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Archiv "Organspende: Tief verwurzelte Ängste" (04.03.2011)

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A 444 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 9

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4. März 2011

ORGANSPENDE

Tief verwurzelte Ängste

Über die Notwendigkeit von Kampagnen zur Förderung der Organspendebereitschaft in Deutschland

W

egen des Mangels an Organ- spendern kann in Deutsch- land vielen Patienten nicht zeitge- recht mit der notwendigen Trans- plantation geholfen werden. Der Mangel an geeigneten Spenderor- ganen stellt ein wesentliches Pro- blem im Versorgungsauftrag der aktuellen Transplantationsmedizin dar (1). Gleichzeitig besteht ein hohes Organspenderpotenzial, das nicht ausgeschöpft wird (6, 10).

2010 konnten von den 1 296 post- mortalen Organspendern in Deutsch - land 4 205 Organe transplantiert werden. Das entspricht nach Anga- ben der Deutschen Stiftung Organ- transplantation (DSO) einer Steige- rung um 6,5 Prozent im Vergleich zu 2009. Aber die Neuanmeldungen

auf der Warteliste für eine Trans- plantation haben in den letzten zwei Jahrzehnten um fast 50 Prozent zu- genommen, und eine weitere Steige- rung ist zu erwarten (5). Da häufig nicht rechtzeitig ein passendes Spenderorgan zur Verfügung steht, sterben in Deutschland jährlich mehr als 1 000 Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation (7). Im internationalen Vergleich be- wegt sich Deutschland 2010 trotz der erfreulichen Steigerung im vergan- genen Jahr nur im unteren Drittel der Organspenderate (3).

Ziel von Umfragen ist es, die Bereitschaft zur Organspende zu evaluieren und den Anteil von Or- ganspenderausweisträgern zu doku- mentieren. Dabei wird analysiert, ob Alter, Geschlecht und andere all- gemeine oder gesundheitsbezogene Aspekte im Zusammenhang mit dem Tragen eines Organspendeaus- weises stehen. Letztlich dienen die-

se Umfragen auch dazu, über die Veröffentlichung der Ergebnisse ei- nen Bewusstseinswandel bei den Befragten sowie in der Ärzteschaft und der Bevölkerung anzuregen.

Die Repräsentativumfrage im Auf - trag der Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung aus dem Jahr 2010 zeigt im Vergleich zu 2008 ei- ne Steigerung der Rate an Organ- spenderausweisträgern von 17 Pro- zent auf aktuell 25 Prozent (4). Die- se Befragung ergibt aber auch, dass immerhin 74 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit wären, ihre Or- gane oder Gewebe nach dem Tod zu spenden. Nach eigenen Angaben fühlen sich sieben Prozent sehr gut, 40 Prozent eher gut, 50 Prozent eher schlecht und drei Prozent gar

nicht über das Thema „Organ- und Gewebespende“ informiert. Aber im Bedarfsfall wünschen sich etwa 90 Prozent eine Organtransplantation.

Deshalb sind Kampagnen zur Förderung der Organspendebereit- schaft wichtig, da sie für die Pro- blematik des Organspendermangels sensibilisieren. Wie sich gezielte Interventionen über Vorträge, Infor- mationskampagnen oder eine Text- information auf die Organspende- bereitschaft auswirken, ist bisher im deutschsprachigen Raum wenig untersucht worden. Ende 2009 wur- de bei den Mitarbeitern eines Fi- nanzunternehmens eine Interventi- onsstudie zum Thema „Organspen- de“ durchgeführt. Auf den ersten Fragebogen mit allgemeinen Fra- gen zum Thema „Gesundheitsbe- wusstsein“ folgte ein einseitiger In- formationstext, mit einer Grafik zur Situation der Organspende im inter- nationalen Vergleich. Dessen Inhalt

und Wirkung auf die Befragungs- teilnehmer wurde dann in einem zweiten Fragebogen unmittelbar er- fasst. 21 Prozent der Befragten im analysierten Kollektiv trugen zum Zeitpunkt der Umfrage einen Or- ganspendeausweis. 95 Prozent ga- ben an, das Informationsmaterial gelesen zu haben, ein Fünftel dieser Befagten hatte sich zum ersten Mal intensiver mit dem Thema „Organ- spende“ befasst. Nahezu die Hälfte der Befragten gab an, die Informa- tionen seien hinreichend gewesen, und immerhin 37 Prozent erklärten, aufgrund der erhaltenen Informa - tionen sei das Tragen eines Organ- spendeausweises nun vorstellbar.

Dass bei besonders gut informierten Personen eine sehr hohe Rate an Organspenderausweisträgern von mehr als 60 Prozent erreichbar ist, zeigen Umfragen unter Mitarbei- tern eines Universitätsklinikums und dessen Medizinstudierenden (7).

Wie von Weber et al. beschrie- ben, beeinflussen in der deutschen Bevölkerung offensichtlich tief ver- wurzelte Ängste gegenüber der me- dizinischen Betreuung potenzieller Organspender, ethisch-religiöse Be- denken sowie Überlegungen zur Gerechtigkeit der Organallokation die Entscheidung zur Organspende (8, 9). Die Angehörigen werden durch den Entscheidungsdruck oh- ne genaue Kenntnis des Willens des Verstorbenen belastet. Jedoch auch für die Ärzte ist ein Angehörigen - gespräch häufig eine hochgradig belastende Situation (2).

Ein Ansatz zur Steigerung der Zustimmungsrate könnte eine ge- setzliche Neuregelung im Sinne der

„Erklärungslösung“ sein. Bei der

„Erklärungslösung“ wäre jeder Bür- ger aufgefordert, seine Entschei- dung „für“ oder „gegen“ eine Or- ganspende zu dokumentieren. In der aktuellen Diskussion erscheint eine Dokumentation des persönlichen Willens über ein Feld in der geplan- ten Gesundheitskarte möglich. ■ PD Dr. med. Gernot M. Kaiser

Dr. med. Matthias Heuer Prof. Dr. med. Andreas Paul Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55, 45122 Essen

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit0911

Ein Ansatz zur Steigerung der Zustimmungsrate könnte eine gesetzliche Neuregelung im Sinne der „Erklärungslösung“ sein.

P O L I T I K

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 9/2011, ZU:

ORGANSPENDE

Tief verwurzelte Ängste

Über die Notwendigkeit von Kampagnen zur Förderung der Organspendebereitschaft in Deutschland

LITERATUR

1. Abouna GM: Organ shortage crisis: pro- blems and possible solutions. Transplant Proc 2008; 40(1): 34–8.

2. Barber K, Falvey S, Hamilton C, Collett D, Rudge C: Potential for organ donation in the United Kingdom: audit of intensive ca- re records. BMJ 2006; 332(7550):

1124–7.

3. Deutsche Stiftung Organtransplantation:

Organspende und Transplantation in Deutschland 2009. Jahresbericht der DSO, 2010.

4. http://www.organspende-info.de/organ spende/studien.

5. Heuer M, Hertel S, Remmer N, et al.: Or- ganspendebereitschaft: Auswertung einer Umfrage zu Gesundheitsthemen. Dtsch Med Wochenschr 2009; 134(18): 923–6.

6. Kaiser GM, Heuer M, Stanjek M, et al.: Or- ganspendeprozess an einem Krankenhaus mit Maximalversorgung. Dtsch Med Wo- chenschr 2010; 135(42): 2065–70.

7. Radunz S, Hertel S, Schmid KW, et al.:

Attitude of Health Care Professionals to Organ Donation: Two Surveys Among the Staff of a German University Hospital.

Transplant Proc 2010; 42(1): 126–9.

8. Stoschek J: Umfrage zur Organspende:

Die Bedenken sind kaum ausgeräumt.

Dtsch Arztbl 1999; 96(18): A 1160/

B 988/C 927.

9. Weber F, Philipp T, Broelsch CE, Lange R:

The impact of television on attitudes towards organ donation-a survey in a German urban population sample. Nephrol Dial Transpl 1999; 14(10): 2315–8.

10. Wesslau C: Transplantationsmedizin:

Organspender-Potenzial ist nicht aus - geschöpft. Dtsch Arztebl 2006; 103(9):

A 517/B 447/C 426.

P O L I T I K

Referenzen

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