Veränderungen im Kühlbedarf &
Lösungen mit erneuerbarer Energie
22. März 2021
Minergie-Fachtagung Nachhaltiges Bauen Vertiefungssession "Cool Bleiben"
Michel Haller
Was erwartet Sie?
• Einfluss der erwarteten Klimaerwärmung auf den Kühlbedarf
• Möglichkeiten im Wärmeschutz / in der Kühlung
• Grenzen von nachhaltigen Kühlmöglichkeiten
• Kühlen mit erneuerbarem Strom
• Ansätze der Forschung, neue Ideen und Techniken (z.B. Eisspeicher-WP)
Klimaerwärmung
ZUKUNFT?
Klimaerwärmung - Temperaturen
• RCP = "Representative Concentration Pathway"
• RF = "Radiative Forcing": Strahlungsbilanz der Erde in W/m2
• RCP 8.5 = RCP-Szenarion mit +8.5 W/m2 Veränderung des RF bis zum Jahr 2100
Klimaerwärmung - Solarstrahlung
• In den Berechnungsmodellen geht man derzeit davon aus, dass die Globalstrahlung im alpinen Raum leicht zunehmen wird. Eine leichte Verringerung der Strahlung wird dafür in der ganzen Schweiz für den Frühling und Herbst erwartet.
• Für die meisten Standorte hat jedoch eine Abnahme der Luftverschmutzung
(Abgasreinigung, Ersatz von kleinen Verbrennungsprozessen) die grössere Auswirkung
Auswirkungen auf den Kühlbedarf von Gebäuden
Autor Jahr Klimaszenario Zeit-horizont Einfluss Wärmebedarf Einfluss
Kältebedarf Methodik
Th. Frank [7] 2005 +4.4 K GMT
~ RCP8.5 1990 - 2100
-33% bis -44%
(Wohngeb.)
-36% bis -58% (Bürogeb.)
+13.9 kWh/m2
(Bürogeb.) Sim
G.
Settembrini
et. al. [8] 2017
~ +3.5 K GMT zwischen RCP4.5
und 8.5
1995 - 2060 -33% (Wohngeb.) +2.6 - 3.0 kWh/m2
(Wohngeb.) Sim
C. U. Brunner
et. al. [9] 2007 +3.5 K GMT
(unklar) 2005 - 2035 Keine Angaben
+61%
(el. Bedarf gesamte Schweiz)
Stat
M.
Christenson et. al. [11]
2006 Zwischen RCP2.6
und 8.5 1975 - 2085 -13% bis -87% HDD +700 Kd (CDD, für
Zürich) DD
M. Berger et.
al. [10] 2019 RCP8.5 1981 - 2099 -40% HDD +380 Kd CDD
(Mittelwert CH) DD
Quelle: www.spf.ch/solsimcc
•
Energieperspektiven 2050+ des Bundes:
• Verdoppelung des Endenergiebedarfs für Lüftung und Kühlung
• im Jahr 2050 etwa ein Drittel des Wärmebedarfs für Kühlung
Auswirkungen auf den Kühlbedarf von Gebäuden
Zunahme des Klimakältebedarfs und der Klimakälteleistung bis 2050 unter Annahme eines mittleren Klimaszenarios. Quelle:
Settembrini et al. 2017:
Simulationen mit Nachtauskühlung UND intelligenter Verschattung
Energie Leistung
Möglichkeiten im Wärmeschutz
• Verglasung mit aussenliegendem Sonnenschutz (Vordach, Rollläden, etc.)
• Ausnützung thermischer Masse (Trägheit) des Gebäudes
• Intelligente Regelung des Sonnenschutzes (eine Herausforderung!)
• Sonnenschutzverglasung, thermotrope Gläser oder halbtransparente PV
• Kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung (respektive Kälterückgewinnung),
evt. Vorkühlung der Luft in Erdreich-Wärmetauschern
Möglichkeiten zur Kühlung: state of the art
• Ohne Kältemaschinen
• Nachtauskühlung (heute noch äusserst effektiv, wird zunehmend nicht mehr ausreichen in warmen "Tropennächten")
• "Free Cooling": Passive Kühlung über Erdsonden, Grund- oder Seewasser – meist mit zeitversetzt "aktiver" Nutzung derselben zum Heizen im Winter
• Mit Kältemaschinen (heute in der Schweiz noch verpönt)
• Split Geräte -> in der Schweiz wohl wenig sinnvoll, evt. Im Retrofit mangels Alternativen
• Reversible Luft-Wasser Wärmepumpen
• Reversible Sole-Wasser Wärmepumpen
…passives Kühlen / Nachtauskühlung wird vermehrt nicht mehr ausreichen…
SIA 180 & 382/1
• SIA 180
• "Das Gebäude ist so zu projektieren, dass bei Nutzung mit mässigen internen spezifischen Wärmeeinträgen die Behaglichkeitsanforderungen gemäss 2.2 bei bestimmungsgemässer Bedienung der beweglichen Sonnenschutzeinrichtung und bei bedarfsgerechter natürlicher Lüftung ohne aktive Kühlung erfüllt sind".
• Dabei gelten auch direkte Kühlung mit Grund- oder Oberflächenwasser oder Erdsonden als aktive Kühlung. Eine aktive Kühlung wird aber explizit nicht verboten.
• SIA 382/1
• interne Lasten, ab welchen eine aktive Kühlung notwendig ist:
• 120 Wh/m2 (ohne Fensterlüftung) bis 200 Wh/m2 (mit Fensterlüftung Tag und Nacht).
• Unter 80 Wh/m2 (ohne Fensterlüftung) bis 140 Wh/m2 (mit Fensterlüftung Tag und Nacht) ist keine aktive Kühlung nötig.
Free Cooling / Geocooling
• Immer OHNE aktive Kältemaschine
• El. Bedarf nur für Umwälzpumpen (i.d.R. 1-2% des Kältebedarfs)
• Varianten
• Geocooling: über Erdwärmesonden
• Kühlen über Grund- oder Seewasser
• Nutzen eines Anergienetzes zur Kühlung ohne Kältemaschine
•
Vorteile bei Geocooling und Anergienetzen
• Gleichzeitig (Teil-)Regeneration der Winter-Wärmequelle
• Vollständige Regeneration i.d.R. nicht möglich wegen sich gleichzeitig aufwärmendem Erdreich und dadurch verringerter Temperaturdifferenzen
Reversible Wärmepumpen
• Generell
• Selbst für den EFH Bereich gibt es modulierende Geräte wobei ERR's von ca. 3 (A35W18) erreicht werden
• Zulassung gemäss SIA 180 umstritten, erhöht den gewichteten Energiebedarf nach MuKEn (darf nicht mit PV kompensiert werden)
• Bisher keine Erwähnung von ausschliesslich über PV angetriebene Kühlmaschinen
• Vorteil bei Sole-Wasser
• Auch 100% Regeneration der Wärmequelle möglich (delta-T zwischen Erdreich und zu kühlendem Raum spielt keine Rolle mehr)
• Erdsonden(felder) welche zusätzlich über andere Massnahmen regeneriert werden, können jederzeit auch zu Kühlzwecken genutzt werden
Abgabesysteme für Kälte
• Umluft-Systeme
• Beliebig dimensionierbar
• Fussbodenheizungen
• Auf Grund Vermeidung Kondensat limitiert
• Kühl-Temperaturen unter 18 °C sind zu vermeiden (evt. Taupunkt beachten / messen)
• Bei 18 °C Kühltemperatur und 25 °C Raumtemperatur sind nach Kriesi max. etwa 20 W/m2 Fussbodenkühlung möglich (bei 150 m2 Fussbodenfläche => 3 kW).
• Deckenpaneele
• Bis zu 170 W/m2 Deckenpaneel (mit Lamellen, nicht unbedingt für Wohnbereich)
• Auch hier ist Kondensatbildung zu beachten
• Wohnungslüftung / Komfortlüftung
• Gewöhnlicher Luftwechsel einer Wohnungslüftung mit max. 1 m3/(hm2EBF) können Kühlleistungen in der Grössenordnung von 3-4 W/m2EBF erreicht werden (max. dT Zuluft-Raumluft 6-8 K)
PV-Cooling
0 200 400 600 800 1000 1200 1400
0 2 4 6 8 10 12
05. Jul 06. Jul 07. Jul 08. Jul 09. Jul 10. Jul 11. Jul
Einstrahlung auf Horizontale [W/m2]
Idealisierter Kühlbedarf [W/m2]
Kühlbedarf Einstrahlung
Quelle: www.spf.ch/solsimcc
• Generell
• Übereinstimmung von PV- Angebot und Kältebedarf ist grösstenteils sehr gut
• 40 – 75% des Bedarfs könnten direkt gedeckt werden
• Vor allem am Abend wären kleine Kältespeicher eine sinnvolle Ergänzung
• MuKEn / Minergie
• Derzeit noch keine
Unterscheidung möglich, ob PV- Strom oder Netzstrom zum
Kühlen eingesetzt wird
PV-Cooling im Kontext Energiesystem Schweiz
Source: M Rüdisüli, SL Teske, U Elber; Impacts of an Increased Substitution of Fossil Energy Carriers with Electricity-Based Technologies on the Swiss Electricity System; Energies (2019);doi: 10.3390/en12122399
Sommer + 13 TWh
Winter
- 29 TWh
Entwicklungs-Potenzial
• Intelligente PV-Kühllösungen
• Mit intelligenter, evt. vorausschauender Steuerung
• In Kombination mit Kältespeicher, evt. Eisspeicher
• In Kombination mit PVT
• Kälteverteilung
• Limiten der Kühlung über Fussbodenheizungen berücksichtigen
• Je nach Architektur und Nutzung zusätzliche Kälteabgabesysteme nötig
• vermehrt auf Kühlung optimierte Abgabesysteme wie TABS oder Deckenpaneele
• Minergie / MuKEn
• Unterscheidung zwischen Netz-Kühlung und PV-Kühlung
• Unterscheidung zwischen GWP für el. Energie Winter / Sommer
Fazit und Ausblick
• Zwei Faktoren werden den Kältebedarf von 2030 – 2050 bestimmen:
• Der Klimawandel
• Die Intelligenz der Architekten und Bauherren
• Intelligent und nachhaltig bauen bedeutet…
• Bereits heute den künftig höheren Kältebedarf berücksichtigen
• Intelligenter Wärmeschutz ist in der Regel günstiger als "Kühlen"…
• … reicht jedoch in Zukunft nicht mehr aus -> lieber jetzt vorsorgen als nachträglich ineffiziente "Split-Geräte" einbauen
• Vor einer Zunahme des Kältebedarfs brauchen wir uns nicht zu fürchten
• Wenn diese einhergeht mit einem Zubau von Photovoltaik
• Wenn wir intelligente Lösungen für PV-Kühlen schaffen
Danke für Ihre Aufmerksamkeit
michel.haller@ost.ch florian.ruesch@ost.ch igor.bosshard@ost.ch