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Archiv "Das bayerische Surferparadies: Die Welle ruft!" (25.10.1996)

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D

es is wia im richtig’n Leb’n. Moi klappt’s, moi ned.“ Max konzentriert sich, blickt starr vor sich hin.

Behutsam legt er das bunte Board aufs Wasser, plaziert den linken, dann den rechten Fuß. Balance finden, Abstoß Richtung Welle. Rasend prescht das sprudelnde Was- ser in die Höhe. Schon auf dem ersten Weißwasser reißt der tobende Eisbach ihn vom Brett. Max hechtet kopfüber ins spritzende Naß.

Heute ist langer Donners- tag. Auf der Prinzregenten- straße in München stauen sich die Autos im Feierabendver- kehr. Abgase verpesten die Luft. Hektisch rennt eine Frau mit zwei vollgestopften Ein- kaufstüten von Karstadt in ei- nen Hausflur. Auf der ande- ren Straßenseite stehen dicht gedrängt Menschen nebenein- ander und schauen über eine

Mauer in den Englischen Gar- ten. Was ist da los? Alle star- ren gebannt hinunter auf den blondgelockten Surfer, der, in einen Neoprenanzug ver- packt, auf seinem knallroten Brett mit der Welle kämpft.

Im Grünwasser geht’s ab

Die Welle, zwölf Meter lang und einen Meter hoch, ist Teil des Eisbaches, der hier unterhalb der Prinzregenten-

straße seinen unterirdischen Lauf beendet und im Engli- schen Garten auftaucht. Das 16 Grad kalte Wasser schießt tosend hervor. „Des Weiß- wasser verringert d’Gschwin- digkeit. Nach zwoa Wochen Reg’npause is des weg“, er- klärt Max die Feinheiten. Seit Jahren kommt er fast täglich hierher, um seine Technik zu optimieren. Die weißen Wir- bel und Strudel, in der Fach- sprache „Weißwasser“, neh- men heute mindestens die Hälfte des Platzes auf der Welle ein. Dazwischen steu-

ern spiegelglatte Wasser- flächen in rasantem Tempo den Gipfel an. „Im Grünwas- ser, da geht’s gescheit ab.“ Er kennt sich aus. Die Welle hat auch ihre Macke. Die 50 Sur- fer, die sich hier bei jedem Wetter nach der Uni oder Ar- beit treffen, werden mit einer technischen Schwierigkeit konfrontiert: „Des Verreckte an dera Welle is der extreme Knick, da wenn’st ned auf- paßt, taucht die Brettlspitze unters Wasser.“

Oben auf der Tribüne wechseln ständig die neugie-

A-2803 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 43, 25. Oktober 1996 (85)

V A R I A FEUILLETON

Das bayerische Surferparadies

Die Welle ruft!

Im Englischen Garten in München ist Wellenreiten mehr als nur ein Hobby

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rigen Gesichter. Ein Radfah- rer erblickt das Szenario, steigt in die Bremsen und folgt amüsiert den Künsten der Akteure. Wuchtige Ka- stanienbäume an beiden Sei- ten des Baches umrahmen die Bühne. Zwischen den herun- terhängenden Ästen blitzt ab und zu ein Surfbrett auf. Dort unten am Ufer warten die Protagonisten im wadenho- hen Wasser, bis sie wieder an der Reihe sind. Denn die Welle bietet nur Platz für einen. Ern- ste Mienen, keiner redet. Von der Stein- mauer aus geht’s los, auf den Brettern, die für sie die Welt be- deuten. Eine Münch- nerin fesselt der An- blick dieser Akroba- tik: „Des gibt’s ja ned. I bin zum ersten Mal da. I hab g’hört, daß da a Welle mit am b’sonderen Schwung sei muaß, wie in Amerika.“

Der Rucksacktou- rist, der gerade mit Stadtplan in den Händen die Roll- treppe zur U-Bahn nehmen will, kommt zurück.

Schon zieht er seine Pocket- kamera aus der Tasche und knipst. Eine Attraktion sind die Eisbachsurfer allemal.

Der Champion trifft ein.

Johannes, der seit zehn Jah- ren surft, macht sich und sein hellblaues Brett startklar. Be- vor es losgeht, montiert er oberhalb des Knöchels den Kreppverschluß – eine Halte- rung für die Nylonschnur, die Surfer und Brett verbindet.

Angespannte Gesichtszüge verraten höchste Konzentra- tion. Professionell schwebt er auf das Grünwasser zu. Das linke Knie ist leicht gebeugt, das rechte Bein stabilisiert.

Die Füße stehen parallel, im 90-Grad-Winkel steht er zur Welle. In Schlangenlinien gleitet er vom Grün- ins Weißwasser. Die erste Dre- hung, geglückt, die zweite, phantastisch. Das Publikum auf der Tribüne grölt und ap- plaudiert. Blitzlichtgewitter.

Johannes hebt samt Brett ab,

landet elegant. Auch die Sprünge hat er drauf. Seine Füße sind mit dem Board ver- wachsen. Er hat die Welle im Griff. Doch nach 20 Sekun- den ist es auch für ihn vorbei.

Er verliert die Balance, klatscht ins Wasser, läßt sich in den weiter hinten wieder ruhigeren Eisbach abtreiben, sammelt sein Board auf und tritt den Rückweg an. „Des is de beste Flußwelle auf der

Welt“, sagt er fachmännisch,

„des gibt’s nur da in Minga.“

Der Eisbach sei das beste Training fürs Meer.

Auf der Prinzregenten- straße rast ein Krankenwa- gen mit Blaulicht vorbei. „Da braucht man schon eine gehörige Portion Stehvermö- gen“, kommentiert eine Tou- ristin aus der Schweiz die Kunststücke des Darstellers.

Die grauhaarige ältere Frau schaut mit geröteten Wangen hinunter auf die Bühne. Sie ist begeistert. So was wie hier sei in der Schweiz nur in Wildwasserbächen möglich.

Also, Johannes hatte recht:

Es ist die beste Flußwelle weit und breit. Jetzt wagt sich ein Anfänger aufs Wasser. Er liegt auf dem Bauch, klam- mert sich an einem kürzeren und breiteren Brett – dem Boogieboard – fest und stürzt sich ins kalte Naß. Bis er un- ter der Welle verschwindet, vergehen keine drei Sekun- den. Gespannt warten die

Zuschauer, ob er auch wieder auftaucht. Ungefährlich ist das Surfen hier nicht. Das Schild „Baden verboten“, das 30 Meter weiter am Ufer des Eisbaches aufgestellt ist, weist darauf hin. Vor vier Jahren holten Polizisten drei Surfer ans Ufer. Die Be- amten beschlagnahmten die Surfbretter für vier Monate.

Auch das Kreisverwaltungs- referat unterstützte diese

Aktion: „Surfen ist verboten und kann mit einem Bußgeld von bis zu 10 000 DM geahn- det werden.“

Polizisten schauen zu

Mittlerweile sei das je- doch nicht mehr so drama- tisch, sagt Max, nun nicht mehr barfuß, sondern mit Adiletten. Er hat sich oben zu den Zuschauern gesellt.

„Die Polizisten tolerieren’s.

De schaugn uns sogar in da Mittagspaus’n zua.“ Sie hät- ten vielleicht eingesehen, daß es zwecklos ist, die Surfer von ihrer Lieblingswelle zu tren- nen, mutmaßt er. Er hat für heute Schluß gemacht. Den Neoprenanzug hat er gegen Jeans und Hemd getauscht.

Gesicht, Hände und Füße sind vor Kälte schon blau.

Seine Mundwinkel sind nach unten verzogen, die Schul-

tern hängen. Nach sieben- stündigem Training resü- miert er mißmutig: „I bin heit ned so guad in Form.“

Doch morgen gleich nach Dienstschluß sei er wieder hier. Der Ritt auf dem Brett ist für ihn mehr als nur ein x-beliebiger Sport wie Vol- leyball oder Tennis. „Surfen is die Königsdisziplin von Snowboard und Skateboard.

Des gibt’s ja scho Jahrtausen- de und kummt aus Hawaii.“

Er verstaut seinen Neopren- anzug im Rucksack, packt das Board behutsam in eine silbern glänzende Trageta- sche ein, die er schwungvoll schultert, setzt sich auf sein Radl und fährt von dannen.

Die Welle tobt. Thomas holt rotes Klebeband hervor, um sein Board zu tapen. „Die Brettl gehen schnell kaputt“, kommentiert er diese Vor- sichtsmaßnahme. Er sei bis vor kurzem woanders gesurft.

„De andere Welle im Tier- park taugt nix, des is nur was für Anfänger“, sagt er. Doch nach einer mißglückten Fahrt gesteht er ein: „Die Tricks hab i no ned drauf. I schaff’s nur bis zur Mitt’n. Die andere Welle is leichter, da kann i a die Drehung.“ Während Jo- hannes mit der Welle tanzt, erklärt Thomas fasziniert:

„Wenn ma’s guad draufhat, is a 360-Grad-Drehung koa Problem.“ Ein Problem hatte Thomas jedoch vor einigen Wochen. Das Wasser, das hier unter der Prinzregenten- straße rausschießt, sei echt Schrott. „Da werd Abwasser daher umg’leit.“ Doch auch eine Infektion hat ihn bisher noch nicht vom Surfen abge- halten. Das sei ja nach einer Woche wieder vorbei.

Der Eisbach, 30 Meter von der Bühne entfernt: Das Wäs- serchen plätschert vor sich hin. Mitten im Bach trudelt Johannes mit seinem Brett.

Nach einem gelungenen Auf- tritt strahlt er. Die weit aufge- rissenen Augen glänzen vor Glück. Er hält sein Board in den Armen, steht auf, steigt aus dem Wasser und schreit:

„De Welle is genial. Des is a super Gfui, auf dera Welle zu schweb’n.“ Dr. Sabine Glöser A-2804 (86) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 43, 25. Oktober 1996

V A R I A FEUILLETON

Zeichnung: Ralf Brunner

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