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Aussenhandel der Schweiz: Dienstleistungen gewinnen an Bedeutung | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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DIENSTLEISTUNGSHANDEL

52 Die Volkswirtschaft   3 / 2021

Aussenhandel der Schweiz:

Dienstleistungen gewinnen an Bedeutung

Der Dienstleistungshandel der Schweiz hat im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. Gemäss Statistik machen Dienstleistungen mehr als ein Drittel des gesamten Aussenhandels aus – wobei der Wert in der Realität deutlich höher sein dürfte.  Benjamin Frei

D

er internationale Handel wird meist mit Waren assoziiert, welche die Gren- ze physisch überqueren. Dienstleistungen – wie beispielsweise Finanzen, Transport und Logistik, Unternehmensberatungen, Inge- nieursdienste, Telekommunikations-, Com- puter- und Informationsdienste (ICT), Lizenz- gebühren, Tourismus – gehen hingegen oft vergessen. Es stellen sich daher die Fragen:

Wie wichtig ist der internationale Dienstleis- tungshandel für die Schweiz? Wer sind die grössten Handelspartner und welches die be- deutendsten Sektoren?

Zunächst gilt es kurz zu erläutern, wie Dienstleistungen überhaupt international ge-

Abstract  Der Dienstleistungshandel (Importe und Exporte) hat zwischen 2013 und 2019 um durchschnittlich 3,2 Prozent pro Jahr zugenommen. 2019 verzeichnete die Schweiz bei einem Handelsvolumen von 252 Milliarden Franken einen Überschuss von rund 9 Milliarden Franken. Der Dienstleistungshandel beläuft sich damit auf über ein Drittel des gesamten Aussenhandels. In der Realität dürfte der Dienstleistungshandel gar deutlich höher sein, weil verschiedene Aspekte in den klassischen Statistiken nicht erfasst sind. Die EU ist der wichtigste Handelspartner. Nach einzelnen Ländern aufge- schlüsselt, sind die USA an der Spitze, gefolgt von Deutschland und dem Vereinigten Königreich. In den Top 10 sind insgesamt sieben europäische Länder. Neben Lizenzge- bühren sind auch Finanzdienstleistungen, Tourismus, Transport- sowie ICT-Dienste von grosser Bedeutung, wobei Forschung und Entwicklung das stärkste Wachstum zeigt. Das «Services Trade Cockpit» des Staatssekretariats für Wirtschaft liefert eine neue Übersicht über die wichtigsten Dienstleistungshandelsstatistiken.

handelt und völkerrechtlich definiert werden.

Das Allgemeine Abkommen über den Han- del mit Dienstleistungen (GATS) der Welthan- delsorganisation (WTO) nennt vier Erbrin- gungsarten: Bei der ersten Erbringungsart werden Dienstleistungen grenzüberschrei- tend und ohne physische Präsenz des Er- bringers im Zielland gehandelt. Beispiele da- für sind die telemedizinische Beratung oder Fernunterricht. Bei der zweiten Erbringungs- art findet der Konsum im Ausland statt. Dies ist etwa beim Tourismus der Fall. Die dritte Erbringungsart erfordert eine geschäftliche Präsenz im Ausland – zum Beispiel eine Ver- sicherungsfiliale. Schliesslich können natürli-

che Personen im Ausland eine Dienstleistung anbieten, etwa, wenn sie eine Maschine ins- tallieren oder wenn sie für eine Beratung ins Ausland reisen.

Zahlen zu diesen Erbringungsarten wer- den in teils unterschiedlichen Statistiken er- fasst. Die Leistungsbilanz ist die wichtigste davon, es gibt aber auch andere interessante Erhebungen. In einem «Services Trade Cock- pit» bildet das Staatssekretariat für Wirt- schaft (Seco) seit letztem Jahr wichtige Daten zum Dienstleistungshandel der Schweiz grafisch ab.1

Starkes Wachstum

Der Dienstleistungshandel der Schweiz ist in den vergangenen Jahren stark gewach- sen: Zwischen 2013 und 2019 legte der ge- samte Dienstleistungshandel (Import und Ex- port) um 21 Prozent zu, was einem Wachs- tum von durchschnittlich 3,2 Prozent pro Jahr entspricht.2 Zum Vergleich: Der Warenhan- del wuchs in diesem Zeitraum um jährlich 2,8 Prozent.

Im Jahr 2019 machte der Dienstleistungs- handel mit 252 Milliarden Franken über ein

1 Seco (2020).

2 SNB (2020).

Importe und Exporte kumuliert. Weitere Grafiken und Daten sind im Services Trade Cockpit» des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) verfügbar.

Abb. 1: Wichtigste Dienstleistungshandelspartner der Schweiz (2019)

SNB (2020) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

150 000 Mio. Fr.

100 000 50 000

0

EU-28 USA

Frankreich

China Deutschland

Italien

Nieder lande

Vereinigtes Königreich

Irland

Spanien

Japan

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DIENSTLEISTUNGSHANDEL

Die Volkswirtschaft   3 / 2021 53 Drittel des Gesamthandels aus; auf den Wa-

renhandel entfielen 447 Milliarden Franken.3 Mehr als die Hälfte der Dienstleistungen handelte die Schweiz 2019 mit europäischen Staaten (siehe Abbildung 1). Nach einzelnen Ländern aufgeschlüsselt, sind die USA mit 51 Milliarden Franken, was einem Anteil von 20 Prozent entspricht, der wichtigste Handels- partner. Dies ist vor allem auf die Sektoren Lizenzen sowie Forschung und Entwicklung zurückzuführen, welche zusammen fast 60 Prozent des Handels mit den USA ausmachen.

Dahinter folgen Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien. Mit Chi- na auf Platz 7 und Japan auf Platz 10 sind zwei weitere aussereuropäische Länder in den Top 10. Der Dienstleistungshandel mit dem gan- zen afrikanischen Kontinent beläuft sich auf unter 4 Milliarden Franken.

Die Schweiz exportierte 2019 Dienstleis- tungen im Umfang von 130 Milliarden Fran- ken; die Importe beliefen sich auf knapp 122 Milliarden Franken. Unter dem Strich resul- tierte somit ein Überschuss von 8,8 Milliar- den Franken.

Bei den Exporten stehen Lizenzgebühren für die Nutzung von geistigem Eigentum mit einem Anteil von 23 Prozent an erster Stelle

3 EZV (2020); Warenhandel ohne Gold in Barren und an- dere Edelmetalle, Münzen, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten.

(siehe Abbildung 2, auf S. 54). Dazu gehört etwa, wenn ein inländisches Unternehmen Gebühren von einem ausländischen Unter- nehmen für die Distribution von TV-Übertra- gungen erhält oder ein inländisches Chemie- unternehmen einer ausländischen Tochter- gesellschaft die Nutzung eines Patents gegen Entgelt überlässt. Beinahe gleichauf sind Fi- nanzdienstleistungen (inklusive Versicherun- gen) mit 22 Prozent. Danach folgen der Tou- rismus (von Ausländern in der Schweiz) und Transportdienste.

Zu den Wachstumsbranchen bei den Ex- porten gehören insbesondere Forschung und Entwicklung mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum zwischen 2013 und 2019 von 8 Prozent und Lizenzen mit 7 Prozent. Da- gegen verbuchten ICT und Geschäftsdienst- leistungen, wozu unter anderem Architektur und Ingenieurdienste gehören, in den letzten Jahren einen leichten Rückgang.

Importseitig ist der Tourismus (von Schweizern im Ausland) mit einem Anteil von 15 Prozent der wichtigste Sektor. Mit eben- falls 15 Prozent gehört hier im Gegensatz zu den Exporten auch Forschung und Ent- wicklung zu den wichtigsten Sektoren. Da- hinter folgen Lizenzgebühren, ICT und Be- ratung. Forschung und Entwicklung ist mit einem jährlichen Wachstum von 12 Prozent zwischen 2013 und 2019 auch bei den Impor-

ten besonders wachstumsstark. Transport- dienstleistungen hingegen stagnierten.

Viele Arbeitsplätze

Ein weiterer Gradmesser für die Bedeutung des internationalen Dienstleistungshandels für die Schweiz ist die Anzahl Niederlassun- gen ausländischer Unternehmensgruppen:

Im Jahr 2019 beschäftigten im Tertiärsek- tor mehr als 11 000 ausländisch kontrollierte Unternehmenseinheiten rund 370 000 Ange- stellte in der Schweiz. Dies ist deutlich mehr als im Sekundärsektor, wo in ungefähr 2100 ausländischen Niederlassungen rund 145 000 Angestellte arbeiteten.4

Aufschlussreich sind auch die Zahlen zur grenzüberschreitenden Dienstleistungser- bringung durch natürliche Personen: Über die letzten Jahre kamen jeweils weit mehr als 90 000 kurzfristige (bis 4 Monate) und um die 3000 langfristige (über 4 Monate) Dienst- leistungserbringer im Tertiärsektor in die Schweiz. Das sind rund drei bis vier Mal mehr als im Sekundärsektor. Mit etwa 32 000 Per- sonen im Tertiärsektor liegt Deutschland bei

4 BFS (2020).

TV-Übertragungsrechte von Sportveran- staltungen laufen vielfach über die Schweiz.

Der englische Torhüter Joe Hart nach einem Länderspiel.

ALAMY

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DIENSTLEISTUNGSHANDEL

54 Die Volkswirtschaft   3 / 2021

Benjamin Frei

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ressort Dienstleistungshandel und -politik, Staats- sekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Literatur

BFS (2020). Statistik der Unternehmensgruppen STAGRE 2014–2019, 27. November.

EZV (2020). Schweizer Aussenhandel im Jahr 2019.

OECD (2018). Trade in Value Added. 2018 Edition.

Seco (2020). Services Trade Cockpit.

SEM (2020). Sonderauswertung zu natürlichen Dienst- leistungserbringern (intern).

SNB (2020). Zahlungsbilanz – Leistungsbilanz Dienste nach Ländern, 18. Dezember.

WTO (2019). TiSMoS – a New Global Trade in Services Data Set, 29. November.

Abb. 2: Dienstleistungshandel der Schweiz nach Sektoren (2019)

der kurzfristigen Dienstleistungserbringung klar an der Spitze. Dies dürfte unter ande- rem mit der Nähe zur Schweiz und dem freien Marktzugang für Dienstleistungserbringer bis 90 Tage unter dem Freizügigkeitsabkom- men zusammenhängen. Bei den langfristi- gen Dienstleistungserbringern befindet sich Indien an der Spitze: 2019 kamen insgesamt rund 1000 indische Dienstleistungserbringer für über vier Monate in die Schweiz, während es nur halb so viele aus Deutschland waren.

Bei den indischen Arbeitskräften handelte es sich zu einem Grossteil um Informatiker.5

Statistische Unterschätzung

Statistiker sind mit einigen Herausforderun- gen bei der Messung des Dienstleistungs- handels konfrontiert. Bei der Erhebung der Zahlen gibt es viele Abgrenzungsfragen.

Unter anderem auch, ob es sich im konkreten Fall um eine Ware oder eine Dienstleistung handelt. So zählt das Streaming eines Filmes über eine ausländische digitale Plattform bei-

5 SEM (2020).

spielsweise als Dienstleistungshandel, wäh- rend der Import dieses Films auf einer DVD in der Warenhandelsstatistik erscheint.

Weiter fliessen in der Wertschöpfungsket- te eines jeden Produkts Dienstleistungen ein, zum Beispiel das Engineering oder die Mon- tage einer Maschine. Solche Dienstleistun- gen werden allerdings in dieser Form in klas- sischen Dienstleistungshandelsstatistiken oft nicht erfasst. Die Organisation für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung (OECD) schätzt, dass rund ein Drittel der Wertschöpfung in Schweizer Warenexporten auf Dienstleistungen als Inputs zurückzufüh- ren ist.6

Hinzu kommt, dass Leistungsbilanzen, in denen der Dienstleistungshandel erhoben wird, definitionsgemäss die Dienstleistungs- erbringung durch geschäftliche Präsenz im Ausland nicht erfassen. Gemäss Schätzun- gen der WTO ist diese Erbringungsart welt- weit jedoch für 55 Prozent des Dienstleis- tungshandels verantwortlich.7 Somit ist der

6 OECD (2018).

7 WTO (2019).

Dienstleistungshandel für die Schweiz von noch grösserer Bedeutung, als die klassi- schen Statistiken aufzuzeigen vermögen.

SNB (2020) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

15,3%

14,7%

14%

12,9%

12,9%

12,9%

11,1%

19,2%

Importe

Tourismus

Forschung und Entwicklung

Lizenzen ICT

Beratung Transport

Übrige Exporte

5,1%

5,1%

22,4%

22,7%

16,2%

13,7%

11,6%

8,4%

Lizenzen

Finanzen (inkl. Versicherungen)

Tourismus Transport

ICT Beratung

Übrige

Referenzen

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