbriefe, hg. von Karlheinz Collas, Aachen 1994, 113.

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