AGRARForschung 79
Editorial Ausbauen statt erhalten und reduzieren
AGRARForschung 9 (3): 79, 2002 Roger Daccord,
Eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere (RAP), CH-1725 Posieux
Die Halbzeit des A r b e i t s p r o - gramms der Eid- g e n ö s s i s c h e n Forschungsan- stalten ist er- reicht. Die Pla- nung für die nächste Periode 2004 - 2007 ist im Gange. Der Zeit- punkt ist gekom- men, um über die eigenen For- schungsprojekte nachzudenken.
Dies ist auch der Moment, seinen Blick auf die Forschung im Be- reich Tierproduktion wie auch auf die landwirtschaftliche For- schung im Allgemeinen zu rich- ten.
Forschung nicht immer anerkannt
Um von den Entscheidungsträ- gern anerkannt zu werden, muss die Forschung eine internationa- le Ausstrahlung haben. Ein Teil der in der Landwirtschaft zu lö- senden Probleme hat eine typisch schweizerische Dimension. Dies ist auch gut so, wenn man zum Beispiel an die Multifunktionali- tät der Schweizer Landwirtschaft denkt. Indem sich die Forscher mit diesen spezifischen Fragen befassen, haben sie es allerdings schwer, sich international zu pro- filieren. In diesem Zusammen- hang führt die Redaktion der Ag- rarforschung ab dieser Nummer eine Rubrik Internationale For- schung ein und gibt damit den Lesern die Möglichkeit, sich über ausländische Forschungsaktivi- täten zu informieren.
Forschungsresultate werden kaum zur Kenntnis genommen Die Einführung des Global- budgets auf Stufe Forschungs- anstalten bewirkte ein verstärk- tes Kostenbewusstsein. Endlich konnte die Beziehung zwischen Forschungszielen, Forschungs- mitteln und Forschungsergeb- nissen hergestellt werden. Eine Analyse der Auswirkungen der Forschungsresultate macht ei- nes klar: die landwirtschaftliche Forschung hat einen beträchtli- chen Ouput, aber dieser ist oft wenig spektakulär und nicht at- traktiv für die Medien. Der Nut- zen für die direkten Kunden, vor allem für die Landwirte, ist sehr wohl da, aber diese kennen den Urheber oft nicht. Die Auswir- kungen für die Gesellschaft wer- den von den Entscheidungsträ- gern kaum und von der Gesell- schaft nicht zur Kenntnis genom- men.
Immer weniger Forschungsmittel
In der Schweiz und anderen wirt- schaftsstarken Ländern wird die Strategie verfolgt, Forschungs- mittel vermehrt den Bereichen mit hoher technologischer Wert- schöpfung zufliessen zu lassen.
Die landwirtschaftliche For- schung gehört nicht dazu. Sie ist an die Landwirtschaft gekop- pelt, deren wirtschaftliche Be- deutung weiter schwindet, und kann sich dieser Sogwirkung nicht entziehen. Aber dieser Pro- zess der Redimensionierung darf nicht periodisch wiederholt werden. Braucht es die unfass- bare Zerstörung weiterer Twin Towers, um die Bedeutung der
landwirtschaftlichen Forschung zu begreifen und festzustellen, wie zerbrechlich und ungleich- mässig verteilt unser Lebensmit- telüberfluss ist?
Leiten wir die Trendwende ein!
Die Forschungsanstalten muss- ten bedeutende Budgetkürzungen hinnehmen, was sich auf Kompe- tenzen und zwischenmenschliche Beziehungen ausgewirkt hat. In diesen Kürzungen liegt aber auch die Chance, eine gemeinsa- me Strategie für eine dynamische und kompetente landwirtschaftli- che Forschung zu entwickeln.
Nachhaltige Produktionssyste- me, Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität sind Berei- che, in denen die seit Anbeginn multidisziplinäre landwirtschaft- liche Forschung grundlegendes Wissen erarbeiten und vermitteln kann. Da der breiten Öffentlich- keit eine Produkt bezogene For- schung leichter zugänglich ist, könnte man «landwirtschaftliche Forschung» durch «Forschung für Sicherheit und Qualität der Lebensmittel» ersetzen. Die Si- cherheit umfasst dabei die Ver- fügbarkeit der Lebensmittel, die Nachhaltigkeit ihrer Produktion und ihren hygienischen Wert. In diesem Sinne sind die Sicherheit und die Qualität der Lebensmittel letztlich das Ziel der ganzen landwirtschaftlichen Forschung.
Sogar die Entscheidungsträger würden die grosse Bedeutung dieser Forschung begreifen und vielleicht eine Kursänderung herbeiführen, indem bei den Bud- getberatungen vom Prinzip redu- zieren-erhalten auf ausbauen ge- wechselt wird.