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Archiv "Die Rentenfinanzen sind nur mittelfristig gesichert: Sozialbeirat stellt Rentenformel zur Diskussion — jährliche Lohnraten von wenigstens sechs Prozent nötig" (19.04.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Die Rentenversicherung bleibt in der Diskussion. Kurz vor Ostern hat die

„Kommission 84", die die Reform der Hinterbliebenenversorgung vor- bereiten soll, letzte Hand an ihr Gut- achten gelegt, mit dem die Gleich- stellung von Mann und Frau in der Rentenversicherung eingeleitet wer- den soll. Zur gleichen Zeit hat die Bundesregierung den jährlich fälli- gen Rentenanpassungsbericht be- schlossen und von den kritischen Betrachtungen des Sozialbeirates zur Rentenfinanzierung Kenntnis genommen. Beides wird dem Bun- destag zugeleitet. Fazit: Die Bundes- regierung hat gute Chancen, die Rentenversicherung ohne neue Eingriffe über den nächsten Wahl- termin im Herbst 1980 hinwegzu- bringen. Auf mittlere Sicht könnten sich die Rücklagen sogar wieder er- höhen.

Trotz dieser optimistischeren Ein- schätzung hat sich die langfristige Rentenbilanz, die bis 1993 reicht, eher verschlechtert. Der Rentenan- passungsbericht weist aus, daß die Rentenversicherung nur dann finan- ziell gesichert ist, wenn die Einkom- men der Versicherten Jahr für Jahr um wenigstens sechs Prozent stei- gen. Schon für das laufende Jahr könnte sich nach den jüngsten Tarif- abschlüssen diese Prognose als zu günstig erweisen. Der Sozialbeirat zieht daraus den Schluß, daß im Rahmen der Reform der Hinterblie- benenversorgung auch über die langfristige Absicherung der Ren- tenfinanzen beraten werden muß, was die Bundesregierung offenbar vermeiden möchte.

Wer die finanzielle Lage der Renten- versicherung zuverlässig abschät- zen will, der muß zwischen der mit- telfristigen Rechnung und der lang-

•fristigen Vorausschau unterschei- den. Die mittelfristige Rechnung ist einigermaßen realitätsbezogen, die langfristigen Rechnungen haben Modellcharakter. Für beide Voraus- schätzungen sind Annahmen über die Lohnentwicklung und die Be- schäftigungslage zu machen. Ent- scheidend sind allerdings die An- nahmen über die Einkommensent- wicklung.

Die mittelfristige Rechnung

In der mittelfristigen Rechnung wird unterstellt, daß die Arbeitsentgelte 1979 um 6 Prozent, 1980 bis 1982 jeweils um 6,2 Prozent und 1983 um 6 Prozent steigen. Im laufenden Jahr liegen die Tarifabschlüsse durch- weg bei etwa 4,5 Prozent. Die tat- sächliche Zuwachsrate dürfte höher sein, vor allem wenn die Konjunktur günstig laufen sollte. Die Effektiv- verdienste könnten dann kräftiger als die Tarifeinkommen steigen. Ei- ne Rate von sechs Prozent stellt aber sicherlich die Obergrenze dar;

besser wäre es wohl, nur mit 5,5 Prozent zu rechnen. Im letzten Jahr sind es nur 5,2 Prozent gewe- sen.

Nimmt man ferner an, daß die Be- schäftigtenzahlen jährlich um 0,5 Prozent wachsen und die Arbeitslo- sigkeit allmählich sinkt, so zeigt sich, daß die Rentenversicherung bis Ende 1980 ihre Rücklagen weiter abbauen muß, und zwar von 18,1 Milliarden DM Ende 1978 auf 12,6 Milliarden DM 1980. Dies ist ein um 3,7 Milliarden DM günstigeres Er- gebnis als in der Rechnung des letz- ten Jahres.

Die für 1981 beschlossene Beitrags- satzerhöhung von 18 auf 18,5 Pro-

zent führt dann dazu, daß sich die Rücklage bis Ende 1983 wieder auf 21,5 Milliarden DM erhöht. Das Jahr 1980 könnte noch einmal schwierig werden; die Liquidität der Renten- versicherung scheint nicht völlig ge- sichert zu sein, vor allem dann, wenn die Lohnraten, die der Rech- nung zugrunde liegen, nicht erreicht werden sollten, was mit Blick auf Wirtschaftswachstum und Preissta- bilität wünschenswert wäre.

Die Zahlen über die Milliarden- Rücklagen täuschen, denn annä- hernd acht Milliarden DM der ausge- wiesenen Rücklagen können nicht aufgelöst werden. Der Sozialbeirat empfiehlt daher, daß der Bund wei- tere Darlehnsbeträge vorzeitig an die Rentenversicherung zurückzahlt und die gesetzlichen Bestimmungen über die Bundesgarantie „konkreti- siert". Die Rentenversicherung soll also wissen, wann der Bund zur fi- nanziellen Hilfe verpflichtet ist.

Die langfristige Rechnung

Für die 15-Jahre-Rechnung hat Mi- nister Ehrenberg neun Modelle vor- gelegt. Die Annahmen von Lohnstei- gerungen von fünf Prozent, sechs Prozent und sieben Prozent werden mit einem niedrigen Beschäfti- gungsstand, einem mittleren und ei- nem günstigeren Beschäftigungs- stand kombiniert. Dabei zeigt sich, daß die heutige lohnbezogene Ren- tenformel ohne neue Eingriffe mit Lohnraten von fünf Prozent nicht durchzuhalten ist. Schon 1980 müß- te erneut gehandelt werden. Selbst bei jährlichen sechsprozentigen Lohnzuwachsraten könnte die Rücklage kaum auf die früher ver- bindliche Mindestrücklage von drei Monatsausgaben aufgestockt wer- den.

Der Sozialbeirat bleibt dabei, daß ei- ne solche Rücklage erforderlich sei, während die gesetzliche Mindest- rücklage im Zuge der Rentensanie- rung auf eine Monatsausgabe ge- senkt worden ist. Schon jeder leich- te Konjunkturrückschlag könnte da- mit von der Rentenversicherung nicht mehr aus eigener Kraft über-

Die Rentenfinanzen

sind nur mittelfristig gesichert

Sozialbeirat stellt Rentenformel zur Diskussion —

jährliche Lohnraten von wenigstens sechs Prozent nötig

1102 Heft 16 vom 19. April 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Der drohende Rentenberg

1975 1980 1990 2000 2015 2030 Renten auf je 100

Erwerbstätige

Beitragssatz in der in w, Rentenversicherun' "

bei Fortdauer der gegenwärtigen Geburitenhaufigked

Bis zur Jahrtausendwende wird der sogenannte Rentenberg wei- ter wachsen. Gegenwärtig kom- men auf je 100 Erwerbspersonen 44 Renten. Im Jahr 2000 werden es dagegen bereits 54 sein und 30 Jahre später sogar 79. Ob- gleich die Rentenfinanzen noch kurzfristig gesichert sind, ergäbe sich mittelfristig ein spürbares Defizit in der Rentenkasse, wenn nicht andere Sanierungsmaß- nahmen ergriffen werden. Be- reits ab 1981 wird der derzeitige Beitragssatz von 18 auf 18,5 Pro- zent (Arbeitnehmer- und Arbeit- geberanteil zusammen) erhöht.

Bis zur Jahrtausenwende wären

— wenn nichts geschieht — 22 Pro- zent erforderlich und im Jahr 2030 sogar 35,5 Prozent! Dies ergibt sich aus Berechnungen, die die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), Berlin, kürzlich vorgelegt hat Globus/DÄ

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Die Rentenfinanzen sind nur mittelfristig gesichert

wunden werden. Aber selbst die sechsprozentigen Einkommensstei- gerungen reichten nicht aus, wenn es längerfristig bei einem ungünsti- gen Beschäftigungsstand bliebe.

Etwa vom Jahr 1990 an wird die Ver- schlechterung der Altersstruktur durch die Bevölkerungsentwicklung zu zusätzlichen Belastungen füh- ren.

Der Sozialbeirat meint daher, daß es höchste Zeit sei, sich mit den finan- ziellen Konsequenzen des Gebur-

tenrückgangs für die Rentenversi- cherung zu befassen.

Der Sozialbeirat will eine Gruppe von Wissenschaftlern mit einer um- fassenden Analyse beauftragen. Er setzt dafür eine Frist von zwei Jah- ren. Das bedeutet, daß der Sozial- beirat zwischen der Reform der Hin- terbliebenenversorgung und der langfristigen Absicherung der Ren- tenversicherung einen Zusammen- hang herstellen will. Er weist darauf hin, daß die Zweifel über die langfri- stige Absicherung der Rentenfinan- zen wüchsen. Dem möchte der Bei- rat offensichtlich durch rechtzeitige Anpassungsmaßnahmen entgegen- wirken.

Der Sozialbeirat vermeidet zu die- sem Zeitpunkt jede Festlegung. Al- lerdings sagt er unmißverständlich, daß die Belastungen aus dem Ge- burtendefizit weder allein den Bei- tragszahlern noch allein den Rent- nern aufgebürdet werden könnten.

Sonst werde entweder die Grenze der Beitragsbelastung überschritten oder die Funktion der Rente als Lohnersatz beeinträchtigt. Dies be- deutet jedenfalls, daß die brutto- lohnbezogene jährliche Renten- anpassung nach Ansicht des Bei- rats nicht durchgehalten werden kann.

So sollen die Wissenschaftler über die Rentenanpassung nach der Net- tolohnentwicklung nachdenken; sie sollen sich ferner Gedanken über die Besteuerung der Renten, über die Aktualisierung der Rentenanpas- sung, die Harmonisierung der Al- terssicherungssysteme und über den Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst machen.

Minister Ehrenberg scheint dies al- les höchst unbequem zu sein. In der Pressemitteilung des Ministeriums über den Rentenanpassungsbericht waren fast ausschließlich die positi- ven Zahlen zu lesen. Über den So- zialbeirat, der früher oft als politi- sches Alibi mißbraucht wurde, war diesmal nichts zu finden. Ein Zufall wird dies wohl nicht gewesen sein.

Ehrenberg braucht derzeit wohl die Erfolgsbilanz. wst

AUS DEN BUNDESLÄNDERN

BERLIN

95 Prozent der Betriebe haben Betriebsärzte

Nach Angaben des Senators für Arbeit und Soziales, Olaf Sund, auf einer Gewerkschaftsveranstaltung haben fünf Jahre nach Inkrafttre- ten des Arbeitssicherheitsgesetzes 678 (von 711 verpflichteten) Be- trieben mit zusammen 259 000 Ar- beitnehmern Betriebsärzte be- stellt. Die vorgeschriebenen Fach- kräfte für Arbeitssicherheit sind in rund 91 Prozent der verpflichteten Betriebe bestellt worden. Der Se- nator äußerte die Meinung, daß man in Zukunft prüfen müsse, wie- weit das Arbeitssicherheitsgesetz nicht nur formal, sondern auch in- haltlich erfüllt werde, ob also bei- spielsweise die Einsatzzeiten der Sicherheitsfachkräfte und Be- triebsärzte ausreichen. WZ

Eltern sollen über

Winterferien abstimmen

Wenn die Mehrheit der Eltern von etwa 250 000 Schülern zustimmt, wird es ab 1980 in Berlin drei Wo- chen Winterferien im Februar ge- ben, dieses allerdings auf Kosten der Weihnachts- und Osterfe- rien.

Schulsenator Walter Rasch hat ei- ne entsprechende Fragebogenak- tion gestartet. Er begründet diesen erneuten Vorstoß — im Januar 1976 hatten sich 49 Prozent der Eltern für die Beibehaltung der alten Re- gelung ausgesprochen — mit der ärztlichen Forderung, Kindern und Jugendlichen in der zweiten Win- terhälfte eine längere Verschnauf- pause zu gönnen, weil sie in dieser Zeit für Krankheiten besonders an- fällig seien. Außerdem sei im Fe- bruar und März der Krankenstand bei den Lehrern besonders hoch, die Möglichkeit für einen gemein- samen Zweiturlaub von Eltern und Kindern besser und so auch eine Entzerrung der Ferientermine

möglich. ees

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 19. April 1979 1103

Referenzen

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