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Ein klinischer Notfall

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Academic year: 2022

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bwohl das Wort ‚Sepsis‘

eng mit der modernen Intensivmedizin ver- knüpft ist, geht es doch bis ins Altertum zurück. Hippokrates machte das griechische Wort für Fäul- nis zum festen Begriff. Mehr als tau- send Jahre später beobachtete der per- sische Arzt Ibn Sina, dass die Fäulnis des Blutes mit Fieber einhergeht. Heut- zutage erkranken an einer Septikämie oder Blutvergiftung in Deutschland jährlich rund 280 000 Personen, Er- wachsene wie Kinder. Etwa 70 000 Betroffene sterben daran. So ist die

Blutvergiftung die dritthäufigste To- desursache, doch nur die Hälfte der Deutschen kennt überhaupt das Wort Sepsis. Die Erkrankung erhält also viel zu wenig Aufmerksamkeit. Für die WHO ist die Sepsis dagegen ein vor- rangiges Gesundheitsproblem, das nachhaltiger anzugehen sei. So stimm- ten die Delegierten in der Weltge- sundheits-Versammlung vom 26. Mai 2017 einer Resolution zu, in der die Vorbeugung, Diagnose und Behand- lung der Sepsis deutlich verbessert werden soll.

Lebensbedrohliche Fehlfunktion Sepsis, das ist eine komplexe syste- mische Entzündungsreaktion des Körpers auf eine Infektion. Die Vi- talfunktionen Atmung, Flüssigkeits- haushalt und Blutgerinnung sind dabei akut gefährdet. Von dem US-amerikanischen Intensivmedizi- ner Roger C. Bone stammt die nach wie vor gültige Definition: „Sepsis ist eine Invasion von Mikroorganismen und/oder ihrer Toxine in den Blut- strom und die Reaktion des Organis- mus auf diese Invasion“.

Drei Stadien werden laut deutscher Sepsis-Hilfe unterschieden: Bei der einfachen Form breiten sich die Er- reger beziehungsweise ihre Toxine im ganzen Körper aus, es kommt zu einer Bakteriämie. Bei der schweren Sepsis versagen einzelne Organe, oft die Lunge oder die Niere. Gleich mehrere Organe fallen beim septi- schen Schock aus, dem sogenannten Multiorganversagen. Charakteris- tisch ist ein akutes Lungen- und Nie- renversagen, eine zunehmende Ge- rinnungsstörung und massiver Blutdruckabfall. Die Gefäße erwei- tern sich, die Blut-Flüssigkeits-Ver- teilung gerät durcheinander. Auch bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr benötigen diese Patienten Medika- mente, um den Blutdruck zu stabili- sieren. Akut gefährdete Patienten können zudem in ein künstliches Koma versetzt werden, damit ihre Organe die Schädigung überstehen.

Will man eine Sepsis behandeln, ist es grundlegend, den Infektionsherd zu finden und zu beseitigen. Das sind oft Katheter, Herzklappen, Implan- 140

Ein klinischer Notfall

Wenn die Immunantwort bei einer bakteriellen Infektion überreagiert, sodass lebenswichtige Funktionen gefährdet sind, liegt eine Sepsis vor. Da die genaue Diagnose nicht einfach ist, wird die Therapie oft erst verzögert eingeleitet.

PRAXIS SEPSIS

DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2017 | www.diepta.de

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tate oder auch Abszesse. Anschlie- ßend ist die Gabe von Antibiotika und eine Flüssigkeitsinfusion zur Kreislaufstabilisierung nötig.

Am Anfang steht eine Infektion Bei den Erregern der Sepsis handelt es sich sehr häufig um Streptokokken, Enterokokken und multiresistente Staphylokokkus aureus-Stämme (MRSA). Deren Toxine gelangen vom Infektionsherd in die Blutbahn.

In den letzten Jahrzehnten wird auch eine Zunahme von Sepsis beobach- tet, die durch Pilze verursacht wird.

Während sich Neugeborene über den Nabel infizieren können, gehen die Infektionen bei Erwachsenen von Harnwegsinfekten mit Urosep- sis aus, von Wundinfektionen der Haut, Mandelentzündungen, Beat- mungs-assoziierten Lungenentzün- dungen, von Enterotoxinen aus der Darmflora, von einer infektiösen En- dokarditis oder von Entzündungen der Gallenwege.

Dass es noch weitere Faktoren gibt, die das Risiko für eine Sepsis erhö- hen, zeigten die Ergebnisse einer epi- demiologischen Studie. Eine Zuwei- sung auf die Intensivstation erhöht das Risiko, denn 50 Prozent der Pati- enten kommen bereits mit einer im Krankenhaus erworbenen, soge- nannten nosokomialen Infektion, in der Intensivstation an. Weitere Risi- kofaktoren sind eine Bakteriämie, ein Alter über 65 Jahre sowie Im- munsuppression, Diabetes mellitus oder eine Krebserkrankung. Auch eine ambulant erworbene Lungen- entzündung, ein vorausgegangener Krankenhausaufenthalt und geneti- sche Faktoren spielen eine Rolle, so beispielsweise die Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Mikroorga- nismen.

Häufigste vermeidbare Todes­

ursache Es ist allerdings nicht ein- fach, eine Sepsis klar zu erkennen. So vergehen oft ungefähr zwei Stunden, bis eine Therapie eingeleitet werden kann, das zeigen die aktuellen Daten der Medusa-Studie. Eine akute In- fektion mit beginnender Organfunk-

tionsstörung äußert sich in Atemnot, Herzrasen, niedrigem Blutdruck, Verwirrtheit, Fieber und schwerstem subjektivem Krankheitsgefühl sowie einer Leukozytose. Diese Symptome werden oft fehlinterpretiert, denn die gleichen Anzeichen treten auch bei weniger lebensbedrohenden Erkran- kungen auf, so beispielsweise bei der Grippe.

Wird die Therapie spät begonnen oder kann der Infektionsherd nicht lokalisiert werden, was in 10 Prozent der Fall ist, liegt die Sterblichkeit bei circa 50 Prozent. So ist die Sepsis ein klinischer Notfall - ebenso wie der Herzinfarkt, der Schlaganfall oder schwere Verletzungen. In den Not- aufnahmen verfügen leider zu we- nige Ärzte über intensiv- und not- fallmedizinische Kenntnisse. Auch die alarmierende Zunahme von bak- teriellen Resistenzen macht es zu- nehmend schwieriger, Infektionen zu behandeln und eine Entwicklung zur Sepsis zu stoppen. Nicht zuletzt trägt das zunehmende Alter der Bevölkerung zu einer erhöhten Sepsis-Rate bei. So sind mehrheitlich Patienten über 65 Jahre für Sep- sis-Episoden anfällig. Auch eine Immunsuppression, die beispiels- weise bei Tumoren, AIDS, Störung

der Milzfunktion, Nieren- oder Le- berinsuffizienz angewandt wird, spielt eine Rolle.

Beobachtungen schriftlich fest­

halten Eine Sepsis wird generell mit Hilfe von klinischen, labormedizini- schen, radiologischen, physiologi- schen und mikrobiologischen Daten diagnostiziert. Sehr oft erhärtet sich die Diagnose „Sepsis“ direkt am Krankenbett nach der Vorstellung des Patienten, oder aber retrospek- tiv, wenn Daten aus der Nachunter- suchung zur Verfügung stehen.

Aus den umfangreichen Daten von Erregerbestimmung, Laborparame- ter, Ultraschall und Computertomo- gramm werden computergestützt krankheitstypische Muster abgelei- tet. Wie eine Studie des Massachu- setts Institute of Technology MIT in Boston ergab, sind nicht nur Labor- und Messwerte für die schnelle Dia- gnosefindung mittels Computer hilf- reich, sondern auch und ganz besonders die handschriftlichen No- tizen von Pflegekräften und Ärzten.

Hatten die Computer-Systeme diese zusätzlichen Angaben zur Verfü- gung, gelang die Unterscheidung von Patienten mit einer Sepsis be- deutend besser.

Ist Vorbeugung möglich? Im- mungeschwächte Menschen, also Kinder und Personen ab 60 Jahren sowie Personen, denen die Milz ent- fernt wurde, sollten alle empfohle- nen Impfungen erhalten. Bei älteren Personen ist hier vor allem die frei- willige Impfung gegen Pneumokok- ken wichtig, den Erregern der Lun- genentzündung. Sucht man nach einer durchgemachten Sepsis Rat und Hilfe, ist die deutsche Sep- sis-Hilfe für Patienten und Angehö- rige eine gute Anlaufstelle. ■

Dr. Christine Reinecke, Diplom-Biologin

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2017 | www.diepta.de

HINWEISE FÜR EINE SEPSIS + Fieber (≥ 38°C) oder

Untertemperatur (≤ 36°C) + Plötzliche Verwirrtheit + Erhöhter Puls

+ Niedriger Blutdruck + Beschleunigte Atmung + Blasses oder graues,

fahles Aussehen.

Treten diese Symptome ge- meinsam auf, dann ist das ein Hilfe ruf des Körpers, der so fortige medizinische Hilfe er fordert (Notarzt, Notauf- nahme).

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