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Zappelphilipp oder Träumer

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54 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

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DHS gehört zu den häu- figsten psychischen Stö- rungen im Kinder- und Jugendalter. Weltweit und auch in Deutschland geht man davon aus, dass in der Altersgruppe zwischen 6 und 18 Jahren etwa fünf Prozent betroffen sind – das sind

rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche hierzulande. Jungen trifft es häufiger als Mädchen. An- ders als früher gedacht, wächst sich ADHS nicht aus, sondern die Er- krankung besteht mit etwas verän- derter Symptomatik auch im Er- wachsenenalter weiter.

Kernsymptome Das Krankheits- bild der ADHS äußert sich in drei Kernsymptomen: Betroffene haben eine Aufmerksamkeitsstörung, sind hyperaktiv und zeigen eine gestörte Impulskontrolle. Dabei können alle drei Symptome etwa gleich stark ausgeprägt sein. Es gibt aber auch den vorwiegend hyperaktiv-impul- siven Typ („Zappelphilipp“) und den vorwiegend unaufmerksamen Typ („Träumer“).

Die Aufmerksamkeitsstörung führt dazu, dass sich Betroffene schlecht über längere Zeit auf eine Sache kon- zentrieren können. Tätigkeiten, die Geduld erfordern, wie Malen oder Basteln, werden möglichst vermieden oder schnell wieder abgebrochen; Be- troffene übersehen zudem Details und machen zahlreiche Fehler. Sie können Reize schlecht filtern und Wichtiges nicht von Unwichtigem un- terscheiden. Ständig werden sie des- halb von etwas Neuem abgelenkt.

Entsprechend schwer fällt es ihnen, Aufgaben zu strukturieren und kon- sequent zu Ende zu führen. Immer wieder vergessen sie Dinge.

Die eingeschränkte Impulskontrolle bei ADHS äußert sich in unüberleg- tem Handeln. Betroffene stören an- dere Kinder mitten im Spiel, fallen anderen ständig ins Wort, können schlecht warten, bis sie an der Reihe sind und haben Probleme Regeln ein- zuhalten.

KINDERKRANKHEITEN

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist nicht heilbar, aber mit einer multimodalen Therapie können die Auswirkungen verringert und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien verbessert werden.

Zappelphilipp oder Träumer

© fizkes / iStock / Getty Images

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2019 | www.diepta.de

Die Hyperaktivität schließlich äußert sich in ständiger körperlicher Un- ruhe und einem starkem, für die Be- troffenen übermächtigen Bewegungs- drang – auch in Situationen, in de nen eigentlich Stillsitzen gefor- dert ist wie etwa beim Essen oder im Unterricht.

Komorbidität und Auswirkun- gen Daneben weist die Mehrheit der ADHS-Betroffenen weitere beglei- tende Störungen auf, darunter ein ge- störtes Sozialverhalten (z. B. Aggres- sivität). Auch Entwicklungsstörun gen, Teilleistungsstörungen wie eine Lese- Rechtschreib- und/oder eine Rechen- schwäche, ein negatives Selbstbild bis hin zu Depressionen und Angststö- rungen sind bei ADHS häufig.

Es liegt auf der Hand, dass Menschen mit ADHS die Anforderungen, die im täglichen Zusammenleben in der Fa- milie, im Kindergarten und spätes- tens in der Schule an sie gestellt wer- den, nur schlecht erfüllen können. Sie geraten immer wieder mit anderen in Konflikt; die Beziehungen zu den Eltern, Geschwistern, Gleichaltrigen, Erziehern und Lehrern sind häufig belastet. Viele Betroffene werden zu Außenseitern, was sich wiederum ne- gativ auf das Selbstwertgefühl aus- wirkt. Trotz häufig normaler Intelli- genz schaffen viele den Schul- und/

ober Berufsabschluss nicht. Es kön- nen Drogenprobleme bis hin zu Selbstmordgedanken auftreten; das Risiko straffällig zu werden, ist er- höht.

Ursachen Heute geht man davon aus, dass die Ursache der ADHS in einem Ungleichgewicht von Neuro- transmittern, besonders Dopamin und Noradrenalin, liegt. Dieses führt dazu, dass Informationen in be- stimmten Bereichen des Gehirns, die für die Konzentration, Wahrnehmung und Impulskontrolle zuständig sind, nicht korrekt verarbeitet werden und die Vernetzung der einzelnen Berei- che untereinander gestört ist. Verant- wortlich erscheinen sowohl eine ge- netische Veranlagung als auch Um- weltfaktoren wie eine schwierige oder

instabile Familiensituation. Darüber hinaus gehören Frühgeburtlichkeit und Sauerstoffmangel während der Geburt zu den Risikofaktoren für ADHS. Vermutlich werden die Be- schwerden dadurch, dass sich Kinder heutzutage immer weniger draußen aufhalten und bewegen, noch ver- schärft.

Diagnose Manche Betroffene waren bereits als Säuglinge Schreikinder und/oder schon als Kleinkinder an- strengend. Bei anderen treten die Symptome erst im Verlauf der Kind- heit auf. Mitunter wird die Diagnose auch erst im Erwachsenenalter ge- stellt.

Wenn die drei Kernsymptome bei einem Kind über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr in mindestens zwei Bereichen des Le- bens – etwa Familie und Kindergar- ten beziehungsweise Schule – beob- achtet werden, sollte eine Abklärung hinsichtlich ADHS erfolgen. Wichtig ist, dass der Arzt über umfassende Erfahrungen mit dieser Erkrankung verfügt. Gleichzeitig sollten auch mögliche Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Depressionen erfasst werden, damit sie ebenfalls behandelt werden können.

Multimodale Therapie Fast alle Betroffenen wünschen sich, dass sie besser mit anderen Menschen und den Anforderungen, die an sie gestellt werden, klarkommen. Dies kann mit einer multimodalen Therapie erreicht werden. Die Behandlung setzt sich typischerweise aus einer nicht-medi- kamentösen und einer medikamentö- sen Therapie zusammen. Grundlage ist immer die Aufklärung und Bera- tung (Psychoedukation) der Eltern beziehungsweise Hauptbezugsperso- nen sowie des Betroffenen selbst über die Behandlung und ihre Behand- lungsmöglichkeiten.

Nicht-medikamentöse Thera- pie: Im Rahmen eines Elterntrai- nings beziehungsweise Interventio- nen in der Familie lernen die Eltern, wie sie pädagogisch sinnvoll mit Pro- blemsituationen umgehen können,

indem sie beispielsweise positive Ver- haltensweisen belohnen und auf pro- blematisches Verhalten mit ange- messenen Konsequenzen reagieren.

Wichtig ist, dass sie auch lernen, ihr eigenes Verhalten zu beobachten und gegebenenfalls zu ändern.

Sinnvoll sind ähnliche Maßnahmen auch im Kindergarten oder der Schule, vorausgesetzt die Eltern geben ihr Einverständnis und die Einrich- tung erklärt sich bereit dazu.

Jüngere Kinder selbst erlernen meist in Gruppen Konzepte und Strategien, wie sie sich besser konzentrieren und lernen können. Zudem wird die so- ziale Kompetenz trainiert. Bei älteren Kindern/Jugendlichen kommt als ver- haltenstherapeutische Methode vor allem das so genannte Selbstinstruk- tionstraining zum Einsatz, um das impulsive und unorganisierte Verhal- ten zu vermindern.

Medikamentöse Therapie: Zu- sätzlich kann eine medikamentöse Behandlung mit Stimulanzien sinn- voll sein. Bei manchen Patienten wird dadurch eine Teilnahme an nicht- medikamentösen Therapiemaßnah- men erst möglich. Am bekanntesten ist der Wirkstoff Methylphenidat, der die Wiederaufnahme von Dopamin und Nor adrenalin hemmt und so das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn reguliert. Methylphenidat führt zu einer deutlichen Verbesse- rung der Konzentration und Vermin- derung der Ruhelosigkeit. Die über- wiegende Mehrheit der Betroffenen kommt erheblich besser im Alltag zurecht. Als weitere Wirkstoffe sind der Noradrenalin-Wiederaufnahme- Hemmer Amoxetin und der Amphe- taminabkömmling Lisdexampheta- min für die Behandlung der ADHS zugelassen. Zu den häufigen Neben- wirkungen der Substanzen zählen Appetitminderung, Übelkeit, Schlaf- probleme und Müdigkeit. Langzeit- nebenwirkungen und Abhängigkeit sind nicht beschrieben.  n

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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