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Archiv "Politik und Wissenschaft: Von der Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit unserer Universitäten" (04.10.1996)

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In den letzten Monaten ist Bewe- gung in die universitäre Administrati- on geraten, die dem Sachverständigen nur noch ein müdes Kichern entlockt.

Der Umgang mit Sachverständigen, die sich als Experten der Lehre be- zeichnen, erscheint selbst für univer- sitäre Einrichtungen problematisch.

Zur Frage der Einführung des soge- nannten Kleingruppenunterrichtes wurden zumeist keine Befunde aus der Praxis eingeholt. Allerdings darf keine Generalisierung erfolgen: Die Verhältnisse in den betriebswirt- schaftlichen Fächern oder auch in der Germanistik sind anders

zu bewerten als die etwa im Fachgebiet der Phar- makologie und Toxikolo- gie, wie es in einer medizi- nischen Fakultät gelehrt wird. Häufig werden deut- sche Hochschullehrer in jüngster Zeit von „Didak- tikern“ amerikanischer Universitäten besucht, die viel von der Psychologie der Lehrvermittlung medi- zinischer Sachverhalte ver- stehen mögen, in der Regel

aber nur wenig von den Fächern wis- sen, die gelehrt werden sollen.

Zur Zeit wird viel über Klein- gruppenunterricht geredet, von dem sich neben den Politikern auch die Verwaltungsleute Wunder verspre- chen. Hier muß vor einer Fehlent- wicklung gewarnt werden.

Der Kleingruppenunterricht kann ohne Zweifel Lehrinhalte inten- siver an den „Mann“ bringen als ein

„Frontalunterricht“ alter Prägung. Es muß aber gefragt werden, ob dieser denn auch wirklich in der univer- sitären Lehre nützlich ist. Das Verar- beiten und das Verständnis wissen- schaftlicher Sachverhalte muß stets vom Studenten erbracht werden.

Selbst Hilfsschüler kann man über die Grundlagen der Pharmakologie und Toxikologie so informieren, daß sie mit dem Gefühl des augenblicklichen Verständnisses der gelehrten Sach- verhalte das Institut wieder verlassen und auch das „Kreuzchen-Examen“

bestehen könnten. Das kann aber nicht das angestrebte Lehr- und Lern- ziel für den Beruf von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern sein, die aufgrund der eigenen Erfahrungen und der Anwendung der wissen- schaftlichen Methoden ihre Tagesar- beit verrichten müssen. Sie sollen

mehr verstehen, als nur Arzneimittel nach Angaben der Roten Liste oder eines Beipackzettels zu verordnen.

Bei der Manie, alles nachzuah- men und alles Mögliche aus den an- gelsächsischen Ländern abzukupfern und hier einzuführen, stehen noch Er- fahrungen ins Haus. Wenn Pharma- kologie und Toxikologie in Zukunft tatsächlich in den vorklinischen Wis- senschaften gelehrt werden sollen, ist vorauszusagen, daß ein Teil der Krankheitslehre, nämlich die der Pa- thophysiologie und Pathobiochemie der verschiedenen Krankheiten, von den Pharmakologen und Toxikologen reusurpiert wird. In diesem Zusam- menhang darf darauf verwiesen wer-

den, daß die Pathophysiologie im weiteren Wortsinne früher immer ein erklärter Lehrinhalt der Pharmakolo- gen und Toxikologen war: Wie an- ders soll ein Student eine rationale Indikation für einen Therapievor- schlag erarbeiten, wenn er nicht weiß, was er zu therapieren hat?

Der Kleingruppenunterricht kann nur unter Einsatz aller Assisten- ten durchgeführt werden. Die Assi- stenten, die das Fach in den Univer- sitätsinstituten gründlich erlernen wollen und sich weiterbilden, werden so frühzeitig in die Vermittlung des Lehrstoffs einbezogen. Die Kapa- zitätsverordnung hat das so gewollt.

Es ist nichts dagegen einzuwen- den, daß durch den Kleingruppenun- terricht die universitäre Effizienz ge- steigert werden kann. Es wird so we- niger Studienabbrecher geben, mehr Studenten werden die Examina beste- hen. Sind das aber die guten Ärzte der Zukunft? Oder haben wir durch die rechtzeitige Vergabe von Krücken die Gehbehinderten gehfähig gemacht, ohne die Auslese, die durch die universitäre Leh- re deutscher Prägung – eben die Anleitung zum selbständigen Lernen – er- zielt wird, überhaupt zu nutzen? Kann es das Ziel der universitären Lehre sein, jeden, der das Studi- um beginnt, auch zum fer- tigen Arzt auszubilden, oder sollte man nicht die geeignetsten Studenten auswählen, die in der Lage sind, unter Nutzung aller gebotenen Möglichkeiten sich ein Grundwissen anzueignen, das dann für den Arztberuf angewendet wer- den kann?

Es ist nicht zutreffend, daß sich die universitäre Landschaft grundle- gend verändert hat. Geändert haben sich nur die Menschen, die auszuloten versuchen, wie wenig zu leisten ist, um eine Berufsberechtigung als Arzt zu erhalten. Heute wird kaum noch ein Student der Humanmedizin als Dok- torand an theoretischen Instituten aufgenommen. Gerade aber bei die- ser Tätigkeit ist der Kontakt zu den Lehrenden und Lernenden besonders eng. Es wäre interessant zu erfahren, weshalb die Studenten sich dieser en- A-2524

P O L I T I K KOMMENTAR

(20) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 40, 4. Oktober 1996

Politik und Wissenschaft

Von der Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit

unserer Universitäten

Zeichnung: Elie Nasser, Düsseldorf

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F

ast hätten Christdemokraten und Grüne des EU-Parlaments darauf verzichten müssen, ihre Kritik an der geplanten Kon- vention des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und Menschen- würde im Hinblick auf die Anwen- dung von Biologie und Medizin zu äußern. „Dieser Punkt drohte von der Tagesordnung zu kippen, weil ihn die Sozialdemokraten mit ihrer Mehrheit erst am Ende der Sitzungswoche be- handeln wollten“, teilte der CDU-Eu- ropaabgeordnete Dr. med. Peter Lie- se mit.

In einer Entschließung, die von Christdemokraten, Grünen und eini- gen Sozialdemokraten verabschiedet wurde, wird ein ausnahmsloses Ver- bot des Handels mit „menschlichen Embryonen, Föten und fötalem Ge- webe“ gefordert. Verboten sein müs- se auch „die verbrauchende For- schung an und die Erzeugung von menschlichen Embryonen zum Zwecke der Forschung“. Das Einfrie- ren von Embryonen solle nach dem Willen der EU-Parlamentarier nur dann zulässig sein, wenn die „inner- halb des Zyklus vorgesehene Über- tragung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist“. Die kryotechnische Konservierung nach Abschluß der fertilisierenden Behandlung sei zu verbieten. Bei künstlicher Befruch- tung sollen einer Frau innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Embryo- nen eingepflanzt werden. Dazu Liese:

„Diese Regeln entsprechen dem deutschen Embryonenschutzgesetz.“

Medizinische Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen solle „nur unter besonderen Umstän- den und unter der Bedingung durch-

geführt werden, daß ihr gesetzlicher Vertreter unbeeinflußt und in Kennt- nis der Sachlage unbeschadet sonsti- ger gesetzlicher Garantien seine Zu- stimmung erteilt hat, daß der Betref- fende keinen Einwand erhebt, der Eingriff in unmittelbarem Zusam- menhang mit der Krankheit des Be- troffenen steht, die Forschungen nicht bei einer einwilligungsfähigen Person durchgeführt werden können und die Forschung so angelegt ist, daß sie der Gesundheit des Betroffenen direkt zustatten kommt“. Für Behin- derte dürfe es grundsätzlich keine dis- kriminierenden Regelungen geben.

Keine Weitergabe von genetischen Tests Notwendig ist nach Auffassung des Europaparlaments auch ein Ver- bot von „Eingriffen in das menschli- che Genom, die darauf abzielen, die Keimbahn zu verändern oder dies be- wirken“. Dieser Punkt müsse in dem Konventionsentwurf eindeutig for- muliert werden. Ferner sei es notwen- dig, jegliche Weitergabe der Ergeb- nisse von genetischen Tests an andere Personen oder Institutionen (zum Beispiel an Versicherungen oder Ar- beitgeber) zu untersagen.

„Nun liegt es an der Parlamenta- rischen Versammlung und dem Mini- sterkomitee des Europarates, für die Wahrung von Menschenrechten und einen verantwortungsvollen Umgang mit Biomedizin und Gentechnologie einzutreten, indem sie den Konventi- onsentwurf ablehnen“, sagte die Eu- ropabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Hiltrud Breyer. Kli A-2527

P O L I T I K KOMMENTAR/AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 40, 4. Oktober 1996 (23) gen und zeitintensiven Kooperation

zunehmend entziehen.

Was das bedeutet, wird sich erst in zehn bis zwanzig Jahren heraus- stellen, wenn die Lehre im Fach Pharmakologie und Toxikologie nicht mehr durch Ärzte vermittelt wird. Übrigens, was wollen eigentlich die Kultusminister mit den vielen Absolventen der Medizinischen Fa- kultäten im Alltag anfangen, wenn die „Effizienz“ der Ausbildung so fa- belhaft gesteigert wird? Sollen die Ärzte dann zwar approbiert sein, aber vor einem Weiterbildungseng- paß stehen und dann in die freie Pra- xis entlassen werden? Da wäre schon die Steigerung der Ansprüche im Rahmen einer intelligenten Ausbil- dung besser.

Jedes Lehrgebiet braucht Nach- wuchs. Dieser rekrutiert sich aus den Hochschulassistenten, die für die Leh- re eingesetzt werden können, wenn sie ihre Qualifikation, nämlich die Lehrbeschäftigung und die Lehrbe- fugnis, in der Habilitation erarbeitet haben. Nicht früher werden die Assi- stenten am Münchener Pharmakolo- gischen Institut für die Lehre einge- setzt. Man tut gut daran, den Nach- wuchs nicht zu gering zu bemessen. Es ist kontraproduktiv, die Zahl der Ha- bilitierten stets dem Bedarf der Do- zenten anzupassen.

Der Frontalunterricht ist nicht nur aus der Sicht der Studenten nütz- lich. Der Unterricht ist nicht einmal besonders teuer, zumal die mit der Lehre betrauten habilitierten Assi- stenten dabei lediglich einen Aufstieg zum Oberassistenten gewärtigen kön- nen. Man muß sich davon freimachen, daß ein Dozent im Augenblick seiner Habilitation schon die Lehre beherr- schen muß. Er hat die Voraussetzun- gen dafür geschaffen, daß er sich mit dem systematisch erarbeiteten Fun- dus eines gründlichen Sachverstandes der Lehre widmen kann. Auch ist die- ses Verfahren keineswegs schädlich für die spätere Berufung auf adäquate Positionen, die stets aufgrund der Lei- stungen in der Forschung und der Lehre erfolgen sollte.

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth, München

Berufsbezeichnungen werden in diesem Bei- trag geschlechtsneutral verwendet.

Entschließung des EU-Parlaments zur Bioethik

Strenge Regeln für Embryonenforschung

Das Parlament der Europäischen Union hat den Entwurf des Europarats für eine Konvention

über Menschenrechte und Biomedizin Ende September in Straßburg abgelehnt. In einer Ent-

schließung, die von Christdemokraten, Grünen und einigen Sozialdemokraten verabschie-

det wurde, werden unter anderem strenge Regeln für die In-vitro-Fertilisation, ein Ver-

bot der Keimbahnmanipulation und der verbrauchenden Embryonenforschung gefordert.

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