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Wenn in der Vergangenheit überzeu- gende Gründe für den Neubau von Einkaufszentren an der entlegenen städtischen Peripherie vorgebracht wurden, dann fehlte ein Argument nie: Solche Zentren brächten Ar- beitsplätze in hoher Zahl. Mochten Gegner solcher Vorhaben auch darauf verweisen, dass Einkaufszentren, die schlecht in das Siedlungsgebiet eingebunden sind und vor allem von hochrangigen Straßen erschlossen werden, in erster Linie motorisierten Individualverkehr erzeugen würden, so schien das Arbeitskräfteargument in der politischen Diskussion allemal stärker zu wiegen (auch wenn es weni- ger um Arbeitsplätze im Allgemeinen als um kommunale Einnahmen aus diesen Arbeitsplätzen im Besonderen gehen mochte).
Wir alle – und wohl auch Politiker
Neun Einkaufszentren in und um Wien …
Das soll im Folgenden versucht wer- den. Am Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Wien wurden vor einigen Jahren neun Einkaufsstrukturen in und um Wien untersucht: ein Nah- versorger im Wohnnahbereich, ein Viktualienmarkt im dicht verbauten Gebiet, zwei Geschäftsstraßen, ein in das städtische Gefüge integriertes Einkaufszentrum, zwei Zentren an der Peripherie in Siedlungsnähe und zwei auf der „grünen Wiese“ im Umland der Stadt. Diese Strukturen waren von unterschiedlicher Größe und Art, von durchaus unterschiedlicher Attrakti- vität, und sie verfügten über regional verschiedene Einzugsbereiche. Um einen Vergleich zu ermöglichen, wurde aus diesen Strukturen je- weils ein Geschäft aus den Bran- chen Lebensmittel, Hygieneartikel, Elektrogeräte, Bekleidung, Hausrat, und Politikerinnen – wissen um die
negativen Effekte solcher Strukturen:
Umweltbelastungen und Klimafolgen durch zunehmenden Verkehr, Kauf- kraftabfluss und Erosion der Zentren, Verdrängung von Nahversorgern und Kleinhandelsbetrieben. Mehr Verkehr bedeutet nicht zuletzt auch mehr Kosten für die Allgemeinheit, sei es in Form der teuren Instandhaltung oder des Ausbaus des Straßennetzes, sei es in Form der „Reparaturkosten“
bei Folgeschäden auf allen möglichen Gebieten. Hohe Kosten für die Mobi- lität haben auch volkswirtschaftliche Negativeffekte, denn Gelder, die in das Rohprodukt Erdöl investiert werden, fließen aus den regionalen Wirtschaftskreisläufen ab.
Die länderspezifischen Raum- ordnungsgesetze, auf deren Basis dieser Entwicklung gegenzusteuern
Papier und Geschenke sowie Dienst- leistung (Friseur) und Gastronomie herausgegriffen und untersucht. Bei den kleinräumigen Strukturen im Wohnnahbereich oder in Streulagen fanden sich zwar nicht jene typischen Filialbetriebe, wie sie in den großen Shopping Centers anzutreffen sind, jedoch gab es im Grobsortiment des jeweiligen, alternativen Betriebes eine Entsprechung. Enthielt die Haupt- struktur (wie etwa der Brunnenmarkt) kein vergleichbares Geschäft, so wurde das jeweils nächstliegende Geschäft dieser Branche im unmittel- baren Umfeld ausgewählt.
Als Hauptteil der empirischen Ar- beit wurden im Herbst 2002 jeweils 20 bis 100 Kunden und Kundinnen einer Einkaufsstruktur auf der Basis eines Fragebogens befragt. Die den Kunden gestellten Fragen bezogen sich auf die Länge des Einkaufsweges (Distanz vom Ausgangsort des Einkaufs bis zur Einkaufsstruktur), auf die dabei benutzten Verkehrsmittel, die Häu- wäre, beließen es bislang jedoch im
Großen und Ganzen bei Vorgaben, die lediglich darauf abzielten, den Flächenumfang von Einkaufszentren zu beschränken.
Um das notwendige Umdenken zu beschleunigen, könnte es hilf- reich sein, sich den Umwelt- und Verkehrsaufwand, den solche Zentren verursachen, vor Augen zu führen.
Wirklich aufschlussreich wäre eine solche Demonstration aber nur, wenn dieser Aufwand mit jenem verglichen würde, den vergleichbare innerstäd- tische Strukturen benötigen. Um das Arbeitsplatzargument zu entkräften, wäre es schließlich auch notwendig, das Verkehrsauf kommen in Bezie- hung zur Beschäftigungswirkung zu setzen. Welche Strukturen weisen bezüglich Verkehrsauf kommen (gering) und Beschäftigungswirkung (hoch) die günstigeren Werte auf ? Denn es reicht nicht aus, die Folgen einzelner (Bau-)Projekte etwa durch Umweltverträglichkeitsprüfungen bewerten zu lassen. Erst die Bewer- tung des gesamten Systems gibt Auf- schluss über jene Strukturen, die am ehesten zu einer sowohl ökologisch wie auch ökonomisch nachhaltigen Entwicklung beitragen. Und erst dann könnte die Frage beantwortet werden, ob das ökonomisch-ökolo- gische Ergebnis, das Shopping Cen- ters auf der fernen Wiese bringen, den Aufwand wirklich lohnt.
figkeit des Besuchs, das aufgesuchte Geschäft und den Einkaufsbetrag.
Telefonische Befragungen von Fili- alleitern und -leiterinnen erbrachten noch die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb sowie dessen Verkaufsfläche.
Bei der Auswertung der Daten wurden im Wesentlichen folgende Be- ziehungen ermittelt: Anteil des nicht motorisierten Verkehrs am Modal- Split, wie er sich aus den von den Kun- den benützten Verkehrsmitteln für die einzelnen Einkaufsstrukturen ergab (unter Modal Split ist die Aufteilung des Verkehrs auf die verschiedenen Verkehrsmittel zu verstehen), Be- schäftigte im Verhältnis zur Verkaufs- fläche (Beschäftigte/m2), Beschäftigte im Verhältnis zur Anreiseweite der Kunden (Beschäftigte/km), Beschäf- tigte im Verhältnis zur Anreiseweite der Kunden und zur Verkaufs- fläche (Beschäftigte/km und m2) und schließlich Beschäftigte im Verhältnis zu Anreiseweite und Kundenausgaben (Beschäftigte/km und €).
Den aufwand wert? beschäftigungseffekte von Einkaufszentren im verhältnis zu ihren
gesellschaftlichen Kosten in Form des verkehrsaufwands
Jakob Egger
(1) Die untersuchten Einkaufs- strukturen, ihre Größen- relationen und ihre Lage im städtischen Gefüge Wiens Die Größe und Attraktivität der Zentren nimmt mit ihrer Distanz vom Stadtzentrum zu, was in erster Linie auf ihrer guten Anbindung an das motorisierte Verkehrssystem beruht.
Quelle: eigene Darstellung
aUSWaHL DES bRaNCHENmIXES IN DEN STRUKTUREN
Kurzfristbedarf:
♦ Lebensmittel: „Greißler“, Bäckerei, Fleischerei, Gemüsehandel, Filialbetriebe wie Billa, Merkur usw.
♦ Drogerie (Dm, Bipa usw.) auswahlbedarf:
♦ Elektrofachgeschäft, EDV-Fachgeschäft (Niedermeyer)
♦ Kleiderfachgeschäfte (HM, Kleiderbauer)
♦ Bürobedarf, Geschenke (Libro)
♦ Hausrat (z.B. Holzmann im SCN) Dienstleistungsbetrieb:
♦ Friseur
gastronomiebetrieb:
♦ Gasthaus, Restaurant DIE UNTERSUCHTEN WIENER EINKaUFSSTRUKTUREN
Nahversorger im Wohnnahbereich:
♦ Reindorfgasse viktualienmarkt:
♦ Brunnenmarkt
Einkaufsstraße, geschäftsstraße:
♦ Mariahilfer Straße
♦ Favoritenstraße
In das städtische gefüge integriertes Einkaufszentrum:
♦ Lugner City
Einkaufszentrum an der Peripherie:
♦ Donauzentrum
♦ Shopping Center Nord (SCN)
Einkaufszentrum auf der grünen Wiese:
♦ HUMA Einkaufszentrum Simmering
♦ Shopping City Süd (SCS)
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93 Jakob Egger Einkaufszentren
… und der verkehrsaufwand ihrer Kunden
Es überrascht nicht und war durch- aus zu erwarten, dass Kunden von peripheren, großflächigen Einkaufs- zentren überwiegend das Auto als Verkehrsmittel benutzten. In die Shopping City Süd kamen 81 Prozent der Befragten mit dem Automobil, der Rest von 19 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dies hängt nicht zuletzt mit den großen Wegelängen zusammen, die die Kunden von ihrem Ausgangsort bis zur Erreichung ihres Einkaufsziels zurückgelegt hatten. In der Shopping City Süd betrugen diese
hoben den innerstädtischen Anreise- durchschnitt auf gerade einmal um die zwei Kilometer an.
Aus Sicht des motorisierten Indi- vidualverkehrs günstig gelegene und relativ peripherieverbundene (also die dispers gelegenen Neubaugebiete am Stadtrand mit bedienende) Strukturen wie das Donauzentrum im 22. Wiener Gemeindegebiet nahmen übrigens eine Zwischenstellung ein. Dort wa- ren die Anreiseweiten mit rund fünf Kilometern fast so lang wie jene im Shopping Center Nord (6 Kilometer), einem relativ neuen Einkaufsgebiet weiter außen an der nördlichen Stadtperipherie, die durchschnitt- lichen Anreiseweiten der Autofahrer (10 Kilometer) sogar noch eine Spur länger. Immerhin kamen in das Donauzentrum weniger Kunden mit dem Auto (45 Prozent) als in das am Stadtrand gelegene Konkurrenzgebiet (65 Prozent).
arbeitsplätze und verkehrsauf- wand
Nun könnte man aus der betrieb- lichen Größe peripherer Zentren den Schluss ziehen, von diesen ginge auch die größte Beschäftigungswirkung durchschnittlich knapp 15 Kilometer
(sowohl bei jenen, die mit dem Auto, als auch bei jenen, die mit öffent- lichen Verkehrsmitteln gekommen waren), erstreckten sich im Einzelfall aber sogar auf bis über 60 Kilometer.
In den kleinräumigen innerstäd- tischen Zentren verhielt es sich bei der Verkehrsmittelwahl genau umge- kehrt. Die Nahversorgungszentren wie Brunnenmarkt und Reindorfgasse wurden zum weitaus überwiegenden Teil zu Fuß oder mit dem Fahrrad angesteuert (59 bzw. 87 Prozent der Kunden). Viele hatten auch ein öffent- liches Verkehrsmittel benutzt, ins- besondere wenn sie größere Zentren
wie die Mariahilfer Straße erreichen wollten. Nicht einmal 20 Prozent der Einkäufer und Einkäuferinnen in Ma- riahilfer und Favoritenstraße kamen mit dem eigenen PKW. In die Lugner City, einem recht großen Einkaufs- zentrum mitten im Stadtgebiet, das mit einer großen Garage ausgestattet ist und unmittelbar an einer mehr- spurigen innerstädtischen Durch- zugsstraße, dem Wiener Gürtel, liegt, kamen mehr Menschen mit dem Auto (34 Prozent) und weniger mit öffent- lichen Verkehrsmitteln (23 Prozent), aber immerhin auch noch beachtliche 43 Prozent zu Fuß oder per Fahrrad.
Das Einzugsgebiet der Lugner City war nämlich vergleichsweise begrenzt und hatte einen Durch- schnittsradius (genauer gesagt:
durchschnittliche Anreiseweiten) von etwa einem Kilometer. Strukturen wie die stark überlokal frequentierte Mariahilfer Straße (3 Kilometer) (2) Reindorfgasse in Wien
Die Einkaufsstruktur Reindorf- gasse liegt im innerstädtischen Bereich außerhalb des Gürtels im 15. Bezirk in der Nähe der Äuße- ren Mariahilfer Straße (Bereich Schwendergasse – Geibelgasse – Sechshauserstraße – Grimmgas- se), wobei sich die Versorgungsbe- triebe im Baublock befinden.
Quelle: http://www.wien.gv.at/
wiengrafik, eigene Darstellung
Abb. 3
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Reindorfgasse Brunnenmarkt Mariahilfer Straße Favoritenstraße Lugner City Donauzentrum Shopping City Nord Huma Shopping City Süd
MIV ÖPNV NMV
F Ma Shop Sho
0% 100%
(3) Verkehrsmittelwahl der Kunden für die An- und Abreise zum Einkaufszentrum
MIV: Motorisierter Individualverkehr ÖPNV: Öffentlicher Personennahverkehr NMV: Nicht motorisierter Verkehr
Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung
Abb. 4
0 2 4 6 8 10 12 14 16
Reindorfgasse Brunnen Markt Lugner City Favoritenstraße Mariahilfer Straße Donauzentrum Shopping City Nord Huma EKZ Shopping City Süd
Gesamt (Median) NMV
ÖPNV MIV
(4) Durchschnittliche Anreiseweiten der Kunden nach Verkehrsmittel
Die durchschnittliche Anreiseweite pro Struktur wurde nach dem Median berechnet. Dieser Wert entspricht nicht dem arithmetischen Mittelwert, sondern minimiert die Summe der absoluten Abweichungen vom Mittelwert, ist also bei „schiefen“ Verteilungen aussagekräftiger als der Durchschnitt.
Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung
Abb. 3
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87%
59%
23%
43%
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Reindorfgasse Brunnenmarkt Mariahilfer Straße Favoritenstraße Lugner City Donauzentrum Shopping City Nord Huma Shopping City Süd
MIV ÖPNV NMV
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0% 100%
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95 Jakob Egger Einkaufszentren
aus. In der Reindorfgasse im 15. Wie- ner Gemeindebezirk waren insgesamt 23 Personen in den untersuchten Betrieben beschäftigt, während es die Vergleichsbetriebe in einer der peri- pheren Strukturen zusammen auf 190 Beschäftigte brachten. Eine solche Schlussfolgerung wäre aber lediglich aus einer betrieblichen Sichtweise zutreffend.
Eine überbetriebliche Betrach- tungsweise auf das Gesamtsystem, bei der die Anreisedistanzen der Kunden miteinbezogen werden, ergibt ein anderes Bild. Um dieses Bild entstehen zu lassen, muss man sich zunächst fragen, wie die Be- schäftigungsbilanz der Klein- und Großstrukturen wohl aussehen würde, wenn der Verkehrsaufwand fair verteilt wäre, wenn also keine dieser Strukturen durch (externali- sierte) Verkehrskosten subventioniert würde. Wir konstruieren also virtuelle
zur Erzielung des gleichen Umsatzes in Kauf genommen werden muss, nicht sichtbar, genauso wenig wie dessen Folgekosten. In der idealty- pisch normierten Vergleichswelt der Ein-Kilometer-Einzugsradien aber müsste die Zahl der Angestellten pro Kilometer und Wochenumsatz in der Mariahilfer Straße bloß durch drei (Kilometer) geteilt werden, während in der SCS eine Teilung durch 14 in Einzugsradien von jeweils einem Kilo-
meter.
Dabei stellt sich heraus, dass innerstädtische Strukturen klar vorteilhafter sind. Eine Struktur in einem peripheren Einkaufszen- trum mit einem durchschnittlichen Einzugsradius von 14 Kilometern mag insgesamt 190 Angestellte in den untersuchten Betrieben beschäftigen.
Bei einem reduzierten Einzugsradius von einem Kilometer blieben von die- ser Zahl nur noch um die 34 Arbeits- plätze. Verfährt man in dieser Weise, käme die innerstädtische Lugner City bei einem hypothetischen (in diesem Fall im Durchschnitt auch realen) Ein- zugsradius von einem Kilometer auf 135 Angestellte in den untersuchten Geschäften, die Wiener Mariahilfer Straße auf etwa 50 Angestellte, wäh- rend die Shopping City Süd, Öster- reichs größtes Einkaufszentrum, in den untersuchten Betrieben nur noch
Kauf genommen werden müsste. Pro Euro Umsatz und Kilometer Einzugs- radius sind im Shopping Center Nord also wesentlich weniger Angestellte nötig als in der Mariahilfer Straße.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht könnte man das vielleicht begrüßen.
Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ist es anders zu sehen: Um den gleichen Umsatz mit einem vergleichbaren Einzugsgebiet zu erzielen, schaffen etwas mehr als zehn Angestellte pro
Kilometer Anreiseweite hätte.
Noch mehr an räumlicher Gleich- heit lässt sich herstellen, wenn man die Anzahl der Beschäftigten in ein Verhältnis zur Verkaufsfläche setzt und so und so viele Beschäftigte pro Quadratmeter Verkaufsfläche errech- net. In dieser Hinsicht bringt es die Mariahilfer Straße auf 35 Beschäf- tigte pro tausend Quadratmeter, während die SCS auf derselben Fläche bloß 17 Arbeitsplätze bereitstellt.
Stellt man dann nochmals gleiche Bedingungen beim Verkehrsaufwand her und reduziert man den Kunden- Einzugsbereich abermals auf einen Kilometer, gewinnt das Bild an Schärfe: Auf tausend Quadratmeter Verkaufsfläche böte die Mariahil- ferstraße zehn Arbeitsplätze. Die periphere SCS brächte es bloß auf einen Arbeitsplatz, während in der Reindorfgasse auf dieser Fläche 70 Menschen Beschäftigung fänden.
Beschäftigungseffekte und Geld- flüsse im dicht verbauten Raum sind, anders als an der Peripherie, nicht an große Anreiseweiten und hohen Ver- kehrsaufwand geknüpft. Innerstäd- tische Angestellte befriedigen noch in hohem Maß eine örtlich gebundene Nachfrage und entsprechen daher den Zielvorstellungen von nachhaltigem Wirtschaften und geringem Energie- und Verkehrsaufwand.
mehr beschäftigung bei gleichem Umsatz
Das Arbeitsplatzargument greift selbst dann nicht, wenn in dieser Gleichung die Kundenausgaben mit- berücksichtigt werden – im Gegenteil.
Pro Euro Umsatz werden in der Maria- hilfer Straße mehr Angestellte als in der Shopping City Süd beschäftigt – und das ist schon in der „realen“, aber räumlich einigermaßen ungleich gestalteten Welt der Fall. In dieser Welt wird der Verkehrsaufwand, der
innerstädtische Einkaufsstrukturen weit mehr Arbeitsplätze als die Groß- strukturen an der Peripherie – und zwar durchschnittlich knapp fünfmal so viele. Die Frage, ob das sozial- ökonomisch legitime Ziel der Arbeits- platzbeschaffung den Aufwand des peripheren Zentrums lohnt, ist damit also einigermaßen klar zu beantwor- ten: Nein, die Verluste an Umwelt- und Lebensqualität lohnen sich nicht.
Abb. 5
92,00
65,15
49,50 63,08
29,90 22,11
33,87 10,45 135,00
0,00 20,00 40,00 60,00 80,00 100,00 120,00 140,00 160,00
Reindorfgasse Brunnen
Markt Lugner
City
Favoritenstraße Mariahilfer Straße
Donauzentrum Huma EKZ
Shopping City Nord
Shopping City Süd Beschäftigte pro Kilometer durchschnittlicher Anreisedistanz (Median)
(5) Beschäftigte in den untersuchten Betrieben pro Kilometer durchschnittlicher Anreiseweite
Auf dieser Abbildung werden die von den Einkaufsstrukturen ge- schaffenen Arbeitsplätze mit ihrem Verkehrsaufwand gegengerechnet – würde dieser jeweils auf einen Kilometer reduziert (oder teilweise auch erweitert), kämen auf innerstädtische Strukturen weit mehr Arbeitsplätze.
Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung
Abb. 6
0,022 0,023 0,024 0,025
0,014 0,013
0,017 0,027 0,035
0,000 0,005 0,010 0,015 0,020 0,025 0,030 0,035 0,040
Reindo rfgasse
Brunnenm arkt
Lugner City Favoritenstraße
Mariahilfer Straße Donauz
entrum HUMA
Shoppi ng City Nord
Shoppi ng City Süd Beschäftigte pro m2 Verkaufsfläche (6) Beschäftigte pro Quadratmeter Verkaufsfläche in
den unterschiedlichen Einkaufsstrukturen
Der bauliche Aufwand zur Schaffung von Arbeitsplät- zen ist in Strukturen wie Donauzentrum, Huma und SCS am größten.
Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung
Abb. 7
0,0329 0,0222
0,0191 0,0118
0,0028 0,0013 0,0046 0,0012 0,0735
0,0000 0,0100 0,0200 0,0300 0,0400 0,0500 0,0600 0,0700 0,0800
Reindorfgasse Brunnenmarkt
Lugner City Favoritenstraße
Mariahilfer Straße Donauzentrum
HUMA
Shopping City Nord Shopping City Süd Beschäftigte pro m2 Verkaufsfläche und km durchschnittlicher Anreiseweite (7) Beschäftigte pro Quadratmeter Verkaufsfläche und
pro Kilometer durchschnittlicher Anreiseweite Diese Abbildung zeigt die Relation der geschaffenen Arbeitsplätze unter den hypothetischen Voraus- setzungen „räumliche Gleichheit“ und
„ausgeglichener Verkehrsaufwand“.
Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung
Abb. 3
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19%
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Huma Shopping City Süd
MIV ÖPNV
NMV Ma F Shop Sho
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97 Rechnungshof Einkaufszentren
Chancengleichheit schaffen und verkehrserzeugung teurer machen
Die Ergebnisse der beschriebenen Untersuchung machen deutlich, dass die Stärkung der Nahversorgungs- strukturen nicht nur klima- und umweltpolitisch, sondern auch ge- samtwirtschaftlich überaus sinnvoll ist. Um aber ein flächendeckendes, ökologisch wie ökonomisch nach- haltiges Standortgefüge mit starker lokaler Beschäftigungswirkung im Einzelhandel zu schaffen, müsste zu- nächst zumindest annähernd Chan- cengleichheit zwischen den beiden räumlichen Strukturen geschaffen werden.
Die anhaltende Entwicklung hin zur Konzentration der Verkaufs- flächen macht deutlich, dass die Regelungen zur Errichtung von Ein- kaufszentren in den Raumordnungs-
gesetzten bis dato nicht ausreichten, um die Erosion der kleinräumigen Nahversorgungsstrukturen zu stop- pen. Periphere großflächige Einkaufs- strukturen sind nämlich in vielerlei Hinsicht begünstigt, in erster Linie durch die niedrigeren Bodenpreise und durch ihre gute Einbindung in ein oft hochrangiges Individualverkehrs- netz, das ihnen staatlicherseits mit Steuergeldern zur Verfügung gestellt wird. Diese Vorteile müssten abge- schwächt werden, und dies wäre etwa in Form einer Verkehrserzeugungsab- gabe möglich. Damit könnten Mittel aus den bestehenden Großstrukturen in Form von Zuwendungen hin zu den schwächeren Einkaufsstrukturen und lokalen Märkten verlagert werden.
Es ist anzunehmen, dass viele
Kleinbetriebe und Nahversorger noch (oder erneut) existieren würden, wenn diese abgaben- oder steuertechnisch gegenüber den Großstrukturen begünstigt wären. Und es ist wohl tatsächlich so, dass die Politik dem Zentren- und Geschäftssterben bis- lang zwar einigermaßen geschockt, aber auch mehr oder minder gelähmt zugesehen hat. Erst wenn sie es zu- stande bringt, Wettbewerbsgleichheit von innerstädtischen, kleinräumigen und peripheren, großräumigen Struk- turen sicherzustellen, erst wenn die gesellschaftlichen Kosten Letzterer nicht mehr externalisiert und auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, erst dann können (wieder) nachhaltige räumliche Versorgungs- und Handels- strukturen entstehen.
LITERATUR:
ax, C. (1997): Das Handwerk der Zukunft: Leitbilder für nachhaltiges Wirtschaften. Basel
Egger, J. (2004): Verkehrsauf kommen und Beschäftigungseffekte von kleinräumigen innerstädtischen Strukturen im Vergleich zu großräumigen außerstädtischen peripheren Strukturen. (Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2004)
Fischer, P. (1997): Verkehrsenergieaufwand städtischer Einkaufs- und Versorgungsstrukturen. Diplomarbeit, Wien Frehn, m. et. al. (1999): Verkehrliche Wirkungen von Großeinrichtungen des Handels und der Freizeit. Karlsruhe Kanonier, a. (2001): Einkaufszentrenregelungen in den Raumordnungsgesetzen der österreichischen Bundesländer. Wien
Knoflacher, H. (1996): Raum- und Stadtverträglichkeitsprüfung: Schaffung von Grundlagen für Gutachterverfahren.
Im Auftrag der MA 18. Wien
Der RH überprüfte von September bis November 2005 im Rahmen einer Querschnittsprüfung in den Ländern Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Steiermark die Gebarung hin- sichtlich Einkaufszentren. | S. 13 |
Wirkungsbereich des Landes Kärnten
Das Kärntner Gemeindeplanungs- gesetz wurde seit der 1977 erstmals erfolgten Einführung von Bestim- mungen hinsichtlich Einkaufszentren mehrfach novelliert, um der Intention einer vorausschauenden und steu- ernden Landesplanung gerecht zu werden. Das Entwicklungsprogramm Versorgungsinfrastruktur aus dem Jahr 1993 sah eine Zentrenabstufung mit unterschiedlichen Höchstwerten für die zulässigen wirtschaftlich zu- sammenhängenden Verkaufsflächen vor.
Mit der Novelle des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes im Jahr 2002 betreffend die Festlegung von Orts- oder Stadtkernen erleichterte der Landesgesetzgeber die Möglich- keit, zentrumsnahe Einkaufszentren zu errichten.
Im Entwicklungsprogramm Versorgungsinfrastruktur wurden 32 Stadt- bzw. Gemeindegebiete als so genannte Ober-, Mittel- und Unter- zentren festgelegt und diesen jeweils ein Höchstausmaß an insgesamt zulässigen wirtschaftlich zusam- menhängenden Verkaufsflächen für Einkaufszentren der Kategorie EKZ I (einschließlich Lebensmittel) zugewiesen. Für Einkaufszentren der
Kategorie EKZ II (ohne Lebensmittel) erfolgte keine Festlegung von Kontin- genten.
Im Jahr 1988 wies noch jede der 132 Kärntner Gemeinden einen Nahversorger auf. Die Anzahl der Gemeinden, in denen eine potenzielle Gefährdung der Nahversorgung an- genommen werden konnte, vervier- fachte sich zwischen 1988 und 2000.
Während 1988 in Kärnten noch rd.
1.000 vollsortierte Lebensmittelge- schäfte vorhanden waren, verringerte sich deren Anzahl bis zum Jahr 2000 auf rund die Hälfte.
In Kärnten bestanden zwei einander sehr ähnliche Nahversor- gungsförderungsprogramme. Deren Geltungszeitraum überschnitt sich.
Weiters waren die Programme nicht aufeinander abgestimmt. | S. 4 |
Außer der im Jahr 2001 vorge- legten Studie zum Thema „Evaluie- rung der Einkaufszentrenregelung in Kärnten“ erfolgte im Rahmen der überörtlichen Raumplanung keine strukturierte Grundlagenerhebung zu Einkaufszentren und zur Nahversor- gung. Zur Steuerung der Entwicklung wären geeignete Kennzahlen festzule- gen und ein kontinuierliches Monito- ring der Daten einzurichten.
Wirkungsbereich des Landes Oberösterreich
Der Sicherung der Nahversorgung bei Maßnahmen durch das Land, die der Verbesserung des Wohnens und des Wohnumfeldes dienten, kam wesentliche Bedeutung zu. Das Land begegnete den sich über Jahre hinweg
verändernden Herausforderungen des Themenkomplexes Einkaufszentren durch ein angemessenes Regelwerk, um dem Ziel einer vorausschauen- den und steuernden Landesplanung gerecht zu werden.
Zum Jahresende 2005 befanden sich 139 Raumordnungsprogramme über die Verwendung von Grundstü- cken als Gebiet für Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf in Rechtskraft. Diese Regelungssyste- matik bot der Landesregierung weit reichende Steuerungsmöglichkeiten.
Der Raum südwestlich von Linz wies aufgrund der verkehrsgünstigen Lage hervorragende Standorteigen- schaften für Betriebe unterschied- licher Branchen auf. Der Mangel an Anreizen zur kommunalen Zusam- menarbeit und das Fehlen ordnungs- politischer Vorgaben durch die Regi- onalplanung hatten in dieser Region eine Flächenwidmung zur Folge, die massive Fehlentwicklungen verur- sachte.
Bis 31. Dezember 2005 wurden in Oberösterreich insgesamt rd.
1.851.000 m2 Verkaufsfläche für Ge- schäftsbauten (für den überörtlichen Bedarf ) genehmigt; dies ergab umge- rechnet rd. 1,33 m2 Verkaufsfläche je Einwohner. Rund 43 % der Verkaufs- flächen entfielen auf jene Handelsbe- triebe, die Lebens- und Genussmittel im Warensortiment führten. Von der gesamten, durch Verordnung geneh- migten Verkaufsfläche befanden sich etwa 33 % nicht in Zentralen Orten (Orte als Agglomeration zentraler Dienste, wie z.B. Schulen, Ärzte, Ämter, Banken). | S. 5 |
Die Fachabteilung Raumplanung
„Dem gesetzlichen auftrag wäre nachzukommen“
auszüge aus einem bericht des Österreichischen Rechnungshofes zur Thematik Einkaufszentren
AUTOR:
Jakob Egger, Jg. 1971, Studium Raumplanung und Raumordnung an der Technischen Universität Wien Arbeitsschwerpunkt Geographische Informationssysteme. E-Mail: j.egger@schubert.at