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Archiv "Rechtsmedizinische und forensisch-toxikologische Probleme des Betäubungsmittel-Konsums" (19.02.1982)

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(1)

ÜBERSICHTSAUFSATZ

*) 1. Einleitung

Der illegale Betäubungsmittelkon- sum ist zwar kein neues, dafür aber ein sehr vielschichtiges Problem, das im Rahmen einer Artikelreihe des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES über Rauschgiftprobleme bereits aus verschiedenen Blickwinkeln dargelegt und diskutiert wurde (2, 3, 6, 7, 10, 19)*)**). Neu ist allerdings die weite Verbreitung bestimmter Suchtstoffe und die große Anzahl der Abhängigen.

Das damalige Deutsche Reich, und andere Staaten sind bereits 1909 in Shanghai, 1912 in Den Haag und nach dem ersten Weltkrieg zu inter- nationalen Opiumkonferenzen zu- sammengetreten, um Herstellung, Einfuhr und Ausfuhr suchterregen- der Alkaloide und entsprechender Wirkstoffe unter staatliche Kontrolle zu stellen und die Verwendung auf rein medizinische Bereiche einzu- schränken. 1929 wurde das Opium- gesetz erlassen, das 1972 durch das Betäubungsmittelgesetz ersetzt wurde. Im Gesetz bzw. in inzwischen 8 Betäubungsmittelgleichstellungs- Verordnungen sind die Wirkstoffe namentlich aufgeführt.

Gegenwärtig sind in der Bundesre- publik Deutschland über 100 Verbin- dungen dem Betäubungsmittelge- setz unterstellt. In der Betäubungs- mittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) sind 19 Stoffe angegeben,

die bei entsprechenden Erkrankun- gen in der Humanmedizin verschrie- ben werden dürfen — als Zubereitun- gen mit einem Betäubungsmittelge- halt nicht über 20 Prozent —. Nicht verordnet werden dürfen 108 na- mentlich genannte Wirkstoffe bezie- hungsweise Substanzklassen, unter anderem auch Codein, „sofern der Gehalt der Zubereitung über 2,5 Pro- zent oder je abgeteilte Form mehr als 100 mg beträgt". Andererseits unterliegen geringere Codein-Men- gen beziehungsweise -Gehalte nicht der BtMVV.

2. Jetzige Rauschmittelsituation in der Bundesrepublik Deutschland Die nach der BtMVV nur auf einem besonderen Rezept zu verschreiben- den Substanzen spielen für das Dro- genproblem nur eine untergeordne- te Rolle. In erster Linie beherrschen illegal eingeführte beziehungsweise hergestellte Stoffe die Drogenszene.

Zudem sind nur relativ wenige Wirk- stoffe wichtig. Die nachfolgend ge- nannten Zahlen nennen die polizei- bekannt gewordenen Fälle; die letz- ten offiziellen Daten aus der Polizei- lichen Kriminalstatistik beziehen sich auf das Jahr 1979. Im eigenen Untersuchungsmaterial sind auch die Fälle des Jahres 1980 enthalten.

Insgesamt sind in der Bundesre- publik Deutschland 1979 51 445 Rauschgiftdelikte bekannt gewor-

Der illegale Betäubungsmittel- konsum ist ein vielschichtiges Problem. Auf Rezept ver- schriebene Substanzen spie- len kaum eine Rolle. In erster Linie beherrschen illegal ein- geführte bzw. illegal herge- stellte Drogen die Szene. Der Nachweis muß mit „an Sicher- heit grenzender Wahrschein- lichkeit" geführt werden, zu- dem wirft die Beurteilung der strafrechtlichen Verant- wortlichkeit Drogenabhängi- ger erhebliche Probleme auf.

den. Die Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr liegt bei 20 Prozent.

Nicht feststellbar ist allerdings, wie weit diese statistische Entwicklung auf eine Intensivierung der Aktivitä- ten von Polizei und Zoll zurückzu- führen ist. Die Dunkelziffer bezie- hungsweise die tatsächliche Zahl der Rauschgiftdelikte kann daher nicht abgeschätzt werden. — Proble- matisch ist ferner die Antwort auf die Frage nach der Zahl der „Drogento- ten". Im Jahre 1979 waren es nach offiziellen Angaben 623, fast 200 mehr als im Jahr davor. Rauschgift-

Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

In der Aufsatzreihe zum Thema Sucht sind im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT bisher fol- gende Arbeiten erschienen: (1) Binder, M.

A.: Haschisch und Marihuana, Dt. Ärztebl.

78 (1981) 117-126 — (2) Täschner, K.-L.: Das Haschischproblem aus klinischer Sicht, Dt.

Ärztebl. 78 (1981) 126-129 — (3) Coper, H.:

Cocain und Cocainismus, Dt. Arztebl. 78 (1981) 173-179 — (4) Kuschinsky, KI.: Zur Pharmakologie von Opioiden, Dt. Ärztebl.

78 (1981) 225-228 —(5) Konzett, H.: Halluzi- nogene: LSD, Psilocybin und Mescalin, Dt.

Ärztebl. 78 (1981) 283-288 — (6) Opitz, KI.:

Nicotin, Dt. Arztebl. 78 (1981) 1869-1873 — (7) Altenkirch, H.: Schnüffelsucht, Dt. Arz- tebl. 78 (1981) 2025-2030 — (8) Klotz, U.:

Pharmakologie, Toxikologie und Abhän- gigkeitspotential der Benzodiazepine, Dt.

Arztebl. 78 (1981) 2227-2234 — (9) Halbach, H.: Amphetamine, Dt. Arztebl. 78 (1981) 2398-2404 — (10) Remmer, H.: Die Wirkun- gen des Alkohols, Dt. Ärztebl. 78 (1981) 2429-2440 — (11) Berlit, P.: Neurologische Schädigungen bei chronischem Alkoholis- mus, Dt. Arztebl. 79 (1982) Heft 1,41-50 — (12) Feuerlein, W.: Ärztliche Forderungen zur Bekämpfung des Alkoholismus, 79 (1982) Heft 2, 71-74 — (13) Oellrich, M.:

Diagnostik des Drogenabusus mit klinisch- chemischen Methoden, 79 (1982) Heft 4, 41-49

Rechtsmedizinische

und forensisch-toxikologische Probleme des

Betäubungsmittel-Konsums

Herbert Käferstein und Michael Staak

Aus dem Institut für Rechtsmedizin

(Direktor: Professor Dr. med. Michael Staak) der Universität zu Köln

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 7 vom 19. Februar 1982 53

(2)

Betäubungsmittelkonsum

todesfälle sind nach der Definition der „Ständigen Arbeitsgruppe Rauschgift" alle Todesfälle, die in einem kausalen Zusammenhang mit dem mißbräuchlichen Konsum von Betäubungsmitteln oder von als Ausweichstoffe verwendeten Ersatz- stoffen stehen. Der Fenstersprung des „Fliegers" im LSD-Rausch fällt ebenso unter diese Begriffsbestim- mung wie die akute tödliche Hero- inintoxikation und z. B. der Erstik- kungstod des Schnüfflers in einer Plastiktüte. Die Dunkelziffer dürfte — zumindest nach Kölner Erfahrungen

— ebenfalls nicht gering sein.

Bei einer Untersuchung der Alters- und Geschlechtsverteilung zeigt sich, daß an Rauschgiftdelikten zu etwa 80 Prozent männliche ,Perso- nen beteiligt sind (Polizeiliche Krimi- nalstatistik 1979). Von den Tatver- dächtigen waren 1979 0,1 Prozent Kinder, 8,4 Prozent Jugendliche, 28,5 Prozent Heranwachsende und 63 Prozent Erwachsene. Aufgrund eigenen Untersuchungsmaterials konnte festgestellt werden, daß etwa 90 Prozent der Personen, bei de- nen durch chemisch-toxikologische Urinuntersuchungen eine Betäu- bungsmitteleinnahme nachgewie- sen wurde, Heranwachsende und junge Erwachsene bis zu 30 Jahren sind.

Eine früher sich abzeichnende Ten- denz zu immer jüngeren Lebensal- tern (15) ergibt sich für die letzten Jahre nicht mehr.

Beachtenswert bei diesen statisti- schen Betrachtungen ist allerdings die Tatsache, daß gerade bei den sogenannten weichen Drogen, ins- besondere Cannabis, die Dunkelzif- fer besonders hoch liegt. Die mei- sten Fälle eines gelegentlichen Kon- sums durch Kinder und Jugendli- che, die in ansonsten geordneten fa- miliären, wirtschaftlichen, schuli- schen oder beruflichen Verhältnis- sen leben, dürften den Ermittlungs- behörden unbekannt bleiben, wäh- rend das eigentliche Kollektiv der Heroin-Abhängigen nicht nur durch die Rauschgiftkriminalität, sondern auch durch die Folgekriminalität po- lizeibekannt ist.

3. Art der Betäubungsmittel auf dem illegalen Drogenmarkt Die von Polizei und Zollfahndung sichergestellten Betäubungsmittel- mengen vermögen Hinweise für die auf dem illegalen Markt befindlichen Wirksubstanzen zu geben. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden 1979 sichergestellt: 405 kg Cannabis, 15 kg Heroin, 6 kg Rohopium, 0,5 kg Amphetamin und 0,4 kg Kokain (po- lizeiliche Kriminalstatistik Nord- rhein-Westfalen 1979).

Von den im Betäubungsmittelgesetz aufgeführten sogenannten harten Drogen wird in der Bundesrepublik bislang in erster Linie Heroin konsu- miert. Geschätzt wird, daß in der Bundesrepublik Deutschland jähr- lich 5,4 Tonnen Heroin — vornehm- lich in Form von Zubereitungen — verbraucht werden (9).

Häufig handelt es sich bei den von den Betäubungsmittelabhängigen — also den Endverbrauchern — erwor- benen Proben nicht um Reinsub- stanzen. Heroin ist zumeist mit an- deren Stoffen — unabhängig von Be- gleitstoffen aus dem Herstellungs- verfahren — versetzt. Als wichtigste Verschnittstoffe sind Askorbinsäure, Glukose, Laktose, Saccharose und Acetylsalicylsäure anzusehen. Nach Müller (9) lagen im Material des Hes- sischen Landeskriminalamtes im September 1979 die meisten Hero- inasservate in einem Gehaltsbereich von 10 bis 60 Prozent mit einer deut- lichen Häufung um 40 Prozent. In der Kategorie der Straßenbriefchen mit einem Inhalt bis 0,2 g lag der Gehalt meist bei 30 bis 40 Prozent Heroin.

Betäubungsmittel aus dem Fernen Osten werden häufig schon im Her- kunftsland mit anderen Substanzen versetzt. Dagegen wird das Heroin-

material aus dem Vorderen Orient im allgemeinen in verhältnismäßig reiner Form eingeschmuggelt und erst in der Bundesrepublik Deutsch- land von Handelsstufe zu Handels- stufe weiter verschnitten. Anderer- seits hatten wir einen Vergiftungsfall zu bearbeiten, bei dem Heroin in kleine Beutel, die herunterge-

schluckt wurden, verpackt aus der Türkei eingeschmuggelt werden sollte; es war offenbar bereits im Herkunftsland mit etwa 50 Prozent Procain verschnitten worden. Das Ziel der Kriminalämter, durch Analy- sen sämtlicher Substanzen Proben gleicher Herkunft identifizieren zu können, ist kaum erreichbar.

Der Konsum von Heroin erfolgt zu- meist durch intravenöse Injektion mit allen dabei neben der reinen Giftwirkung auftretenden gesund- heitlichen Problemen. Nach frühe- ren epidemiologischen Untersu- chungen bei Apothekeneinbrüchen (15) wiesen ein Drittel der überwie- gend jugendlichen und heranwach- senden Täter Hepatitiden auf. Prack u. Mitarb. (14) stellen bei 79 Prozent der untersuchten Drogenabhängi- gen Hinweise für das Vorliegen ei- nes Leberleidens fest, was mögli- cherweise mit der im Gegensatz zu früher fehlenden Tendenz in Rich- tung einer Zunahme der jüngeren Tätergruppen im Zusammenhang gebracht werden könnte.

Selten wird angegeben, daß Heroin geraucht worden sei. Das ist eigent- lich nur gelegentlich bei Personen der Fall, die als Dealer beziehungs- weise Großdealer angeklagt waren, und die es sich sozusagen leisten konnten, einen nicht geringen Teil des teuren Betäubungsmittels „wir- kungslos" zu verbrennen. Der „nor- male" süchtig gewordene Endver- braucher hat dagegen regelmäßig Schwierigkeiten, das nötige Geld für seinen Bedarf heranzuschaffen.

Durch reguläre Arbeit, zu der der Süchtige nur beschränkt oder ohne- hin bald überhaupt nicht mehr fähig ist, kann das nötige Geld gar nicht besorgt werden; denn der Abhängi- ge benötigt pro Tag etwa 10 Schuß oder 1 g Heroin in Straßenqualität.

1 g kostet auf dem Kölner Drogen- markt 250 DM bis 300 DM. Nicht nur die Betätigung als Dealer — zumeist im Kleinformat —, sondern auch Ge- waltkriminalität und Prostitution sind zwangsläufige Folgen.

Die Kokainwelle, schon seit länge- rem in den Vereinigten Staaten von Amerika besorgniserregend ange- 54 Heft 7 vom 19. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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Abbildung 1: Chemische Struktur von Heroin (Diamorphin) 6-Monoacetyl-Morphin, Morphin und Codein

Betäubungsmittelkonsum

wachsen, zeigt auch in der Bundes- republik inzwischen Auswirkungen.

Eine Steigerung ist besonders seit Anfang 1980 zu beobachten. Bis ein- schließlich 1979 wurde Kokain in un- serem Untersuchungsgut nicht fest- gestellt. Nach Müller (9) lag die An- zahl der beschlagnahmten Kokain- asservate im Material des Hessi- schen Landeskriminalamtes in den ersten Monaten 1980 bei 3 Prozent.

Teilweise kann man beobachten, daß sowohl Heroin als auch Kokain konsumiert wurde; unter Umstän- den werden beide Suchtstoffe ge- meinsam als Mischspritze verwen- det, da sie offenbar ein besonderes Rauscherlebnis versprechen. Zu- meist wird Kokain jedoch ge- schnupft. Einstichstellen, die für He- roinkonsumenten symptomatisch und für deren Morbidität charakteri- stisch sind, fehlen bei den Kokain- Konsumenten, damit entfallen für diese auch die Probleme mit unsteri- len Spritzen.

4. Probleme des

Betäubungsmittelnachweises An die Qualität eines Betäubungs- mittelnachweises müssen hohe An- forderungen gestellt werden, da un- ter Umständen erhebliche Rechts- folgen davon abhängen. Der Nach- weis muß unter strafrechtlichen Ge- sichtspunkten mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ge- führt werden.

Oeilerich (10) hat eingehend die mo- dernen Nachweismöglichkeiten von Drogen aus Urin dargestellt. Die meisten Betäubungsmittel bereiten bei einer Harnanalyse oder einer Blutuntersuchung kaum noch Schwierigkeiten. Neuerdings läßt sich auch durch die Untersuchung von Haaren zum Beispiel eine Mor- phiat-Einnahme nachweisen (5).

Dies kann bei Verdacht auf länger zurückliegenden Betäubungsmittel- konsum von Bedeutung sein.

Besondere analytische Probleme bereiten dagegen LSD und Ha- schisch-lnhaltsstoffe, wie etwa der darin enthaltene Wirkstoff Tetrahy- drocannabinol (THC), wenn diese

Substanzen aus biologischem Mate- rial wie Blut oder nach Körperpassa- ge im Urin nachgewiesen werden sollen. Die außerordentlich niedri- gen Konzentrationen stehen beson- ders der eindeutigen Bestimmung entgegen. Daher ist der sichere Nachweis von THC aus Blut und Urin bislang in der Praxis noch nicht durchführbar. Durch radio- bezie- hungsweise enzymimmunologische Methoden können lediglich Hinwei- se erlangt werden. Zur weiteren Ab- sicherung werden derzeit allerdings vielversprechende Versuche unter- nommen. So konnten Bachmann u.

Mitarb. (1) THC im Versuch nach De- rivatisierung im Serum nachweisen, nachdem kurze Zeit vorher eine Zi- garette mit 6 mg THC geraucht wor- den war. Die Konzentration soll über 1 ng/ml Serum gelegen haben. Zum Vergleich: Morphinkonzentrationen liegen etwa um den Faktor 100 oder mehr höher.

Unproblematisch sind die von Krimi- nalpolizei und Zollfahndung gesi- cherten Materialien. In allen Fällen können Unterscheidungen getroffen werden, ob und gegebenenfalls in

welchem Maße ein Betäubungsmit- tel in einer beschlagnahmten Probe enthalten ist. Dies gilt gleichfalls für Pfeifen, aus denen zum Beispiel Ha- schisch geraucht wurde, denn Ha- schisch-lnhaltsstoffe lassen sich auch hier sicher bestimmen. Derarti- ge Nachweise können von erhebli- cher Bedeutung sein, wenn es um die rechtliche Frage der sogenann- ten „nicht geringen Mengen" geht (Abschnitt 5).

Das Problem des Betäubungsmittel- nachweises aus biologischem Mate- rial liegt bei mehreren Wirkstoffen auch noch auf einer anderen Ebene.

Heroin wird z. B. intravital stark metabolisiert. In Darstellung 1 sind Metaboliten aufgeführt. Zunächst wird Monoacetylmorphin gebildet, in einer langsameren Reaktion ent- steht durch Abspaltung auch der zweiten Acetylgruppe freies Mor- phin, das in freier Form oder über- wiegend als Konjugat (Glucuronid) mit dem Urin ausgeschieden wird.

Lediglich in einer frühen Phase nach Heroinkonsum kann Monoacetyl- morphin im Harn erwartet werden.

Es ist somit auf Grund der che- Ausgabe KB DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 7 vom 19. Februar 1982 57

(4)

B-etäubungsmittelkonsum

misch-toxikologischen Untersu- chungen im allgemeinen nicht zu unterscheiden, ob Morphin oder He- roin konsumiert wurde. Dies ist für die strafrechtliche Bewertung je- doch ohne Bedeutung, da der illega- le Konsum beider Drogen gleichar- tig beurteilt wird.

Durch weitere Metabolisierung kann nach Heroin- oder Morphinkonsum Codein (3-Methylmorphin) gebildet werden. Dieses wird wie Morphin so- wohl in freier Form als auch als Kon- jugat im Urin erscheinen.

Wird weder Heroin noch Morphin konsumiert, sondern Codein, so können durch 0-Demethylierung merkliche Mengen Morphin gebildet und im Urin ausgeschieden werden.

Es ist noch nicht geklärt, wie groß die Morphinmengen sind, die nach Codeineinnahme auftreten können.

Prozentzahlen um 20 werden ge- nannt. Von größerer praktischer Be- deutung könnten sich allerdings Un- tersuchungen von Moosmayer u.

Besserer (8) erweisen, die bei thera- peutischen Dosierungen von Codein feststellen konnten, daß im unter- sten Konzentrationsbereich bei ei- ner ausschließlichen Einnahme von Codein die Morphinkonzentration im Harn über dem Codeinspiegel lie- gen kann. Ähnliches könnte sich nach den Untersuchungen von Pfle- ger (11) bei sehr hohen Codeindo- sierungen auch in einem höhe- ren Konzentrationsbereich ergeben.

Diese Einzelfall-Untersuchung müß- te allerdings noch durch weitere Analysen gestützt werden.

Bei vermutetem Konsum von Heroin oder Morphin kommt somit der In- terpretation der Untersuchungsbe- funde eine entscheidende Bedeu- tung zu. Trotz positiven Morphin- nachweises kann bisweilen nicht ausgeschlossen werden, daß nur Codein und kein Morphin oder Hero- in konsumiert wurde.

Ähnliche Probleme wie bei Morphin

— als Codeinmetabolit — können bei dem Betäubungsmittel Amphetamin auftreten. Es kann zum Beispiel gas- chromatographisch oder dünn- schichtchromatographisch leicht be-

stimmt werden. Intravital entsteht Amphetamin aber aus normal rezep- tierbaren Wirkstoffen wie Fenetyllin (Captagon) oder Amfetaminil (AN 1).

Ein Amphetamin-Nachweis beweist somit noch nicht, daß Betäubungs- mittel konsumiert worden sind.

Auch wenn Fenetyllin nicht mehr nachweisbar ist, kann festgestelltes Amphetamin auf eine Captagon-Ein- nahme zurückgeführt werden. Aus Amfetaminil wird bereits im Magen- saft Amphetamin freigesetzt. — Ver- gleichbares gilt für den Valoron- Wirkstoff Tilidin, zwar ein Betäu- bungsmittel, aber mit Zusatz von Na- loxon normal rezeptierbar als Valo- ron N. Da die Naloxonmenge gering ist und bereits während der ersten Leberpassage größtenteils metaboli- siert wird, könnte es bei einer Analy- se unerfaßt bleiben, auch wenn Va- loron N eingenommen wurde.

5. Praktische Probleme der Begutachtung

Den illegalen Handel mit Betäu- bungsmitteln nachzuweisen, stellt die Ermittlungsbehörden vor große Probleme. Die Vorsichtsmaßnahmen der Dealer sind — nach unseren Er- fahrungen — umfangreich; daher werden sie selten mit größeren Men- gen an Betäubungsmitteln angetrof- fen. Die Behauptung, daß es sich bei der gefundenen geringen Menge um

„Stoff" für den Eigenverbrauch han- dele, ist dann nur schwer zu widerle- gen. Durch eine Urinuntersuchung wird dann auch oftmais bestätigt, daß tatsächlich Betäubungsmittel konsumiert worden waren.

Nach § 11, Abs. 4 des Betäubungs- mittelgesetzes (BtMG) wird derjeni- ge bestraft, der Betäubungsmittel

„in nicht geringen Mengen" besitzt oder abgibt. Das Gericht kann aber von einer Bestrafung absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel zum eigenen Gebrauch „in geringen Mengen" besitzt oder erwirbt (§ 11, Abs. 5 BtMG). Auf die umfangreiche Rechtsprechung zu dieser Frage soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Doch ist die quantitative Analytik der betreffenden Suchtstof- fe und ihre kritische Interpretation

unter dem Gesichtspunkt der Dosis- Wirkung-Beziehungen beziehungs- weise der möglichen Anzahl der Rauschzustände ein wertvolles Kri- terium, auch für die rechtliche Beur- teilung dieser Frage (17).

Als Ersatzdroge sind in der Rausch- mittelszene codeinhaltige Medika- mente, zum Beispiel Codein-Kom- pretten, sehr beliebt. Abhängige spritzen bei Mangel an Heroin nicht selten aufgelöste Codein-Kompret- ten in die Vene. Das stellt mit Sicher- heit eine mißbräuchliche Einnahme von Codein dar. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammen- hang, daß auch Codein unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Ledig- lich geringere Mengen (unter 100 mg/Einzeldosis) sind normal rezep- tierbar. Für die strafrechtliche Be- wertung liegt die große Schwierig- keit allerdings darin, daß die miß- bräuchliche Einnahme (Überdosie- rung — Injektion statt oraler Applika- tion) etwa von Codein nur schwer zweifelsfrei nachzuweisen ist. Der Urinspiegel läßt ohne nähere Anga- ben, insbesondere über die Zeit- spanne zwischen Einnahme und Probensicherung — diese fehlen zu- meist — nur schwer Rückschlüsse zu auf die eingenommene Dosis. Dage- gen ermöglicht eine Blutspiegelbe- stimmung häufiger eine zutreffende

Beurteilung, auch wenn im übrigen keine genauen Informationen vor- handen sind.

Ob die kleineren Verteiler selbst süchtig sind oder werden, läßt sich aus einem positiven Betäubungsmit- telnachweis in Körperflüssigkeiten jedoch nicht in jedem Falle ablesen.

Unter Umständen werden geringe Mengen eingenommen, um den be- haupteten Eigenverbrauch glaub- hafter zu machen und gegebenen- falls als Drogenabhängiger mit ver- minderter Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StGB eine geringe- re Strafe zu erhalten.

Die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Drogenabhängi- ger wirft erhebliche Probleme auf.

Die Definition der Drogenabhängig- keit im Hinblick auf eine Abgren- zung zwischen physischer und psy- 58 Heft 7 vom 19. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(5)

chischer Abhängigkeit reicht bei der heute gegebenen Situation kaum aus. Vielmehr ist zu berücksichti- gen, daß neben pharmakokineti- schen und pharmakodynamischen Effekten auch eine Induktion des Rauscherlebnisses über ein kompli- ziertes Bedingungsgefüge stattfin- det, bei dem Vorerfahrungen, Erwer- bung und spezifische Atmosphäre eine unterschiedliche Rolle spielen.

Nach Gerchow (4) ist in erster Linie die Persönlichkeit (Hemmung der Ausreifung durch BTM-Mißbrauch, Depravation usw.) zu berücksichti- gen. Weiterhin ist im Rahmen der biographischen Analyse der Stellen- wert des Rauschmittels im Zusam- menhang mit dem Delikt zu klären.

Es muß also dargelegt werden, ob das Rauschmittel tatbedingende oder tatbegleitende Funktion hatte.

Schließlich sind die pharmakologi- schen und toxikologischen Grund- tatsachen des verwendeten Rausch- mittels im Hinblick auf Umfang und Art des individuellen Mißbrauchsver- haltens zu erörtern, um einen mög- lichst realen Bezug zur Situation herzustellen. Hierbei spielen auch Leistungs- und Verhaltenskriterien eine entscheidende Rolle (16). Et- was verallgemeinernd kann gesagt werden, daß am ehesten bei der di- rekten Beschaffungskriminalität mit unmittelbar folgender Applikation des Suchtmittels Zurechnungsunfä- higkeit angenommen werden kann, während bei der indirekten Beschaf- fungskriminalität (Handel usw.) in der Regel allenfalls die ärztlichen Voraussetzungen des § 21 StGB in Frage kommen (18).

Bei erheblicher Depravation, hirn- organischen Schäden und ander- en chronischen Intoxikationsfolgen können darüber hinaus auch gene- rell die ärztlichen Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit vorliegen ebenso wie bei akuten Rauschzu- ständen (§§ 20, 323 a StGB).

6. Schlußbetrachtung

Bei allen Bemühungen von Zollfahn- dung und Kriminalpolizei, das Ange- bot auf dem illegalen Drogenmarkt

Betäubungsmittelkonsum

zu reduzieren, ist nur im Fall hoher Intensität der Aufklärung und päd- agogischen Betreuung einerseits und entsprechend hoher Strafen für die Dealer andererseits ein Erfolg zu erreichen. Diese Aktivitäten schei- nen derzeit insofern erfolgreich, als

—zumindest zur Zeit auf dem Heroin- markt — eine gewisse Verknappung eingetreten zu sein scheint, die sich in den relativ geringen Betäubungs- mittel-Gehalten auf den unteren Handelsstufen niederschlägt (9).

Literatur

(1) Bachmann, E. W.; Hofmann, A. A.; Waser, P.

G.: Identification of 9-tetrahydrocannabionol in human plasma by gas chromatography, J.

Chromatogr. (Amst.) 178 (1979) 320-323 — (2) Binder, M. A.: Haschisch und Marihuana—Was der Arzt über Cannabionoide wissen soll, Dtsch. Ärztebl. 78 (1981) 117-126 — (3) Coper, H.: Cocain und Cocainismus, Dtsch. Ärztebl.

78 (1981) 173-179 — (4) Gerchow, J.: Zur Schuldfähigkeit Drogenabhängiger unter Be- rücksichtigung des Panoramawandels von Mißbrauch und Sucht, Beitr. gerichtl. Med. 38 (1980) 45-51 —(5) Klug, E.: Zur Morphinbestim- mung in Kopfhaaren, Z. Rechtsmed. 84 (1980) 189-193 — (6) Konzett, H.: Halluzinogene: LSD, Psilocybin und Mescalin, Dtsch. Arztebl. 78 (1981) 283-288 — (7) Kuschinsky, K.: Zur Phar- makologie von Opiodien, Dtsch. Ärztebl. 78 (1981) 225-228 — (8) Moosmayer, A., u. Besse- rer, K.: 59. Jahrestagung der Deutschen Ge- sellschaft für Rechtsmedizin vom 24.-28. Sept.

1980 in Heidelberg — (9) Müller, G.: Aktuelle Rauschmittelsituation, Symposium Psycho- pharmaka und Suchtstoffe, Mosbach 25.-26.

April 1980 — (10) Oellerich, M.: Diagnostik des Drogenabusus mit klinisch-chemischen Me- thoden, Dtsch. Ärztebl. 79 (1982) 41-49 — (11) Pfleger, K.: Pers. Mitteilung (1981) — (12) Poli- zeiliche Kriminalstatistik 1979, Herausg. Bun- deskriminalamt Wiesbaden — (13) Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen 1979, Herausg. Landeskriminalamt Nordrhein-West- falen — (14) Prack, G., Rosenstock, J., Pohle, W., Baumann, H., May, B.: Zur Häufigkeit von Lebererkrankungen bei jugendlichen Drogen- abhängigen, Med. Welt 30 (1979) 370-371 — (15) Springer, E.; Staak, M.; Mittmeyer, H. J.:

Mehrdimensionale Untersuchung über Apo- thekeneinbrüche, Beitr. gerichtl. Med. 32 (1974) 16-23 — (16) Staak, M.; Mittmeyer, H. J.;

Springer, E.: Verhaltenskriterien und straf- rechtliche Verantwortlichkeit bei Apotheken- einbrüchen, Beitr. gerichtl. Med. 32 (1974) 24-28 — (17) Staak, M.; Moosmayer, A.; Besse- rer, K.: Die rechtsmedizinische Beurteilung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei Canna- bis-Mißbrauch Beitr. gerichtl. Med. 36 (1978) 443-449 — (18) Täschner, K. L.; Wanke, K.:

Zurechnungsfähigkeit bei Drogenkonsumen- ten, Nervenarzt 44 (1973) 85-88 — (19) Täsch- ner, K. L.: Das Haschischproblem aus klini- scher Sicht, Dtsch. Ärztebl. 78 (1981) 126-129

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. rer. nat.

Herbert Käferstein

Professor Dr. med. Michael Staak Melatengürtel 60/62

5000 Köln 30

FÜR SIE GELESEN

„Sanfte Geburt"

Die Entbindung nach Leboyer (birth without violence) gehört zu den am häufigsten diskutierten Methoden der Geburtshilfe; sie wird nicht sel- ten durch ihre Verfechter mit dem daraus angeblich folgenden besse- ren Mutter-Kind-Verhältnis be- gründet.

Um hier Klarheit zu gewinnen, ha- ben die Autoren prospektiv 56 Frau- en und ihre Neugeborenen unter der Geburt und bis ins Alter von acht Monaten hinaus untersucht. Die Frauen wurden insbesondere über ihren Gesundheitszustand und ihre Einstellung gegenüber Entbindung und Kind befragt; ferner wurde der psychomotorische Entwicklungssta- tus der Kinder zu verschiedenen Zei- ten beurteilt. 28 Frauen hatten nach der Methode von Leboyer entbun- den, 26 Frauen nach der konventio- nellen Methode. Weder in der müt- terlichen oder kindlichen Morbidität noch im Verhalten des Neugebore- nen in den ersten Lebensstunden bzw. im Alter von 24 und 72 Stunden oder auch im Alter von acht Mona- ten wurden Unterschiede beobach- tet. Auch ließ sich kein Einfluß der Leboyer-Methode auf die mütterli- che Perzeption ihrer Kinder bzw. auf das Erlebnis der Geburt nachwei- sen; lediglich 8 Mütter, die nach Le- boyer entbunden hatten, meinten sagen zu können, daß diese Form der Entbindung das Verhalten ihrer Kinder beeinflußt habe. Frauen, die nach Leboyer entbinden wollten, hatten kürzere Wehen, so daß psy- chologische Faktoren wie zum Bei- spiel die Erwartungshaltung den Ge- burtsvorgang beeinflussen.

Insgesamt ziehen die Autoren aus ihrer Untersuchung den Schluß, daß die Leboyer-Methode gegenüber ei- ner ruhigen konventionellen Entbin- dung weder für die Mutter noch für das Kind Vorteile bringt. Dmn

Nancy, M.; Nelson, Ph. D.; Murray, W.; Enkin, M. D.; Saroj Saigal, M. D.; Kathryn, J.; Bennett, B. A.; Milner, Ruth, B. Sc.; and Sackett, David L. M. Sc., M. D.: A randomized clinical trial of the leboyer approach to childbirth, New Eng- land Journal of Medicine 302 (1980) 655-660 — Dr. Nelson: Department of Pediatrics, Dalhousie University, 5849 University Avenue, Halifax, Nova Scotia B3H 4H7, Canada

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 7 vom 19. Februar 1982 59

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