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ardinal Ratzinger und die von ihm geleitete (päpstliche) Kongregati- on für die Glaubenslehre können sicher sein, dass ihre Verlautbarungen kritisch kommentiert werden: da zeige sich wieder einmal die unbelehrbar konservative Seite der katholischen Kirche. So geschehen auch mit der jüng- sten lehramtlichen Äußerung, dem Schreiben an die Bischöfe über die Zu- sammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt (Wortlaut unter www.dbk.de).Tatsächlich geht Ratzinger in seinem Sendschreiben, das von Papst Johannes Paul II. persönlich approbiert wurde, zwei Tendenzen „in der Auseinanderset- zung mit der Frauenfrage“ gleich zu Be- ginn frontal an: zum einen eine Haltung des Protestes, die die Frau zum Gegner des Mannes mache und zur Rivalität der Geschlechter führe. Zum anderen die Gender-Diskussion. Diese ziele darauf, die geschlechtliche Verschiedenheit auf ein Minimum zu reduzieren und die kulturelle Dimension (gender) „in höch- stem Maße“ herauszustreichen. Sinn des Unterfangens sei es, die Unterschie- de von Mann und Frau zu beseitigen, um so die Über- oder Unterlegenheit des ei- nen über das andere Geschlecht zu ver- meiden. Die Verfasser des römischen Lehrschreibens sehen darin den „Ver- such der menschlichen Person nach Be- freiung von den eigenen biologischen Gegebenheiten“.
Sie zeichnen demgegenüber ein diffe- renziertes Bild einer biblisch fundierten Anthropologie. Ausführlich beschrieben wurde diese bereits 1988 in einem Apo- stolischen Schreiben von Papst Johan- nes Paul II. über die Würde der Frau (Mulieris dignitatem, www. vatican.va/
holy_father/john_paul_ii/index_ge.htm).
Zusammenfassend und unter Weglas- sung der mariologischen Argumentation lauten die römischen Lehraussagen so:
In der Genesis wird der Mensch als geschlechtlich differenziert charakteri- siert. Zwar war Adam zunächst allein, doch ihn belastete die Erfahrung der Einsamkeit. In Eva findet er ein ande- res, auf seiner Ebene lebendes Wesen.
„Die Frau ist ein anderes ,Ich‘ im ge- meinsamen Menschsein“, formuliert Mulieris dignitatem. „Von Anfang an er- scheinen sie [Mann und Frau, die Red.]
als Einheit von zweien, und das bedeu- tet die Überwindung der ursprüngli- chen Einsamkeit, in welcher der Mensch
keine Hilfe fand, die ihm entsprach.“
Die vitale Verschiedenheit sei, so jetzt Ratzinger, auf Gemeinschaft ausgerich- tet und werde friedlich gelebt. Die Ge- schlechtlichkeit kennzeichne Mann und Frau und könne nicht auf einen unbe- deutenden biologischen Aspekt redu- ziert werden, sondern sei eine grundle- gende Komponente der Persönlichkeit.
Erst der Sündenfall habe aus der ur- sprünglich friedlichen und auf Ergän- zung angelegten Beziehung eine potenzi- elle Konfliktsituation gemacht. Knapp und erschütternd heiße es in Genesis 3,16: „Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen.“
Diese an sich gute, aber verwundete Be- ziehung bedürfe der Heilung.Und die ge- schehe durch Christus Mann und Frau erfahren ihre Verschiedenheit,so schließt der biblische Teil in Ratzingers Schrei- ben, „nicht mehr als Ursache von Unei- nigkeit, die durch Leugnung oder Eineb- nung überwunden werden müsste, son- dern als Möglichkeit der Zusammenar- beit,die in der gegenseitigen Achtung der Verschiedenheit zu verwirklichen ist“.
Den biblischen Erwägungen folgen Forderungen an die Gesellschaft, einge- leitet von einem Seitenhieb gegen „eine gewisse Strömung des Feminismus“.
Angespielt wird hiermit offenbar auf Ansichten, die die Frau nicht in erster Linie von der in der Mutterrolle her se- hen. Im Gegensatz dazu postuliert das Lehrschreiben für die Frau, „dass das Beste ihres Lebens darin besteht, sich für das Wohl des anderen einzuset- zen“. Grundlegend dafür ist die Mutter- rolle. Denn die „Fähigkeit zur Mutter- schaft ist eine Wirklich- keit, die die weibliche Per- sönlichkeit zutiefst prägt“.
Es sei freilich nicht richtig, die Frau allein unter dem Aspekt der biologischen Fortpflanzung zu sehen, beeilen sich die Verfasser hinzuzufügen. Das könne sogar mit einer gefährli- chen Abwertung der Frau verbunden sein. Die Frau sei vielmehr unersetzlich in allen Bereichen des fa- miliären und gesellschaft- lichen Lebens. Sie müsse Zugang zu verantwor- tungsvollen Stellen in der Welt der Arbeit und in der Politik ha- ben. Die Arbeitsorganisation müsste freilich der zweifachen Rolle der Frau in Familie und Arbeit gerecht werden.
„So könnten die Frauen, die es frei- willig wünschen, ihre ganze Zeit der häuslichen Arbeit widmen, ohne sozial gebrandmarkt und wirtschaftlich be- straft zu werden. Jene hingegen, die auch andere Tätigkeiten verrichten möchten, könnten dies in einem ange- passten Arbeitsrhythmus tun, ohne vor die Alternative gestellt zu werden, ihr Familienleben aufzugeben oder einer ständigen Stresssituation ausgesetzt zu
sein.“ Norbert Jachertz
P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3313. August 2004 AA2221
Biblische Anthropologie
Frau und Mann, zwei in eins
Die römische Verlautbarung über die Zusammenarbeit von Mann und Frau ist differenzierter, als es zunächst scheint.
Gruß aus Rom: Ratzinger appelliert, die Frau nicht allein un- ter dem Aspekt der biologischen Fortpflanzung zu sehen.
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