A2678 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 50⏐⏐12. Dezember 2008
A K T U E L L
Die Zahl der Bürger ohne Kranken- versicherung ist zurückgegangen.
Zwischen April 2007 und September 2008 haben rund 120 000 zuvor Nichtversicherte wie- der eine Versicherung gefunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Hans-Böck- ler-Stiftung geförderte Studie der Hochschule Fulda und der Univer- sität Duisburg-Essen.
„Mehr als die Hälfte der im ersten Quartal 2007 nicht versicher- ten Personen hat bis September 2008 wie- der einen Versiche- rungsschutz erhalten“, sagten die Wissenschaftler um den Gesundheitsökonomen Stefan Greß.
Im ersten Quartal 2007 lebten in Deutschland rund 211 000 Menschen ohne Krankenversicherungsschutz.
Gleichwohl sehen die Forscher weiteren Verbesserungsbedarf: Nach wie vor gebe es zu hohe institutio- nelle Hürden, die verhinderten, dass Menschen einen Krankenversiche- rungsschutz er- oder behalten. Das gelte vor allem in der privaten Kran- kenversicherung. Außerdem müsse
der Staat strikt kontrollieren, ob die Versicherungspflicht auch eingehal- ten werde. Sonst drohten den Kassen wachsende Beitragsausfälle. Die Ver- sicherungspflicht ist Teil der Gesund- heitsreform von 2007, dem GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz. Zuvor war seit Mitte der Neunzigerjahre die Zahl der Nichtversicherten konti- nuierlich gestiegen. hil
MAMMAKARZINOM
Gesunde Brust wird für Rekonstruktion geteilt
Für Brustrekonstruktionen wird ent- weder autologes Gewebe aus ande- ren Körperregionen verwendet mit dem Nachteil, dass ein Hebedefekt entsteht. Bei der Alternative, und zwar der Brustrekonstruktion durch Implantate, ist der Nachteil, dass ein Fremdkörper eingepflanzt wird.
Jetzt ist es erstmals weltweit gelun- gen, durch Verwendung von Gewebe aus der kontralateralen Brust beide Nachteile zu vermeiden – mit einem guten ästhetischen Ergebnis. „Bei einer 67-jährigen Patientin musste im Rahmen der Mammakarzinom- operation die rechte Brust komplett
entfernt werden“, sagte Dr. med.
Darius Dian, leitender Oberarzt an der Frauenklinik der Ludwig-Maxi- milians-Universität (LMU) Mün- chen, der die Operation durchge- führt hatte. „Durch die Teilung der bestehenden linken Brust und den Transfer auf die andere Seite haben wir bei dieser Patientin erfolgreich eine Brustrekonstruktion in einem Operationsschritt durchgeführt.“ Dies setze selbstverständlich ausreichend vorhandenes Brustgewebe voraus.
Die erzielten Ergebnisse seien aussichtsreich, sowohl in Bezug auf den postoperativen Verlauf als auch unter ästhetischen Gesichtspunkten.
„Wir konnten den Nachweis bringen, dass die neue Operationstechnik funktioniert“, erklärte Prof. Dr. med.
Klaus Friese, Direktor der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der LMU. „Das Mammasplitting ist eine neue und vielversprechende Me- thode der Eigengewebsrekonstrukti- on, ohne Hebedefekt oder Implantat- einlage.“ In weiteren Anwendungen bei einem größeren Patientinnenkol- lektiv sollen nun die wissenschaftli- chen Daten gesammelt und ausge- wertet werden.
In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 50 000 Frauen an Brust- krebs. Bei circa 30 Prozent der Be- troffenen muss eine Brust entfernt
werden. EB
URINTEST ZUR FRÜHERKENNUNG CHRONISCHER ABSTOSSUNGEN
Von den circa 25 000 Nierenempfängern, die derzeit in Deutschland leben, müssen jährlich etwa 800 wieder an die Dialyse, meist wegen chronischer Transplantatabstoßung. Weltweit suchen Forscher nach Möglichkeiten, diese nicht invasiv und frühzeitig zu erkennen. Ein Weg dürfte vermutlich die Analyse von Prote- inen aus dem Urin werden. Dass die Methode aussichtsreich ist, hat kürzlich ein Team um Dr. med. Luis Quintana von der Hospital Clínic in Barcelona bewiesen. Mithilfe eines Musters von 14 Urinproteinen wurden in einer Gruppe von Nierenempfängern verschiedene Manifes- tationen der Abstoßung richtig erkannt (J Am Soc Nephrol DOI:1681/ASN.2007101137).
Die Forscher untersuchten den Morgenurin von 40 Nierenempfängern und verglichen das Ergebnis mit dem der Histologie von Gewebe- proben, die unmittelbar im Anschluss an die
Urinabgabe entnommen wurden. Acht Emp- fänger lebendgespendeter Nieren hatten eine stabile Transplantatfunktion, und weder im Biopsat noch in der Proteomanalyse gab es Auffälligkeiten. Bei 32 Probanden mit chro- nischer Abstoßung aber fand man zu 100 Prozent eine Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Proteomanalyse und der His- tologie.
Proteomanalyse sehr zuverlässig 14 Patienten hatten eine interstitielle Fibrose, eine tubuläre Atrophie oder beides und 18 eine antikörpervermittelte chronische Rejektion. In der Kontrollgruppe waren zehn gesunde Pro- banden. „Ziel muss es sein, frühzeitig Allograft- Nephropathien zu erkennen, noch bevor die Kreatininwerte steigen, denn dann ist das Organ schon geschädigt“, sagte Prof. Dr. med.
Hermann Haller (Medizinische Hochschule Hannover [MHH]) gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. „Der Ansatz der Kollegen aus Barce- lona ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Es ist jedoch für die klinische Anwendung noch zu früh.“ Dazu bedürfe es Proteomanalysen aus Urinproben prospektiv im Langzeitverlauf an einer großen Gruppe von Patienten und des Vergleichs mit der Histologie. Eine solch groß- angelegte Studie läuft derzeit in Hannover an.
Ab dem kommenden Jahr sollen im Rahmen des Integrierten Forschungs- und Behandlungs- zentrums Transplantation bei allen Organemp- fängern der MHH – circa 500, darunter 180 Nierenempfänger – Urinproteinmuster und Ge- webeproben vergleichend auf frühe Zeichen chronischer Abstoßungen untersucht werden, auch mithilfe massenspektroskopischer Unter- suchungen. Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze VERSICHERUNGSPFLICHT
Zahl der Nichtversicherten sinkt
Foto:dpa
Folge der Ge- sundheitsreform:
Rund 120 000 Nichtversicherte ha- ben wieder einen Krankenversiche- rungsschutz.