Weltgesundheitstag 1996
Gesunde Städte – gesund leben
ur Zeit leben rund 50 Prozent aller Menschen in einer Stadt – kurz nach der Jahrtausendwende werden es wohl 75 Prozent der Bevölkerung sein.
Schon jetzt gibt es 24 Städte weltweit mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Lärm, Hektik, Streß, Schmutz und mangelndes Grün lassen die Gesundheit der Stadt- menschen verkümmern. Soziale Isolation und Einsam- keit und der daraus oft folgende Griff zur Flasche oder die Flucht in Drogen tun ein übriges. Grund genug für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf, den dies- jährigen Weltgesundheitstag unter das Motto „Gesunde Städte – gesund leben“ zu stellen. Dabei handelt es sich nur scheinbar um einen Widerspruch, denn es könnte so manches getan werden, um das Leben in den Städten ge- sünder werden zu lassen.
ereits 1987 hat die WHO das Projekt „Gesunde Städte“ initiiert. Elf Mitgliedsstädte haben da- mals mitgemacht, ihre Zahl ist inzwischen auf al- lein 60 in Europa gestiegen, und da die Nachfrage groß war, mußten sogar nationale Netzwerke gebildet werden.
Die beteiligten Städte haben sich verpflichtet, der Ge- sundheit Priorität einzuräumen und durch gezielte Maß- nahmen und Projekte zu versuchen, die WHO-Kriterien zu erfüllen. Diese sehen unter anderem vor, daß saubere und sichere Lebensbedingungen von hoher Qualität ge- schaffen werden, eine ökologisch gut ausgewogene Um- welt inmitten eines globalen Ökosystems, das sich auf lange Sicht selbst erhalten kann, und gegenseitig sich un- terstützende Gemeinschaften und Nachbarschaften.
Außerdem sollen für alle Bevölkerungsgruppen die Grundbedürfnisse in bezug auf Wasser, Unterkunft, Ein- kommen, Sicherheit und Arbeit garantiert werden sowie ein optimales, für jeden zugängliches Maß an öffentlicher Gesundheits- und Krankheitsversorgung.
iese Ziele muten in der heutigen Zeit der leeren Kassen utopisch an. Daß sie dennoch Ansatz- punkt für Verbesserungen sein können, zeigen konkrete Beispiele: So hat die Stadt Unna das Gesund- heitsamt in zwei öffentliche Gesundheitshäuser umfunk- tioniert. Diese stehen von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends als öffentliche Begegnungsstätte allen Bür- gern offen und geben sogar Raum für die Treffen von Selbsthilfegruppen. Das alles fordert kaum zusätzliche Gelder, sondern verlangt lediglich eine straffere Organi- sation und Kooperation verschiedener Institutionen. Al- lerdings verlangt es nach persönlichem Engagement – und daran fehlt es in der Gesellschaft wohl ebenso wie am Geld. Deshalb steht zu befürchten, daß der Slogan „Ge- sunde Städte – gesund leben“ wohl leider doch eine Wort- hülse bleiben wird. Christine Vetter
A-1144
S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996