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eltweit werden pro Jahr etwa zwei Millionen Kinder sexuell missbraucht – so lauten die Zahlen der UNICEF von 2001. Mit einer Öffentlichkeitskampagne und ei- nem Aktionsplan wollen das Kinder- hilfswerk terre des hommes, das Bun- desfamilienministerium, die Welttouris- musorganisation und die EuropäischeKommission sowie Musiksender Viva TV dieser Ausbeutung entgegenwirken.
24 Bilder in 30 Sekunden: Wer Ju- gendliche für ein politisches Thema sen- sibilisieren möchte, muss sich alterstypi-
schen Sehgewohnheiten anpassen. Seit Mitte April läuft bei Viva TV der Fern- sehspot „Words“. Hiermit möchten die Initiatoren junges Publikum für Kin- desmissbrauch im Zusammenhang mit Tourismus sensibilisieren. „Wir haben versucht, eine eindringliche Bildspra- che zu finden, ohne Täter oder Opfer zu zeigen“, sagte Markus Daubenbüchel, Kreativdirektor der Agentur Euro RSCG Thomsen Röhle in Düssel- dorf, bei einem Pressegespräch Mitte April in Berlin.
Sexuelle Ausbeutung auch durch
Minderjährige
Die Agentur entschied sich be- wusst für einen Trickfilm mit Knetfiguren – eine Darstel- lungsweise, die junge Leute an- spricht. Gezeigt werden Stand- bilder mit Palmen, das Wort
„child“, dargestellt durch blaue Knete, verformbar – und das Wort „Love“ im
Dollardesign.
„Ein Viertel aller Fernrei- sen wird heute von Jugend- lichen unternommen“, sagte Christa Dammermann, Kin- derrechts-Referentin von terre des hommes. Zudem berichten Experten aus Be- ratungsstellen in Deutsch- land, dass etwa ein Drittel aller sexuel- ler Übergriffe auf Kinder hier von Min- derjährigen ausgeht, eine bisher kaum berücksichtigte Tatsache, befand Dam- mermann. Deshalb sei der Spot im Mu- sik-Kanal Viva platziert worden. Das
Kinderhilfswerk hofft, dass noch wei- tere Sender den Kurzfilm kostenfrei ausstrahlen werden. Eine Kinoversion soll noch folgen.
Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) stellte gleichzeitig Eckpunkte eines „Aktionsplanes“ ge- gen die sexuelle Ausbeutung von Kin- dern und Jugendlichen vor. Demnach sollen die Strafandrohungen der Para- graphen 176 und 176 a des Strafgesetz- buches deutlich erhöht werden. Der Plan sieht auch vor, den Strafrahmen für die Weitergabe kinderpornographi- scher Schriften an andere anzuheben.
Zusätzlich seien die Sanktionen bei Nicht-Anzeige zu verschärfen. An- gestrebt wird auch ein verbesserter Opferschutz. Dammermann forderte in diesem Zusammenhang, die Schutz- altersgrenze vor sexueller Ausbeutung in Deutschland auf 18 Jahre heraufzu- stufen. Bisher liegt die Altersgrenze bei 14 Jahren.
Zum Aktionsplan gehören auch die internationalen Aktivitäten und Koope- rationen, speziell zur Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels sowie zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung. Eine deutsch/tschechisch/
polnische Arbeitsgruppe soll gemein- same Konzepte zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität er- arbeiten. Diese soll Schulungen der vor Ort eingesetzten Polizei- und Grenz- schutzbeamten veranstalten. Weitere Maßnahmen richten sich insbesondere an Justiz und Tourismusbranche. Es gehe darum, die Tourismuswirtschaft für Sextourismus mit Kindesmissbrauch zu sensibilisieren und beispielsweise Flugbegleiter an Präventionsaktionen zu beteiligen. Susanne Lenze P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 2016. Mai 2003 AA1319
Kinderhilfswerk terre des hommes
30 Sekunden gegen Missbrauch
Bundesfamilienministerin Schmidt (SPD) will härtere Strafen, mehr Schutz für die Opfer und internationale koordinierte Verfolgung. Werbespot soll Jugendliche sensibilisieren.
Aktuelles Poster zur Kampagne gegen „Sexuelle Ausbeutung im Tourismus“. Das Plakat wird bun- desweit von terre des hommes kostenfrei verteilt.