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Archiv "Finanzpläne der großen Koalition: Wachstumspolitik ohne Perspektive" (02.12.2005)

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Palliativmedizin, Dr. med. Thomas Schindler, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Damit werde deutlich, dass die Palliativmedizin für die miteinander konkurrierenden Krankenkassen kein attraktives Thema sei.

Auch „Home Care Berlin“ arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Modellpro- jekt. Dabei ist der Verein mittlerweile aus dem Berliner Versorgungsangebot nicht mehr wegzudenken. Die Kranken- kassen und die Kassenärztliche Vereini- gung (KV) Berlin haben gesonderte Ab- rechungsmodalitäten vereinbart: Der

„Home Care“-Hausbesuch wird mit der eigens geschaffenen Nummer 9055 ab- gerechnet. Je nach Krankenkasse wird die Leistung mit einer Sonderpauschale vergütet oder mit 900 Punkten bewertet (aktuell bei einem Punktwert von 4,1 Cent). Diese Summe von rund 37 Euro wird zusätzlich zur normalen Vergütung eines Hausbesuches gewährt. Bei AOK, IKK und den Betriebskrankenkassen erfolgt die Finanzierung sogar außerhalb des Budgets. Allein die Bundesknapp- schaft hat bis heute keine Vereinbarung mit der KV Berlin getroffen.

Ständige Erreichbarkeit

Die „Home Care“-Versorgung ist für die Tumorpatienten und ihre Angehöri- gen immens wichtig, insbesondere die ständige Erreichbarkeit der Ärzte. „Wir schaffen es zu jeder Tageszeit, späte- stens innerhalb von zwei Stunden bei den Patienten zu sein“, erklärt Veh- Schmidt. Grundsätzlich können ihre Patienten sie immer anrufen. Dass sie nicht erreichbar ist und das Handy auf ihren Kollegen umschaltet, ist eher die Ausnahme. „Dass hier viel gearbeitet wird, ist kein Geheimnis“, sagt sie.

Schmidt-Veh ist trotz der hohen Bela- stung für „Home Care“ tätig – aus Überzeugung. „Das ist ein ordentliches Projekt, da müssen wir nicht rot wer- den“, erklärt sie.

In den letzten vierundzwanzig Stun- den sind drei ihrer Patienten gestorben:

Das ist das Resümee des heutigen Ta- ges. Zwei starben zu Hause, eine Patien- tin im Hospiz. Auch Gerda Friedemann hat sich dafür entschieden, im Hospiz zu sterben.Veh-Schmidt wird sie auch dort weiter betreuen. Dr. med. Birgit Hibbeler

P O L I T I K

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A3308 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 48⏐⏐2. Dezember 2005

D

ie große Koalition will erst 2007 mit der Konsolidierung der Staatsfi- nanzen beginnen. Im kommenden Jahr soll noch eine Reihe steuerlicher Erleichterungen wirksam werden. Mit diesen sollen die Anreize zum Investie- ren verstärkt werden. Doch ab 2007 schlägt der Fiskus zu: Die Mehrwertsteu- er wird gleich um drei Punkte angeho- ben, die Versicherungssteuer ebenfalls.

Der Staat will allein damit im Jahr 2007 mehr als 20 Milliarden und 2008 gut 24 Milliarden Euro kassieren. Das trifft alle, auch wenn der ermäßigte Steuersatz für den lebensnotwendigen Bedarf auf sieben Prozent festgeschrieben bleibt.

Die besonders „Reichen“ (ab 250 000/

500 000 Euro – Alleinstehende/Verheira- tete) werden bei der Einkommensteuer mit einem Zuschlag von drei Punkten be- lastet.Von dieser Belastung sollen die ge- werblichen Einkommen ausgenommen werden. Andere Steuerzahler, auch Frei- berufler, werden damit benachteiligt.

Im kommenden Jahr setzt die Regie- rung Merkel auf Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Aufschwung stützen sol- len. Die bisherige Schuldenpolitik wird noch einmal fortgesetzt, die Abschrei- bungssätze für die beweglichen Güter des Anlagevermögens werden verbessert.

Die Neuverschuldung des Bundes wird für 2006 mit 41 Milliarden Euro angege- ben, was verfassungsrechtlich schwer zu begründen ist. Die Kredite werden fast doppelt so hoch wie die investiven Ausga- ben ausgewiesen.Die Politik hatte bislang darauf gesetzt, die Konjunktur durch De- fizitfinanzierung und Steuersenkungen zu beschleunigen. Erfolge brachte das nicht. Künftig soll zwar die Kreditfinan- zierung des Staates zurückgedrängt,dafür sollen aber die Steuern, auch durch den Abbau steuerlicher Subventionen,massiv

erhöht werden. Dem Aufschwung dürfte das wohl kaum Beine machen.

Dennoch gibt es für 2006 einige hoff- nungsvolle Ansätze: das wirtschaftliche Wachstum hat sich im dritten Quartal dieses Jahres deutlich um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal beschleu- nigt. Die Konjunktur lebt zwar weiter- hin vom Export, aber auch die Investi- tionen haben zugenommen. Die Bau- wirtschaft scheint auf dem Tiefpunkt angekommen zu sein und hofft auf et- was bessere Zeiten. Die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen könnte für zusätzliche Investitionen sorgen.

Die Geldpolitik der Europäischen Zen- tralbank wird auch dann noch expansiv wirken, wenn sie das Zinsniveau nach oben schleust. Da sich der Bund in den letzten Jahren immer kurzfristiger über den Kapitalmarkt finanziert hat, wird dies jedoch sogleich zu einer Mehrbela- stung der Etats in Milliardenhöhe führen. Schulden werden also weiterhin mit neuen Schulden finanziert.

Hoffnung auf Vorzieheffekte

Die Steuererhöhungen, so ist zu be- fürchten, werden sich als Wachstums- bremse erweisen. Die Koalition setzt al- lerdings für 2006 auf Vorzieheffekte.

Viele Verbraucher könnten sich ent- schließen, Kaufentscheidungen um ei- nige Monate vorzuziehen, um der Mehr- wertsteuererhöhung zu entgehen. Bei steigender Nachfrage werden Unter- nehmen und Handel jedoch versuchen, die höhere Steuer schon vor 2007 über die Preise auf die Verbraucher abzuwäl- zen. Unternehmen folgen nicht den von der Politik vorgegebenen Terminen. Der konjunkturelle Impuls des Vorziehef-

Finanzpläne der großen Koalition

Wachstumspolitik ohne Perspektive

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen ist bis 2007 vertagt.

Die Steuerlast soll steigen, und der Bund bürdet

den Kranken- und Rentenkassen neue Lasten auf.

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fekts würde verpuffen, wenn nach 2006 die Nachfrage wieder zurückginge. Da- mit ist wegen der massiven Steuerbela- stung jedoch zu rechnen. Die Konjunk- tur lässt sich weder mit Kurzfrist-Effek- ten noch mit der erweiterten Abzugs- fähigkeit von Handwerkerrechnungen (bis 3 000 Euro im Jahr) überlisten.

Vor der Wahl sah die Welt für die Par- teien noch anders aus. Da wollte die Uni- on (mit der FDP) die Steuern senken.

Der nun beschlossene Paradigmenwech- sel dürfte politisch vor allem zulasten der Union gehen. Sie wird für die Steuerer- höhungen verantwortlich gemacht. Die SPD kann sich damit brüsten, die Bela- stung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszu- lagen mit Steuern verhindert, die Locke- rung der Tarifbindung abgewehrt und die Gesundheitsprämie für die Krankenver- sicherung blockiert zu haben. Die Union und Angela Merkel werden sich nur dann behaupten können, wenn sich trotz falscher Weichenstellungen in der Fi- nanzpolitik das wirtschaftliche Wachs- tum deutlich beschleunigen sollte. Bleibt es bei den übereinstimmenden Progno- sen der Ökonomen, nach denen 2006 das wirtschaftliche Wachstum nur wenig mehr als ein Prozent betragen wird, so wird die Zahl der Arbeitslosen eher stei- gen als sinken. Das Finanzkonzept müss- te dann nachgebessert werden, was die Koalition zerreißen könnte.

Die Einnahmen aus den Steuerer- höhungen werden nur noch zum kleine- ren Teil für die Absenkung der Lohnne- benkosten eingesetzt. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung soll von 6,5 auf 4,5 Prozent gesenkt werden. Dies wird zur Hälfte durch Einsparungen bei den Leistungen und zur anderen Hälfte mit den Einnahmen aus einem Punkt Mehrwertsteuer finanziert. Dieser Entla- stung steht jedoch ab 2007 die Erhöhung des Beitrags zur Rentenversicherung von 19,5 auf mindestens 19,9 Prozent gegen- über. Das schlägt auch auf die berufstän- dische Versorgung durch. Die Renten- kassen werden auch dadurch belastet, dass sie für Langzeitarbeitslose nur noch den halben Beitrag erhalten. Den Kran- kenkassen werden die Bundeszuschüsse zur Finanzierung der versicherungsfrem- den Leistungen (zum Beispiel Mutter- schutz) wieder gestrichen. Dafür waren für das nächste Jahr 4,2 Milliarden Euro eingeplant.Das wird nun bis 2008 auf null

gebracht. Insgesamt verschiebt der Bund Ausgaben von etwa sieben Milliarden Euro auf die Sozialkassen, was über Beiträge oder Leistungskürzungen be- zahlt werden muss.

Näher an der Bürgerversicherung

Die Politik demonstriert erneut, dass auf Finanzierungszusagen des Staates kein Verlass ist. Damit wird auch der Gesund- heitsprämie der CDU die Grundlage entzogen, weil der daran gebundene steuerfinanzierte Sozialausgleich nicht zu gewährleisten ist.Auch zeigt sich, dass Vorschlägen (unter anderem von Miegel und Biedenkopf) für die Umstellung des Rentensystems auf eine steuerfinanzier- te Grundsicherung der Realitätsbezug fehlt. Weder wären die dafür notwendi- gen Steuermittel zu mobilisieren noch die Höhe der Renten zu garantieren. Die Kürzung der Bundesmittel für die Kran- kenkassen wird die Forderung nach Ein-

beziehung aller Bürger in die „Solida- rität“ des gesetzlichen Systems verstär- ken. Die SPD ist ein Stück des Weges zur Bürgerversicherung vorangekommen.

Was als Subventionsabbau gekenn- zeichnet wird, bedeutet durchweg auch Steuererhöhungen. Diese werden frei- lich nicht, wie früher angestrebt, zur Ab- senkung der Steuersätze, sondern zum Stopfen der Haushaltslöcher eingesetzt werden. Angesichts der hohen struktu- rellen Defizite gibt es dazu keine Alter- native. Ausgaben spart der Bund da- durch, dass von Januar 2006 an Eigen- heimzulagen nicht mehr zugesagt wer- den; längerfristig bringt das viel. Im öf-

fentlichen Dienst wird das Weihnachts- geld gekürzt. Bei Pendlern fällt die Ent- fernungspauschale bei Fahrten zum Ar- beitsplatz bis 20 Kilometer weg. Der Sparerfreibetrag von derzeit 1 370/2 740 Euro wird auf 750/1 500 Euro (Alleinste- hende/Verheiratete) gekürzt. Der Frei- betrag für Abfindungen wird gestrichen.

Bei den Fahrern von Dienstwagen sollen jährlich 1,5 statt eines Prozents des Neu- werts des PKWs als Privatnutzung ange- setzt werden. Private Steuerberatungs- kosten sind nicht mehr bei der Einkom- mensteuer abzugsfähig. Das ist unsinnig, denn die Steuerberater entlasten in ho- hem Maße die Finanzverwaltung, die sich darauf einstellen muss, dass immer mehr Steuerzahler die Hilfe der Finanz- beamten in Anspruch nehmen. Wie soll die Finanzverwaltung das verkraften?

Der Abbau von Steuervergünstigun- gen bringt dem Staat 2007 Mehreinnah- men von 7,6 Milliarden und ab 2008 von jährlich mehr als zwölf Milliarden Euro, was zeigt, dass die jeweils Betroffenen erheblich belastet werden.

Wer dagegen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhält, bleibt vom Zugriff des Fiskus verschont; Sozial- beiträge werden von den Zulagen erhoben, wenn der Stundenlohn 25 (bisher 50) Euro übersteigt.Der Ar- beitnehmerpauschbetrag von 920 Euro wird nicht angetastet. Die SPD pflegt ihre Klientel.

Für 2008 wird eine Re- form der Unternehmens- und Einkommensteuer an- gekündigt. Kapital- und Personengesell- schaften sollen gleich besteuert und wohl auch entlastet werden. Das ist nur zu verkraften, wenn Arbeitseinkommen höher besteuert werden. Bislang wer- den Kapital- und Arbeitseinkommen prinzipiell gleich hoch belastet. Der Übergang zu einem System der dualen Einkommensteuer mit niedrigeren Sät- zen für Unternehmensgewinne und Ka- pitaleinkünfte scheint programmiert.

Die Regelung bei der „Reichensteuer“

zeigt, dass die Politik auch Einkommen aus ärztlichen Praxen den höheren Steu- ersätzen für Arbeitseinkommen zuord- nen könnte. Walter Kannengießer P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 48⏐⏐2. Dezember 2005 AA3309

Was der Staat kassiert (in Milliarden Euro)

2006 2007 2008

Steuererhöhungen – 21,140 24,400

Abbau Steuervergünstigungen 1,308 7,591 12,160 Bekämpfung Steuermissbrauch 0,285 0,625 0,805 Belastung insgesamt brutto 1,593 29,456 37,365

Anteil des Bundes 768 19,597 24,031

Anteil der Länder 625 8,754 11,629

Anteil der Kommunen 200 1,003 1,706

Entlastung der Beitragszahler –6,480 –7,590 Belastung insgesamt netto 1,593 22,976 29,775

Quelle:Nach einem Finanztableau des Finanzministeriums

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