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Vergleichende Untersuchung der Primärstabilität von Kirschnerdrähten aus Stahl und Formgedächtnislegierungen: eine experimentelle In-vitro-Studie an humanen und bovinen Knochen

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Academic year: 2022

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AUS DER UNFALLCHIRURGISCHEN KLINIK DES ZENTRUMS FÜR CHIRURGIE DER MEDIZINISCHEN HOCHSCHULE HANNOVER

Vergleichende Untersuchung der Primärstabilität von Kirschnerdrähten aus Stahl und

Formgedächtnislegierungen.

Eine experimentelle In-vitro-Studie an humanen und bovinen Knochen

DISSERTATION

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Wali Monschizada

aus Hannover

Hannover, 2007

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 10.06.2008

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer: Prof. Dr. med. Tobias Hüfner

Referent: Prof. Dr. med. Burkhard Wippermann Korreferent: PD Dr. med. Gabriela von Lewinski Tag der mündlichen Prüfung: 10.06.2008

Promotionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. Henning Windhagen Prof. Dr. Claus Petersen Prof. Dr. Michael Winkler

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Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG ... 3

1.1 ANATOMIE... 3

1.1.1 Gefäßversorgung des proximalen Humerus und Humeruskopf ... 4

1.1.2 Nekroserisiko des proximalen Humerus ... 5

1.2 INDIREKTE UND DIREKTE FRAKTURHEILUNG... 6

1.2.1 Indirekte Frakturheilung ... 6

1.2.2 Direkte Frakturheilung ... 9

1.3 KLASSIFIKATION DER PROXIMALEN HUMERUSFRAKTUR... 9

1.3.1 Klassifikation nach Neer ... 9

1.3.2 AO-Klassifikation... 11

1.4 PROBLEMATIK... 13

1.5 BEHANDLUNGSSTRATEGIEN... 14

1.5.1 Operative Zugänge ... 14

1.5.2 Kirschner-Drähte/Intramedulläre Drähte/Marknagel... 15

1.5.3 Schraubenosteosynthese ... 16

1.5.4 Spickdrahtosteosynthese... 17

1.5.5 Drahtcerclage... 17

1.5.6 Plattenosteosynthese ... 18

1.5.7 Humeruskopfprothese ... 19

1.5.8 Resektionarthroplastik ... 19

1.6 FORMGEDÄCHTNISLEGIERUNGEN... 20

1.6.1 Biokompatibilität der FGL-Drähte ... 20

1.6.2 Medizinische Anwendungsbereiche der FGL-Drähte ... 23

2. ZIELSETZUNG ... 25

3. MATERIAL UND METHODIK ... 27

3.1 IMPLANTATE... 27

3.1.1 Metallurgischen Eigenschaften der FGL-Drähte ... 27

3.2 EXPERIMENTELLE FGL-VERSUCHE... 31

3.2.1 Messung der Knochendichte ... 32

3.2.2 Biegesteifigkeitstestung ... 33

3.2.3 Konstruktion der biomechanischen Testung ... 35

3.2.4 Begradigung der FGL-Drähte ... 37

3.2.5 Präzisionsmessung der Drähte... 40

3.2.6 Oberflächenrauhigkeit der Drähte... 41

3.2.7 Biomechanische Testung ... 42

(4)

4. ERGEBNISSE ... 47

4.1 STATISTISCHE ANALYSEN... 47

4.2 MESSUNGEN DER KNOCHENDICHTE... 47

4.3 BIEGE- UND STEIFIGKEITSVERSUCHE... 48

4.4 PRÄZISIONSMESSUNGEN... 49

4.5 OBERFLÄCHENRAUHIGKEIT... 51

4.6 AUSWERTUNG DER AUSREIßVERSUCHE... 52

4.6.1 Auszugskraft der Gesamtdrähte an humanen Humerusknochen ... 53

4.6.2 Auszugskraft der FGL-NiTi-Drähte an humanen Humerusknochen... 54

4.6.3 Auszugskraft der Gesamtdrähte an bovinen Spongiosaquadern... 56

4.6.4 Auszugskraft der FGL-NiTi-Drähte an bovinen Spongiosaquadern ... 57

5. DISKUSSION... 59

5.1 VERSUCHSAUFBAU... 65

5.2 BOHRVERHALTEN... 67

5.3 AUSZUGSKRÄFTE DER DRÄHTE... 68

5.4 PROBLEME... 70

5.5 AUSBLICK... 71

6. ZUSAMMENFASSUNG... 73

7. LITERATURVERZEICHNIS ... 75

8. ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 83

9. ANHANG ... 85

10. LEBENSLAUF... 94

11. ERKLÄRUNG NACH § 2 ABS. 2, NR. 6 UND 7... 95

12. DANKSAGUNG... 96

(5)

1. Einleitung 1.1 Anatomie

Der Humerus besteht aus dem Corpus humeri und der Extremitas proximalis et distalis. An den halbkugelförmigen Oberarmgelenkkopf, Caput humeri, schließt sich das Collum anatomicum an. Das unterhalb von ihm liegende Tuberculum majus ist nach lateral, das Tuberculum minus nach ventral gerichtet. Beide Tubercula setzen distalwerts in Leisten, Crista tuberculi majoris und Crista tuberculi minoris, fort.

Knapp unterhalb von Tuberculum majus et minus liegt eine besonders bruchgefährdete Stelle, das Collum chirurgicum.

An der Diaphyse, Corpus humeri unterscheidet die Nomenklatur eine Facies anteromedialis und anterolateralis und eine Facies posterior, sowie eine Margo medialis und lateralis. Die Seitenfläche des Humeruschaftes ist in Höhe des Endes der Crista tuberculi majoris zur Tuberositas deltoida aufgerauht, wo der Musculus deltoideus ansetzt. An der Facies posterior, sowie des Schaftes verläuft spiralig eine flache, oft nur andeutungsweise erkennbare Rinne, Sulcus nervi radialis, der sich der gleichnamige Nerv mit der A.und V. profunda brachii anlagert.

Der N. radialis, der kranial dem Fasciculus posterior des Plexus brachialis entstammt, verläuft dann von axillär nach dorsal direkt auf dem Periost des Humerus in Schaftmitte und distal unter seinem Leitmuskel, dem M. brachioradialis.

Der distale Abschnitt des Humerus ist dorsoventral abgeplattet und die Margines des Schaftes gehen hier in Cristae supracondylares über. Das distale Ende des Condylus humeri bilden die Trochlea humeri und lateral von ihr das Capitulum humeri. Die Vertiefung auf der Vorderseite oberhalb des Capitulum ist die Fossa radialis, oberhalb der Trochlea die Fossa coronoida. Ihr entspricht auf der Rückseite die Fossa olecrani. Die Crista supracondylaris lateralis läuft distalwärts unter Verbreiterung des Schaftendes in den Epicondylus lateralis aus und die Crista supracondylaris medialis in den weiter vorspringenden Epicondylus medialis. An seiner Unterseite liegt der Sulcus nervi ulnaris für den gleichlautenden Nerven

(94,106).

(6)

1.1.1 Gefäßversorgung des proximalen Humerus und Humeruskopf

Seit den klassischen Untersuchungen von Laing (56) ist bekannt, dass die Hauptversorgung des proximalen Humerus und Humeruskopfes über den anterolateral aufsteigenden Ast der A. circumflexa humeri anterior und ihren Endast, die A. arcuata läuft. Beide stammen aus dem proximalen Abschnitt der A. axillares in Übergang zu A. brachialis.

Die A. circumflexa humeri anterior verläuft am Unterrand der Subscapularissehne zum Collum chirurgicum, unterquert die lange Bizepssehne und gibt, bevor sie in den M. deltoideus eintritt, einen Ramus ascendens ab (96). Dieser verläuft entlang des lateralen Rands des Sulcus intertubercularis, um auf Höhe des Tuberculum majus in den Kopf einzutreten. Ihr bogenförmiger Verlauf im Humeruskopf wird als A. arcuata bezeichnet.

Abbildung 01. Gefäßversorgung des Humerus(Netter)

Nach den Untersuchungen von Gerber (29) konnte durch Perfusion der A. arcuata der gesamte epiphysäre Kalottenanteil angefärbt werden. Die A. circumflexa posterior perfundierte dagegen nur den hinteren Teil des Tuberculum majus sowie einen kleinen postero-inferioren Teil des Humeruskopfes. Trotz zahlreicher Anastomosen war die Durchblutung des gesamten Kopfes nur über den

(7)

schonen ist, und dass das Risiko einer Kopfnekrose steigt, je näher ein Gefäßschaden am Eintritt des Gefäßes in den Knochen liegt (29).

Meyer et al. führten eine Studie bezüglich der arteriellen Versorgung des Humeruskopfes und deren Relevanz in Frakturbehandlung durch. Auch hier konnte gezeigt werden, dass trotz zahleicher Anastomosen, die Durchblutung des Humeruskopfes hauptsächlich über Äste der A. circumflexa anterior versorgt wird und dass mit zunehmender Anzahl der Frakturfragmente das Nekroserisiko ebenfalls ansteigt (67).

Seggl (96) betonte jedoch, dass für die Durchblutung besonders des medialen Anteils des Kalottenfragments auch Gefäßäste aus einem sogenannten Collumsegment entscheidend sind. Voraussetzung hierfür ist die intakte Periostverbindung zu diesem „4. Humeruskopffragment“. Brooks (14) bestätigte in Perfusionsstudien signifikante Anastomosen zwischen der A. arcuata und der A.

circumflexa posterior über Gefäße, die am posteromedialen Humerusschaft eintreten.

Experimentell konnte gezeigt werden, dass die Kopfdurchblutung erhalten war, wenn die Fraktur am chirurgischen Hals verlief (14).

1.1.2 Nekroserisiko des proximalen Humerus

Die Humeruskopfnekrose nach Mehrfragmentfrakturen ist eine häufige Komplikation und kann die Prognose ganz wesentlich beeinflussen. So verschlechterte eine Voll- oder Teilnekrose das funktionelle Ergebnis nach operativ versorgten Drei- und Vierfragmentfrakturen signifikant (15,90). Die Häufigkeit der Nekrose ist abhängig von der Frakturform, aber auch vom therapeutischen Vorgehen und damit verbundenen zusätzlichen Weichteilschaden. Sie lag bei Vierfragmentfrakturen zwischen 26,3 % (46), 46,2 % (76,77), 59 % (15,90) und 75 % (58). Die Nekroserate steigt von Drei- zu Vierfragmentfrakturen etwa um den Faktor 2 bis 3 (39). Für die klinische Beurteilung des Nekroserisikos ist es entscheidend, ob durch eine Translationsverschiebung des Kopfes gegenüber dem Schaft die mediale Periostverbindung zum Kopf unterbrochen wurde.

Frakturen im anatomischen Hals sind zwar seltener, haben aber ein höheres Nekroserisiko als diejenigen im chirurgischen Hals. Offene Repositionen und ausgedehnte Stabilisierungen mit Platten erhöhen das Nekroserisiko (6,15,90).

(8)

1.2 Indirekte und direkte Frakturheilung 1.2.1 Indirekte Frakturheilung

Ähnlich wie die Wundheilung läuft auch die Frakturheilung in fünf Phasen ab. Da der frakturierte Knochen nicht direkt wiederhergestellt wird, sondern über einen periostalen und endostalen Kallusauf- und umbau entsteht, spricht man von der indirekten Frakturheilung. Sie stellt die regelhafte Frakturheilung dar und wird von der direkten Frakturheilung bei Spaltbrüchen und Plattenosteosynthesen mit Kompression unterschieden (4,16).

Die fünf Phasen der indirekten Frakturheilung sind die Verletzungsphase, die Entzündungsphase, die Granulationsphase, die Phase der Kallushärtung und die Remodellingsphase. Die indirekte Frakturheilung, die bei konservativer Knochenbruchbehandlung, Marknagelosteosynthese oder Fixateur-externe- Behandlung regelmäßig eintritt, ist gekennzeichnet durch die Bildung eines primären Fixationskallus (53,66,74).

In der Entzündungsphase führt die Zerreißung von Knochen-, Knochenmarks- und Periostgefäßen zur Entwicklung eines mehr oder minder ausgedehnten Hämatoms mit lokaler Infiltration von Granulozyten, Mastzellen und Monozyten. Die Mastzellen sind über Histaminfreisetzung an der primären Entzündungsreaktion und hierbei insbesondere an der Kapillardilatation beteiligt. Die Monozyten stellen nicht nur die Ausgangszelle für Makrophagen, sondern auch die Ursprungszelle für Osteoklasten dar. Im Frakturhämatom finden sich weiterhin pluripotente Stammzellen mesenchymaler Herkunft als Vorläufer der Osteoblasten. Diese sezernieren Wachstumsfaktoren und Cytokine, die für die Steuerung der Zellinfiltration, Angiogenese und Zelldifferenzierung eine zentrale Rolle spielen. Die Blutversorgung entspringt in dieser Phase überwiegend den periostalen Gefäßen und steigt in der 2.Woche nach einer Fraktur um das Mehrfache an. Eine entscheidende Bedeutung auch für den weiteren Heilungsverlauf ist die Bildung eines Fibringerüstes unter

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Wachstumsfaktoren bei der Knochenbildung

Abbildung 02. Wachstumsfaktoren bei der Knochenbildung

Systemisch wird vor allem der Calciumstoffwechsel über den Parathormon- und Vitamin-D-Stoffwechsel in den Reparationsprozeß einbezogen. Unter dem Einfluß von Fibroblasten und Osteoblasten entsteht neues Kollagen, vor allem Typ l- Kollagen. Zwischen den Kollagenfibrillen werden bereits in dieser Frühphase Mineraldepots abgelagert, so dass am Ende der Granulationsphase nach 4-6 Wochen ein so genannter weicher Kallus, auch Fixationskallus genannt, vorliegt.

Diese frühe Kallusbildung schreitet von peripher nach zentral zur Frakturzone fort, wozu die Kambiumschicht des Periostes mit den so genannten Spindelzellen, den Osteoprogenitorzellen, wesentlich beiträgt. Im weiteren Verlauf differenzieren sich diese Zellen zu Osteoblasten aus. Während der Granulationsphase sezernieren vor allem Makrophagen Matrixproteine aus, die wiederum die Osteoblastenproliferation fördern. Zu ihnen zählen Osteocalcin, Osteogenin und das Bone morphogentic protein(BMP). Dieser Prozeß des Abbaus des zerstörten Knochens hin zu ersten neuen Knochenstruktur, dem Geflechtknochen wird von der so genannten Bone metabolizing unit(BMU) getragen. Im zentralen Frakturbereich finden sich chondroide Zellen, Osteochondroblasten und später überwiegend Osteoblasten, die zur enchondralen Ossifikation beitragen.

Nach Kontakt der Frakturenden über den so genannten weichen Kallus beginnt die Phase der Kallushärtung mit zunehmender Mineralisation der Grundsubstanz. In dieser Phase entsteht der Geflechtknochen, dessen Struktur anfangs durch die einsprossenden Kapillaren vorgegeben ist und sich im weiteren Verlauf an der Richtung der Belastungsachse orientiert. Die Dauer der Kallushärtung wird mit 3-4 Monaten angegeben, wobei der Knochen dann wieder der physiologischen Belastung standhält( 17,20,101).

(10)

Frakturhämatom und Entzündungsphase

-Kontinuität des Periosts, der Kortikalis und Spongiosa ist unterbrochen

-Hämatombildung im Frakturspalt und in den angrenzenden Weichteilen

-Blutstillung und Resorption des Hämatoms

-Abgrenzung der Fraktur von den Weichteilen durch Bindegewebsschicht aus dem Periost

-Absterben zentraler Osteozyten

-Beginn der Osteogenese aus unverletzten Haverschen Kanälen

4-6 Wochen nach Fraktur

-Auffüllung der Frakturhöhle durch Knorpelzellen von peripher nach zentral

-Langsame Revaskularisation der Haverschen Kanäle -Herstellung der medullären Durchblutung

-Appositionale Knochenbildung im Grenzbereich

-Verschluß der periostalen Bindegewebeschicht zu den angrenzenden Weichteilen

Heilungsverlauf nach 12 Wochen -Enchondrale Ossifikation und Kallusbildung

-Abschluß der Längsüberbrückung der Fraktur im Markbereich

-Beginn des Remodelings über Wiederherstellung durchgängiger Haverschen Kanäle und Ossifikation im Kortikalisbereich

Abbildung 03. Histomorphologischer Ablauf der Frakturheilung

Durch die Aktivität der so genannten BMU entsteht in dem Monate andauernden Prozeß des Modellings aus dem Geflechtknochen der lamelläre Knochen mit Haversschen Systemen. Über diese Umorganisation wird die Ernährung des Knochens von einer überwiegenden Diffusion in der Phase der Kallushärtung wieder

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und Endostes. Die Wiederherstellung der ursprünglichen Knochenstruktur einschließlich eines Markraumes stellt den weitergehenden Vorgang des Remodellings dar und ist bei regelrechtem Heilungsvorgang nach 6-24 Monaten abgeschlossen.

1.2.2 Direkte Frakturheilung

Im Gegensatz zur indirekten Frakturheilung entsteht bei der direkten Frakturheilung kein primärer Geflechtsknochen durch peri- und endostale Kallusbildung. Die direkte Frakturheilung tritt nur bei idealer stabiler Wiederherstellung der anatomischen Knochenstruktur auf, wie dies in der Regel nach Fissuren oder Plattenosteosynthese mit Kompression gegeben ist. Die direkte Frakturheilung beginnt mit dem Vorwachsen der Haversschen Systeme in das gegenüberliegende Frakturende.

Hierbei dringen kugelförmig angeordnete Osteoklasten in die Frakturzone ein und schneiden dort Kanäle aus. Den Osteoklasten folgen ähnlich den BMU die kapillären Einsprossungs- und Entzündungszellen einschließlich der Osteoblasten. Diese füllen die Kanäle konzentrisch auf, bis neue Knochenlamellen entstehen. Von dieser Kontaktheilung wird die Spaltheilung unterschieden, die bei schmalem Frakturspalt von weniger als 0,5 mm beobachtet wird. Hier wird zunächst der Spalt quer zur Achse durch Geflechtknochen aufgefüllt und anschließend durch längsverlaufende Knochenkanäle ersetzt (13,63,68).

1.3 Klassifikation der proximalen Humerusfraktur 1.3.1 Klassifikation nach Neer

Die weltweit am meisten verwendete Frakturklassifikation ist die nach Neer (76). Sie beruht auf der Unterscheidung der vier Hauptfragmente entsprechend Codman.

Hierdurch ergeben sich Zwei-, Drei- bzw. Vierfragmentfrakturen. Ein wichtiges Argument für die weitreichende Akzeptanz ist, dass die Einteilung eher als Konzept denn als starres Schema verstanden werden soll. Als Kriterium einer relevanten Dislokation wurde eine Verschiebung von einem der Hauptfragmente um mehr als 1 cm bzw. eine Abkippung um mehr als 45 Grad angenommen. In der 1990 von Neer

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überarbeiteten Modifikation der Einteilung, beinhalten Zweifragmentverletzungen Frakturen im anatomischen oder chirurgischen Hals bzw. Abrissfrakturen von Tuberculum majus oder minus. Bei Dreifragmentfrakturen ergibt sich die Rotation des im chirurgischen Hals beweglichen Kopffragments durch Zugrichtung der Muskeln am noch verbliebenen Tuberculum. Bei einer Vierfragmentfraktur sind alle vier Fragmente gegeneinander bzw. gegenüber dem Glenoid disloziert.

Dreifragmentfrakturen liegen eher am chirurgischen, Vierfragmentfrakturen eher am anatomischen Hals.

(13)

1.3.2 AO-Klassifikation

Die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen(AO) schlug, angeführt von R.

Jakob, eine Einteilung in drei Gruppen(A, B und C) mit aufsteigendem Schweregrad und zunehmenden Nekroserisiko vor (38). Typ A-Frakturen sind extrakapsulär und betreffen zwei der vier Fragmente, eine avaskuläre Nekrose ist unwahrscheinlich.

Typ-B-Frakturen liegen teilweise intrakapsulär, betreffen drei von vier Fragmenten und weisen eine höhere Nekroserate auf. Typ-C-Verletzungen(komplett intrakapsulär) schließlich zeigen bei vier Fragmenten und Isolierung des Kopffragments ein hohes Nekroserisiko. Jede Hauptgruppe ist in aufsteigendem Schweregrad in weitere neun Frakturtypen unterteilt. Hierdurch ergeben sich 27 morphologisch definierte Frakturtypen. Einige Frakturtypen haben zwar ein geringeres Nekroserisiko, aufgrund einer mechanisch relevanten Fehlstellung aber dennoch eine schlechtere funktionelle Prognose bzw. erfordern ein anderes therapeutisches Regime.

Die AO-Klassifikation (70) hat sich allgemein nicht durchgesetzt, da sie keine prognostischen Aussagen ermöglicht. Um sowohl das Vierfragmentkonzept aber auch die prognostisch wichtige Einteilung der Höhe des Frakturverlaufs berücksichtigen zu können, wird heute ebenfalls eine modifizierte Klassifikation der Neer-Einteilung nach Habermeyer verwendet.

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Abbildung 05. AO-Klassifikation von proximalen Humerusfrakturen

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1.4 Problematik

Die proximale Humerusfraktur ist eine häufige Verletzung im hohen Alter. Neben den distalen Radiusfrakturen und den hüftgelenksnahen Frakturen gehören die proximalen Humerusfrakturen zu den häufigsten behandlungsbedürftigen Brüchen alter Menschen. Ca. 80% der Frakturen in diesem Bereich ereignen sich bei über 65jährigen Patienten (43). Die Inzidenz der proximalen Humerusfraktur wurde in unabhängigen Studien mit 104 und 105 pro 100 000 Einwohner angegeben (8,45,88). Lind und Mitarb. wiesen schon 1989 darauf hin, dass aufgrund des steigenden Durchschnittsalters der Bevölkerung mit einer stetigen Zunahme dieser Frakturen zu rechnen ist (62). Nach dem 50.Lebensjahr ist ein sprunghafter Anstieg der Verletzungshäufigkeit zu verzeichnen. Benachteiligt durch die Involutionsosteoporose ist ein Überwiegen der weiblichen Patienten laut verschiedenen Studien zu verzeichnen (51,57). Die proximalen Humerusfrakturen sind zu 80-85% nicht oder nicht relevant disloziert und können mit gutem Resultat konservativ behandelt werden (79). Aber gerade beim vorwiegend betroffenen alten Menschen reicht bereits ein Trauma niedriger Rasanz aus, um mehrfragmentäre Verletzungsformen zu verursachen. Die Therapie der komplexen Frakturtypen mit 3,4 oder mehr Fragmenten und zunehmender Dislokation gilt generell als schwierig (107). In der aktuellen Literatur werden unterschiedliche Behandlungskonzepte favorisiert. Das Therapiespektrum reicht von der konservativen Therapieform über die aufwendige, anatomische Rekonstruktion bis zur Endoprothetik (12,23,42,112).

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1.5 Behandlungsstrategien

1.5.1 Operative Zugänge

Der Standardzugang für die Frakturversorgung der proximalen Humerusfraktur ist der deltoideopektorale Zugang. Die V.cephalica wird nach lateral weggehalten. Der Zugang kann nach distal erweitert werden mit Einkerbung der Pectoralis-major- Sehne an der Crista humeri. Als Leitstruktur dient die lange Bizepssehne im Verlauf im Sulcus intertubercularis. Bei isolierten Tuberculum-majus-Frakturen bietet sich der transdeltoidale anterosuperiore(„delta-splitting“) Zugang an.

Abbildung 06. Operativer Zugang

Das delto-pektorale Intervall wird entwickelt. Ansatz und Ursprung des M. deltoideus werden dabei intakt gelassen. Der sternale Anteil des M.

pectoralis major kann vom Humerus gelöst oder eingekerbt werden, um Reduktion der Fraktur zu erleichtern.

Die nicht oder wenig dislozierten proximalen Humerusfrakturen sind eine Domäne

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Die Indikation zur Operation wird in Abhängigkeit vom Frakturtyp und der Gesamtsituation des Patienten und dessen Alters gestellt. In Übereinstimmung mit Neer (76) und anderen Autoren (23,36,37) ist die Indikation zur Operation erst dann gegeben, wenn eine Dislokation des distalen Fragmentes von mehr als 1 cm und/

oder eine Abkippung des Kopfes um mehr als 45° vorl iegt. Wiedemann et al. (109) konnten zeigen, dass der Operationszeitpunkt neben Frakturtyp und Operationsverfahren den stärksten Einfluß auf das Operationsergebnis besitzt, so dass die proximale Humerusfraktur, analog der medialen Schenkelhalsfraktur bei kopferhaltenden Operationsverfahren, eine dringliche Operationsindikation darstellt.

Im nachfolgenden Text werden kurz die operativen Möglichkeiten der Versorgung der proximalen Humerusfraktur dargestellt.

1.5.2 Kirschner-Drähte/Intramedulläre Drähte/Marknagel

Die gedeckte Kirschner- Drahtspickung wird häufig als eine Kompromisslösung zwischen der rein konservativen-funktionellen und offenen Osteosynthese angesehen (60). Die Drahtwanderung mit resultierendem Korrekturverlust, insbesondere beim osteoporotischen Knochen, ist jedoch erheblich (60).

Abbildung 07.Frakturversorgung mittels Kirschnerdrähten (Gewindedrähte)

Von Zifko et al. (111) wurden erstmals 1987 über neue elastische Marknägel berichtet, die vom distalen Humerus eingebracht werden und eine niedrige Komplikationsrate aufweisen. Die als Zifkodrähte bekannt gewordenen Markdrähte werden auch in aktuellen Berichten als minimalinvasives Versorgungskonzept vorgestellt, die Drahtwanderung mit Repositionsverlust zum einen und die Miteinbeziehung des Ellenbogengelenks zum anderen stellen hierbei allerdings ein Problem dar. Multiple unterschiedliche intramedulläre Drähte werden eingesetzt, die

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auf die Bündelnagelung nach Hacketahl mit intramedullärer Verklemmung der Nägel zurückgehen. Auch solide Marknägel kommen bei proximalen Humerusfrakturen zur Anwendung(100), wobei diese nur beim nicht osteoporotischen Knochen proximal sicher verriegelt werden können. Neue biomechanische Untersuchungen (108) belegen den Vorteil der intramedullären Kraftträger gegenüber der perkutanen Drahtstiftung. Von Koval et al. wurden dagegen Gewindedrähte als biomechanisch bestes Osteosyntheseverfahren beim osteoporotischen Knochen getestet, intramedulläre Verfahren wurden allerdings nicht miteinbezogen (50).

1.5.3 Schraubenosteosynthese

Um eine gute Funktion zu erreichen, erscheint eine frühfunktionelle Therapie mit minimaler Weichteilschädigung wichtig. So konnten Resch et al. zeigen, dass bei ihrem Verfahren der minimal- invasiven Schraubenosteosynthese zwar ein sekundärer Repostionsverlust zu verzeichnen war, die Patienten jedoch überwiegend gute oder sehr gute funktionelle Ergebnisse zeigten (86). Dies unterstreicht noch einmal die Vermutung der Bedeutung der frühen Mobilisierung bei minimalem Weichteilschaden. Das Verfahren nach Resch ist jedoch technisch sehr anspruchsvoll und mit einer hohen Strahlenbelastung für den Patienten und das Operationsteam verbunden.

Abbildung 08.Frakturversorgung mit zwei Kleinfragmentspongiosaschrauben

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1.5.4 Spickdrahtosteosynthese

Die geschlossene Reposition und Spickdrahtosteosynthese stellt ein operatives Verfahren dar, welches von erfahrenen Chirurgen durchgeführt werden kann. Gute Erfahrung und Ergebnisse liegen für die distale Radiusfraktur vor, die ebenfalls überwiegend Patienten jenseits des 65.Lebensjahres betrifft (33,34,49,73). Die Spickdrahtosteosynthese am proximalen Humerus zeigt jedoch hohe Raten an Drahtlockerung und hiermit verbunden sekundäre Dislokationen (9,82,91,103).

Abbildung 09. Osteosynthese mittels herkömmlichen Kirschnerdrähten

1.5.5 Drahtcerclage

Die Stabilisierung von proximalen Humerusfrakturen mit Drahtcerclagen, alternativ auch mit resorbierbaren Kordeln, wird von einigen Autoren als minimales Osteosyntheseverfahren propagiert (55,104,107) häufig werden diese additiv zur Plattenosteosynthese oder Kirschnerdrahtstiftung angewandt (25,43,54,69). Die Drahtcerclage, am besten als Kombination mit Drähten, soll durch das Zuggurtungsprinzip eine Antagonisierung der Zugkräfte der Rotatorenmanschette bewirken bzw. diese in Kompressionskräfte transferieren. Nachteil dieses Verfahren ist die Tatsache, dass eine Freilegung des proximalen Humerus, wie bei der Plattenosteosynthese, über einen deltoideopektoralen Zugang notwendig ist. Der anterolaterale Deltasplitting ist aufgrund der Zugangslimitierung(N.axillares) nicht ausreichend.

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Abbildung 10. Drahtcerclage

Subkapitale Fraktur; Bohrdrähte von distal eingebracht; Faden- bzw Drahtcerclage transossär bzw. transtendinös geführt.

1.5.6 Plattenosteosynthese

Die Plattenosteosynthese hat sich als Standardtherapie etabliert (23,27,69,99,102,107 ).

Die Probleme sind aufgrund der erforderlichen großen Weichteilfreilegung erheblich und die Ergebnisse ernüchternd. Von Damanakis et al.(23) wird die 2. Operation mit Metallentfernung, Arthrolyse und Akromioplastik 3 Monate nach dem Ersteingriff geplant und dies als erfolgreiches Behandlungskonzept dargestellt. Andere Autoren sprechen sogar von der „no-touch-technique“(28,61).

Eine weitere Möglichkeit stellen umgebogene

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1.5.7 Humeruskopfprothese

Die Hemiarthroplastik als Therapie insbesondere bei den dislozierten Mehrsegment- und Luxationsfrakturen, ist umstritten (11,43,55,98,104). Die Autoren sind sich jedoch in einem Punkt einig: die Humeruskopfendoprothese als Primärmaßnahme liefert bessere Ergebnisse als nach sekundärem Einsatz (11,43,104) mit rascher Mobilisierung des alten Menschen und Entlassung in das häusliche Milieu durch ein einzeitiges Operationsverfahren ohne das Risiko von Reeingriffen wegen Implantatwanderung, Pseudarthrose oder Humeruskopfnekrosen.

1.5.8 Resektionarthroplastik

Die Resektion des Humeruskopfes ohne alloplastischen Ersatz ist heutzutage auch beim alten Menschen obsolet, da der Längenverlust und damit die Aufhebung des Rotationszentrums zu einer kraftlosen und schmerzhaften Verklemmung des proximalen Schafts gegen die Glenoidfläche bzw. den subakromialen Raum führt (36).

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1.6 Formgedächtnislegierungen

1.6.1 Biokompatibilität der FGL-Drähte

Formgedächtnislegierungen (FGL) sind Legierungen, die scheinbar plastische Verformungen rückgängig machen und eine zuvor eingeprägte Form wieder exakt einnehmen.

Von den bisher technisch bekannten Formgedächtniswerkstoffen sind bisher lediglich 3 für den Einsatz geeignet: NiTi, CuZnAl und CuAlNi. Wegen des hohen Anteils reversibler Dehnung und der geringen FG-Ermüdung sind NiTi-Legierungen die zurzeit bedeutsamsten FG-Werkstoffe.

Insbesondere lässt sich die Umwandlungstemperatur in einem großen Bereich durch Veränderung der Konzentrationsverhältnisse einstellen. Die Veränderung der Ni- Konzentration um 1 at% verschiebt die As-Temperatur um ca. 100K (48).

Darüber hinaus sind NiTi-Legierungen biokompatible Werkstoffe, die aufgrund ihrer Passivierung durch eine Titanoxidschicht (TiO2) einen hohen Korrosionswiderstand aufweisen und daher gerade für den medizinischen Einsatz interessant sind (26).

Das Material eignet sich z.B. ideal für Implantate in der Zahnmedizin und Chirurgie.

Die Anforderung für klinische Anwendungen wurden in Untersuchungen zur Korrosion dieses Legierungstyps in unterschiedlichen, künstlich erzeugten, körperähnlichen Medien, wie z.B. Speichel erfüllt (30). Zum Vergleich wurde hierfür auch Edelstahl herangezogen, der in den gleichen Medien auf Biokompatibilität getestet wurde. Verglichen wurde hierbei die Abgabe von toxischem Nickel an das umgebende Medium. Trotz des im Gegensatz zu Edelstahl in NiTi-Legierungen wesentlich höheren Nickelgehaltes sind die Mengen an Nickel, die aus den beiden Metalllegierungen abgegeben werden, nicht signifikant unterschiedlich. Weitere Untersuchungen ergaben, dass NiTi-Legierungen in ß-Phasen-Sruktur am stabilsten gegenüber Korrosion sind (26).

Studien bezüglich der Verträglichkeiten der NiTi-Legierungen zeigten, dass Nickel- Titanium-Verbindungen besonders stabile Struktur besitzen, die kaum allergische

(23)

vitro-Versuchen mit humanen Fibroblasten zeigen, dass keine signifikante Effekte bezüglich der Zellteilung nachzuweisen waren. Bei den In-vitro-Versuchen von Shabalovskaya(93) kam heraus, dass NiTi-Legierungen einen zelltoxischen Effekt aufweisen. Dies galt für NiTi-Legierungen mit Wasserstoffperoxid behandelte Oberfläche. Die Studie zeigte auch, dass der zelltoxische Effekt mit dem Gehalt an Nickel variierte. Wever et al. führten ebenfalls einige In-vitro-Versuche bezüglich der biologischen Sicherheit der NiTi-Legierungen durch. Sie fanden heraus, dass NiTi- Legierungen weder cytotoxische, allergische noch gentoxische Aktivität zeigen.

Ryhänen et al.(92) untersuchten in einer In-vitro-Vergleichsstudie Testscheiben aus NiTi-Legierungen, rostfreiem Stahl und Titanium mit humanen Osteoblasten und Fibroblasten. Die Zellen wurden inkubiert und für etwa zehn Tage auf die Testscheiben mit der Größe 6x7mm angebracht. Die Kulturen wurden nach 2,4,6,8 Tagen fotografiert, gezählt und analysiert. Die Proliferation der Fibroblasten betrug 108% (NiTi), 134% (Titanium), 107%( rostfreiem Stahl) und 48% für Kontrollkulturen.

Die Proliferation der Osteoblasten ergab 101% (NiTi), 100% (Titanium), 105%

(rostfreiem Stahl) und 54% für Kontrollkulturen. Anfangs setzte Nitinol mehr Nickel (87-129 µg/l) in die Zellkulturen frei als rostfreier Stahl (7µg/l), doch nach zwei Tagen war die abgegebene Konzentration annährend gleich. Man kam zu dem Schluss, dass Nitinol eine gute In-vitro-Biokompatibilität bezüglich humanen Fibroblasten und Osteoblasten besitzt. Trotz der anfangs höheren Nickelfreisetzung induziert Nitinol weder einen toxischen Effekt, noch eine Verminderung der Zellproliferation oder eine Hemmung des Zellwachstums beim Kontakt mit metallischen Oberflächen (92).

In-vivo-Biokompatibilitätversuche zeigten vergleichbare Resultate. Bei den Versuchen von Cutright et al. wurden Nitinol-Drähte für 9 Wochen subkutan in Ratten implantiert. Eine Gewebereaktion war zu keinem Kontrollzeitpunkt sichtbar.

Bei den Versuchen von Wen et al. wurden der Korrosionswiderstand und die Gewebeverträglichkeit von NiTi-Legierungen und Ti50Ni50-Cux verglichen. Es war kein signifikanter Unterschied unter den Drähten bezüglich der Gewebereaktion nach zwei und drei Monaten nachzuweisen. Auch nach viermonatiger Implantation war keine Korrosion der Oberfläche feststellbar. In den tierexperimentellen Studien von Rabkin et al. wurden endovaskuläre NiTi-Prothesen in Hunden implantiert. Langzeitresultate über einen Zeitraum von 14 Monaten zeigten eine gute und anhaltende Permeabilität der NiTi-Prothesen.

(24)

Prince et al. (80) setzten NiTi-Blutgerinnselfilter in die Venae cavae von 16 Hunden ein. Die Ergebnisse wurden in einem Zeitraum von einer Woche und bis zu vier Jahren analysiert. Es zeigte sich, dass saubere NiTi-Prothesen offen blieben, unreine Prothesen zeigten dagegen organisierte Thromben. Die Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Beschaffenheit der NiTi-Prothesen keinen wahrnehmbaren Effekt auf die Thrombogenität hat. Histologische Untersuchungen ergaben, dass unreine Prothesen eine chronische Entzündung der benachbarten Gefäßbezirke verursachten, während bei den nicht verunreinigten Prothesen eine einzige, eine benigne fibröse Gewebereaktion verursachte. Nach Meinung der Autoren sind NiTi- Legierungen geeignete Materialen für vaskuläre prothetische Anwendung (80).

Auch in den orthopädischen und odonthologischen Bereichen hat die Anwendung der NiTi-Legierungen Einzug gehalten.

Drugacz et al. testeten die klinische Anwendung von Ti50Ni48,7Co1,3 Formgedächtnislegierung-Klammern zur Stabilisierung mandibulärer Frakturen. Nach zirka sechs Wochen wurden die Klammer entfernt. 77 Patienten mit mandibulären Frakturen wurden mit den NiTi-Klammern behandelt. Bei 72 Patienten war die Behandlung mit den Formgedächtnis-Klammern zufrieden stellend, während sich in fünf Fällen Infektionen ereigneten. Die histologische Untersuchung der entfernten Klammern ergab weder eine pathologische oder atypische Gewebereaktion, noch Zeichen einer Zellzerstörung. Nach Meinung der Autoren erleichtert die Anwendung der Formgedächtnislegierung die Stabilisierung und chirurgische Behandlung von mandibullären Frakturen (24).

Silberstein konnte in einer klinischen Studie mit 84 Patienten mit Frakturen und Tumoren in cervikalen und lumbalen Wirbelsäule ebenfalls demonstrieren, dass die Implantation von NiTi auch hier zur Anwendung kommen kann und dass die NiTi- Implantate einen hohen Grad an Biokompatibilität zeigen(97).

All diese Studien und Versuche zeigen, dass NiTi-Legierungen oder auch Formgedächtnislegierungen nicht nur einen hohen Grad an Biokompatibilität aufweisen, sondern darüber hinaus heutzutage Anwendung in unterschiedlichen Bereichen der Chirurgie, Orthopädie, Orthodonthlogie und Gefäßprothetik finden.

(25)

1.6.2 Medizinische Anwendungsbereiche der FGL-Drähte

Durch die Kombination aus guter Biokompatibilität, guter Stärke und Dehnbarkeit mit den spezifischen funktionellen Eigenschaften der FGL, nämlich der (Formgedächtnis- Effekt und Superelastizität) eignen sich Formgedächtnislegierungen als Material für verschiedene medizinische Anwendungsbereiche.

In den späten 1960er sahen Johnson und Alicandri das Potential der NiTi- Legierungen für medizinische Implantation. Einige Pioniere auf diesem Gebiet waren Baumgart et al., die NiTi-Stäbe für die Behandlung von Skoliosen verwendeten (7).

1986 implantierten Lu et al. NiTi-Stäbe Patienten mit Skoliose und zwar mit guten Resultaten und ohne Komplikation.

Eine der ersten im menschlichen Körper verwendeten medizinischen Formgedächtnislegierung war ein NiTi-Heftdraht. Dies wurde 1981 in China vorgestellt. Es folgten weitere Verwendungen der NiTi-Heftdrähte und Klammern für Fixation mandibulärer Frakturen (24), für metatarsale Osteotomien (110), für kleine Frakturfragmente und für die Stabilisierung von cervikalen Wirbelsäulenfrakturen.

Von 1986 bis 1999 führten Barouk et al. eine Studie mit 1850 Patienten durch, bei denen Nickel-Titanium-Klammer mit Formgedächtnis-Effekt zur Hallux valgus- Korrektur, Arthrodese des ersten Metatarso-phalangeal-Gelenks und Arthrodese des Lisfranc-Gelenks zur Anwendung kamen. Es konnte gezeigt werden, dass die FGL- NiTi-Klammer kaum lokale Toleranzprobleme, was die Gewebeverträglichkeit anbelangt, verursachten. Darüber hinaus demonstrierten die Ergebnisse, eine hohe operative Stabilität und eine schnellere Heilung (5,6,105).

Der Simon-Nitinol-Filter (SNF) war das erste klinisch erfolgreich verwendete vaskuläre Material. Es wurde für die Behandlung pulmonale Embolien verwendet und mittels eines Katheters angebracht. SNF veränderte seine Form als Formgedächtnislegierung bei Körpertemperatur und konnte sich so am Lumen des Gefäßes gut anlegen.

In Anlehnung an Simon-Nitinol-Filter sind verschiedene Implantate entwickelt worden, um zum Beispiel ein Vorhof-Septum-Defekt zu verschließen (52,65). Die traditionelle Herzchirurgie zur Behebung dieser Anomalie ist sehr invasiv und risikoreich. Die alternative Methode durch Formgedächtnislegierungen aus zwei Hälften bestehend, wird wie beim Simon-Filter mittels eines Katheters über die Vena Cava in geschlossener Form in das Herze platziert, miteinander verbunden und wie

(26)

ein Schirm aufgespannt. Dies verschließt den Septumdefekt und verhindert den ungehinderten Blutfluss von einem Vorhof zum anderen.

Endoluminale Deckung von infrarenalen abdominellen Aortenaneurysmen mit Dacron überzogenen NiTi-Stents konnte zeigen, dass sie sicher und klinisch effektiv sind.

Intracoronare und peripher vaskuläre NiTi-Stents scheinen auch Anwendung zu finden, allerdings sind die Daten über Restenosierung nicht ausreichend.

Auch bei der Behandlung von benignen biliären Strikturen sind NiTi-Stents zur Anwendung gekommen, die über längeren Zeitraum offen bleiben konnten. NiTi- Stents kamen ebenfalls zur palliativen Behandlung von malignen ösophagealen Obstruktionen zur Anwendung, mit geringem Risiko und Komplikationen(22). Eine Reihe von Autoren untersuchten die Verwendung von NiTi-Stents bezüglich ösophagealen Strikturen und palliative Behandlung von Malignomen (1,110). Auch werden von einigen Autoren NiTi-Stents bei Patienten mit rektosigmoidalem Karzinom als Alternative zu den wiederholenden palliativen Lasertherapien oder palliativen chirurgischen Maßnahmen diskutiert (31,32).

Die Anwendung von NiTi-Prostatastents wurde erstmalig durch die Studien von Lopatkin et al. beschrieben (64). Für Hochrisiko-Patienten mit Prostatacarcinom oder benigne Prostatahyperplasie bietet das Einbringen von permanenten NiTi- Stentssysteme eine nützliche Alternative zur transurethralen Resektion (32,64).

Weitere Anwendungsbereiche für Nitinol oder Formgedächtnislegierungen sind beschrieben für Prothesen für die laparaskopische Hernioplastik in den Studien von Himpens (41). Rauber et al. beschreiben in ihren Studien die Verwendung von NiTi- Stents zur Vermeidung von Okklusion der großen Luftwege. Sie schienen sehr nützlich und effektiv zu sein bei der Behandlung von inoperablen trachealen und bronchialen Stenosen verursacht durch intraluminalen Tumoren (84).

(27)

2. Zielsetzung

Zielstellung des Forschungsprojektes war es, ein bestehendes , einfach zu handhabendes, daher kostengünstiges und minimal-invasives, stabiles Osteosyntheseverfahren- die Spickdrahtosteosynthese mittels Kirschner-Drähten - weitreichend zu optimieren und somit erhöhte medizinische Erfolgsaussichten, einhergehend mit einer Verbesserung des Komforts des Patienten, Senkung der Behandlungskosten sowie eine mögliche Erweiterung des Verfahrens auf andere Indikationen zu erreichen. Die Idee bestand in einer Erhöhung der Primärstabilität einer Spickdrahtosteosynthese im Knochen.

Grundgedanke war dabei die Entwicklung neuartiger Implantate auf der Basis von Formgedächtnislegierungen, die die Vorteile der klassischen Behandlungsmethode verbinden; (geringe Operationszeit und minimierte Weichteildissektion im Vergleich zu invasiven Verfahren; schnelle Wiederherstellung einer ausreichenden Alltagsfunktionalität (insbesondere bei älteren Patienten); geringer Aufwand an Nachbehandlung einschließlich der damit anfallenden Kosten, mit der Verringerung der bekannten Nachteile. Beschrieben wird in diesem Zusammenhang immer wieder das so genannte „Auswandern“ der Drähte in Folge von Bewegungen des Schultergelenkes. Das Verlassen der postoperativen Position kann sowohl in Richtung des Schulterkopfgelenkes als auch der Einbringöffnung erfolgen. Beides hat Verlust der Retention der Frakturanteile, Schmerzen, Funktionseinschränkung und/oder Infektionen zur Folge und mündet in einer Vielzahl der Fälle in eine neuerliche Operation, nun meist ein weitaus invasiveres Verfahren mit allen beschriebenen Nachteilen.

Der hier gewählte Ansatz lässt das bewährte Operationsverfahren praktisch unverändert und garantiert damit eine hohe Akzeptanz beim Operateur, nimmt aber gezielte Veränderungen am Implantat vor, um die den Werkstoff charakterisierende Eigenschaft der Formänderung für eine Selbstverankerung im Knochen nutzbar zu machen.

Die primären Anforderungen an den neu gestalteten Draht und das Ziel dieser in vitro Studie waren, zu klären ob dieses Konzept in der Versorgung von proximalen Oberarmkopfbrüchen umsetzbar ist. Hierzu sollten zunächst folgende Fragen beantwortet werden:

(28)

- ist die Fixierung der NiTi-Drähte im humanen und bovinen Knochen im Vergleich zu herkömmlichen Kirschnerdrähten ausreichend?

- ermöglichen die FGL-NiTi-Drähte ein vergleichbar leichtes Handling?

- Ist die Präzision der NiTi-Drähte im Vergleich zu Kirschnerdrähten aus Stahl für eine derartige Anwendung ausreichend?

Die ersten beiden Fragen überprüften wir durch den Vergleich im Bohrverhalten und Auszugskräfte der Drähte untereinander und die Untersuchung der Oberflächenbeschaffenheit. Die letzten Fragen prüften wir anhand der Zielpunktgenauigkeit und Biegesteifigkeit.

(29)

3. Material und Methodik

3.1 Implantate

3.1.1 Metallurgischen Eigenschaften der FGL-Drähte

Formgedächtnislegierungen (FGL) sind Legierungen, die scheinbar plastische Verformungen rückgängig machen und eine zuvor eingeprägte Form wieder exakt einnehmen.

Grundlage des hier genutzten Formgedächtniseffektes ist die reversible martensitische Umformung von NiTi-Legierungen. Die dabei zu beobachtende makroskopische Gestaltänderung ist auf kristallografische Scherbewegungen zwischen der kubisch-raumzentrierten Hochtemperaturphase und der monoklinen Tieftemperaturphase zurückzuführen.

Wird der Formkörper (hier ein Draht) in der Tieftemperaturphase (T<As) äußerlich mit einer Spannung beaufschlagt, kann die martensitische Kristallstruktur „entzwillingt“

werden (siehe Abbildung 14). Durch diese Reorientierung der Martensitkristalle kann der Werkstoff im Idealfall ganz entzwillingt werden, was makroskopisch einer zunächst bleibenden Verformung entspricht. Man spricht auch von

„pseudo“plastischer Dehnung, da dieser Prozess zwar dauerhaft, aber prinzipiell reversibel ist.

Bei Temperaturerhöhung über As hinaus, beginnt die kristallografische Umwandlung in die Hochtemperaturphase, genannt Austenit, die makroskopisch in ihrer äußeren Gestalt wieder der Ausgangsform entspricht. Das Material zeigt also einen Formgedächtniseffekt (78).

Abkürzungen:

-Af Temperatur der abgeschlossenen Umwandlung in Austenit -As Temperatur der beginnenden Umwandlung in Austenit

(30)

Abbildung 12. Schema zur Erläuterung des Formgedächtniseffektes

Für die Auslegung von Festigkeiten ist zu beachten, dass sich die Eigenschaften von Austenit und Martensit sehr unterscheiden. Während der E-Modul von Martensit 23- 41 GPa beträgt, liegt dieser von Austenit bei 70-80 GPa (beim verwendeten Werkstoff). Grund ist eine weitere Eigenschaft der NiTi-FG-Legierung: die so genannte Pseudoelastizität. Wird ein Formkörper, dessen Temperatur über Af liegt mit einer Spannung beaufschlagt, reagiert dieser mit einer kristallografischen Umwandlung in so genannten spannungsinduzierten Martensit.

(31)

Zum Einsatz kamen die vom Kooperationspartner ARGE Medizintechnik GmbH &

Co.KG in Zusammenarbeit mit dem Laserzentrum Hannover hergestellte Nitinol- Drähte mit Einwegeffekt.

Genutzt wird dabei die Eigenschaft von Formgedächtnislegierungen eine zuvor eingeprägte Form bei Wärmezufuhr wieder einzunehmen. Die bei einer Temperatur unter der des Körpers implantierten Kirschner-Drähte aus FGL machen die vorher festgelegte mechanische Verformung bei der im Oberarmknochen herrschenden Körpertemperatur wieder rückgängig

In Konzeptüberlegungen wurden die unten aufgeführten Varianten als prinzipiell denkbare Gestaltungsmöglichkeiten avisiert.

Abbildung 14. Designvarianten der Formgedächtnislegierungen

Jedoch wurden unter Berücksichtigung verschiedener praxisrelevanter Kriterien drei verschiedene Varianten der Nitinoldrähte realisiert; Sinusform mit 18 mm und 20 mm Radius sowie mit gespleißter Spitze.

(32)

Abbildung 15.Drei für unsere Versuche geeignete FGL-Drahtvarianten

Das eingesetzte Material hatte einen Nickelanteil von 50 %. Die Hochtemperaturphase setzte bei 25 °C ein. Der Grenz wert der Dehnung (Umwandlungsdehnung) lag durchschnittlich nach 100 Zyklen bei 7 %.

Als Referenz dienten Kirschner-Drähte aus Implantatestahl ohne und mit Gewinde.

Die Durchmesser betrugen für alle verwendeten Drähte 2,0 mm.

Obere Abbildung:

18mm und 20mm FGL-Sinusform

Untere Abbildung:

Gespleißter FGL- Draht

(33)

3.2 Experimentelle FGL-Versuche

Für die experimentelle Testung der FGL-Drähte wurden zwölf (6 Paare) kältekonservierte, formalin-fixierte menschliche Humerusknochen aus dem anatomischen Institut der Medizinischen Hochschule Hannover verwendet. Diese Humerusknochen wurden direkt nach der Explantation formalin-fixiert und kyrokonserviert. Bei den Knochen handelte es sich in den meisten Fällen um Spender jenseits des 65. Lebensjahres. Dies entsprach den meisten Literaturangaben und war zugleich eine relevante Zielgruppe für unser Vorhaben.

Im Rahmen der Versuchsvorbereitung wurden alle menschliche Humerusknochen einer Dichtemessung unterzogen, da auch einige Studien von vorbereitenden Dichtemessungen berichteten. Im klinischen Alltag wird eine Bestimmung der Knochendichte vor einer Frakturversorgung nicht durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass bei einem klinischen Einsatz der FGL-Drähte, diese bei Patienten appliziert werden, deren Knochendichte höher oder auch niedriger sein kann als die Spenderknochen, die in unsere Versuchsreihe verwendet wurden.

In einigen Studien sind mechanische Testung auch an boviner Spongiosa durchgeführt worden. Zu einem besseren Vergleich der FGL-Drähte kamen in unsere Versuchsreihe ebenfalls bovine Spongiosablöcke als eine weitere Testgruppe zum Einsatz.

Die bovinen Spongiosablöcke wurden von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und den kooperierenden Schlachthöfen besorgt. Es wurden 25 Blöcke für jeweils fünf verschiedene Drähte, Kleinsinus-FGL, Großsinus-FGL, Splice-FGL, Kirschner-Drähte mit und ohne Gewinde, aus der im Humeruskopf liegende Spongiosazone der Rinderknochen in Form eines Quaders mit den Maßen 60 mm x 30 mm x 30 mm herausgesägt. Diese bovine Spongiosablöcke wurden ebenfalls bei -18°C in den AO- Laboratorien der Unfallchirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover kyrokonserviert. Auch die bovinen Spnogiosablöcke wurden einer Knochendichte- Messung unterzogen.

Bevor wir mit unseren Versuchen beginnen konnten, wurden sowohl die humanen Humerusknochen als auch die bovinen Spongiosablöcke nummeriert und randomisiert. Jeweils fünf der zuvor randomisierten bovinen Spongiosablöcke wurden in die fünf verschiedenen Drahtgruppen zugeteilt.

(34)

3.2.1 Messung der Knochendichte

Die Messung der Knochendichte sowohl der menschlichen Humerusknochen als auch der bovinen Spongiosablöcke erfolgte mittels peripherer quantitativer Computertomographie (pQCT, Typ STRATEC XCT-900 pQCTTM, Fa. Stratec) in Kooperation mit der Endokrinologischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Hierbei wurde bei den menschlichen Humerusköpfen die Messung im Bereich des Überganges der Knorpel/Knochengrenze durchgeführt.

Abbildung 16. Bestimmung der Dichte des Humerusknochen im PQCT

Die Knochendichtemessung erfolgte im kryokonservierten Zustand. Für die weiteren Testungen wurde die Gesamtknochendichte (korikal + spongiös, TBMD) verwendet.

Auch die Messung der Knochendichte der bovinen Spongiosablöcke erfolgte mittels des gleichen pQCT-STRATEC. Die Messung der 25 bovinen Spongiosaquader erfolgte nach Längsausrichtung in der Mitte der Quader.

(35)

Abbildung 17. Längsausrichtung des bovinen Spongiosaquaders im PQCT

3.2.2 Biegesteifigkeitstestung

Die Testung der Biegesteifigkeit in den Versuchen verwendeten FGL-Drähte und Stahldrähte erfolgte durch einen 1-Punktbiegeversuch. Hierzu wurden der FGL-Draht mit 20 mm Radius und Kirschner-Draht jeweils einseitig an einer von der Institut für Werkstoff- und Materialentwicklung der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelte Arretierungsvorrichtung befestigt. Am freien Ende erfolgte die Biegebelastung durch die, in den Versuchen verwendete Testmaschine (Modell 1445, Software Testexpert©, Fa. Zwick, Ulm). Die NiTi-FGL-Drähte wurden jeweils 5mal in Quer – und Längsrichtung, die Stahldrähte 25mal in Querrichtung zur Drahtachse belastet. Die Testung der Biegesteifigkeit der FGL-Drähte erfolgte nach Umformung in ihre Hochtemperaturphase. Die Länge l der Drähte betrug 100 mm.

Die Durchbiegung am freien Ende W (l) betrug 15 mm. Gemessen wurde die Kraft F in Newton bis zur Durchbiegung von 15 mm. Bei den Biegesteifigkeitstestungen wurden lediglich zwei oder wenige FGL-Drähte verwendet, da sie nach jeder Prüfung keiner Formveränderung unterlagen. Dagegen wurden bei den Versuchen fünf und mehr Kirschner-Stahldrähte verwendet, da sie nach jeder Prüfung ihre Form veränderten und ihre ursprünglich gerade Form nicht mehr besaßen.

(36)

Die Biegesteifigkeit S in Nm2 wurde nach folgender Formel berechnet:

) ( 3

3

l W

l EJ F

×

= ×

Eine Änderung der Steifigkeit im Rahmen des Projektes war nach Angaben des Kooperationspartners ARGE Medizintechnik GmbH nicht möglich. Der Grund hierfür liegt an der kristallografischen Eigenschaft der FGL-Drähte aus Nitinol. Bei der Nutzung des Einwegeffektes ist darauf zu achten, dass bei der Verformung in der Tieftemperaturphase T< As nicht bis in den plastischen Bereich hinein gedehnt wird.

Die dabei entstehenden Versetzungen im Kristallgefüge, würden den zu erzielenden Einwegeffekt verschlechtern.

Materialen aus FGL lassen sich nur bis zu bestimmten Winkeln im Herstellungsprozeß biegen, oder anders ausgedrückt eine Memoryform kann nur innerhalb bestimmter geometrischer Grenzen eingeprägt werden.

So betrug laut unserem Kooperationspartner ARGE Medizintechnik der maximalerlaubte Biegeradius 14,3 mm bei einem Drahtdurchmesser von 2mm. Der Grenzwert der Dehnung dürfte daher 5% bis 8% nicht überschreiten.

Durch dieses Verhalten der FGL- Drähte kam es zu erheblichen Einschränkungen hinsichtlich der Freiheit der Wahl des Designs und daher waren auch einige anfangs angedachte Formen später nicht umsetzbar.

(37)

3.2.3 Konstruktion der biomechanischen Testung

In einem ersten Schritt wurden die zu erwartenden Auszugskräfte der K-Drähte bestimmt. Es wurden neben den unter 3.1 beschriebenen FGL-Drähte, Kirschner- Drähte mit und ohne Gewinde aus Implantatstahl der Stärke 2,0 mm verwendet.

Es wurde mit der Messung an den bovinen Spongiosablöcken begonnen. Die Testung der Auszugskräfte erfolgte in einer Materialtestmaschine (Modell 1445, Software Testexpert, Fa. Zwick, Ulm). Hierzu wurde der Knochenblock mittels Polymethylmetacrylat (PMMA) in einen Metallbecher eingegossen, welcher fest auf der nicht beweglichen Traverse der Materialtestungsmaschine befestigt wurde. Es wurde dann der Draht in eine speziell gefertigte Halterung eingespannt, die nach dem Prinzip eines Bohrfutters stabilisiert. Zur Abschätzung der Auszugskräfte wurden 3 Testungen durchgeführt. Hier wurde eine maximale Auszugskraft von 3000 N gefunden.

Um nun die Einspannvorrichtung zu validieren, wurde der Draht an beiden Enden in eine Einspannvorrichtung gespannt und die Kraft gegenüber dem Maschinenweg aufgetragen, dabei zeigte sich eine geringe Längenänderung. Da wir die Längenänderung des Drahts vernachlässigen konnten, war diese Wegdifferenz auf Bewegungen des Drahtes gegenüber der Einspannvorrichtung zurückzuführen. Bei einem Fehler von 1,0 mm/N haben wir die Einspannvorrichtung für den Draht und für diese Experimente definiert.

Problematisch war, dass das weitere Einzementieren sowohl der Humerusknochen als auch der Spongiosablöcke nicht nur zeitintensiv, sondern auch aufwendig vom Aufbau war und nicht genügend Behälter zur Verfügung standen. Aus diesem Grund wurde im nächsten Schritt eine Einspannvorrichtung für den humanen Humeruskopf bzw. den bovinen Spongiosaquader in Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstoff- und Materialentwicklung der MHH entworfen und entwickelt (siehe Abbildung).

(38)

Abbildung 18. Übersicht des Versuchsaufbaus zur biomechanischenTestung.

1. Zwick Materialtestmaschine, 2. Einspannvorrichtung, 3. Umwälzpumpe

Die Konstanthaltung der Mediumtemperatur bei 38°C f ür die simulierte Körpertemperatur erfolgte mittels einer Umwälzpumpe. Eine Einbettung des Knochens bzw. Knochenblöcke in PMMA wie oben beschrieben, war daher nicht möglich. Der Knochen sollte möglichst eine große Kontaktfläche mit dem Wasserbad haben. Es erfolgte somit die Fixierung durch Einspannung in penetrierende Drähte.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Eigenschaften des spongiösen Knochens hierdurch nicht verändert haben. Es wurden jetzt erneut Auszugsversuche bis zum vorher definierten Maximum von 3000 N durchgeführt.

Die Wegänderung des eingespannten Knochens gegenüber der Kraft war mit der Testung der Drahteinspannvorrichtung vergleichbar. Damit war ein valider

1

2 3

(39)

3.2.4 Begradigung der FGL-Drähte

Bevor wir mit den eigentlichen biomechanischen Versuchen beginnen konnten, trat ein Problem auf, nämlich die Form der gelieferten FGL-Drähte. Die FGL-Drähte mit 18 mm und 20 mm Radius wiesen schon bei Raumtemperatur bereits eine Sinusform auf. Die Drähte hatten zwar noch nicht die Sinusform, die sie bei Erwärmung auf 30°C einnahmen, sie erschwerten jedoch das Einbohre n der Drähte in die humanen Humerusknochen oder bovinen Spongiosaquader. Die Fertigung und Auslieferung eines geraden FGL-Drahtes, vergleichbar mit einem Kirschnerdraht, war nach Angaben des Kooperationspartners ARGE Medizintechnik nicht möglich. Es wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner verschiedene Möglichkeiten zur Begradigung der FGL-Drähte vor der anstehenden Implantation erprobt. Schon bei den ersten Versuchen wurde deutlich, dass eine Begradigung der FGL-Drähte bei Raumtemperatur nicht möglich sei und nur unter ständiger Kühlung der Drähte erfolgen kann.

Anfänglich erfolgte die Kühlung der FGL-Drähte mit handelsüblichem Eisspray, jedoch war diese Methode sehr kostspielig und zeitaufwendig. Letztendlich entschieden wir uns für die Kühlung der FGL-Drähte mittels flüssigen Stickstoffs, was auch zur Kühlung von Blut- und Transfusionkonzentraten verwendet wird. Hierdurch konnte eine Konstanthaltung der Temperatur im gesamten Draht erreicht werden.

Im ersten Versuch wurde versucht, die Begradigung der Drähte durch alleinigen Längszug der Drähte zu erreichen. Hierzu wurde der Draht, nachdem er aus dem Behälter mit flüssigem Stickstoff herausgeholt wurde, sowohl an der Spitze als auch am Ende in ein Bohrfutter eingespannt. Zwar trat unter Längszug eine Verlängerung des Drahtes und eine Abflachung der Sinuskurve auf, eine Amplitude von weniger als 5 mm konnte jedoch nicht erreicht werden.

(40)

Abbildung 19.

Großsinusförmiger FGL-Draht

20 mm sinusförmiger FGL-Draht nach Kühlung mit flüssigem

Stickstoff; keine

zufriedenstellende gerade Form des Drahtes

Abbildung 20.

Großsinusförmiger FGL-Draht

20 mm sinusförmiger FGL-Draht in der Hochtemperatutphase des Formgedächtniseffektes

Als zweite Variante zur Begradigung der Drähte wurde zusätzlich zum Längszug, eine Hülse mit einem Durchmesser von 2,5 mm alternierend über den gekühlten Draht in Längsrichtung gezogen. Hierdurch konnte keine weitere Verbesserung erreicht werden.

Die beste Annährung an eine gerade Form konnte durch Einpressen der Drähte in ein geformtes Bett erreicht werden, das von unserem Kooperationspartner ARGE Medizintechnik entwickelt wurden. Hierzu wurden jeweils 4 mm dicke plane Stahlplatten genutzt. In eine Stahlplatte wurden 2 mm breite und 2 mm tiefe Furchen gefräst. Durch eine schnelle Kühlung der Drähte in flüssigem Stickstoff konnten die FGL-Drähte in die Rillen der Form gebracht werden und durch Verschraubung der beiden Platten konnte eine Kompression auf die Drähte ausgeübt werden. Die

(41)

Abbildung 21. Nach dem Press- und Kühlvorgang begradigte Drähte aus Formgedächtnislegierungen

Trotz all unserer Bemühungen konnten wir keine ausreichende Begradigung der FGL-Drähte mit der Sinusform bis auf Null-Amplitude erreichen. Es gelang uns jedoch in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner ARGE Medizintechnik eine dritte Formvariante der FGL-Drähte zu entwickeln, einen so genannten gespleissten FGL-Draht (Splice-Draht). Hier ließ sich durch einfaches Herunterkühlen mittels flüssigen Stickstoffs und instrumentelles Redressieren, der gespleisste Draht in eine gerade Form überführen.

Abbildung 22. Splice-FGL-Draht in der Tieftemperaturphase

(42)

3.2.5 Präzisionsmessung der Drähte

Zur Messung der Präzision kamen alle fünf genannten Drähte zur Anwendung, nämlich die drei Varianten der NiTi-FGL-Drähte, zwei Sinus-FGL-Drähte mit jeweils 18 mm und 20 mm Radius, der gespleisste FGL-Draht und die beiden Kirschner- Drähte mit und ohne Gewinde. Die Überprüfung der Präzision sowohl der NiTi- als auch der Kirschner-Drähte erfolgte navigiert durch Messung der Abweichung von einem vorgegebenen Zielpunkt (Nullpunkt 0) in mm. Zur besseren Erfassung der Messparameter kamen Kunststoffspongiosaquader (Fa. Synbone®, Davos, Suisse) mit den Ausmaßen 150 mm x 30 mm x 30 mm zur Anwendung. Die Kunststoffspongiosaquader wurden auf der einen Seite mit Millimeterpapier und darauf versehenen 10 Bohrzielpunkten beklebt und auf der gegenüberliegenden Seite mit roten Ausgangszielpunkten markiert. Somit wurden die drei Varianten der FGL-Drähte und die beiden Kirschner-Drähte jeweils zehnmal getestet.

Die Präzisionsbohrungen wurden in einem vom Institut für Material- und Werkstoffentwicklung der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelten Glasbehälter mit den Maßen 50 cm x 30 cm x 30 cm und darin enthaltene Arretierungsvorrichtung für die Kunststoffquader durchgeführt. Zur Auslösung des Memory-Effekt der FGL-Drähte wurden die Bohrungen in 30°C warmen Wasser durchgeführt. Als Navigationssystem wurde das Surgigate® (Medivision, Oberdorf, Switzerland) einschließlich einer Ultra 10 Workstation (SUN Microsystems, Palo Alto, CA) und ein Optptrack 3020 als optoelktronischer Localizer (Northern Digiatl inc, Waterloo, Ontario, Canada) verwendet. Die dynamische Referenzbasis wurde an einem zuvor am System geeichten zweiten Kunststoffquader, welcher sich ebenfalls in der Plexiglasfixierung befand, mit einem Minifixateur-System der Fa. Synthes Bochum fixiert. Die Präzision der optoelektronischen Kamera beträgt nach Angaben des Herstellers 0.1 mm in der Translation und 0.1° in der Rotation.

Für die Akquisition der Bilddaten wurde ein Iso-C-3D-C-Bogen (Siremobil® Iso-C 3D, Fa. Siemens, Germany), der auch bei vielen Operationen assistiert, verwendet.

Bei einer Rotation von 190° um ein ISO Zentrum, wer den 100 Einzelbilder erzeugt,

(43)

in den entsprechenden multiplanaren Ebenen wurden die navigierten Bohrungen durchgeführt. Mit Hilfe des Millimeterpapiers für die Bohrzielpunkte und die Ausgangsmarkierungen konnte die zuvor mit dem Navigationssystem abgestimmte Ziellinie verglichen und der Abweichungsabstand berechnet werden.

3.2.6 Oberflächenrauhigkeit der Drähte

Hauptargument für die Entwicklung der neuartigen K-Drähte aus FGL ist die zu geringe Verankerung der herkömmlichen Drähte im Knochen des Patienten. Nach der Entwicklung der ersten Prototypen von K-Drähten aus Formgedächtnislegierungen liefen parallel zu unseren biomechanischen Tests der FGL-Drähte in den Laboratorien der Medizinischen Hochschule Hannover weiterführende Versuche bei unserem Kooperationspartner ARGEUPO©

Medizintechnik GmbH & Co.KG. Diese Versuche dienten zur Quantifizierung der Unterschiede zwischen den Standard-K-Drähten und den neuentwickelten K-Drähte aus Formgedächtnislegierungen.

Gemessen wurde dazu in einem Zugversuch die Kraft, die notwendig ist, um einen vorher implantierten K-Draht gegen Widerstand der Verklemmung im Knochenlager aus einem humanen Humerusknochen zu explantieren. Die ersten Ergebnisse zeigten überraschend hohe Werte für den gewöhnlichen Standard-K-Draht im Vergleich zu dem neuartigen Design der FGL-K-Drähte.

Da die Verklemmung des herkömmlichen K-Drahtes aber zu 100% durch die Reibkräfte zwischen Draht und Knochen realisiert wird, welche neben den vom Bohrlochdurchmesser und dessen Aufweitung abhängigen Normalkräften auch von der Oberflächenbeschaffenheit des Drahtes abhängig ist, wurde diese weiteren Untersuchungen unterzogen. Hierbei sollten die Gründe für das vergleichweise schlechte Abschneiden der neuartigen FGL-K-Drähte konkretisiert werden.

Dazu wurden am Laser Zentrum Hannover e.V. die Oberflächenrauhigkeit von herkömmlichen K-Drähten und FGL-Drähten aus NiTi vermessen, sowie am dortigen Rasterelektronenmikroskop Aufnahmen der Oberflächen gemacht, um eine visuelle Einschätzung der Oberflächenbeschaffenheit –und gestalt vornehmen zu können.

Hierbei erfolgte die Abtastung der Oberflächen der Standard-K-Drähten und der neuentwickelten FGL-K-Drähten mittels Perthometer. Die Bestätigung der

(44)

Messergebnisse konnte in der rasterelektronenmikroskopischen Auswertung verdeutlicht werden.

Abbildung 23.Rasterelektronenmikroskop zur visuellen Bewertung der Oberflächenbeschaffenheit von herkömmlichen und FGL-Kirschnerdrähten

3.2.7 Biomechanische Testung

Für die biomechanische Testung der Drähte am Humerusknochen wurden 12 humane kyrokonservierte Humeruspräparate (6 Paare) aus dem anatomischen Institut der Medizinischen Hochschule Hannover verwendet. Die Humerusknochen wurden von den Weichteilen freipräpariert und bei -20°C in Folien eingeschweißt bis

Referenzen

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