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Innovative Ansätze für den touristischen Arbeitsmarkt | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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TOURISMUS

56 Die Volkswirtschaft  3 / 2017

Innovative Ansätze für den touristischen Arbeitsmarkt

Tiefe Löhne und unregelmässige Arbeitszeiten: Auf dem Arbeitsmarkt sind die Karten der Tou­

rismusbetriebe relativ schlecht. Innovative Ansätze wie Mitarbeitersharing können den Unter­

nehmen helfen, die passenden Leute zu finden.   Christoph Schlumpf

D

er Tourismus ist schweizweit ein wichtiger Arbeitgeber. Rund 4,5 Pro- zent aller Beschäftigten arbeiten in dieser Branche – was rund 170 000 Vollzeitstel- len entspricht. In touristischen Regionen liegt der prozentuale Anteil noch deutlich höher.

Angesichts des oftmals schwierigen wirtschaftlichen Umfelds der Branche ha- ben viele Tourismusbetriebe Mühe, geeig- nete Arbeitskräfte zu finden und zu halten.

Da die Qualifizierung der Mitarbeitenden, deren Motivation und Innovationskraft entscheidend für den Erfolg sind, fällt dies im Tourismus, wo der Mensch im Zentrum steht, besonders stark ins Gewicht. Zu- dem sind die Arbeitskräfte in der von klei- nen und mittleren Unternehmen (KMU) geprägten Branche doppelt gefordert:

Einerseits werden aufgrund der fortschrei- tenden Digitalisierung IT-Kompetenzen immer wichtiger, gleichzeitig lebt der Tou- rismus von den «Soft Skills» der Mitarbei- tenden. Beispielsweise von deren Freund- lichkeit.

Wie kann der touristische Arbeits- markt für Arbeitnehmer attraktiver ge- macht werden? Mit dieser Frage befassen sich verschiedene Grundlagenberichte im Auftrag des Staatssekretariats für Wirt- schaft (Seco). Anlass war das Tourismus- Forum Schweiz, welches sich im Novem- ber 2016 mit dem Thema «Innovation im touristischen Arbeitsmarkt» auseinander- setzte. Einerseits hat das Beratungs- und

Abstract  Tourismusbetriebe haben oft Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.

Aufgrund der tiefen Produktivität sind die Löhne im Branchenvergleich unterdurchschnittlich, und zudem sind die Arbeitsbedingungen wie beispielsweise unregelmässige Arbeitszeiten häu- fig nicht attraktiv. Gleichzeitig sind die Qualifizierung, die Motivation und die Innovationskraft der Mitarbeitenden entscheidend für den Erfolg im Tourismus – nicht zuletzt, da im Tourismus der Mensch im Zentrum steht. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat aufbauend auf den existierenden Gegebenheiten und Herausforderungen Chancen und Möglichkeiten zur At- traktivitätssteigerung des touristischen Arbeitsmarktes untersucht. Lösungsansätze finden sich insbesondere bei Kooperationen im Mitarbeiterbereich, bei der Führungs- und Unterneh- menskultur und im Bereich der Digitalisierung.

Forschungsunternehmen Ecoplan die Stu- die «Facts and Figures zum Arbeitsmarkt im Tourismus» erstellt. Basierend darauf und aufgrund eines Expertenworkshops wurden vier Schwerpunkte zu möglichen Verbesserungen im Arbeitsmarkt identifi- ziert. Das Beratungsunternehmen Daniel Fischer & Partner erarbeitete die dazuge- hörigen Factsheets.1

Uneinheitlicher Arbeitsmarkt

Je nach Region und Sektor unterscheiden sich die Gegebenheiten und die Heraus- forderungen. So haben alpine Tourismus- regionen andere Arbeitsmarktverhält- nisse als Städte. Zudem verfügen die Angestellten von Hotels über einen ande- ren beruflichen Hintergrund als die Mit- arbeitenden von Reisebüros und Berg- bahnen. Während beispielsweise in der Hotellerie, in der Gastronomie und in den Reisebüros überdurchschnittlich viele Frauen und junge Leute arbeiten, sind die Angestellten des Passagierverkehrs män- nerdominiert und vergleichsweise alt (sie- he Abbildungen 1 und 2).

Eine Auswertung nach Regionen zeigt beispielsweise für die Beherbergung, dass der Frauenanteil in den alpinen Tourismus- regionen (inklusive übriger Gebiete) mit 60 Prozent rund 10 Prozentpunkte höher

1 Dokumente zum Tourismus-Forum Schweiz 2016 unter Tourismusforumschweiz.ch

ist als in den Städten mit internationalen Flughäfen. Zudem zeigt sich, dass die Be- schäftigten in den Städten deutlich jünger sind. Beide Argumente können zumindest teilweise damit erklärt werden, dass der Tourismus gerade in Städten für zahlreiche junge Personen – insbesondere Studie- rende – eine geeignete Nebenbeschäfti- gungsmöglichkeit darstellt. Dieser «Pool»

an flexiblen Arbeitskräften ist in alpinen Tourismusregionen weniger vorhanden.

Betrachtet man die Herkunft der Tou- rismusarbeitskräfte, so fällt der gros- se Anteil ausländischer Beschäftigter auf.

Am meisten Ausländer arbeiten dabei in der Beherbergung – wo jeder zweite über einen ausländischen Pass verfügt (siehe Abbildungen 3 und 4). Ebenfalls hoch ist der Ausländeranteil in der Verpflegung.

Im touristischen Passagierverkehr und in den Reisebüros ist der Anteil der auslän- dischen Beschäftigten derweil sogar tiefer als der Durchschnitt.

Eine Betrachtung über die Zeit verdeut- licht allerdings, dass der hohe Anteil aus- ländischer Beschäftigter kein neues Phä- nomen ist. In der Gastronomie wuchs er von 41 Prozent 2003 auf 53 Prozent im Jahr 2015, und in der Beherbergung blieb er in diesem Zeitraum auf hohem Niveau kon- stant.

Tiefe Löhne als Hindernis

Im Wesentlichen hat der Schweizer Tou- rismus ein Produktivitätsproblem. Grün- de sind die hohe Personalintensität, wel- che weniger Automatisierung als in anderen Branchen zulässt, sowie die tie- fe Kapazitätsauslastung. Diese entsteht vor allem aufgrund saisonaler Nachfrage- schwankungen.

Die tiefe Produktivität hat Konsequen- zen für den Arbeitsmarkt. So werden in der Beherbergung und in der Gastro- nomie auf allen Stufen tiefe Löhne be- zahlt (siehe Abbildung 5). Zwar steigt auch hier der Lohn mit der Kaderstufe an, je-

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TOURISMUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2017 57 doch in geringerem Ausmass als in an-

deren Branchen. Einzig der Detailhandel und das Baugewerbe weisen vergleich- bare Lohnspannen auf. Im Weiteren liegt der Medianlohn des mittleren bis obers- ten Kaders in der Beherbergung und der Verpflegung nur leicht über dem gesamt- schweizerischen Medianlohn für Positio- nen ohne Kaderfunktion. Eine mögliche Erklärung für die geringe Lohnspanne zwischen Berufen mit und ohne Kader- funktion dürfte sein, dass die Mindest- löhne im Gastgewerbe sozialpartner- schaftlich festgelegt sind, wogegen die Kaderlöhne vollständig dem Markt aus- gesetzt sind.

Auch nicht monetäre Faktoren belas- ten den Arbeitsmarkt im Tourismus: Die starke Saisonalität führt gerade im Alpen- raum zu einer unterdurchschnittlichen Arbeitsplatzsicherheit und einem ho- hen Anteil an befristeten Arbeitsverhält- nissen. Hinzu kommen unregelmässige Arbeitszeiten. So leisten die Beschäftig- ten im Tourismussektor relativ häufig Wo- chenend- bzw. Abend- und Nachtarbeit, was die Vereinbarkeit von Beruf und Pri- vatleben erschwert. Im Weiteren führen kleingewerbliche Unternehmensstruktu- ren insbesondere im Bereich Gastronomie dazu, dass die Karrieremöglichkeiten ein- geschränkt sind.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Charakteristika zur Attrak- tivität des touristischen Arbeitsmarktes beitragen – denn dieser verfügt durchaus über positive Eigenschaften: Der Touris- mus bietet weltweit einzigartige Arbeits- orte und ermöglicht es, dort zu arbeiten, wo andere Ferien machen. Daraus ergeben sich insbesondere für junge und flexible Arbeitskräfte spannende Möglichkeiten.

Zudem stehen wie bei kaum einer anderen Branche Emotionalität, Genuss und der Kontakt zu den Menschen im Fokus.

Im Weiteren vermittelt der Tourismus Kompetenzen, welche auch in anderen Branchen gefragt sind. Entsprechend er- geben sich vielfältige berufliche Entwick- lungsmöglichkeiten, auch ausserhalb des Tourismus. Ein weiterer Vorteil der Bran- che ist, dass sie auch Arbeitsplätze für Personen mit geringer Qualifikation und zur Integration von Erwerbstätigen in den Arbeitsmarkt bietet.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive darf ein Aspekt nicht vergessen werden.

Gerade im Alpenraum ist der Tourismus oftmals der wichtigste Arbeitgeber. Alter- nativen sind rar.

Abb. 2: Anteil Beschäftigte nach Alter und Branchen (2009 – 2015, in %)

SAKE, DURCHSCHNITTSWERTE 2009 BIS 2015, ECOPLAN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

  15–34 Jahre         35–49 Jahre          50–64 Jahre 

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Beherbergung

Verpflegung

Passagierverkehr

Reisebüros

Alle Branchen

Abb. 3: Anteil Beschäftigte nach Herkunft und Branchen (2009 – 2015, in %)

  Ausländer         Schweizer 

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

SAKE, DURCHSCHNITTSWERTE 2009 BIS 2015, ECOPLAN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Beherbergung

Verpflegung

Passagierverkehr

Reisebüros

Alle Branchen

2

a Aufgrund der geringen Fallzahlen bei den Bergbahnen und bei der Binnenschifffahrt (je weniger als 50 Beobachtungen) sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren.

Abb. 4: Herkunftsländer der ausländischen Beschäftigten (2009 – 2015, in %)

SAKE, DURCHSCHNITTSWERTE 2009 BIS 2015, ECOPLAN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Beherbergung

Verpflegung

Passagierverkehra

Reisebüros

Alle Branchen

  Deutschland, Frankreich, Österreich        Spanien, Portugal, Italien          Übrige EU         Balkan und Türkei         Drittstaaten 

Abb. 1: Anteil Beschäftigte nach Geschlecht und Branchen (2009 – 2015, in %)

SAKE, DURCHSCHNITTSWERTE 2009 BIS 2015, ECOPLAN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Beherbergung

Verpflegung

Passagierverkehr

Reisebüros

Alle Branchen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

  Frauen         Männer 

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TOURISMUS

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Abb. 5: Monatlicher Bruttolohn (Median) nach beruflicher Stellung (2014)

BFS, ECOPLAN / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Kooperationen im Mitarbeiter­

bereich sind vielversprechend

Insgesamt überwiegen somit in der Dis- kussion Themen, die die Tourismusbran- che für Arbeitnehmer generell als wenig attraktiv erscheinen lassen. Branchen- organisationen wie Gastrosuisse oder Hotelleriesuisse unternehmen viel, um die positiven Aspekte des Tourismus als Arbeitgeber aufzuzeigen und seine Posi- tion im Wettbewerb um Arbeitskräfte zu stärken. Zu nennen sind hier beispielswei- se «Please Disturb», ein Infoevent rund um die Ausbildung in der Hotellerie und der Gastronomie, «Progresso», eine fachliche Weiterbildung für Mitarbeitende ohne gastgewerblichen Berufsabschluss in den Bereichen Küche, Service und Hauswirt- schaft, oder der Landes-Gesamtarbeits- vertrag für das Gastgewerbe. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse des Tourismus-Fo- rum Schweiz, dass weitere Bemühungen sinnvoll und notwendig sind.

Ein erster erfolgversprechender Lö- sungsansatz sind Kooperationen im Mit- arbeiterbereich. Von Effizienzvorteilen – sei es bei der Rekrutierung, der Weiterbildung oder allenfalls sogar beim Jobsharing – pro- fitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Dank solcher Kooperationen werden die Unternehmen durchlässiger – wodurch neue Laufbahnmöglichkeiten entstehen.

Zudem können neue Jobprofile entstehen, gerade auch für Spezialisten.

Ein konkreter und erfolgversprechen- der Ansatz ist das von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur koordinierte und vom Seco unterstützte Mitarbeiter- sharing-Projekt «Im Sommer am See, im Winter im Schnee»: Auf der Internetplatt- form Enjoy-summer-winter.ch arbeiten renommierte Hotel- und Gastronomiebe- triebe aus Sommer- und Winterregionen – vorwiegend aus den Kantonen Grau- bünden und Tessin – zusammen und bie- ten gemeinsam eine berufliche Ganzjah- resperspektive. Damit wollen die Betriebe saisonalen Fachkräften eine ganzjährige Arbeitsstelle bieten und diese längerfris- tig an ihre Unternehmen binden.

Leadership statt Führung

Ein zweiter Ansatz ist das Themenfeld Füh- rungs- bzw. Unternehmenskultur. Da die Branche häufig als wertkonservativ gilt und die Führungsstile als autoritär und hierar- chisch wahrgenommen werden, braucht es ein Umdenken von Führung zu Leader- ship. So sollte nebst der Gästeorientierung auch eine aktive Mitarbeiterorientierung ein wichtiges Thema der Unternehmens- strategie sein. Dies auch deshalb, da es, wie bereits erwähnt, eine grosse Herausforde- rung ist, die Mitarbeiter zu halten. Ange- sichts des eingeschränkten Spielraums bei den Löhnen sollten die Akteure im Touris- mus stärker auf immaterielle Bindungsinst- rumente – wie beispielsweise die Nutzung der betriebseigenen Infrastruktur – setzen.

Drittens bieten sich mit der Digitali- sierung neue Möglichkeiten für den tou- ristischen Arbeitsmarkt. Die Leistungs- erbringer müssen sich mit den Fragen auseinandersetzen, wie sie sich im Markt positionieren wollen und wie viel Techno- logie sie in ihrem Betrieb einsetzen wollen (Stichwort Roboter). Durch die technolo-

gischen Veränderungen sind die Anfor- derungen an die Mitarbeiter der Zukunft nicht mehr mit den heutigen Anforderun- gen vergleichbar.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Be- dürfnisse im Bereich der Aus- und Wei- terbildung. Die Digitalisierung wird zu- dem das Rekrutierungsumfeld verändern.

Gefragt sind vermehrt Ansätze zur Ver- stärkung des «Employer Branding». Die Branche muss noch gezielter auf Bildungs- abgänger und andere potenzielle Mitarbei- ter zugehen und die eigenen Stärken und Vorteile bewusster vermarkten.

Christoph Schlumpf

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ressort Tourismuspolitik, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

  Total          Oberstes, oberes und mittleres Kader          Unteres Kader          Unterstes Kader          Ohne Kaderfunktion  20 000 Monatlicher Bruttolohn (Median), in Fr.

15 000

10 000

5 000

0

Alle Branchen

Baugewerbe Detailhandel

Gastgewerbe/Beherbe r-

gung und G astronomie

Finanz- und Versiche- rungsdienstleistungen Landverkehr, Schifffahrt,

Luftfahrt, Lagerei

Gesundheits- un d

Sozialwesen Verarbeitendes Gewerbe/

Herstellung von Waren Sonstige wirtschaftliche

Dienstleistungen

Referenzen

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