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Forschendes Lernen in der Hochschullehre – Chancen und Hindernisse

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Academic year: 2022

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(1)

Daniela Schuh

Forschendes Lernen in der Hochschullehre – Chancen und Hindernisse

Lehrgebiet Bildungstheorie und Medienpädagogik Masterarbeit

Fakultät für

Kultur- und

Sozialwissen-

schaften

(2)

Masterarbeit

im Lehrgebiet Bildungstheorie und Medienpädagogik

Forschendes Lernen in der Hochschullehre - Chancen und Hindernisse

Betreuung der Masterarbeit:

Prof. Dr. Claudia de Witt Dr. Claudia Grüner

angefertigt im Masterstudiengang Bildung und Medien - eEducation an der FernUniversität in Hagen

von

Daniela Schuh

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Erzähle es mirundich werde es vergessen.

Zeige es mirundich werde es vielleicht behalten.

Lass es mich tunundich werde es verstehen.

Chinesischer konfuzianischer Philosoph Xunzi (3. Jahrhundert v.Chr.)

Tell meandI forget.

Show meandI may remember.

Involve meandI understand.

Chinese Confucian philosopher Xunzi (3rd century BC)

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Zusammenfassung

Forschendes Lernen ist seit der Umsetzung der Bologna-Reform ein viel dis- kutiertes Konzept, um die Hochschullehre wieder mehr mit der Forschung zu verzahnen und damit deren Qualität zu verbessern. Die vorliegende Arbeit unter- sucht, mithilfe von Experteninterviews als qualitative Erhebungsmethode, wel- che Faktoren sich aus der Perspektive von Hochschullehrenden fördernd oder hemmend bei der Umsetzung vonforschendem Lernenauswirken können. Hier- zu dient zunächst die Forschungsliteratur als Grundlage, um entsprechende Fak- toren herauszuarbeiten, die im Anschluss daran anhand der Interviews überprüft und ergänzt werden. Die somit gewonnenen Erkenntnisse fließen in die nachfol- gende Konzeption eines Online-Seminars ein, wo der Einsatz digitaler Medien auf die Bedürfnisse beimforschenden Lernenabgestimmt wird.

Schlagwörter:forschendes Lernen, Hochschuldidaktik, qualitative Untersu- chung, E-learning

Abstract

Since the Bologna reforminquiry-based learningis a widely discussed concept to better interlock higher education with research again so that education quali- ty improves. Using expert interviews as a qualitative method, this thesis analy- ses factors with fostering or hindering effects on the implementation ofinquiry- based learning from the viewpoint of university instructors. This shall be done by the analysis of research literature as a basis for the identification of appro- priate factors, which are subsequently verified and complemented with the help of the interviews. The results acquired in this way are inputted into a conception of an online seminar, where the use of digital media is geared to the needs of inquiry-based learning.

Keywords:inquiry-based learning, didactics in higher education, qualitative investigation, e-learning

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 7

2 Was istforschendes Lernen? 8

2.1 Forschungsüberblick . . . 9

2.2 Der Kerngedankeforschenden Lernens . . . 10

2.3 Das Zielforschenden Lernens . . . 11

2.4 Die Zielgruppe . . . 14

2.5 Die Gestaltung des Forschungsprozesses . . . 16

2.6 Abgrenzung zu anderen Lernformen . . . 18

3 John Dewey’s Vorstellung von forschendem Lernen 20 3.1 Deweys Auffassung von Wissenschaft . . . 20

3.2 Deweys Lehr-Lern-Konzept . . . 22

4 Herleitung der Forschungsfrage 23 5 Forschendes Lernen erfolgreich in der Hochschullehre einsetzen 25 5.1 Was die Lehrenden tun können, um forschendes Lernen zu er- möglichen . . . 26

5.2 Hindernisse beimforschenden Lernenauf Seiten der Lehrenden 32 5.3 Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz bei den Studie- renden . . . 35

5.4 Hindernisse beimforschenden Lernenauf Seiten der Studierenden 38 6 Betrachtung von Faktoren, die forschendes Lernenan Hochschulen fördern oder hemmen aus Sicht der Lehrenden 42 6.1 Auswahl der Gruppe der Lehrenden . . . 42

6.2 Ziel des Interviews . . . 43

6.3 Erstellung des Leitfragebogens . . . 45

6.4 Durchführung der Interviews . . . 47

6.5 Transkription der Gesprächsmitschnitte . . . 47

6.6 Auswertung der Interviews . . . 48

6.6.1 Festlegung des Materials . . . 48

6.6.2 Richtung der Analyse . . . 49

6.6.3 Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung . . . 49

6.6.4 Bestimmung des Ablaufmodells und der Analysetechniken 50 6.7 Diskussion des Forschungsdesigns . . . 51

7 Vorstellung und Interpretation der Ergebnisse 53 7.1 Definitionen vonforschendem Lernendurch die Befragten . . . 53

7.2 Ergebnisse: Fördernde Faktoren Lehrende . . . 54

7.2.1 Die neue Rolle der Lehrenden . . . 54

7.2.2 Umgang mit Studierenden . . . 55

7.2.3 Impulse zur Motivationssteigerung . . . 56

7.2.4 Organisatorische Faktoren . . . 58

7.3 Ergebnisse: Hemmende Faktoren Lehrende . . . 59

7.3.1 Erhöhter Arbeits- und Zeitaufwand . . . 60

(6)

7.3.2 Einfindung in die neue Rolle . . . 60

7.3.3 Konzeptionelle Schwierigkeiten . . . 61

7.3.4 Strukturen an der Universität . . . 62

7.4 Ergebnisse: Fördernde Faktoren Studierende . . . 64

7.4.1 Vorteile durchforschendes Lernen . . . 64

7.4.2 Notwendige Kompetenzen . . . 65

7.4.3 Strukturen . . . 65

7.5 Ergebnisse: Hemmende Faktoren Studierende . . . 66

7.5.1 Nachteile durchforschendes Lernen . . . 66

7.5.2 Nischenaktives Situationsbewältigen . . . 66

7.5.3 Eigenständiges und selbstverantwortliches Arbeiten . . . 66

7.5.4 Diskussion der Ergebnisse . . . 67

8 Konzeption eines Online-Seminars zum Thema „Interviews als For- schungsmethode im Studium der Sozialwissenschaften“ auf der Ba- sis der bisher erarbeiteten Erkenntnisse 71 8.1 Das Thema des Online-Seminars . . . 72

8.2 Die Zielgruppe des Online-Seminars . . . 72

8.3 Die Lernziele des Online-Seminars . . . 73

8.4 Motivation durch Leistungsnachweise . . . 74

8.5 Einstieg in das Thema . . . 75

8.6 Festlegung der Ergebnispräsentation als Zielsetzung der studen- tischen Forschung . . . 76

8.7 Forschungsfrage formulieren . . . 78

8.8 Forschungsdesign entwickeln . . . 81

8.9 Umsetzung des Forschungsdesigns . . . 82

8.10 Ergebnisse aufbereiten und präsentieren . . . 83

8.11 Die Rolle der Lehrperson . . . 85

9 Zusammenfassung und Ausblick 86 Literaturverzeichnis 88 Anhang 94 A Leitfragebogen 94 B Definitionen fürforschendes Lernendurch die Befragten 96 C Fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden 97 C.1 Interview 1: fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . . 97

C.2 Interview 2: fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . . 97

C.3 Interview 3: fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . . 100

C.4 Interview 4: fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . . 101

C.5 Interview 5: fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . . 102

D Hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden 103 D.1 Interview 1 hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 103

D.2 Interview 2 hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 104

D.3 Interview 3 hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 105

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D.4 Interview 4 hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 105 D.5 Interview 5 hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 106 E Fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden 106 E.1 Interview 1 fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . . 106 E.2 Interview 2 fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . . 107 E.3 Interview 3 fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . . 107 E.4 Interview 4 fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . . 108 E.5 Interview 5 fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . . 108 F Hemmende Faktoren auf Seiten der Studierenden 109 F.1 Interview 1 hemmende Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 109 F.2 Interview 2 hemmende Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 110 F.3 Interview 3 hemmende Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 110 F.4 Interview 4 hemmende Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 110 F.5 Interview 5 hemmende Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 111

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Tabellenverzeichnis

1 Vergleich traditionelle Schule und Deweys Lehr-Lern-Konzept (Dewey, 1976, S. 19f.) . . . 23 2 Faktoren auf Seiten der Lehrenden, die das forschende Lernen

fördern können . . . 32 3 Faktoren auf Seiten der Lehrenden, die das forschende Lernen

hemmen können . . . 35 4 Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das forschende Lernen

fördern können . . . 38 5 Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das forschende Lernen

hemmen können . . . 41 6 Definitionen von forschendem Lernen . . . 96 7 Interview 1: für fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . 97 8 Interview 2: für fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . 100 9 Interview 3: für fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . 101 10 Interview 4: für fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . 102 11 Interview 5: für fördernde Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . 103 12 Interview 1: hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 104 13 Interview 2: hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 105 14 Interview 3: hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 105 15 Interview 4: hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 106 16 Interview 5: hemmende Faktoren auf Seiten der Lehrenden . . . 106 17 Interview 1: fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 107 18 Interview 2: fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 107 19 Interview 3: fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 108 20 Interview 4: fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 108 21 Interview 5: fördernde Faktoren auf Seiten der Studierenden . . 109 22 Interview 1: Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das for-

schende Lernen hemmen können . . . 109 23 Interview 2: Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das for-

schende Lernen hemmen können . . . 110 24 Interview 3: Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das for-

schende Lernen hemmen können . . . 110 25 Interview 4: Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das for-

schende Lernen hemmen können . . . 111 26 Interview 5: Faktoren auf Seiten der Studierenden, die das for-

schende Lernen hemmen können . . . 111

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1 Einleitung

Durch den Bologna-Prozess, der u.a. die Umstellung des Hochschulbetriebs auf das Bachelor- und Mastersystem vorsieht, werden Studierende innerhalb der bei- den letzten Jahrzehnte zunehmend in eine Abhängigkeitsrolle als unmündige Wissensempfänger gedrängt. Der Bildung an deutschen Hochschulen wird zu- dem von vielen Lehrenden und Studierenden eine Verschulung vorgeworfen, die oftmals Bildung und Forschung voneinander trennen (Falkenhagen, Bandlow- Raffalski & Reimann, 2018, S. 356; Huber, 2014, S. 22). Aber auch schon vor dem Bologna-Prozess ist die Divergenz zwischen Theorie und Praxis an deut- schen Hochschulen ein häufig geäußerter Kritikpunkt (Kalbheim, 2013, S. 194).

Ein potentieller, in den beiden letzten Jahrzehnten viel diskutierter Lösungs- ansatz für dieses Problem ist das forschende Lernen, das den Studierenden an- hand selbstständig zu planender und durchzuführender Forschungsprozesse wie- der mehr Eigenverantwortung sowie Praxiserfahrung geben und die Lehre wie- der enger an die Forschung binden soll. Neben zahlreichen Gründen, die für eine Einführungforschenden Lernensan Hochschulen sprechen, gibt es jedoch auch Schwierigkeiten und Zweifel, die eine Umsetzung, trotz der aktuellen Diskussi- on des Konzepts, oft stagnieren lassen (Huber, 2013b, S. 11f.).

Deshalb sollen mit der vorliegenden Arbeit Faktoren herausgearbeitet werden, die sich positiv oder negativ auf die Planung und Durchführung von forschen- dem Lernen auswirken können, um daraus abgeleitet mögliche Hindernisse zu verringern oder sogar zu beseitigen und fördernde Faktoren gezielt zur Opti- mierung von Lehrveranstaltungen einzusetzen. Hierbei besteht jedoch weder der Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf Erfolgsgarantie, da die Umsetzung von Lehrveranstaltungen im Rahmenforschenden Lernensindividuell an den jewei- ligen Kontext angepasst werden muss und daher absolute Aussagen über eine op- timale Planung nicht möglich sind (Hutchings, 2007, S. 16). Allerdings können die jeweiligen Faktoren als eine Art Stellschrauben eines Lernsettings betrachtet werden, die zunächst eine grobe Orientierung bieten und durch Feinjustierung an die jeweils vorliegenden Lernkontexte angepasst werden können.

Als Grundlage für die weitere Erforschung der Faktoren muss zunächst de- finiert werden, was genau unter forschendem Lernen zu verstehen ist. Daran anschließend wird das Konzept in der Theorie John Deweys verankert, einem

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der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts und Klassiker der Pädago- gik, dessen Vorstellungen vonforschendem Lernenauch Einfluss auf die aktuelle Debatte nehmen (Konrad & Knoll, 2018, S. 7f.).

Vor diesem Hintergrund ist die Forschungsfrage herzuleiten, welche sich mit möglichen Faktoren beschäftigt, die jeweils auf Seiten der Lehrenden und Stu- dierenden forschendes Lernenfördern bzw. hemmen können. Für deren Beant- wortung werden zunächst anhand der Forschungsliteratur entsprechende Fakto- ren identifiziert, die im Anschluss daran, mithilfe von Experteninterviews, wei- ter untersucht und ggf. ergänzt werden. Hierfür erfolgt auf der Basis eines zu erstellenden Leitfragebogens eine Befragung von Hochschullehrenden mit Er- fahrung bezüglich Planung und Umsetzung forschenden Lernens aus verschie- denen Fachbereichen unterschiedlicher Universitäten, deren Auswertung anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) durchgeführt wird.

Als Beispiel für eine mögliche Anwendung der bis dahin gewonnenen Er- kenntnisse wird im letzten Abschnitt der vorliegenden Arbeit ein Online-Seminar konzipiert, das die erarbeiteten Faktoren als Orientierung berücksichtigt, um ein möglichst optimales Lernsetting zu erhalten. Hierbei soll das Potential elektro- nischer Medien zur Unterstützung des eigenständigen und selbstgesteuerten Ler- nens genutzt und in Verbindung mit den Ideen desforschenden Lernenszu einer möglichst guten Grundlage für die Durchführung studentischer Forschung ge- bracht werden (Kergel & Heidkamp, 2018, 501ff.).

2 Was ist forschendes Lernen?

Der Versuch, eine Definition von forschendem Lernen zu statuieren ist nicht so einfach wie es im ersten Moment erscheinen mag, denn ein Blick in die For- schungsliteratur zeigt, dass die Vorstellungen, was genau unter diesen Begriff zu fassen ist, zum Teil divergent sind. Erschwerend kommt hinzu, dass weitere Be- zeichnungen ähnlicher Formate wie forschungsbasiertes oderforschungsorien- tiertes Lernen inkonsistent verwendet werden, da sie manchmal auch synonym für forschendes Lernen stehen (Huber, 2014, S. 32; Fichten, 2013, S. 2ff.).

Nichtsdestotrotz soll nun vor diesem Hintergrund im Folgenden ein Überblick über die verschiedenen Vorstellungen von forschendem Lernen vorgestellt und von ähnlichen Begriffen abgegrenzt werden.

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2.1 Forschungsüberblick

1970 konzipiert die Bundesassistentenkonferenz, unter maßgeblicher Beteiligung Ludwig Hubers,forschendes Lernenneu und legt somit einen Grundstein für die Verankerung des Konzepts in der deutschen Hochschuldidaktik (Bundesassisten- tenkonferenz (BAK), 1970). Oft zitiert gilt diese Schrift als Basis für die Weiter- entwicklung forschenden Lernens in der deutschen Hochschuldidaktik (Huber, 2016, S. 1).

Die Grundidee ist jedoch wesentlich älter und geht genau genommen in ihren Grundzügen bis auf Aristoteles zurück, der in dem ihm zugeschriebenen Werk Organondarlegt, wie durch Beobachtung und logische Schlussfolgerungen Wis- sen erworben sowie wissenschaftliche Beweise abgeleitet und überprüft werden können (Aristoteles, 2013). Dies stellt eine Anleitung zu selbstständiger For- schung dar und bildet somit einen ersten Ansatz für die Methodik eigenständiger Forschung wie sie heute an den Universitäten praktiziert wird (Scholl, 2016, S. 1).

Auch Wilhelm von Humboldt fordert anfangs des 19. Jahrhunderts die Ver- knüpfung von Forschung und Lehre, wobei die Vermittlung gesicherter Fakten durch eigenständige Forschung durch die Studierenden erweitert werden soll (Humboldt, 2010 (1809/10), S. 229). Diese Forderungen Humboldts prägen die Konzeption der Bundesassistentenkonferenz der 1970er Jahre maßgeblich mit (Huber, 2016, S. 1).

Im englischsprachigen Raum prägen vor allem Healy und Jenkins (2009) die Diskussion umforschendes Lernenmit. John Dewey (1938) sieht ebenfalls in der Forschung den Schlüssel zum erfolgreichen Lernen. Durch praktische und selbst- gesteuerte Erfahrungen können Lernende den Lerngegenstand besser durchdrin- gen als durch rein illustrative Lernszenarien. Auch Deweys Erkenntnisse fließen in die Ausarbeitung der Bundesassistentenkonferenz mit ein (Kergel & Heid- kamp, 2015, S. 15).

Jedoch wird erst gegen Ende der 1990er Jahre und zu Beginn des 21. Jahrhun- derts mit dem Einzug des Bologna-Prozesses an den deutschen Hochschulen eine breit gefächerte Diskussion um das Thema wieder aufgenommen und bis heute eine fast unüberschaubare Anzahl an Publikationen veröffentlicht. Während bis dahin seit den 1970er Jahren kaum Änderungen des Konzepts zu verzeichnen

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sind, erfährt die Ideeforschendes Lernen in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine umfangreiche Diskussion, bei der zunächst die Lehrerausbildung eine füh- rende Rolle einnimmt. Hierbei prägen unter anderem Ludwig Huber, Gabi Rein- mann und Johannes Wildt die Diskussion um forschendes Lernen maßgeblich mit (Laitko, 2017, S. 23ff.).

2.2 Der Kerngedankeforschenden Lernens

Wenn es darum geht, forschendes Lernen zu definieren, findet sich in zahlrei- chen Publikationen der beinahe schon obligatorisch wirkende Verweis auf die folgende Definition von Huber (2013b, S. 11):

„Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lernformen dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Kenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentli- chen Phasen von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnis- se in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt (mit)gestalten, erfahren und reflektieren.“

Diese Definition beschreibt zunächst einmal in einem Satz den Kerngedan- kenforschenden Lernens, nämlich die selbstständige Aneignung von Wissen und Kompetenzen anhand eigenständig durchgeführter Forschung durch die Studie- renden (Hutchings, 2007, S. 12). Der Unterschied zu vielen klassischen univer- sitären Lehrveranstaltungen besteht darin, dass hierbei nicht nur, schon anhand professioneller Forschung, gesicherte Erkenntnisse durch die Lehrenden an die rezeptiv verweilenden Studierenden vermittelt werden, sondern, durch die akti- ve Teilnahme der Studierenden an eigenständiger Forschung, zum einen prakti- sche Forschungskompetenzen und zum anderen Wissen über den Forschungsge- genstand erworben werden sollen. Forschungskompetenzen umfassen hierbei im Wesentlichen die Kenntnis von fachspezifischen Forschungsmethoden sowie de- ren adäquate Anwendung, die Fähigkeit zur Planung, Steuerung und Durchfüh- rung des Projekts und die anschließende kritische Reflexion sowie eine nachprüf- bare, verständliche Publikation der Forschungsergebnisse nach den jeweiligen fachspezifischen wissenschaftlichen Standards. Dabei steht der Forschungspro- zess an sich im Mittelpunkt der Lehre, der hauptsächlich von den Studierenden mit eigenen Fragestellungen und selbstständiger Wahl der Forschungsmethoden

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entwickelt, von den Lehrenden begleitet und wo nötig unterstützt, nicht aber vor- gegeben wird. Daher istforschendes Lernendem konstruktivistischen Lernpara- digma zuzuordnen (Huber, 2013b, S. 1f.; Huber, Kröger & Schelhowe, 2013, S. 33; Sonntag, Ruess, Ebert, Friederici & Deicke, 2017, S. 13; Mooraj & Pa- pe, 2015, S. 3; Reinmann, 2011, S. 292ff.; Dürnberger, 2014, S. 26ff.; Fichten, 2013, S. 2ff.).

Was dieser Kerngedanke und insbesondere die Definition Hubers jedoch noch nicht beinhalten sind verschiedene Nuancen bei der Umsetzung des Forschungs- prozesses, denn innerhalb der Publikationen sind unterschiedliche Ansichten zu finden, wie der Forschungsprozess auszugestalten ist, wieviel Selbstständigkeit notwendig ist und welche genauen Zieleforschendes Lernenhaben soll.

In den folgenden Abschnitten sollen diese teilweise kontrovers diskutierten Vorstellungen vonforschendem Lernendetaillierter dargelegt und damit versucht werden, einen Überblick über mögliche Definitionen vonforschendem Lernenzu geben.

2.3 Das Zielforschenden Lernens

Forschendes Lernenhat zum Ziel, dass die Studierenden fachspezifische Kennt- nisse, Kompetenzen und Methoden erlangen, die sie praktisch anwenden können und deren gesellschaftliche Relevanz erkennen. Außerdem sollen eine kritisch reflexive Haltung, Kooperation und Kommunikation untereinander, Kreativität sowie autonomes, selbstständiges Arbeiten eingeübt werden, um die Studieren- den zum einen an spätere berufliche Anforderungen und zum anderen an die wis- senschaftliche Arbeit heranzuführen (Reinmann, 2011, S. 293; Huber, 2013b, S. 9f.; Hellmer, 2013, S. 214ff.; Ariza, Quesada, Abril & García, 2012, S. 601f.;

Saptuti Susiani, Salimi & Hidayah, 2018, S. 2f.).

Es lassen sich folglich insgesamt drei Hauptziele erkennen. Diese sind erstens der Erkenntnisgewinn und die Erweiterung des eigenen Wissensstandes der Stu- dierenden. Zweitens die Förderung von Kompetenzen, die für eine Selbststän- dige Durchführung eines Forschungszyklus notwendig sind und eine forschend kritische sowie problematisierend reflektierende Haltung der Studierenden ge- genüber den Forschungsgegenständen prägen. Und drittens geht es um das Ken- nenlernen der Forschungspraxis mit all ihren Höhen, Tiefen und Irrwegen (Hell- mer, 2013, S. 205; Hutchings, 2007, S. 13). Darüber hinaus sollen die erwor-

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benen Kenntnisse und Kompetenzen die Studierenden dazu befähigen, sich über die Lehrveranstaltung hinaus weitere Inhalte selbstständig anzueignen (Lange- meyer, 2017, S. 95).

Uneinigkeit besteht nun darin, auf welche Ergebnisse der studentische For- schungsprozess hinarbeitet. Soll er so angelegt werden, dass dessen Ergebnisse ausschließlich als reiner Lerngewinn für die Studierenden selbst zu verstehen ist oder müssen die Forschungsergebnisse darüber hinaus auch für Dritte von In- teresse sein? Müssen die Ergebnisse völlig neu sein oder können am Ende auch Erkenntnisse stehen, die schon durch professionelle Forschung bekannt sind?

So fordert Huber (2016, S. 1), dass die Forschungsergebnisseforschenden Ler- nens zwar für die jeweilige Disziplin nicht neu sein müssen, aber so angelegt werden sollten, dass auch immer Dritte davon profitieren. Dies könne beispiels- weise die scientific community auf einer Tagung oder die Fachbereichs- bzw.

Hochschulöffentlichkeit auf einem Forum sein. Jedoch ist umstritten inwiefern Studierende in der Lage sind, tatsächlich Ergebnisse zu produzieren, die in ei- nem größeren Rahmen für das Fachpublikum von Interesse sind. Für Mieg und Dinter (2017, S. 32) ist es daher ausreichend, potentielle Forschungsbeiträge zu liefern, von denen dann in der Realität tatsächlich nur ein Teil für ein größeres Fachpublikum bei Interesse zugänglich gemacht wird.

Für Fichten (2013, S. 2ff.) hingegen steht der Lernprozess und dessen Nut- zen für die Lernenden während der Forschungsarbeit im Vordergrund. Die Er- gebnisse sollen den Ansprüchen wissenschaftlichen Arbeitens genügen und sind nachprüfbar darzustellen, um die Studierenden an die Methoden wissenschaft- lichen Arbeitens heranzuführen. Auch die Bundesassistentenkonferenz (BAK) (1970, S. 15) stellt die Wirkung des Forschungsprozesses auf die Lernenden in den Mittelpunkt, während Forschungsergebnisse eine zweitrangige Rolle bei der Konzeption forschenden Lernens spielen. Ebenso stellen Pedaste et al. (2015, S. 48) die Lernenden in den Mittelpunkt, so dass es ausreicht, wenn Forschungs- ergebnisse nur für Studierende neu sind.

Für Hofer (2013, S. 313) ist es primäres Ziel, anhand des durchlaufenen For- schungsprozesses, den Studierenden wissenschaftliches Arbeiten und Forschen näher zu bringen, wobei keine neuen Forschungsergebnisse erzielt werden müs- sen. Er schlägt sogar vor, schon bekannte Forschungswege mit vorhersehbaren

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Resultaten nachzuzeichnen, um die Ergebnisse kalkulierbarer zu machen und somit Frustration durch gescheiterte Forschung seitens der Studierenden vorzu- beugen.

Dieses Vorgehen bietet zwar gewisse Sicherheiten, widerspricht jedoch durch die vorgegebenen Forschungsinhalte und vorgezeichneten Forschungswege der Idee, die Studierenden aus der Rolle der unmündigen Wissensempfänger heraus- zuholen, da auf diese Weise durch eine Konsumentenhaltung schon begangene Wege nachgezeichnet werden. Zudem können die von Hellmer (2013, S. 205) angesprochenen Tiefen, Tücken, Irrwege und Umwege des Forschungsprozesses so nicht erlebt werden, da der zu begehende Weg schon bekannt ist.

Analog zur Schrift der Bundesassistentenkonferenz (BAK) (1970, S. 24f.), in der diese Lernform als genetisches Lernenvomforschenden Lernenabgegrenzt wird, plädiert auch Reinmann (2011, S. 294) dafür, dies ergänzend zumforschen- den Lernendort anzuwenden, wo es aus Zeitgründen oder mangels ausreichender Erfahrung nicht möglich ist, einen Forschungsprozess komplett selbstständig zu durchlaufen.

Einigkeit besteht also darin, dass ein Zielforschenden Lernensdarin besteht, dass die Forschungsergebnisse und der Forschungsprozess die Studierenden in ihrem Lernprozess weiterentwickeln sollen. Sie sollen an wissenschaftliche Ar- beitsweisen in ihrem jeweiligen Fachgebiet herangeführt und somit auf ein spä- teres Berufsleben vorbereitet werden (Bartz-Beielstein, 2016, S. 25).

Unterschiedliche Meinungen finden sich jedoch in Bezug auf die Relevanz der Ergebnisse für Dritte. Vor dem Hintergrund der oben dargelegten verschie- denen Positionen zu diesem Punkt erscheint es sinnvoll, im jeweiligen Kontext der Lehrveranstaltung zu entscheiden, inwiefern es für das entsprechende Lerns- zenario überhaupt relevant und realisierbar ist, Ergebnisse für Dritte zugänglich zu machen. Es ist zudem kontextabhängig abzuschätzen, inwiefern ein Zugang für Dritte die Motivation maßgeblich steigern kann oder ob dieser fakultativ ent- sprechend den studentischen Interessen eingesetzt wird.

Ebenso ist es im Kontext der jeweiligen Lehrveranstaltung zu entscheiden, ob Forschungsergebnisse unbedingt neu sein müssen, oder ob es ausreicht, den Forschungsprozess schon bekannter Ergebnisse nachzuzeichnen, um Studieren- de mit den entsprechenden Forschungsmethoden vertraut zu machen. Wichtig ist

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hierbei, dass die Studierenden an einem Erkenntnisprozess teilhaben, ohne dass sie vorliegende Ergebnisse unhinterfragt übernehmen (Bundesassistentenkonfe- renz (BAK), 1970, S. 11).

2.4 Die Zielgruppe

Innerhalb der Fachliteratur finden sich auch verschiedene Meinungen in Be- zug auf die Zielgruppe, für die forschendes Lernengeeignet ist. Bezüglich des Zeitpunkts, ab wann forschendes Lerneneingesetzt werden soll, schlägt Bartz- Beielstein (2016, S. 27) die Einführung schon für Studierende ab dem ersten Semester des Bachelorstudiums bis hin zur Promotion vor, wobei sie langsam an die Arbeitsweisen herangeführt und der Forschungsanteil sowie die Komple- xität der Aufgaben von Semester zu Semester gesteigert werden sollen. Parthey (2017, S. 51) hingegen siedelt das forschende Lernen erst ab dem Masterstudi- um an, während in den Bachelorstudiengängen die fachspezifischen Grundlagen und Methoden durch das Nachvollziehen und Rezipieren von vorhandenen For- schungsprozessen erarbeitet werden.

Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, da forschendes Lernen voraussetzt, dass die Studierenden mit den für den geplanten Forschungsprozess notwendigen Grundlagen und Methoden vertraut sind, um das Forschungsvorhaben überhaupt durchführen zu können (Bundesassistentenkonferenz (BAK), 1970, S. 17). Im ersten Fall werden diese Kompetenzen nach Bedarf parallel zu den einzelnen Stufen des Forschungsprozesses erworben, während beim zweiten Ansatz zu- nächst das gesamte Bachelorstudium zum Grundlagenerwerb dient, um diesen dann im Masterstudiengang praktisch im Forschungsprozess anzuwenden und zu vertiefen. Die Forderung,forschendes Lernennicht erst auf den letzten Abschnitt des Studiums aufzuschieben, findet sich jedoch schon bei der Bundesassistenten- konferenz (1970, S. 18) und wird auch von Reinmann (2011, S. 293f.) bestärkt, die eine Verlagerung des Forschungsbezugs auf das Masterstudium kritisiert so- wie eine frühere Einbindung in die Forschung auch schon in Bachelorstudien- gängen fordert, um schon frühzeitig die Studierenden an Forschungsmethoden heranzuführen.

Sievers und Westphal (2018) stellen ein Lernszenario auf der Basisforschen- den Lernens vor, das sie in der Politikwissenschaft ab dem ersten Semester er- folgreich mit positiven Lernerfolgen umsetzen. Die Lernenden profitieren von

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den dort erworbenen Kompetenzen auch noch im weiteren Verlauf ihres Studi- ums (Sievers & Westphal, 2018, S. 136ff.). Mit seinem geschichtswissenschaft- lichen Seminar über Indien in Heidelberg für Bachelorstudierende zeigt auch Klöber (2018), dass die Durchführung auf Bachelorniveau zum Erfolg führt. Zu- dem wenden Born und Bor (2018) forschendes Lernen gewinnbringend inner- halb eines Orientierungsstudiums an, das zur Festigung von Grundlagen und zur Studiengangsorientierung noch vor Beginn des Studiums angeboten wird. Diese Beispiele belegen, dass die Umsetzung von forschendem Lernen grundsätzlich auch schon in der Studieneingangsphase eines Bachelorstudiengangs möglich ist und gelingen kann. Eine Generalisierung für alle Studiengänge, Fachbereiche und Lernkontexte lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten und muss im Einzelfall den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend überprüft werden.

Es lässt sich jedoch aus den dargelegten Positionen in Bezug auf die Ziel- gruppe schlussfolgern, dass es die zwei beschriebenen extremen Positionen gibt, entweder ganz am Anfang oder sehr spät im Studium mit demforschenden Ler- nenzu beginnen. Beide Konzepte vermitteln die für die Forschung notwendigen Grundlagen auf unterschiedliche Weise. Zu bedenken ist hierbei jedoch auch, ob sich ggf. ein Mittelweg anbieten würde. So ist es beispielsweise denkbar, ein oder zwei Semester des Bachelorstudiums für den Grundlagenerwerb zu ver- wenden, um anschließend in den weiteren Semestern mit forschendem Lernen fortzufahren oder kontinuierlich das ganze Studium hindurch über alle Semester reine Wissensvermittlung mit forschendem Lernenzu verzahnen (Bundesassis- tentenkonferenz (BAK), 1970, S. 20f.). Hierbei vereinigen sich beide Argumen- tationsstränge, indem entweder wie beim ersten Ansatz zunächst die grundle- genden Voraussetzungen angeeignet werden, um darauf aufbauend im späteren Forschungsprozess weitere Kompetenzen und Wissen zu erlangen oder wie beim zweiten Ansatz durch die Verzahnung beides parallel vermittelt wird.

Welcher dieser Wege am besten in den entsprechenden individuellen Lern- kontext passt, ist im Einzelfall in Abhängigkeit des geplanten Lernszenarios abzuschätzen, da in den verschiedenen Fachbereichen auch die jeweils für den Forschungsprozess notwendigen Vorkenntnisse sehr unterschiedlich sind. Dies resultiert aus den differierenden fachspezifischen Forschungsmethoden, die von Fachbereich zu Fachbereich sehr verschieden sein können und daher unterschied-

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liche Vorkenntnisse erfordern (Bundesassistentenkonferenz (BAK), 1970, S. 17).

Das führt zu der Frage, für welche Fachbereiche forschendes Lernen über- haupt geeignet ist. In der Fachliteratur finden sich mittlerweile in jedem Fach- bereich Publikationen zu forschendem Lernen, woraus zu schließen ist, dass es grundsätzlich in allen Fachbereichen eingesetzt werden kann. Es zeigen sich jedoch aufgrund der unterschiedlichen Forschungsmethoden große Unterschie- de in der konkreten Ausgestaltung der Lernszenarien in den verschiedenen Fä- chern, die sich an die jeweils zugrunde liegenden Forschungsmethoden und de- ren Grundlagen anpasst, wie auch schon die Bundesassistentenkonferenz darlegt (Bundesassistentenkonferenz (BAK), 1970, S. 34ff.; Huber, 2013b, S. 12).

2.5 Die Gestaltung des Forschungsprozesses

In Anbetracht dessen, dass die Forschungsmethoden in den einzelnen Fachbe- reichen sehr unterschiedlich sind, wie im vorigen Abschnitt dargelegt, stellt sich nun die Frage, ob es ein fachübergreifendes Konzept fürforschendes Lernengibt, das in den verschiedenen Fachbereichen an die individuelle Forschungsmethodik angepasst werden kann oder ob jeder Fachbereich sein eigenes Konzept erstellen muss.

Hierzu lässt sich festhalten, dass ein gemeinsamer Grundgedankeforschenden Lernensaller Fächer das Durchlaufen eines Forschungsprozesses ist, der von den Studierenden, ihrem Ausbildungsstand entsprechend, so selbstständig wie mög- lich gestaltet werden soll. Hierzu werden folgende Schritte, nicht zwangsläufig in chronologischer Reihenfolge, vollzogen:

1. Themenfindung/Einstieg in das Forschungsfeld

2. selbstständige Formulierung der Forschungsfrage(n)/Hypothese(n) 3. Zugänge, Informationen und Forschungsstand erarbeiten

4. Methodenwahl, ggf. Aneignung neuer Methoden 5. Forschungsfrage präzisieren

6. Forschungsdesign entwickeln

7. Umsetzung des Forschungsdesigns mit Auswertung der Ergebnisse 8. Reflexion des Forschungsprozesses und Einordnung der Forschungsergeb-

nisse

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9. Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse

(Sonntag et al., 2017, S. 13; Huber, 2013a, S. 22ff.; Dürnberger, 2014, S. 44;

Tremp & Hildbrand, 2012, S. 106; Hutchings, 2007, S. 24; Mooraj & Pape, 2015, S. 3). Die einzelnen Forschungsschritte unterscheiden sich in den jewei- ligen Publikationen dahingehend, dass einzelne Schritte zusammengefasst oder weiter unterteilt werden, gehen aber grundsätzlich nach dem dargestellten Prin- zip vor. Strittig ist, ob der gesamte Forschungsprozess durchlaufen werden muss, wie es Huber (2013b, S. 11) fordert oder nur einzelne Abschnitte wie es z.B. bei Fichten (2013, S. 134) der Fall ist.

Die Schwerpunkte und Ausdifferenzierungen der Phasen werden in den ver- schiedenen Lernsettings und Fachbereichen unterschiedlich gesetzt und den je- weiligen Forschungsmethoden angepasst. Die Studierenden sollen aber beim Durchlaufen des Zyklus in allen Fächern die Lernziele so weit wie möglich selbst definieren und ihr Vorgehen eigenständig planen und organisieren (Dürnberger, 2014, S. 26).

In welcher Ausprägung und Form dies umgesetzt werden kann, ist wiederum vom Ausbildungsstand der Studierenden und den Methoden des Fachbereichs so- wie den Zielsetzungen der jeweiligen Lehrveranstaltung abhängig. Daher stellt Dürnberger (2014, S. 37ff.) ein Klassifikationsmodell vor, das sechs Kontinuen festlegt, die jeweils von zwei Polen eines Merkmals forschenden Lernens auf- gespannt werden. Im Kontinuum zwischen diesen beiden Polen gibt es beliebig viele Varianten und Ausprägungen eines Merkmals, die u.a. den Lehrenden dabei helfen sollen, den Forschungsprozess an die individuellen Bedürfnisse in ihrem Lernsetting und Fachbereich anzupassen. Hierbei sind auch die fachspezifischen Methoden der Erkenntnisgewinnung und Erkenntnisüberprüfung zu berücksich- tigen und die Schwerpunkte der zu erlernenden oder zu vertiefenden Kompeten- zen und Fertigkeiten dementsprechend danach auszurichten.

Kontinuum 1: Vorgegebenes Problem – Selbstgewähltes Problem Kontinuum 2: Subjektiv neues Wissen – Genuin neues Wissen

Kontinuum 3: Geringe Lernendenzentrierung – Hohe Lernendenzentrierung Kontinuum 4: Geringe Selbstorganisation – Hohe Selbstorganisation

Kontinuum 5: Geringe soziale Kontextualisierung – Hohe soziale Kontextuali-

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sierung

Kontinuum 6: Geringe kritisch-reflexive Auseinandersetzung – Hohe kritisch- reflexive Auseinandersetzung

Das Kontinuen-Modell kann gut in Verbindung mit dem „Züricher Frame- work“ Tremp und Hildbrand (2012) angewandt werden. Nachdem mithilfe der Kontinuen festgelegt wird, welche Ausprägung die verschiedenen Merkmalefor- schenden Lernensinnerhalb eines Lernsettings haben sollen, bietet das „Züricher Framework“ Anhaltspunkte für die Wahl der Zwischen- und Endprodukte, die in den einzelnen Schritten des Forschungsprozesses angefertigt werden können und damit den Kompetenzerwerb innerhalb des Forschungsabschnittes bestmöglich unterstützen. Beispielsweise können Exzerpte zu Fachartikeln dabei helfen, den Überblick über den Forschungsstand zu erfassen oder die Anfertigung eines Pos- ters die Forschungsergebnisse zusammenfassend in der Präsentationsphase dar- zustellen etc. Die einzelnen Produkte können bei Bedarf auch als Leistungsnach- weis verwendet und eingefordert werden (Tremp & Hildbrand, 2012, S. 106f.).

Darüber hinaus zeigt das „Züricher Framework“ Möglichkeiten für Lehrfor- mate auf, die den Forschungskompetenzerwerb in den einzelnen Abschnitten des Forschungsprozesses gut unterstützen. So eignet sich zum Beispiel eine Vorle- sung besonders dafür, einen Überblick über den Forschungsstand zu erhalten, während im Plenum eines Seminars Probleme definiert werden können (Tremp

& Hildbrand, 2012, S. 108ff.).

2.6 Abgrenzung zu anderen Lernformen

Die Abgrenzung forschenden Lernenszu anderen Lernformen verläuft teilwei- se fließend und auch hier besteht Uneinigkeit darüber, wie die unterschiedlichen Lernformen zu definieren sind, wie auch schon aus Abschnitt 2.3 mit der Dis- kussion um die Zuordnung vordefinierter Forschungsprozesse zu forschendem oder genetischem Lernenhervorgeht. Zudem werden die Begriffe für verschie- dene Konzepte inkonsistent verwendet oder teilweise als Unterkategorie demfor- schenden Lernenzugeordnet, so dass an dieser Stelle innerhalb der Forschungs- literatur kein Konsens vorliegt, was unter die Definition vonforschendem Lernen und was unter andere Konzepte zu fassen ist (Reinmann, 2013, S. 42f.).

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Reinmann (2013, S. 43) plädiert daher dafür, zu den von der Bundesassisten- tenkonferenz (BAK) (1970, S. 24ff.) vorgenommenen Abgrenzungen zurückzu- kehren, die forschendes Lernen von den allgemeineren Konzepten des geneti- schen, rezeptiven undkritischen Lernens trennt, jedoch als wichtige Ergänzun- gen betrachtet. Beimgenetischen Lernenzeichnen die Studierenden einen vorge- gebenen Forschungsprozess zu einem bereits erforschten Gegenstand nochmals nach, indem sie die wichtigsten Punkte des Forschungsprozesses erneut durch- laufen. Der Unterschied zum komplett eigenständigen Durchführen eines selbst organisierten Forschungsprozesses besteht vor allem darin, dass Kompetenzen in Bezug auf selbstständiges Arbeiten, Frustrationstoleranz und der Umgang mit Fehlschlägen und Hindernissen während der Forschung weniger intensiv einge- übt werden können, dafür der gesamte Prozess weniger Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt. Dasrezeptive Lernenumfasst die durch die Lehrenden vorge- gebene Wissensvermittlung, während das kritische Lernen auf die Vermittlung von Grundfragen und Faktoren der Erkenntnisgewinnung der jeweiligen Wis- senschaft abzielt.

Huber (2014, S. 23ff.) grenzt darüber hinaus die oft uneinheitlich verwendeten Begriffeforschungsbasiertesundforschungsorientiertes Lernenfür Lernformen mit Forschungsbezug vom forschenden Lernen ab, weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass alle Ansätze ihre Berechtigungen haben und keinem Ranking unterliegen dürfen, die das forschende Lernen als das einzig richtige Konzept darstellt. Dabei wird den Studierenden beim forschungsbasierten Lernendurch erneutes Durchlaufen eines Forschungsprozesses die Problematik, Forschungs- stand, Fragestellungen und Grundlagen vermittelt. Beimforschungsorientierten Lernen werden neben dem Forschungsgegenstand auch Methoden und wissen- schaftliche Arbeitsweisen erlernt, mit deren Hilfe zu einem späteren Zeitpunkt eigene Forschungsprojekte umgesetzt werden können.

Healy und Jenkins (2009, S. 7) haben dazu ein Modell entwickelt, bei dem sie vier Möglichkeiten darlegen, wie Studierende an Forschung herangeführt wer- den können. Hierbei entspricht im Wesentlichen die Bezeichnung research-led learningHubers (2014) Definition vonforschungsbasiertem Lernenund entspre- chend research-oriented learning dem forschungsorientierten sowie research- based learning dem forschenden Lernen. Mit dem research-tutored learning

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kommt hier jedoch noch eine vierte Dimension hinzu, bei der die Studierenden neben der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte auch aktiv an wissenschaftli- chen Diskussionen teilnehmen, der Schwerpunkt aber auf Forschungsinhalten liegt.

Rueß, Gess und Deicke (2016) erarbeiten in ihrem Beitrag ein Klassifizie- rungssystem zur Abgrenzungforschenden Lernensvon anderen Lernformen, auf dessen Grundlage sie die Definitionen der Forschungsliteratur den beiden Typen ForschenundLernenbzw. einer Mischform aus beiden zuordnen, wobei es sich bei ersterem um selbstständige studentische Forschung handelt, während letzte- rer vorgegebene Inhalte und Methoden vorsieht. Die Klassifikationen bieten zwar eine Orientierung zur Einordnung verschiedener Ansätze, eine klare Trennlinie zwischen den Lernformen ist jedoch in keinem der Modelle zu verzeichnen.

3 John Dewey’s Vorstellung von forschendem Lernen

John Dewey (1859 - 1952) wird am Ende des 19. Jahrhunderts als Philosoph und Psychologe bekannt (Knoll, 2018, S. 203f.). Sein Hauptanliegen ist die Reform der Primar- und Sekundarstufe der damaligen Schulform mit dem zentralen Er- ziehungsziel, einzigartige, leistungsfähige Kompetenzen zu fördern, welche die Lernenden dazu befähigen, sich die Welt durch deren Rekonstruktion eigenstän- dig zu erschließen. Der Großteil seiner Theorie beschäftigt sich daher hauptsäch- lich mit der Erziehung und den Unterrichtskonzepten an Primar- und Sekundar- schulen. Über die Umsetzung von forschendem Lernenan Hochschulen ist von ihm selbst wenig überliefert. Der Ausarbeitung einer Theorie für Hochschulen steht er sogar skeptisch gegenüber. Dennoch lassen sich einige seiner Grund- gedanken auch auf die Lehr-Lern-Situation an Hochschulen übertragen (Stoller, 2018, S. 452).

3.1 Deweys Auffassung von Wissenschaft

Dewey widersetzt sich der, zu seiner Zeit, traditionell vertretenen „Zuschauer- Theorie der Erkenntnis“ (spectator theory of knowledge). Diese geht davon aus, dass der Mensch durch bloßes Anschauen und Betrachten von Dingen oder der Welt zu einem Erkenntnisgewinn gelangt, der in sich abgeschlossen und festge- legt ist (Bohnsack, 2005, S. 31).

Stattdessen definiert er Wissenschaft (science) als einen fortlaufenden Prozess,

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bei dem systematisch Forschungsmethoden angewandt werden. Wenn die Me- thoden zu Ergebnissen führen, verhelfen diese dazu, den Forschungsgegenstand besser zu verstehen und zu kontrollieren. Jedoch sind die erhaltenen Ergebnis- se nicht endgültig festgelegt, sondern können entweder durch Wiederholen der- selben oder verbesserter Forschungsmethoden revidiert, bestätigt oder erweitert werden. Dabei können neue Probleme und Forschungsvorhaben entstehen, die wiederum durch Verbesserung der alten Methoden oder durch Kreieren neuer besserer Methoden untersucht werden (Dewey, 1929, S. 8f.).

Dabei zeichnet sich Wissenschaft laut Dewey dadurch aus, dass die ursprüng- lichen Probleme einer wissenschaftlichen Disziplin aus Alltagsschwierigkeiten oder Beobachtungen im alltäglichen Leben entstanden sind und sich durch den immerwährenden Forschungsprozess weiterentwickelt haben. So sei beispiels- weise der Mensch durch die Reibung von Stöcken schon zu der Erzeugung von Feuer gekommen, noch lange bevor er eine Wärmetheorie entwickelt habe. Wis- senschaftliche Untersuchungen und die daraus resultierenden Abstraktionen der alltäglichen Beobachtungen auf eine theoretische wissenschaftliche Ebene, führt hier schließlich zu einem allgemein gültigen Modell, das die ursprünglichen Be- obachtungen erklärt und verallgemeinert (Dewey, 1929, S. 16).

Bei der Entwicklung einer wissenschaftlichen Theorie oder eines Modells ist es für Dewey jedoch unerlässlich, mehrere Faktoren zu betrachten und un- tereinander abzuwägen, um Fehlinterpretationen und voreiligen oder falschen Schlussfolgerungen vorzubeugen. Dies erfordere jedoch Zeit und ggf. die Be- reitschaft, sich von älteren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu lösen (Dewey, 1929, S. 18ff.).

Grundsätzlich ist das Ziel der Wissenschaft nach Dewey immer, eine unbe- stimmte Situation über wissenschaftliche Untersuchungen mit ihren Beschrän- kungen und Bedingungen in eine bestimmte Situation zu überführen, wobei die- se kein isoliertes Objekt darstellt, sondern immer in einem kontextuellen Zu- sammenhang betrachtet werden muss. Des weiteren sollen innerhalb der unbe- stimmten Situation Fragen formuliert werden, die dann über eine Problemformu- lierung, Problemlösungsstrategien, Hypothesendefinition und schließlich durch Beobachtung und Experimentieren zu einer Lösung in die bestimmte Situation überführt werden (Dimova & Kamarska, 2015, S. 30f.).

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Diese Vorstellung von Wissenschaft legt Dewey seinem Lehr-Lern-Konzept zugrunde, das im Folgenden näher beschrieben wird.

3.2 Deweys Lehr-Lern-Konzept

Dewey lehnt die Lehrmethoden an traditionellen Schulen seiner Zeit ab, an de- nen die Lerngegenstände von den Lehrenden in der Regel vorstrukturiert und als fertiges Produkt an die Lernenden weitervermittelt wird. Das zu vermittelnde Wissen befinde sich laut Dewey in fertiger abgeschlossener Form in Büchern und in den Köpfen der Erwachsenen. Die traditionellen Lehrmethoden werden den Lernenden von oben und von außen aus der Sicht der Erwachsenen aufgezwun- gen, ohne die vorhandene Leistungsfähigkeit und die Interessen der Lernenden zu berücksichtigen. Dies führt aus Deweys Sicht zu einer Konsumentenhaltung, Übersättigung, Lethargie oder Auflehnung auf Seiten der Lernenden (Dewey, 1976, S. 18f.; Bohnsack, 2003, S. 52).

Um dem entgegen zu wirken richtet er den Lernprozess an den von den Ler- nenden selbst gewählten Zielen und den entstehenden Schwierigkeiten bei de- ren Erarbeitung aus. Durch die Reflexion der Schwierigkeiten werden Lösungen für deren Überwindung erarbeitet und somit für den jeweiligen Schritt passende Lerninhalte erworben, um das entsprechend vorliegende Problem zu lösen. Das Wissen wird dabei durch Experimentieren erworben (Bohnsack, 2003, S. 52).

Dewey führt die in Tabelle 1 gezeigten Prinzipien auf, die seiner Lehr-Lern- Theorie zugrunde liegen und sich von den Methoden der traditionellen Schulen absetzen. Er warnt jedoch davor, das bestehende Schulsystem mit seinen Werten und Methoden in das komplette Gegenteil zu verwandeln, ohne sich mit den daraus resultierenden Problemen zu beschäftigen und eine dementsprechende Theorie zu entwickeln (Dewey, 1976, S. 22).

Dieses Vorgehen setzt voraus, dass sich die Lernenden die wissenschaftlichen Methoden und Sichtweisen Deweys (siehe Abschnitt 3.1) aneignen. Entschei- dend für den Erfolg des Konzepts ist die Widerstandserfahrung, die durch ein vorliegendes Problem hervorgerufen wird und zum Ermitteln geeigneter Pro- blemlösungsstrategien anregt (Bohnsack, 2003, S. 53).

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Deweys Lehr-Lern-Konzept im Vergleich zur traditionellen Schule traditionelle Schule Deweys Lehr-Lern-Konzept Auferlegung der Lerninhalte von

oben

Förderung von Individualität externe Disziplin freie Aktivität

Lernen durch Bücher und Lehrende Lernen durch experience Erwerb isolierter Techniken und

Fertigkeiten unter Drill

Erwerb von Techniken und Fertig- keiten als Mittel zum Zweck des Er- werbs von lebensnahen Lerngegen- ständen

statische Ziele und Material Konfrontation mit einer sich ändern- den Welt

Vorbereitung auf eine ferne Zukunft Erfahrungen aus aktueller Lebens- welt machen

Tabelle 1:Vergleich traditionelle Schule und Deweys Lehr-Lern-Konzept (Dewey, 1976, S. 19f.)

4 Herleitung der Forschungsfrage

Vor diesem theoretischen Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie das in den letzten Jahrzehnten so intensiv diskutierte und populär gewordene Konzept des forschenden Lernenspraktisch innerhalb der Hochschullehre so umgesetzt wer- den kann, dass der Lernerfolg und die Qualität der Lehrveranstaltungen nach Möglichkeit ein hohes Niveau erreichen. Wann genau von hoher Qualität oder Lernerfolg einer Lehrveranstaltung zu sprechen ist, bleibt jedoch u.a. subjektiv abhängig von den eigenen Ansprüchen, Zielen und Bedürfnissen, die Lehren- de und Studierende an sich und die jeweilige Lehrveranstaltung stellen (Rin- dermann & Schofield, 2001, S. 379ff.). Dies wird schon allein durch die un- terschiedlichen Definitionen, Vorstellungen und Ausführungen vonforschendem Lernendeutlich.

Die individuelle Abstimmung von Faktoren auf Seiten der Studierenden und Lehrenden, die sich positiv auf den Lernerfolg auswirken können, bzw. die Re- duktion negativer Faktoren auf beiden Seiten, kann den Lernerfolg einer Lehr- veranstaltung erhöhen (Rindermann & Schofield, 2001, S. 393). Da sich das forschende Lernen, wie in den vorangegangenen Abschnitten dargelegt, u.a. auch stark an individuellen Bedürfnissen, Kompetenzen und Zielsetzungen der Studie- renden ausrichtet, sind dementsprechend auch die Faktoren, die den Lernerfolg

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beeinflussen entsprechend individuell anzupassen.

Daher ist es nicht sinnvoll, nach einem Kriterienkatalog zu suchen, der anhand starrer Faktoren festlegt, wieforschendes Lernenerfolgreich implementiert wer- den kann, indem die Lehrenden diesen abarbeiten und umsetzen. Vielmehr ist nach Faktoren zu suchen, die flexibel, wie kleine Stellschrauben, in die jewei- lige Lehrveranstaltung mit forschendem Lernennach Bedarf eingebaut werden und an die jeweiligen Gegebenheiten und individuellen Bedürfnisse der Lehr- Lernsituation angepasst werden können.

Hierzu gilt es im Folgenden Faktoren zu identifizieren, die zum einen for- schendes Lernenbegünstigen und zum anderen dessen Erfolg vermindern kön- nen. Diese sollen jedoch keinesfalls den Anspruch auf Absolutheit erheben, son- dern Anhaltspunkte für Lehrende bieten, die bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen mit forschendem Lernenberücksichtigt und dem individu- ellen Kontext entsprechend angepasst werden können, indem fördernde Faktoren verstärkt berücksichtigt und hemmende Faktoren reduziert werden.

Dies führt zu der folgenden Forschungsfrage:

Welche Faktoren nehmen Einfluss auf die erfolgreiche Implementierung for- schenden Lernensin der Hochschullehre?

Weiterhin kann diese Forschungsfrage in folgende Teilfragen untergliedert werden:

• Welche Faktoren auf Seiten der Lehrenden können forschendes Lernen ermöglichen?

• Welche Faktoren auf Seiten der Lehrenden können forschendes Lernen hemmen oder verhindern?

• Welche Faktoren auf Seiten der Studierenden könnenforschendes Lernen ermöglichen?

• Welche Faktoren auf Seiten der Studierenden könnenforschendes Lernen hemmen oder verhindern?

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5 Forschendes Lernen erfolgreich in der Hochschullehre ein- setzen

Es gibt verschiedene Beweggründe, warum Menschen lernen. Entweder die Ler- nenden sind intrinsisch motiviert und wollen von sich aus ein bestimmtes Pro- blem durch lernen lösen oder sie werden extrinsisch motiviert und sollen lernen, weil sie äußere Umstände dazu zwingen, obwohl sie es von sich aus eigentlich nicht wollen. Dies können im letzteren Fall beispielsweise von außen auferlegte, verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen sein, für die sich die Lernenden inhalt- lich nicht interessieren. Die Teilnahme findet lediglich aufgrund von Befürchtun- gen vor Sanktionen statt. Fallen in einer Problemsituation sowohl die intrinsische als auch die extrinsische Motivation weg, entscheidet sich das Individuum gegen das Lernen (Faulstich & Grell, 2005, S. 26).

Die Gründe dafür, warum sich Lernende bei der Konfrontation mit einem Pro- blem für oder gegen das Lernen entscheiden, sind sehr vielschichtig und kom- plex. Zum einen sind sie in der individuellen Biografie mit dem jeweiligen sozia- len Milieu, Erwartungen, Lebens- und Lernerfahrungen, situierte Einbindungen sowie persönlichen Interessen und Erfahrungen zu suchen. Zum anderen werden die Lerngründe von Hemmnissen beeinflusst, die aus den sozialen Strukturen entstehen können. Hierbei spielen beispielsweise Herkunft, Erwerbstätigkeit, be- rufliche Stellung, Alter, Geschlecht, Religion und Familienstand eine prägende Rolle. Hinzu kommen Schranken, die in der jeweiligen Institution des Lehrens und Lernens zu finden sind wie Erreichbarkeit, Zeit, Raum Angebot, Organi- sation, Personal, Programm und Support, um nur einige zu nennen. All diese Faktoren aus den drei Bereichen Institution, Biographie und soziale Strukturen nehmen Einfluss darauf, ob das Individuum eine konkrete Lernsituation als sinn- voll einstuft oder sie ablehnt (Faulstich & Grell, 2005, S. 26f.; Grell, 2006, S. 27f.).

In den folgenden Abschnitten soll nun auf der Grundlage der Forschungsli- teratur herausgearbeitet werden, welche Faktoren jeweils auf Seiten der Leh- renden und Lernenden zum einen die Lernbereitschaft im konkreten Falle des forschenden Lernens hemmen und zum anderen fördern können, um das Kon- zept forschendes Lernennach Möglichkeit kontextabhängig so weit optimieren zu können, dass eine möglichst effiziente Lehr-Lern-Situation entstehen kann, in

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der sich die Studierenden zum Lernen motivieren lassen.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass es nicht das Ziel ist, einen Leitfaden zu er- stellen, dessen Punkte bei konsequenter Abarbeitung automatisch zu einer Ler- nerfolgsgarantie führen. Dies wäre zwar wünschenswert, aber nicht leistbar, da die jeweiligen Lehr-Lern-Situationen aufgrund der in diesem Abschnitt dargeleg- ten Einflussfaktoren auf die Lernmotivation Erwachsener sehr individuell sind.

Daher müssen die Lehrveranstaltungen an die jeweils vorliegende Situation und Gruppenkonstellation angepasst werden.

Die in den Folgenden Abschnitten herausgearbeiteten Faktoren können jedoch Hinweise und Hilfestellungen bei der Konzeption und Durchführung einer Lehr- veranstaltung geben. Sie bieten eine Orientierung dabei, auf welche Punkte bei der Planung besonders zu achten ist und können Hinweise auf die Ursache für mögliche auftretende Probleme während der Durchführung des Lernsettings ge- ben. Die Faktoren stellen sozusagen mögliche Stellschrauben einer Lehrveran- staltung im Rahmen desforschenden Lernensdar, mit deren Hilfe die Lernsitua- tion an die individuellen Bedürfnisse der Studierenden angepasst werden kön- nen.

5.1 Was die Lehrenden tun können, um forschendes Lernen zu ermögli- chen

Ob die eigenständige Gestaltung und Durchführung eines Forschungsprozesses gelingt, ist nicht nur von den Studierenden abhängig. Die Lehrenden können dabei helfen, eine Lernumgebung zu schaffen, welche die Studierenden beim Erwerb der Voraussetzungen und bei der Durchführung des Forschungsprozes- ses unterstützen. Dabei agieren sie als Gestaltende der Lernumgebung (Hellmer, 2013, S. 211). Da ein Forschungsgebiet, dessen Existenz den Studierenden über- haupt nicht bekannt ist, auch nicht erforscht werden kann, ist es essentiell, sie über das Lernsetting so dort hinzuführen, dass eigenständige Forschung möglich und die Lernenden dazu motiviert werden (Hutchings, 2007, S. 12).

Vor der Detailplanung der Lehrveranstaltung ist es deshalb insbesondere in Anbetracht der Vielfältigkeit und Offenheit des forschenden Lernens wichtig, sich als Lehrende Gedanken darüber zu machen, welche Lerninhalte, Fertigkei- ten und Kompetenzen von den Studierenden nachhaltig erlernt, eingeübt und vertieft werden sollen, so dass sie idealerweise auch noch nach einigen Jahren

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abrufbar bzw. anwendbar sind (Riewerts & Weiß, 2018, S. 40).

Grundsätzlich verändert sich auch die Rolle der Dozierenden maßgeblich ge- genüber klassischen Lehrformaten an Hochschulen. Der Schwerpunkt der Akti- vität beimforschenden Lernenliegt für die Lehrenden nun hauptsächlich auf der Planungs- und Vorbereitungsphase, in welcher der Grundstein für gute Lernbe- dingungen gelegt wird. Während in der Durchführungsphase hauptsächlich die Studierenden aktiv sind, kommt den Lehrenden hier die Rolle von Lernhelfen- den, Moderierenden und Lernprozessbegleitenden zu, die auch als Ansprech- partner für Probleme, Anregungen und Feedback zu einzelnen Forschungsergeb- nissen zur Verfügung stehen sowie die benötigte Infrastruktur bereitstellen wie beispielsweise eine Online-Plattform für den studentischen Austausch oder je nach Fach Laborplätze, Forschungsausstattung etc. (Hellmer, 2013, S. 211f.; im Brahm, 2019, S. 1).

Dem Entwicklungsstand der Studierenden entsprechend kann auch die Rolle als Wissensvermittelnde hinzutreten, wenn in einzelnen Phasen des Forschungs- prozesses Basis-, Fachwissen oder Methodenkompetenzen benötigt werden, um den Forschungsprozess bewältigen zu können. Diese können in Form von Vor- lesungen, Kompaktseminaren, aber auch durch die Bereitstellung schriftlicher Informationen erfolgen (Hellmer, 2013, S. 212).

Jedoch ändert sich nicht nur die Rolle der Lehrenden, sondern auch die der Studierenden von Auszubildenden und Wissenskonsumierenden in Forschende, die von den Lehrenden auf Augenhöhe betrachtet werden sollten. Dieser Rollen- tausch kann nur dann vollzogen werden, wenn die konventionellen universitären Strukturen aufgebrochen und die Lehrenden die Studierenden bewusst als For- schungsteammitglieder auf Augenhöhe begegnen (Wulf, Haberstroh, Falkenha- gen, Kergel & Heidkamp, 2018, S. 386).

Zudem setztforschendes Lerneneinen hohen Anteil an Selbstlern-, Handlungs- und Selbststeuerungskompetenzen bei den Studierenden voraus, um einen For- schungsprozess eigenständig planen und durchführen zu können, die zugleich auch mit der Durchführung eigener Forschung erlernt und gestärkt werden (Hu- ber, 2013b, S. 9f.). Forneck und Springer (2005, S. 108f.) schlagen deshalb für selbstgesteuertes Lernen im Allgemeinen eine individuelle Lernberatung durch die Lehrenden vor, die den Lernenden dabei helfen, ihren Lernprozess den ei-

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genen Fähigkeiten entsprechend zu gestalten. Dabei können die Lehrenden auf die individuellen Voraussetzungen, Bedürfnisse und Kompetenzen der Lernen- den eingehen und somit in ihrem jeweiligen Lernprozess unterstützen. Zudem können studentische Tutoren und Tutorinnen mit entsprechender Forschungser- fahrung als Ansprechperson für Fragen und Probleme hinzugezogen werden, um die Lehrenden zu entlasten (Hellmer, 2013, S. 220).

Damit der rote Faden der Lehrveranstaltung stets sichtbar bleibt, sollten regel- mäßig Feedbacks durch die Lehrenden an die Individuen, aber auch an die Grup- pe gegeben werden, damit alle Teilnehmenden stets über die Art ihrer Aufgaben, die entsprechenden Methoden, Termine und ggf. Aufgaben mit Forschungspart- ner oder -gruppe Bescheid wissen (Sonntag & Rueß, 2018, S. 30). Für diese be- ratenden Tätigkeiten benötigen die Lehrenden diagnostische Kompetenzen, mit deren Hilfe sie die Lernprozesse der Studierenden analysieren und diagnostizie- ren können. Auf diese Weise können die Probleme und Bedürfnisse der Studie- renden ermittelt und individuelle Hilfestellungen gegeben werden (Forneck &

Springer, 2005, S. 112).

In der Themenfindungsphase können die Studierenden beim Auffinden von Forschungslücken mit gezielten Impulsen unterstützt werden. Hier ist beispiels- weise der Einsatz faszinierender, provozierender oder verblüffender Fragen mög- lich, welche die Studierenden zum Nachdenken über den Lerngegenstand anre- gen sollen (Riewerts & Weiß, 2018, S. 40f.). Auch bereit gestellte Materialien wie Texte, Aufgabenstellungen, die zu einem bestimmten Thema hinführen oder authentische Situationen können dies unterstützen (im Brahm, 2019, S. 1). Die Impulse müssen jedoch immer an die jeweiligen Kompetenzen und Vorkenntnis- se der Studierenden angepasst sein, um einer Überforderung vorzubeugen. Sind beispielsweise keinerlei Vorkenntnisse bezüglich einer erfolgreichen Literatur- recherche in der Studieneingangsphase vorhanden, können einfache Literaturan- gaben zu entsprechender Forschungsliteratur zu Misserfolgen führen, weil den Studierenden die Kompetenzen für eine adäquate Literaturrecherche fehlen. Da- her ist es hilfreich, sich als Lehrende die Lernhindernisse der Studierenden vor Augen zu führen und mit dem eigenen Vorgehen während eines Forschungspro- zesses abzugleichen, um den Lernenden entsprechende Strategien mit auf den Weg geben zu können, wie sie Probleme und Hindernisse beim Forschen meis-

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tern können (Kaduk & Lahm, 2018, S. 83ff.).

Da die Motivation der Studierenden für das Forschungsvorhaben stark davon abhängt, wie hoch das individuelle Interesse für den Forschungsgegenstand ist, sollten die Lehrenden innerhalb ihrer Möglichkeiten bestrebt sein, insbesonde- re in Pflichtveranstaltungen an den inhaltlichen Interessen der Lernenden an- zuknüpfen. Dies kann durch Abfrage und Diskussion der Teilnahme- und Aus- gangsmotivation zu Beginn der Lehrveranstaltung oder durch die Anregung zum Nachdenken und Reflektieren über den Lerngegenstand gefördert werden (Sonn- tag & Rueß, 2018, S. 28). Zudem kann eine Darlegung durch die Lehrenden, was die eigene Begeisterung und das Interesse für den Forschungsgegenstand auslöst und warum die Lehrenden selbst an diesem Thema forschen, weitere Motivation bei den Studierenden erwecken (Hutchings, 2007, S. 17).

Auch Grell (2013, S. 888f.) betont die Wichtigkeit, auf die Interessen der Stu- dierenden einzugehen, um sie für den Forschungsprozess gewinnen zu können.

Hierfür müssen ihr zufolge die hierarchischen Strukturen, die zwischen den Leh- renden und Lernenden im klassischen universitären Umfeld vorliegen, aufgebro- chen, in Teilen abgebaut und die Studierenden von den Lehrenden auf Augen- höhe in sämtliche Entscheidungs- und Themenfindungsprozesse mit einbezogen werden. Unterschiedliche Interessen werden zwischen den Lehrenden und Stu- dierenden besprochen und Lösungen ausgehandelt.

Manchmal benötigen die Studierenden aber auch Anleitung, wie sie über- haupt zu ihren eigenen Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten finden, wenn sie sich deren noch nicht bewusst sind, um ein Interesse für Forschungsschwer- punkte entwickeln zu können. Dies kann zum Beispiel mithilfe entsprechender Seminare im Vorfeld desforschenden Lernensdurchgeführt werden, wie dies an der Universität Hohenheim mit dem Seminar „Feuer und Flamme“ zum Einsatz kommt. Hier erlernen bzw. stärken die Studierenden Forschungskompetenzen wie eigene Forschungsinteressen zu identifizieren, strukturiertes Herangehen an Forschungsfragen, Aufgaben mit eigenen Stärken abstimmen, Prioritäten setzen, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden und ihr Studium zielgerichtet nach diesen Kriterien auszurichten (Hartung, 2018, S. 52ff.). Denkbar wären hierzu aber auch einzelne Sitzungen oder Kurseinheiten zu diesem Bereich im Vorfeld einer Lehrveranstaltung mitforschendem Lernenoder nach Bedarf zu einzelnen

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Themenschwerpunkten während der Lehrveranstaltung.

Außerdem kann die Motivation der Studierenden zusätzlich gesteigert wer- den, wenn die Lehrenden die Relevanz des Lehrveranstaltungsthemas für die Lebenswelt der Studierenden transparent darlegen. Dies kann die Offenlegung der Bedeutung des Themas für den jeweiligen Fachbereich im Allgemeinen, für die weiterführenden Arbeiten der Studierenden an der Hochschule im Besonde- ren oder für das spätere Berufsleben der Studierenden sein. Wenn die Studieren- den zudem über die einzelnen Lernziele und die Sinnhaftigkeit, diese im Format desforschenden Lernenszu erwerben, informiert werden, können sie besser ein- schätzen, inwiefern eine solche Lehrveranstaltung für sie relevant ist und ob sich ein erhöhter Arbeitsaufwand lohnt (Riewerts & Weiß, 2018, S. 39).

Nach der Themenfindung müssen Fragestellungen und Forschungshypothesen durch die Studierenden entwickelt werden, welche ebenfalls der Unterstützung in Form von individueller Beratung und Impulsgebung durch die Lehrenden bedür- fen (im Brahm, 2019, S. 2). Die Studierenden sollten dabei von den Lehrenden frühzeitig auf Hindernisse, Rückschläge, Irrwege und Herausforderungen wäh- rend der Durchführung des Forschungsvorhabens vorbereitet werden, um Ver- sagensgefühlen und Abwehrhaltungen gegenüber Forschung vorzubeugen. Die Studierenden sollten darauf vorbereitet werden, dass auch Misserfolge zum For- schungsprozess dazu gehören und auch aus Rückschlägen und Fehlern gelernt werden kann. Um aber möglichst viele positive Erfolgserlebnisse zu erfahren und eigene Kompetenzen erleben und schärfen zu können, sollten die Lehrenden darauf achten, dass Zeit, Art und Umfang der studentischen Forschungsvorhaben in einem realistischen, schaffbaren Rahmen bleiben (Sonntag & Rueß, 2018, S. 29f.).

Auch die daran anschließende Entwicklung eines geeigneten Forschungsdesi- gns durch die Studierenden ist nur dann erfolgreich, wenn den Lernenden die zur Verfügung stehenden Forschungsmethoden und Möglichkeiten der Ausgestal- tung bekannt sind. Auch hier kann durch individuelle Beratung eruiert werden, welche Kompetenzen und Fertigkeiten hierfür fehlen, um gezielt durch adäqua- te Literatur oder Methodentraining entgegenzuwirken. Ist dies gut vorbereitet, können die Studierenden in der Regel die anschließende Durchführung des For- schungsprozesses eigenständig übernehmen (im Brahm, 2019, S. 2).

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Für die Auswertung, Dokumentation und Präsentation der Ergebnisse sollten klare Richtlinien und Erwartungen durch die Lehrenden festgelegt und vermittelt werden. Fehlende Kompetenzen auf Seiten der Studierenden können durch par- allel eingerichtete Lernszenarien erworben werden (im Brahm, 2019, S. 3). Dar- über hinaus ist es sinnvoll, die Art des Abschlussprodukts schon am Anfang der Lehrveranstaltung festzulegen, um gezielt daraufhin arbeiten zu können. Hierbei können auch gemeinsam Zwischenziele vereinbart werden, um den Zeitdruck am Ende der Lehrveranstaltung zu verringern. Mithilfe geeigneter Dokumen- tationsformen wie beispielsweise Portfolios, Wikis oder kurze Zwischenberichte können Zwischenergebnisse und Forschungserfolge festgehalten werden, um das Erstellen des Abschlussproduktes zu erleichtern (Sonntag & Rueß, 2018, S. 29).

Erfolgt der Forschungsprozess innerhalb einer heterogenen Gruppe, sollten den jeweiligen Voraussetzungen und Kompetenzen der Studierenden entspre- chend Rollen und Aufgaben zugewiesen werden, die vorzugsweise gemeinsam innerhalb der Gruppe erarbeitet und festgelegt werden (Sonntag & Rueß, 2018, S. 30).

In Tabelle 2 sind die in diesem Abschnitt herausgearbeiteten Faktoren, die dasforschende Lernendurch die Lehrenden unterstützen und sich damit positiv darauf auswirken können in einem Überblick nochmals kurz zusammengefasst.

Zusammenfassung fördernde Faktoren Lehrende

1. Neue Rolle der Lehrenden

Aktivität in der Planungs- und Vorbereitungsphase durch Gestaltung der Ler- numgebung

Passivität in der Durchführungsphase durch Rolle als Lernhelfende, Impulsge- bende und Moderierende

Wissensvermittlung von Lehrenden ausgehend nur wenn für Forschungsprozess notwendig

individuelle Lernberatung für bedarfsgerechten Lernprozess 2. Umgang mit Studierenden

Begegnung gegenüber Studierenden auf Augenhöhe Studierende in Rolle als Forschungsteammitglieder stärken

Einbeziehung der Studierenden in Entscheidungs- und Themenfindungsprozesse

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auf Interessen der Studierenden eingehen 3. Impulse zur Motivationssteigerung

Offenlegung der Relevanz der Lehrveranstaltung für aktuelle und zukünftige Le- benswelt der Studierenden

Offenlegung der Relevanz des Konzepts forschendes Lernen für Lehrveranstal- tung

Anleitung, wie Studierende zu eigenen Interessen finden können

Vorbereitung der Studierenden auf mögliche Misserfolge, Hindernisse, Irrwege und Rückschläge während des Forschungsprozesses

nachhaltige Lernziele festlegen 4. organisatorische Faktoren

fehlende Forschungskompetenzen der Studierenden eruieren und ausgleichen Zeit und Umfang der studentischen Forschungsprojekte im Blick halten und ent- sprechend beraten

geeignete Infrastruktur für jeweilige Forschungsvorhaben bereitstellen am Anfang gemeinsam Zwischenziele und Abschlussprodukte festlegen

auf klare Rollen- und Aufgabenverteilung innerhalb des Forschungsteams achten Tabelle 2: Faktoren auf Seiten der Lehrenden, die das forschende Lernen fördern können

5.2 Hindernisse beimforschenden Lernenauf Seiten der Lehrenden Oft werden Lehrende bei der Planung und Durchführung forschenden Lernens mit Schwierigkeiten konfrontiert. Diese können sich aus einem erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand ergeben, der aus dem individuellen Beratungsbedarf der Stu- dierenden resultieren kann. Hier wird oft mehr Zeit benötigt als in konventio- nellen Lehrveranstaltungen (Huber, 2016, S. 4). Zudem nimmt die Organisa- tion und Gestaltung einer adäquaten Lernumgebung für die Studierenden viel Zeit und Arbeit in Anspruch, da je nach Lernsetting beispielsweise geeignete Lernmaterialien, Forschungsfelder oder Möglichkeiten für die Veröffentlichung der Ergebnisse etc. zusammengestellt werden müssen. Sind Kooperationen mit außeruniversitären Partnern geplant, müssen hierfür zeitaufwändig Kontakte ge- knüpft und aufgebaut werden. Dieser erhöhte Aufwand sollte bei der Planung

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einer Lehrveranstaltung berücksichtigt werden und kann abschreckend auf Lehr- kräfte ohne Erfahrung mitforschendem Lernenwirken (Hellmer, 2013, S. 217).

Deutliche Unterschiede im Planungs- und Arbeitsaufwand ergeben sich auch aus der politischen Haltung der gesamten Hochschule oder des jeweiligen For- schungsinstituts gegenüberforschendem Lernen. Ist ein kompletter Studiengang oder sogar alle Studiengänge einer Hochschule im Format desforschenden Ler- nens ausgerichtet, können verschiedene Lehrveranstaltungen aufeinander auf- bauen und Voraussetzungen für die Implementierung eines erfolgreichen For- schungsprozesses verzahnt in mehreren Lehrveranstaltungen erworben und ein- geübt werden. Als singuläre Veranstaltung innerhalb eines Hochschulbetriebs mit ansonsten überwiegend konventionellen Lernsettings, fällt den einzelnen Leh- renden deutlich mehr Planungs- und Arbeitsaufwand zu, da viele der Vorausset- zungen mit der einen Lehrveranstaltung abgedeckt werden müssen (Wilhelm &

Kasteel, 2014, S. 258ff.; Hofhues & Mallwitz, 2016, S. 259).

Des Weiteren ist die richtige Mischung zu finden zwischen Freiheit und Ei- genständigkeit der Studierenden einerseits und Vorgaben mit festen Strukturen, Unterstützung und Rahmenbedingungen andererseits. Dies ist für die Lehren- den oft nicht einfach. Es gleicht einer Gratwanderung, das optimale Verhältnis zwischen diesen beiden Polen herauszufinden, so dass die Studierenden mög- lichst viel Freiraum und Selbstbestimmung erleben, jedoch zugleich nicht über- fordert sind oder die Orientierung und Zielsetzung innerhalb des Projekts verlie- ren (Sonntag & Rueß, 2018, S. 30).

Ein weiteres Problem, das sich Lehrenden stellen kann, sind die Automatis- men bezüglich der eigenen fachwissenschaftlichen Kompetenzen und Fertigkei- ten. Dies bedeutet, dass den Lehrenden oftmals nicht mehr bewusst ist, wel- che Voraussetzungen notwendig und hilfreich bei der Durchführung eines For- schungsprozesses sind, da die Denk-und Arbeitsweisen von den Lehrenden selbst routinemäßig, selbstverständlich und ohne darüber nachzudenken angewendet werden. Studierende hingegen müssen dies ihrem Ausbildungsstand entspre- chend erst erlernen (Kaduk & Lahm, 2018, S. 83ff.).

Der Rollenwechsel der Lehrenden von Dozierenden zu Lernbegleitenden, der mit der Umstellung aufforschendes Lerneneinhergeht, birgt nicht nur Chancen für eine selbstbestimmte Ausbildung der Studierenden, sondern stellt die Leh-

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