[112] Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 37|
16. September 2011S C H L U S S P U N K T
KÖRPERBILDER: ROBERT CAPA (1913–1954)
Im Angesicht des Todes
G
egen Gewalt und Ungerechtigkeit kämpfte er mit seiner eigenen Waffe – einer Leica. Er dokumen- tierte fünf Kriege, wurde zu einem der herausragenden Fotografen des 20. Jahrhunderts. Robert Capa, der eigentlich André Friedmann hieß, stammte aus einer jü- dischen Familie in Budapest, engagierte sich früh po - litisch links und musste deshalb Ungarn verlassen. Er emigrierte nach Deutschland, 1933 nach Paris und spä- ter in die USA. Gleich eines seiner ersten Kriegsbilder„Loyalistischer Soldat im Moment des Todes“ ging um die Erde und machte den 22-Jährigen weltberühmt: Am 23. September 1936 erschien die Aufnahme aus dem Spanischen Bürgerkrieg zuerst in der französischen Zeitschrift „Vu“, am 12. Juli 1937 im US-Magazin „Life“. In unzähligen weiteren Publikationen war der legendäre Schnappschuss danach zu sehen.
Warum der sterbende spanische Milizionär zur Ikone der Kriegsfotografie avancierte, lässt sich nur mit der Wucht der Assoziationen und Emotionen erklären, die das Bild beim Betrachter auslöst. Nicht aber mit seinem Informationsgehalt: Weder über den Ort des Geschehens noch den Getöteten lässt es viele Schlüsse zu. Es ist noch nicht einmal klar, ob das Foto wirklich authentisch ist. Womöglich handelt es sich dabei sogar um eine gestellte Szene, und Capa schoss das Foto statt
im andalusischen Kriegsgebiet Cerro Muriano bei Cór- doba, wie er erklärte, etwa 50 Kilometer südöstlich in einem Örtchen namens Espejo. Das behaupten jeden- falls Capas Kritiker, die nach seinem Tod den doku- mentarischen Wert der Sterbeszene infrage stellten.
Der ungeheuren Kraft des Bilds als Symbol des ohn- mächtigen Leidens und Sterbens im Spanischen Bürger- krieg und des Widerstands gegen den Faschismus hat das Mysterium um seine Entstehung keinen Abbruch getan.
Denn es waren ja gerade Capas politisches Engagement und seine außergewöhnliche visuelle Fantasie, die den
„fallenden Soldaten“ zum Kunstwerk jenseits aller Ta- gesaktualität machten. Auch 75 Jahre später hat es nicht an Relevanz verloren und thematisiert in der Ausstellung
„Frontline“ die aktuelle Frage nach der Macht von Bil- dern in Kriegen und Krisen. Dass Capa bei seiner Arbeit keinen Fronteinsatz scheute – gemäß seinem Motto
„Wenn Deine Bilder nicht gut genug sind, dann warst Du nicht dicht genug dran“ –, bezahlte er mit dem Leben. Er starb im Indochinakrieg, als er am 25. Mai 1954 auf eine
Landmine trat. Sabine Schuchart
Robert Capa: „Loyalistischer Soldat im Moment des Todes. Cordoba front. 1936“:
Es ist der 5. September 1936. In Spanien herrscht Bürgerkrieg. Ein Soldat, der aufseiten der republikanischen Regierung gegen die Putschisten unter General Franco kämpft, läuft über ein Stoppelfeld, dem Feind entgegen. In dem Moment, in dem der junge Kriegsfotograf Robert Capa auf den Auslöser drückt, wird der Kämpfer von einer Kugel in den Kopf getroffen, er geht in die Knie, taumelt nach hinten, das Gewehr fällt ihm aus der Hand. Der Betrachter sieht den fallenden Körper schon auf dem Boden liegen. Capa wurde durch das leicht unscharfe Bild, mit dem er den Augenblick des Todes sichtbar zu machen suchte, zum Mythos. Es gilt als das berühmteste Kriegsfoto der Welt, obwohl es Zweifel an der Authentizität der Aufnahme gibt.
Foto: International Center of Photography/Magnum Photos
LITERATUR
Alex Kershaw: „Robert Capa. Der Fotograf des Krieges”, Biografie, 367 Seiten, Ullstein, 2004, 24 Euro
AUSSTELLUNG:
„Frontline“
NRW-Forum, Ehren- hof 2, Düsseldorf;
www.nrw-forum.de;
Di.–So. 11–20, Fr. 11–24 Uhr;
23. September 2011 bis 8. Januar 2012 .