• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Qualitätssicherung: Routinedaten noch keine Alternative zum BQS-Verfahren" (06.08.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Qualitätssicherung: Routinedaten noch keine Alternative zum BQS-Verfahren" (06.08.2007)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A2172 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 31–32⏐⏐6. August 2007

T H E M E N D E R Z E I T

D

ass Routine eine zweischnei- dige Angelegenheit sein kann, weiß nicht nur das Personal von Sägewerken und anderen gefahren- exponierten Betrieben. Sinkende Wachsamkeit ist die Kehrseite ein- gespielter Abläufe. Die Verwendung von Routinedaten zur Qualitätssiche- rung in der Medizin steht zwar nicht als Risikofaktor für Leib und Leben in Verdacht, die Abwägung von Vor- und Nachteilen ist aber auch hier geboten. Dies gilt umso mehr, je geräuschvoller Partei für das eine oder andere Konzept ergriffen wird.

Ein Beispiel liefert die Pressepräsen- tation des Abschlussberichts zur

„Qualitätssicherung der stationä- ren Versorgung mit Routinedaten (QSR)“ (1). Die AOK und die Helios- Kliniken hatten 2002 mit Unter- stützung durch das Forschungs- und Entwicklungsinstitut für das Ge- sundheitswesen Sachsen-Anhalt und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) damit begonnen, die Ausgangslage für die Entwicklung routinedatengestützter Qualitätsindi- katoren in Deutschland zu analysie- ren, mit internationalen Ansätzen und Erfahrungen zu vergleichen und ein eigenes Konzept zu entwickeln.

Das Ergebnis ist seit März 2007 in dem mehr als 300 Seiten umfassen- den Abschlussbericht nachzulesen (2). Diskutiert werden darin die Kon- zeption von Klinik-Berichtssyste- men und deren Nutzung für Quali- tätssicherung und -management so- wie für Vertragsgestaltungen zwi- schen Krankenhäusern und -kassen.

Grundlage sind Abrechnungsda- ten stationär behandelter AOK-Ver- sicherter auf der Basis von § 301 SGB V, neben den weitgehend deckungsgleichen DRG(Diagnosis Related Groups)-Daten nach § 21

KHEntgG (Krankenhausentgeltge- setz) die typische Datenressource, wenn derzeit in Deutschland von

„Routinedaten“ die Rede ist. Das QSR-Konzept betrachtet nach dem Tracer-Ansatz zehn ausgewählte Leistungen beziehungsweise Indi- kationen, wie zum Beispiel Herzin- farkt, Appendektomie oder Kniege- lenk-Totalendoprothese.

Schrille Begleitmusik

Ein wesentlicher Qualitätsindikator ist die Mortalität, wobei nicht nur die Sterblichkeit im Krankenhaus zählt, sondern diese auch noch ein Jahr nach Entlassung berücksichtigt wird.

Weitere Hauptindikatoren sind Wiedereinweisungen wegen tracer- spezifischer Komplikationen und Revisionen nach Endoprothesen- Implantationen. Zugunsten einer Bewertbarkeit der Ergebnisse wird

eine auf logistischer Regression ba- sierende Risikoadjustierung vorge- nommen, die neben Geschlecht und Alter auch Begleiterkrankungen der Patienten berücksichtigt.

Nach Einschätzungen von Helios und AOK sei es mit QSR „erstmals möglich, auf der Grundlage von Routinedaten Aussagen über die Er- gebnisqualität einer medizinischen Behandlung, auch über die Zeit im Krankenhaus hinaus, zu treffen“ (1).

Dies entspricht einerseits dem „drin- genden Wunsch bei Patienten, ein- weisenden Ärzten und vor allem bei den Krankenhäusern, mehr über Be- handlungsergebnisse von Kliniken zu erfahren als bisher“, andererseits dient es der Schaffung von mehr Transparenz bei der Qualität als „un- verzichtbare Voraussetzung für den Vertragswettbewerb“. Als besonde- rer Vorzug wird hervorgehoben, dass QUALITÄTSSICHERUNG

Routinedaten noch keine Alternative zum BQS-Verfahren

Bei den Ärzten dürfte die Qualitätssicherung mithilfe von Routinedaten vor allem wegen des geringen Erhebungsaufwands auf Interesse stoßen.

Foto:fotolia/teclado

(2)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 31–32⏐⏐6. August 2007 A2173

T H E M E N D E R Z E I T

„erstmals auch Langzeiterfolge von Behandlungen mit in den Blick ge- nommen“ werden könnten.

Was will man mehr? Und vor al- lem: Was könnte man sich dafür spa- ren? Vielleicht die Bundesgeschäfts- stelle Qualitätssicherung (BQS), die seit Jahren mit sozialgesetzlichem Auftrag Ärzte und Krankenhausträ- ger mit der mühsamen Erhebung ei- gener Daten exklusiv für die externe vergleichende Qualitätssicherung plagt? Und die dafür noch über einen Zuschlag je Krankenhausfall extra finanziert werden muss.

Für eine Antwort darauf schadet es nicht, zunächst den methodi- schen Kern eines Konzepts wie QSR von der streckenweise schril- len Begleitmusik zu trennen, mit der vermeintliche Patentlösungen gern gefeiert werden. Dann werden auch beim QSR-Projekt durchaus belastbare Fundamente und eine ganze Reihe seriöser Anregungen zur Weiterentwicklung der Qua- litätssicherung erkennbar. Um ei- nen populistischen Schnellschuss aus der Helios-Marketingabteilung, wie vor zwei Jahren zum Globalin- dikator Sterblichkeit (3), handelt es sich eindeutig nicht mehr.

Geringer Erhebungsaufwand Die wesentlichen Pro- und Kontra- Argumente der Nutzung von Routi- nedaten zur Qualitätssicherung sind schnell aufgezählt (Tabelle): Güns- tig sind vor allem der geringe Erhe- bungs- und Entwicklungsaufwand, die meistens hohe Vollständigkeit und – die Herstellung eines Perso- nenbezugs vorausgesetzt – die Möglichkeit von Längsschnittana- lysen. Als nachteilig erweist sich je-

doch nicht selten der begrenzte In- formationsgehalt, insofern als das eigentliche Ziel in der Generierung ganz anderer Auskünfte lag, aus Sicht der Qualitätssicherung also nicht die „richtigen“ Fragen gestellt wurden. Ebenfalls limitiert ist oft al- lein schon die Möglichkeit, andere Fragen als die gestellten beantwor- ten zu können. Die in Deutschland

gepflegte Kultur des Datenschutzes schiebt vielen pragmatischen Ansät- zen juristische Riegel vor. Schließ- lich bleibt mit dem wohl höchsten Konfliktpotenzial für Befürworter und Skeptiker (4, 5) noch der Aspekt der Validität.

Was die Zweckbindung angeht, kann sich das bereits 2002 begonne- ne QSR-Projekt durch das aktuelle GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) nachträglich bestärkt fühlen. So soll es künftig der auf Bundesebene noch zu beauftragen- den Institution für die sektorüber- greifende Qualitätssicherung nach

§ 137 a SGB V erlaubt sein, Abrech- nungsdaten aus § 21 KHEntgG für die Qualitätssicherung zu nutzen.

Der Wille des Gesetzgebers, bislang gehemmte Informationsflüsse gang- bar zu machen, ist auch im neuen

§ 299 SGB V erkennbar, der eine Nutzung von Versichertensozialda- ten für die Qualitätssicherung er- möglichen soll.

Innerhalb der Ärzteschaft dürften Routinedaten vor allem wegen des

geringen Erhebungsaufwands auf Interesse stoßen. Dieser Vorzug leuchtet unmittelbar ein, weitaus schwieriger bei der Abwägung dürf- ten aber die bereits angedeuteten Fragen der Validität und des Infor- mationsgehalts sein. Das Argument einer höheren Validität von Routine- daten beruft sich auf die geringe Manipulationsanfälligkeit ange-

sichts weitgehend automatisierter Abrechnungsroutinen. Dem ist der aus Sicht der Qualitätssicherung be- grenzte Informationsgehalt von Ab- rechnungsdaten entgegenzuhalten.

In den DRGs werden medizinisch ähnliche und hinsichtlich des Kos- tenaufwands für die Behandlung möglichst homogene Fälle zusam- mengefasst. Die Codierung ist nicht nur hochkomplex, sondern auch hochsensibel, da es beim Ergebnis um nichts weniger als ums Geld geht. Bundesweite Einheitlichkeit ist also allein aus Gründen eines fai- ren Wettbewerbs erwünscht und soll durch die Zugrundelegung von Co- dierrichtlinien auch erreicht wer- den. Wie gut dies wirklich ge- schieht, lässt sich aus der Perspek- tive der Qualitätssicherung nur schwer erkennen.

Weiter sektorale Trennung Zu lösen ist auch die Frage der Da- tenhoheit. Mit der wohlfeilen Dau- erforderung nach mehr Transpa- renz im Gesundheitswesen wird ein geschlossener Datenpool einzelner Krankenkassen oder Krankenhaus- träger schwerlich auf Dauer verein- bar sein. Die Versuchung, sich mit exklusiven, eigenen Daten im gleichfalls unermüdlich ausgerufe- nen Qualitätswettbewerb zu profi- lieren, ist groß. Die jährliche Er- gebniskonferenz der BQS, mit der die Leistungen der deutschen Krankenhäuser einheitlich und oh- ne Rücksicht auf Kassen- oder Trä- gerzugehörigkeit präsentiert wer- den, eignet sich dazu natürlich

schlecht.

TABELLE

Vor- und Nachteile von Routinedaten für die Qualitätssicherung

pro kontra

– geringer Erhebungs- und Entwick- – zweifelhafte Validität (von der Güte und lungsaufwand (für Abrechnungszweck Systematik des Codiervorgangs

bereits geleistet) abhängig)

– hohe Vollständigkeit (Mindestvoraus- – begrenzter Informationsgehalt setzung für kostendeckende Erlöse) (qualitätsrelevante klinische Details

können fehlen)

– Möglichkeit von Längsschnittanalysen – eingeschränkter Zugriff (gesetzliche (durch personenbezogene Verknüpfung Zweckgebundenheit und/oder technische von Versichertendaten) Schnittstellenprobleme)

Das inzwischen etablierte System der Bundesgeschäfts-

stelle Qualitätssicherung (BQS) damit ad acta zu legen,

kann allerdings nicht die Konsequenz sein.

(3)

A2174 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 31–32⏐⏐6. August 2007

T H E M E N D E R Z E I T

Einen Dämpfer verdient schließ- lich die in den Presseverlautbarun- gen zum QSR-Abschlussbericht zum Ausdruck kommende Begeis- terung darüber, „erstmals“ die Kran- kengeschichten von Patienten be- ziehungsweise die „Langzeiterfolge von Behandlungen“ lückenlos nachzeichnen zu können. Dies ist ein lange gehegter Wunsch einer ganzen Heerschar von Professionen und Branchen rund um das Gesund- heitswesen, der sich aber dank Da- tenschutz und sektoraler Trennung bisher als nahezu unerfüllbar erwie- sen hat. Wunschlos glücklich wird man aber auch mit QSR nicht wer- den. Die Möglichkeit der Nachver- folgung einzelner Patienten über den einmaligen Krankenhausauf- enthalt hinaus durch Pseudonym- vergabe ist zwar ein gelungenes Verfahrensdetail, beschränkt sich aber auf erneute Krankenhausauf- enthalte oder die Information der Krankenkasse über das zwischen- zeitliche Versterben eines Patienten innerhalb eines maximal zwei Jahre messenden Zeitraums. Die Nach- verfolgung des Patienten in den ver- tragsärztlichen Sektor, etwa zur Weiterversorgung nach der Kran- kenhausbehandlung, ist aber nach wie vor nicht möglich.

Qualität hat ihren Preis Trotz dieser Einschränkungen im Detail kann das QSR-Projekt einen Beitrag zur Evolution der Qualitäts- sicherung in Deutschland leisten.

Das in den vergangenen Jahren etablierte System der BQS damit ad acta zu legen, kann allerdings nicht die Konsequenz sein. Dem Charme der günstigen Verfügbarkeit von Routinedaten steht bei der BQS ein aufwendiges Verfahren mit teilweise sehr speziell an bestimmte Indika- tionen angepassten Qualitätsindika- toren gegenüber. Nicht selten wird dazu von der Politik und dem Ge- setzgeber kolportiert, dass lediglich die innerärztlich zu verantwortende Umständlichkeit der Datenerhebung einer fortschrittlicheren Qualitätssi- cherung und damit dem Recht von Patienten und Bürgern nach Trans- parenz im Weg stünde. Dabei wird ausgeblendet, dass das jetzige BQS- Verfahren nicht mit dem primären

Ziel der Aufwandsvermeidung auf- gelegt worden ist, sondern dass mit dem BQS-Verfahren überhaupt erst- mals eine valide Datenbasis für eine verlässliche Rückkoppelung der ei- genen Leistungen an die Kranken- häuser geschaffen wurde. Für einen fairen Vergleich mit anderen Häu- sern und die Verwertung der Ergeb- nisse für das interne Qualitätsma- nagement existierte davor keine ein- heitliche Datenbasis. Vielmehr ist es erst der mühsamen und vielfach eh- renamtlichen Tätigkeit von medizi- nischen Expertengruppen zu ver- danken, dass zum Beispiel durch die Definition von Qualitätsindikatoren, Referenzbereichen, Risikoadjustie- rungsvariablen überhaupt Einblicke in das Leistungsgeschehen möglich wurden. Trotzdem ist die paradoxe Situation entstanden, in der sich das BQS-Verfahren im eigenen Land den Vorwurf der Datenfriedhofpro- duktion gefallen lassen muss, wo- hingegen die viel und auch gerade von den BQS-Kritikern immer gern zitierte internationale Qualitätssi-

cherungsszene nicht ohne (anerken- nendes) Staunen nach Deutschland blickt.

Letztlich bleibt es eine politische Entscheidung, welcher Aufwand der externen vergleichenden Qualitäts- sicherung zugebilligt werden soll.

Auch ohne profunde Methoden- kenntnisse dürfte aber klar sein, dass das Recyclingelement bei der Ver- wertung von Routinedaten zwar zeitgemäß sein mag, präzisere Fra- gestellungen, etwa nach der Umset- zung medizinischer Leitlinien bei ausgewählten Indikationen oder Prozeduren, aber nur durch maßge- schneiderte und eigens für diesen Zweck erhobene Daten beantwortet werden können. Diese Qualität der Information hat ihren Preis; dass es dabei nicht nur um die Befriedigung akademisch-wissenschaftlicher Spe- zialinteressen geht, dürfte spätestens dann deutlich werden, wenn die un- ter Bannern wie „Qualitätswettbe- werb“ und „Pay-for-Performance“

segelnden Vorhaben von Politik und Krankenkassen Fahrt aufnehmen.

Die Aussicht, für gute Qualität Ver- gütungszuschläge zu erhalten (die Rede von Abschlägen wird dezent vermieden), ist für Krankenhäuser und Ärzte erfreulich, allerdings soll- ten die Datengrundlage und Darle- gungsverfahren der Qualität dann auch auf solider, nachvollziehbarer und für alle Beteiligten einheitlicher

Basis beruhen. I

Dr. rer. nat. Ulrich Zorn Bundesärztekammer

LITERATUR

1. AOK-Bundesverband, Helios-Kliniken, Wis- senschaftliches Institut der AOK: Mehr Transparenz bei der Ergebnisqualität von Krankenhausbehandlungen. Berlin: Gemein- same Presseinformation 2007.

2. AOK-Bundesverband, FEISA, Helios-Klini- ken, WIdO (Hrsg.): Qualitätssicherung der stationären Versorgung mit Routinedaten (QSR). Bonn 2007.

3. Jonitz G, Klakow-Franck R: Qualitätsberich- te der Krankenhäuser – Information versus Marketing. Dtsch Arztebl 2005; 102(43):

A 2902.

4. Scott IA, Ward M: Public reporting of hospi- tal outcomes based on administrative data:

risks and opportunities. MJA 2006;

184(11): 571–5.

5. Innes K, McKenzie K, Walker S: Public re- porting of hospital outcomes based on ad- ministrative data (Letter). MJA 2006;

185(10): 574.

Foto:SUPERBILD

Nicht unbedingt die richtigen Fragen im Sinne der Qualitäts- sicherung:

Bei der Generierung der DRG-Daten geht es in erster Linie ums Geld.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

= Qualitätssicherung der stationären Ver- sorgung mit Routinedaten) ermittelt wurden. Das Besondere an QSR ist die konsequente Berücksichtigung aller Krankenhausbehand- lungen

mit Krankenkassen-Organisationsstrukturen zusammen (u.a. regi- onale vs. bundesweite Organisationsform), was auch im Rahmen von Krankenkassen- Fusionen zu Problemen führt,

In dieser kumulativen Dissertation wurde untersucht, welche Möglichkeiten und Grenzen mit dem Monitoring und der Evaluation von flächendeckend implementierten

[15] Mindermann N, Schimmelpfennig M, Swart E, Busch S (2021): GKV Routinedaten und Einsatzdaten des Rettungsdienstes mit Quartiers- und Soziallagenbezug , In: Westenhöfer J, Busch

In Ausnahmefällen und unter Beach- tung der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvorschriften darf auch ohne un- mittelbaren Nutzen für den Nichteinwil- ligungsfähigen geforscht

 Die Übermittlung bedarf der vorherigen Genehmigung durch die oberste Bundes- oder Landesbehörde, die für den Bereich, aus dem die Daten herrühren, zuständig ist. Und:

Die Humusreproduktion nach Szenario 1 sorgt für den Ausgleich des Humussaldo. Wird der Humusbedarf über Kompost zugeführt, kann auf landwirtschaftliche Maßnahmen zum

Mit der Qualitätssicherung in der Kernspintomographie, die kom- plexer und auch noch nicht so weit entwickelt ist wie bei den klassischen bildgebenden Verfahren, befaßt sich