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Entscheidungen - Nachträgliche Auferlegung einer Missbrauchsgebühr wegen unrichtigen Tatsachenvortrags

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- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin H …, -

1 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1691/17 -

In dem Verfahren über

die Verfassungsbeschwerde des Herrn V…,

gegen a) den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 4. August 2017 - 1 Ws 73/17 -,

b) den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 21. Juli 2017 - 1 Ws 73/17 -,

c) den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 19. Juli 2017 - 1 Ws 71/17 -,

d) den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 18. Juli 2017 - 627 Qs 25/17 jug. -,

e) den Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 8. Juli 2017 - 7120 Js 16/17, 117j Gs 91/17 -

hier: Auferlegung einer Missbrauchsgebühr

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Voßkuhle,

die Richterin Kessal-Wulf und den Richter Maidowski

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntma- chung

vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. September 2017 einstimmig be- schlossen:

Der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wird eine Missbrauchs- gebühr in Höhe von 600 Euro (in Worten: sechshundert Euro) aufer- legt.

G r ü n d e :

1. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen anlässlich des „G-20-Gipfels“ in

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2 Hamburg hat das zuständige Amtsgericht mit Haftbefehl vom 8. Juli 2017 gegen den

Beschwerdeführer die Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts des mittäterschaftlich begangenen Landfriedensbruchs angeordnet. Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde, die sich gegen diesen Haftbefehl und die daraufhin im Beschwerdeverfahren ergange- nen Entscheidungen des Landgerichts Hamburg und des Hanseatischen Oberlan- desgerichts gerichtet hat, hat die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers im We- sentlichen damit begründet, das Hanseatische Oberlandesgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, Polizeibeamte seien aus dem „schwarzen Block“ „massiv und gezielt mit Steinen, Glasflaschen, Böllern, Pyrotechnik und ‚Bengalos‘ beworfen [wor- den], um die Polizeikette zu ‚sprengen‘ und den Weg in die Innenstadt ungehindert fortsetzen zu können“. Diese Behauptung sei falsch; auf vorhandenem Videomate- rial, das das Hanseatische Oberlandesgericht zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt habe, seien „lediglich“ Würfe aus der Menschenmenge mit „Ben- galos“ zu sehen. Zur behaupteten Grundrechtsverletzung hat die Verfassungsbe- schwerde vorgetragen:

Im vorliegenden Fall liegt eine schwer wiegende Grundrechtsver- letzung vor. Trotz einer in Bezug auf den Beschwerdeführer inhalts- leeren Akte, trotz eines vorhandenen Videos, das zeigt, dass von wenigen Personen im Demonstrationszug Bengalos und zwei Böl- ler, aber keine Steine und Flaschen geworfen worden sind, hat die Staatsanwaltschaft das wesentliche Beweismittel „Video“ nicht zeit- nah vorgelegt. Der Mangel an Tatsachen hat bei den Gerichten zu immer tolleren Phantasien darüber geführt, was der Beschwerde- führer vor und während der Demonstration gemacht haben könnte.

Den Abgleich dieser Phantasien mit real vorhandenen Beweismit- teln haben die befassten Gerichte unterlassen. Ihre Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG.

2. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2017 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an- genommen, da sie den aus §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG folgenden Substantiie- rungsanforderungen nicht genügt hat. Nach dieser Entscheidung ist der Kammer das polizeiliche Video, auf das die Verfassungsbeschwerde vielfach Bezug genommen, das sie aber nicht vorgelegt hat, bekannt geworden. Dieses Video (Gesamtlänge 12:28 Minuten) lässt deutlich erkennen, dass aus der schwarz gekleideten Men- schenmenge auch mehrere Steine in Richtung der eingesetzten Polizeibeamten ge- worfen worden sind und keineswegs nur, wie die Verfassungsbeschwerde behauptet hat, „Bengalos und zwei Böller“. Der Vortrag der Bevollmächtigten zum Inhalt des Vi- deos, mit dem zugleich der Eindruck erweckt wird, das Video in Augenschein genom- men zu haben, erweist sich mithin in einem wesentlichen Aspekt als unrichtig.

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6 3. Nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis

zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, an der Erfüllung seiner Aufgaben durch erkennbar substanzlose Verfassungsbeschwer- den gehindert zu werden, mit der Folge, dass anderen Bürgern der ihnen zukommen- de Grundrechtsschutz nur verzögert gewährt werden kann (vgl. BVerfGK 6, 219

<219>; 10, 94 <97>).

a) Eine Missbrauchsgebühr kann etwa dann verhängt werden, wenn die Verfas- sungsbeschwerde den Versuch unternimmt, dem Bundesverfassungsgericht die Kenntnis von für die Entscheidung offensichtlich bedeutsamen Tatsachen vorzuent- halten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Februar 2017 - 2 BvR 2190/16 -, juris, Rn. 8 m.w.N.), oder wenn gegenüber dem Bundesver- fassungsgericht falsche Angaben über entscheidungserhebliche Umstände gemacht werden (vgl. BVerfGK 14, 468 <470 f.> m.w.N.). Dabei genügt es, wenn die Falsch- angabe unter grobem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten erfolgt, ein vorsätzliches Verhalten oder gar eine absichtliche Täuschung ist nicht erforderlich (BVerfGK 14, 468 <471> m.w.N.).

b) Angesichts der gegebenen Sachlage hält die Kammer die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr in Höhe von 600 Euro für angemessen, aber auch erforderlich, um die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers nachdrücklich zur sorgfältigen Prü- fung der Richtigkeit ihres Beschwerdevortrags anzuhalten. Die Missbrauchsgebühr kann dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers auferlegt werden, wenn die Missbräuchlichkeit diesem zuzurechnen ist (vgl. BVerfGK 6, 219 <220>; 14, 468

<471>). Dies ist hier der Fall.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. BVerfGE 133, 163 <167 Rn. 10>).

Voßkuhle Kessal-Wulf Maidowski

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2017 - 2 BvR 1691/17

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Sep- tember 2017 - 2 BvR 1691/17 - Rn. (1 - 6), http://www.bverfg.de/e/

rk20170927_2bvr169117.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170927.2bvr169117

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