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Archiv "Arztbild der Zukunft: Eindeutiges Votum gegen die Substitution ärztlicher Tätigkeit" (30.05.2008)

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A1176 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 22⏐⏐30. Mai 2008

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W

ohin die Reise unter TOP III gehen würde, zeichnete sich bereits zu Beginn der Verhandlun- gen des 111. Deutschen Ärztetages ab, als die Delegierten noch über das

„Ulmer Papier“ berieten. Dort hatte ein Satz den Weg in die Beschluss- vorlage des Vorstands der Bundes-

ärztekammer (BÄK) gefunden, der – aus dem Kontext gerissen – hätte missverstanden werden können. „Im Rahmen von Modellvorhaben soll die Übertragung von bislang unter Arztvorbehalt stehenden Leistungen in die eigenständige Verantwortung nicht ärztlicher Gesundheitsberufe er- probt werden“, hieß es dort. Das kön- ne so nicht stehen bleiben, befanden die Delegierten und sorgten dafür, dass der Absatz gestrichen wurde.

Entgegen der ursprünglichen Pla- nung fand die Debatte zu TOP III erst am letzten Verhandlungstag statt. Nach den intensiven Diskus- sionen der Vortage, insbesondere zum Ulmer Papier und zur elektro-

nischen Gesundheitskarte, hatten die Delegierten keinen Bedarf mehr an weiteren langwierigen Beratungen – zumal der Beratungsgegenstand of- fenbar kaum strittig war. Vielleicht wäre dies anders gewesen, wenn be- reits die Übersicht über die „Mög- lichkeiten und Grenzen der Delega-

tion ärztlicher Leistungen“ vorgele- gen hätte, wie sie von Bundes- ärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung als ein Rahmen für die Zuweisung von Aufgaben und delegationsspezifischer Verant- wortung vorbereitet wird. Mit großen Mehrheiten folgten die Dele- gierten den Anträgen des BÄK-Vor- stands zum Arztbild der Zukunft und zur Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen. Zuvor hatten die Präsidenten der Landesärzte- kammern Sachsen und Westfalen-

Lippe, Prof. Dr. med. Jan Schulze und Dr. med. Theo Windhorst, in Grundsatzreferaten den Standpunkt der Ärzteschaft deutlich gemacht.

Schulze betonte die unverwech- selbaren Alleinstellungsmerkmale, die den Arzt auszeichneten. „Ärzte sind die Experten für die Prävention und Diagnose von Krankheiten so- wie für die Beratung, Behandlung und Betreuung von kranken Men- schen unter Berücksichtigung ihres Umfelds. Jeder Arzt muss über um- fassende Kenntnisse des Zugangs zum Menschen in seiner biologi- schen, psychologischen und sozia- len Verfasstheit verfügen, über prak- tisches Können, Empathie und die Fähigkeit, den Patienten zuzuhören.

Dies gilt unabhängig von seiner in der Weiter- und Fortbildung jeweils erworbenen Spezialisierung.“

Diese äußerst komplexe, an- spruchsvolle Aufgabe gebe dem Arztberuf in Verbindung mit der pro- fessionellen Autonomie sein beson- deres Profil und seinen besonderen Reiz. Schulze betonte, dass die Ärz- te ihre führende Position im Gesund- heitswesen nur dann sichern könn- ten, wenn sie an dem Selbstverständ- nis eines freien Berufs festhielten.

Der Arztberuf sei kein Gewerbe, und diejenigen Ärzte, die gewerbliche Nebentätigkeiten zum Hauptzweck machten, verlören ihre ärztlichen Alleinstellungsmerkmale. Der Präsi- dent der Landesärztekammer Sach- sen stellte klar: Der Arzt ist aus dem Blickwinkel der Patienten mehr als ein Experte für Gesundheit und Krankheit. Für die Patienten stelle er ARZTBILD DER ZUKUNFT

Eindeutiges Votum gegen die Substitution ärztlicher Tätigkeit

Entschlossen wandte sich der Ärztetag gegen qualitativ neue Formen der interpro- fessionellen Kooperation im Gesundheitswesen. Aber: Die Delegierten plädierten für eine Ausweitung der Delegation und des Case-Managements im Krankenhaus.

TOP III Arztbild der Zukunft und Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen

Jan Schulze:Deut- liche Absage an eine prozessorientierte Aufteilung der ärztlichen Tätigkeit

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 22⏐⏐30. Mai 2008 A1177 eine unverzichtbare Vertrauensper-

son dar.

Diese Funktion wahrzunehmen, werde aber in einem von Bürokrati- sierung und Wirtschaftlichkeitsdruck geprägten Gesundheitswesen immer schwieriger. Der freie Arztberuf er- fahre eine „bedrückende Fremdbe- stimmtheit durch gesetzliche oder krankenkassendominierte Vorgaben für Ärzte und Patienten“. Eine Absa- ge erteilte Schulze auch allen Versu- chen, eine Neustrukturierung des ärztlichen Dienstes mit einer pro- zessorientierten Aufteilung umzu- setzen. Diese Partikularisierung der Arztrolle werde der Komplexität ärztlichen Handelns nicht gerecht.

Ganz entscheidend sei, dass das Primat des Patientenwohls weiterhin als Leitprinzip im Gesundheitswe- sen Bestand habe, führte Schulze aus und hob hervor: „Eine Gesundheits- politik, die auch in Zukunft ein pati- entenorientiertes Gesundheitswesen und engagierte Ärzte haben möchte, darf diese nicht ausbremsen. Sie muss ihnen Rahmenbedingungen gewährleisten, die der Ärzteschaft erlauben, ihr Potenzial und ihre Hu- manressource zu entfalten.“

Dem Präsidenten der Ärztekam- mer Westfalen-Lippe, Dr. med. Theo Windhorst, kam die Aufgabe zu, die Vorstellungen der Ärzteschaft zur künftigen Zusammenarbeit mit den anderen Gesundheitsberufen zu prä- zisieren. Seine Ausführungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen

übrig: „Keine Teilbarkeit der the- rapeutischen Gesamtverantwortung, Delegation statt Substitution ärztli- cher Leistung, keine Einführung ei- ner neuen nicht ärztlichen Versor- gungsebene.“ Er kritisierte das Gut- achten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2007, in dem eine nicht immer effi- ziente „Arztzentriertheit“ im deut- schen Gesundheitssystem konsta- tiert und eine veränderte Arbeitstei-

lung zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen gefordert wor- den sei. Für Windhorst bleiben in dem Gutachten entscheidende Fra- gen offen: „Welche ärztlichen Leis- tungen sollen auf nicht ärztliche Heilberufe übertragen werden? Wie muss sich das Haftungsrecht än- dern? Wer trägt die Finanzverant- wortung, wenn Physiotherapeuten und Pflegeberufe eigenständig über Umfang und Ausgestaltung ihrer Tätigkeit entscheiden?“

Arztvorbehalt in vielen Gesetzen festgeschrieben Die Sicherheit der Patienten, führte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe aus, gebiete es, weiterhin den Arztvorbehalt zu re- klamieren, da ärztliche Tätigkeit regelmäßig mit Gefahren für den Patienten verbunden sei. Deshalb habe der Gesetzgeber diesen Arzt- vorbehalt in zahlreichen Gesetzen festgeschrieben. § 15 Abs. 1 SGB V schreibe ausdrücklich vor: „Ärztli- che oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen an- derer Personen erforderlich, dürfen diese nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeord- net und von ihm verantwortet wer- den.“ Mit dem Pflegeweiterent- wicklungsgesetz sei dieses Prinzip im Zuge von Modellvorhaben der Pflege durchbrochen worden, kriti-

sierte Windhorst.

ZEHN THESEN ZUM ARZTBILD DER ZUKUNFT

Œ

ŒDie Schlüsselrolle des Arztberufs für das Gesundheitswesen ergibt sich aus dessen Alleinstellungsmerkmalen.



Der Arzt übt einen freien Beruf aus und ist kein beliebig austauschba- rer Gesundheitsdienstleister.

Ž

ŽFür den Patienten ist der Arzt Experte und Vertrauensperson in einem.



Die Patient-Arzt-Beziehung muss vor einer Erosion durch Kontroll- bürokratie und Instrumentalisierung des Arztberufs für Rationierungs- zwecke geschützt werden.



Eine patientenorientierte Medizin und ein leistungsfähiges Gesund- heitswesen brauchen die „ganze“ Ärztin und den „ganzen“ Arzt.

‘

‘Die Rolle des Arztberufs ist keine omnipotente, sondern die des bes- ten Anwalts des Patienten.

’

’Die künftigen Schwerpunkte der ärztlichen Tätigkeit bestehen darin, die Fähigkeit des Einzelnen oder auch ganzer Bevölkerungsgruppen zu fördern, durch Eigeninititative ihre Gesundheit zu verbessern sowie in

der Behandlung und Betreuung chronisch Kranker und pflegebedürfti- ger Patienten. Um den Zukunftsaufgaben gerecht zu werden, bedarf es einer stärkeren Vermittlung psychosozialen Wissens und der Schulung der kommunikativen und sozialen Kompetenzen der Ärzteschaft be- reits im Medizinstudium.

“

“In Anbetracht der Komplexität der modernen Medizin und der sozio- demografischen Entwicklung muss die medizinische Versorgung als Teamaufgabe begriffen werden.

”

”Eine Orientierung am Primat des Patientenwohls gehört zum profes- sionellen Selbstverständnis der Ärzteschaft.

Sie ist konstitutiv für eine patientenorientierte Medizin und ein leis- tungsfähiges Gesundheitswesen.

•

•Aufgrund ihres Expertenwissens und ihrer berufsimmanenten Verant- wortlichkeit für die Patienten stellt die Ärzteschaft einen unverzichtba- ren Partner für den Strukturwandel des Gesundheitswesens dar.

aus dem einstimmig beschlossenen Leitantrag des Bundesärztekammer-Vorstands Theo Windhorst:Die richtige Dosis an Teamarbeit in der Gesundheitsversorgung macht die Patientensicherheit aus.

Jeder an seinem Platz ist wichtig!

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Nichts spreche jedoch gegen eine verbesserte Kooperation mit allen Gesundheitsberufen. Ärzte könnten von Tätigkeiten entlastet werden, die nicht zu ihren eigentlichen Auf- gaben zählten. Dies führe auch zu ei- ner Steigerung der ärztlichen Be- rufszufriedenheit. Einer stärkeren Einbeziehung von Gesundheitsberu- fen in das Case-Management sei deshalb zuzustimmen. „Die richtige Dosis an Teamarbeit in der Gesund- heitsversorgung macht die Patien- tensicherheit aus. Jeder an seinem Platz ist wichtig!“, betonte Wind- horst. So biete etwa die verstärkte Einbindung der Medizinischen Fach- angestellten in die ambulante Ver- sorgung ein enormes Entlastungs- potenzial. Im stationären Bereich sei im Zuge einer bundeseinheitli- chen Regelung des Berufs des ope- rationstechnischen Assistenten eine Unterstützung und Entlastung von Chirurgen und Anästhesisten mög- lich, ohne dass die Assistenten Zu- griff auf originär ärztliche Aufga- ben erhielten. „Delegation ja, Sub-

stitution nein!“, lautete das Fazit von Windhorsts Ausführungen, mit dem er gleichzeitig auf den entsprechen- den Entschließungsantrag des BÄK- Vorstands verwies.

Diese Verkürzung erscheine ihr ein bisschen zu wenig und zu platt, merkte BÄK-Vizepräsidentin Dr.

med. Cornelia Goesmann in einem der wenigen kritischen Diskussions- beiträge an. Sie forderte als Vorsit- zende der BÄK-Fachberufegremien Offenheit in der Diskussion gegen- über den nicht ärztlichen Gesund- heitsberufen. „Wir müssen eigene Modellversuche zur Stärkung und Einbeziehung der anderen medizini- schen Fachberufe in Versorgungs- konzepte fahren“, regte Goesmann an. Was spreche etwa dagegen, wenn Pflegekräfte Pflegehilfsmittel ver- ordneten, und was spreche gegen ge- meinsame Entscheidungen mit Phy- siotherapeuten über von ihnen vor- geschlagene Heilmittel? Goesmanns Hoffnung: „Ich möchte, dass von diesem Ärztetag das Signal ausgeht:

Wir sind offen zum Gespräch mit

den anderen medizinischen Berufs- gruppen; wir gehen gemeinsam neue Wege. Wir dürfen die Tür nicht zu- schlagen in der Diskussion.“ Einem entsprechenden Antrag, unter ande- ren auch von der Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr.

med. Martina Wenker, unterzeich- net, mochten die Delegierten des 111. Deutschen Ärztetags jedoch nicht folgen und beschieden ihn mit Vorstandsüberweisung.

Delegation nicht zulasten der ärztlichen Weiterbildung Deutlich wurde in der Diskussion die Sorge der Ärzteschaft um eine schleichende Deprofessionalisierung ihres Berufsstands. So wies Dr.med.

Norbert Jäger, Schleswig-Holstein, auf die gefährlichen Folgen für die Integrität des ärztlichen Berufsbilds hin, wenn originär ärztliche Aufga- ben, zum Beispiel Sonografie, von ei- nem nicht ärztlichen Fachangestell- ten übernommen würden, während der Arzt sich der Verwaltung wid- men müsse. Dieser neue Spezialist

MODELLPROJEKT „MOBILE PRAXISASSISTENTIN“

In Sachsen-Anhalt startete im Dezember 2007 das Modellprojekt „Mobile Praxisassistentin“ in Vertragspartnerschaft von Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Sachsen-Anhalt und AOK Sachsen-Anhalt. Die Laufzeit ist auf drei Jahre angelegt, ab Mitte 2008 steht das Projekt auch für andere Krankenkassen offen. In zunächst drei Regionen sollen mobile Praxisassistentin- nen zum Einsatz kommen. Das Gesundheits- ministerium finanziert die wissenschaftliche Begleitung des Projekts.

Die „Mobile Praxisassistentin“ sucht im Auf- trag des Hausarztes Patienten auf, die nicht mehr selbst in die Arztpraxis kommen können.

Sie ist direkt an ein Hausarztpraxisteam ange- bunden und führt das aus, was der Arzt vorher angeordnet hat. Sie beurteilt und kontrolliert im Auftrag des Arztes eigenständig den Gesund- heitszustand des Patienten oder den Verlauf chronischer Krankheiten. Sie setzt den vom Hausarzt erstellten Behandlungsplan um und besucht in den von ihm vorgegebenen Interval- len die Patienten.

Teilnehmen können Versicherte der AOK Sachsen-Anhalt, die mindestens 65 Jahre alt sind und sich am Hausarztprogramm der AOK Sachsen-Anhalt beteiligen. Zudem muss eine ei-

ne chronische Erkrankung vorliegen. Das Projekt ist vorerst beschränkt auf circa 1 000 Versicher- te und fünf Arztpraxen in bestimmten Regionen.

Zu den Aufgaben der „Mobilen Praxisassis- tentin“ im häuslichen Bereich teilnehmender Patienten gehört:

>Blutabnahme, Blutdruck- und Blutzucker- messung

>Injektionsgabe

>Prüfung der Medikamentenverträglichkeit

>Ausstellung von Folgerezepten nach ärzt- licher Vorgabe

>Maßnahmen der Prävention wie z.B. eine Ernährungsberatung

>Sturzprophylaxe

>Kontrolle des Impfpasses

>Soziale Beratung

>Unterstützung der Angehörigen

>Überwachung der Leistungen der häusli- chen Krankenpflege

Dr. med. Burkhard John, Vorstandsvorsit- zender der KV Sachsen-Anhalt, beurteilt das Modellprojekt positiv: „Die Zunahme chroni- scher Krankheiten wird dazu führen, dass in Zukunft neue Strukturen in der hausärztlichen Praxis notwendig werden. Nicht alles kann und muss der Hausarzt selbst erledigen, viele Auf-

gaben sind delegierbar. Die Entlastung bei der Betreuung von Patienten im häuslichen Umfeld stellt einen ersten wichtigen Schritt dar. Hier können besonders qualifizierte Arzthelferinnen in enger Abstimmung mit dem Hausarzt sehr viele Aufgaben übernehmen.“

Die „Mobile Praxisassistentin“ benötigt eine:

>abgeschlossene Gesundheits- und Kran- kenpflegeausbildung

>oder eine abgeschlossene Ausbildung zur Sprechstundenschwester der ehemaligen DDR

>oder eine abgeschlossene Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten

>oder eine abgeschlossene Ausbildung zur Arzthelferin

>und den Nachweis einer mindestens drei- jährigen Berufstätigkeit in einer Hausarzt- praxis.

Ärztliche Tätigkeiten werden nach wie vor vom behandelnden Arzt durchgeführt. Bei un- klaren oder auffälligen Befunden erfolgt durch die „Mobile Praxisassistentin“ während des Hausbesuchs eine sofortige telefonische Rück- sprache mit dem Hausarzt. Pflegerische Leis- tungen werden durch die „Mobile Praxisassis-

tentin“ nicht erbracht. TG

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werde immer besser, während der Assistenzarzt zu nichts mehr kom- me. Jägers Parole lautete also: „Weg von den Schreibtischen, ran an die Patienten!“ In dem von ihm mitein- gebrachten, vom Ärztetag beschlos- senen Antrag heißt es, die Delegati- on dürfe nicht zulasten der ärztlichen Weiterbildung und Nachwuchsför- derung gehen. Gerade für den Ein- stieg in die Spezialisierung seien die Erhebung von einfachen diagnosti- schen Befunden (zum Beispiel in der Sonografie) oder die Ausführung von Teilschritten eines Eingriffs un- ter fachärztlicher Supervision ganz entscheidende Schritte.

Kein Bachelor in der Medizin Auch gegenüber den Psychologi- schen Psychotherapeuten wurden deutliche Abgrenzungen gefordert.

„Die Psychologen sind diejenige Berufsgruppe, die bei der Deprofes- sionalisierung des Arztberufs am weitesten vorangeschritten sind“, führte Dr. med. Heiner Heister, Nordrhein, aus. Gemeinsam mit an- deren Delegierten forderte er den Gesetzgeber auf, im Sozialgesetz- buch V anstelle der Bezeichnung Psychotherapeuten für die korrekten Berufsbezeichnungen Psychologi- sche Psychotherapeuten (PP), Kin- der- und Jugendlichenpsychothera- peuten (KJP) und ärztliche Psycho- therapeuten Sorge zu tragen. „Dem durchsichtigen Versuch, den Begriff des Psychotherapeuten allein für PP und KJP zu reklamieren, ist eine kla- re Absage zu erteilen.“

Auch der Erhalt einer sechsjähri- gen Ausbildung wurde von den Dele- gierten einhellig als essenziell für den Arztberuf und dessen Alleinstel- lungsmerkmale angesehen. Die Ein- führung eines Bachelor-/Masterstu- diums in der Medizin mit seiner mo- dularen Ausbildung ebne den Weg zu Medizinschulen, die der bisherigen Qualität der deutschen Hochschul- ausbildung nicht entsprächen. Das einheitliche und hochwertige Medi- zinstudium mit dem Staatsexamen als Abschluss müsse erhalten bleiben.I Thomas Gerst

STUDIE: DELEGATION IM KRANKENHAUS

Welche Tätigkeiten des ärztlichen Dienstes können auch von nicht ärzt- lichen Berufsgruppen übernommen werden? Eine vom Deutschen Kran- kenhaus-Institut vorgelegte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Delegation von Tätigkeiten insoweit zulässig ist, als sie nicht den Kernbe- reich ärztlichen Handelns, also insbe- sondere Diagnostik und Therapie, be- trifft. Die Studie enthält eine Über- sicht der Tätigkeiten, die an Kranken- häusern bereits delegiert werden.

Kurzfristig übertragbare Tätigkeiten

Diese ärztlichen Tätigkeiten könnten nach relativ kurzer Anpassungszeit vom nicht ärztlichen Personal in glei- cher Qualität und Sorgfalt ausgeführt werden. Es werden in Abhängigkeit von der Patientengefährdung und der erforderlichen Qualifikation fünf Ka- tegorien unterschieden:

>Qualifikation durch Ausbildung oder Weiterbildung (z. B. Codierung von Diagnosen/Prozeduren im Nachgang zur ärztlichen Festlegung, Dokumentation für Qualitätssiche- rung, Befunddokumentation, Vorbe- reitung des Arztbriefs, Ausstellung von Rezepten für die Folgemedika- tion, Materialversand)

>Qualifikation durch Ausbildung und Einweisung (z. B. venöse Blut- entnahme, subkutane Injektionen, Basis-, Fremd- und Sozialanamnese, Vitalzeichenkontrolle, Blutzuckermes- sung, Insulinapplikation, Erstellung eines Ruhe-EKG, Fädenziehen, Medi- kamentengabe, Abstrichentnahme bei identifizierbaren Bereichen)

>Qualifikation durch Ausbildung (zum Beispiel intramuskuläre Injek- tionen, Blutentnahme aus einem pe- ripheren Venenkatheter, Anlage ei- ner transnasalen Sonde oder eines transurethralen harnableitenden Ka- theters, Durchführung einer kapilla- ren Blutgasanalyse oder eines Tu- berkulin-Tests, Entfernen einer Port- nadel, Hakenhalten im OP, Messung des zentralen Venendrucks, Wechsel von Blutkonserven)

>Qualifikation durch qualifizie- rende Ausbildung und spezifische Schulung, Delegation nur im Einzel-

fall (z. B. intravenöse Injektion eines Arzneimittels mit großer therapeuti- scher Breite und/oder geringer loka- ler Toxizität, Anlage einer Venenver- weilkanüle, Anlegen eines Gipsver- bands, Injektion in liegende Infusi- onssysteme, offenes endotracheales Absaugen mit Tubus, Entfernen eines zentralen Venenkatheters)

>Qualifikation durch qualifizie- rende Ausbildung und strukturierte Weiterbildung, Delegation nur im Einzelfall unter Aufsicht eines Arztes (z. B. intravenöse Applikation von Zytostatika bei Vorliegen einer Medi- kamentenpositivliste, Punktion eines Portkatheters, Belastungs-EKG, Ul- traschalluntersuchungen, Lungen- funktionsuntersuchung, intravenöse Injektionen von Antibiotika mit Be- schränkung auf Folgegaben).

Die bisherigen Erfahrungen der Krankenhäuser zeigen laut DKI-Stu- die, dass es zu einer Entlastung des ärztlichen Dienstes kommt. Wie hoch das Entlastungspotenzial für das Krankenhaus im Einzelnen sei, hänge von den krankenhausindividuellen Gegebenheiten ab.

Mittelfristig übertragbare Tätigkeiten

Tätigkeiten, die mittelfristig delegiert oder neu zugeordnet werden können, würden eine umfangreichere Anpas- sung der Qualifikation erfordern.

Grund hierfür sei das höhere Gefähr- dungspotenzial für die Patienten. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich in der Regel um komplexe und/oder um- fangreiche Tätigkeitsbereiche, die Reorganisationsprozesse mit einem gewissen Zeitbedarf erfordern.

Exemplarisch werden die folgen- den Bereiche genannt:

>nicht ärztliche Chirurgieassis- tenz bei operativen Eingriffen

>Case-Management

>Wundpflegemanagement

>Schmerzmanagement.

Mit diesen mittelfristig übertrag- baren Tätigkeiten würde der ärztliche Dienst nicht nur entlastet, sondern diese Umstrukturierungen könnten auch zu einer Verbesserung der Qualität der Leistungserbringung

führen. TG Referate von Jan Schulze und

Theo Windhorst im Internet:

www.aerzteblatt.de/plus2208

@

Referenzen

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