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Archiv "Berlinale 2005: Plädoyers für Zivilcourage" (04.03.2005)

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A602 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 94. März 2005

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it der Verleihung des Goldenen und der Sil- bernen Bären ist am 20. Februar die 55. Berlinale zu Ende gegangen. Und ein- mal mehr hat es ein Außensei- ter geschafft, den Goldenen Bären abzustauben: „U-Car- men e-Khayelitsha“, eine süd- afrikanische Adaptation der Oper „Carmen“ vom Regis- seur Mark Dornford-May, setzte sich gegen 20 Wettbe- werbsfilme durch. Der Deut- sche Wettbewerbsfilm „So- phie Scholl – die letzten Tage“

erhielt zwei Silberne Bären.

Einer der Schwerpunkte des Festivals war Afrika, das mit vier Filmen im Wettbe- werb vertreten war. Mit „Man to Man“ von Regisseur Régis Wargnier gab es gleich zu Be- ginn harte Kost. Der schotti- sche Anthropologe James Todd (Joseph Fiennes) reist 1870 nach Zentralafrika und fängt dort zwei Angehörige eines Pygmäenvolks. Diese Spezies hält Todd für das Bin- deglied zwischen Mensch und Affe. Da den beiden Gefan- genen, einem Mann und einer Frau, das Menschsein abge- sprochen wird, werden sie wie Tiere zusammen mit anderen Zooerwerbungen nach Edin- burg gebracht. Dort beginnt der wahnwitzige Versuch, das

„natürliche“ Verhalten der

beiden zu erkunden, der zum offenen Streit unter den Wis- senschaftlern führt. Denn während seine beiden Kolle- gen und Freunde die Gefan- genen als gefühllose Untersu- chungsgegenstände im Dienst der eigenen Karriereplanung betrachten, entdeckt Todd an Toko und Likola menschliche Züge. Er setzt alles daran, sie aus der herabwürdigenden Käfighaltung zu befreien – und riskiert dadurch seine ei- gene Karriere.

Außerhalb der Wertung lief „Hotel Rwanda“ von Terry George. Der Film zeigt, wie es trotz der allgegenwärti- gen Gewalt möglich ist, mit Bestechung, Zivilcourage und öffentlicher Anklage dem Völkermord etwas entgegen- zusetzen. Wie der Hotelma- nager Paul Rusesabagina er- lebt der Zuschauer eine be- drückend eingeengte Per- spektive, die über die schüt- zende Hotelmauer nur selten hinauskommt. Für mehr als 1 200 Menschen wird das Haus einer belgischen Hotel- kette zur letzten Zufluchts- möglichkeit, als nach dem Attentat auf den Präsidenten Habyarimana im April 1994 ein Massaker in Ruanda be- ginnt. Nach dem Anschlag

ist der Manager noch darum bemüht, den Vier-Sterne- Standard für seine Gäste aufrechtzuerhalten, während in der unmittelbaren Um- gebung bereits Hutus mit Macheten auf ihre Tutsi- Nachbarn losgehen. Der Film klagt die Tatenlosigkeit der Vereinten Nationen an, durch die der Völkermord mit rund einer Million Toten jahrelang in Ruanda wüten konnte.

Terry George nutzte auf der Berlinale die Gelegenheit, um die Zuschauer auf die aktuelle Situation im Sudan hinzuweisen, wo sich ein neuer Völkermord abzeich- net. Die Aufarbeitung des Völkermords in einer „Wahr- heitskommission“ beschreibt ein weiterer Wettbewerbs- film „Sometimes in April“

von Raoul Peck.

Niemand hatte damit ge- rechnet, dass schließlich die Opernverfilmung „Carmen“

den Goldenen Bären holt.

Die Handlung des Stücks ver- legte der Regisseur Mark Dornford-May kurzerhand von Spanien in die Townships Südafrikas. Fremd erscheinen die Menschen in den Well- blechhütten und die eige- nen Regeln der Townships.

Carmen (Pauline Malefane)

ist keine Klischeefigur, son- dern eine selbstbewusste und unabhängige Arbeiterin einer Zigarettenfabrik. Car- men überrascht mit den ver- trauten Melodien in ihrer Muttersprache Xhosa. Und mit was für einer Stimme!

Durch die Übersetzung der Oper wird westliches Kultur- gut exportiert, aber gleichfalls verwandelt und in einen gänzlich anderen Kontext ge- stellt. Dass ausgerechnet die- se Oper für das Filmprojekt der südafrikanischen Thea- tergruppe Dimpho Doi Kopa- ne ausgewählt wurde, scheint dabei durchaus logisch – denn in der Urversion wie in der südafrikanischen Varian- te geht es um Macht und Unterdrückung.

Der deutsche Film konnte in diesem Jahr wieder glän- zen. Mit „Sophie Scholl – die letzten Tage“ wurden Marc Rothemund für die beste Re- gie und Julia Jentsch als beste Darstellerin ausgezeichnet.

Der Film läuft ab dieser Wo- che in den deutschen Kinos.

Ob und wann die afrikani- schen Filme zu sehen sein werden, steht dagegen noch nicht fest. Daniel Rühmkorf

Berlinale 2005

Plädoyers für Zivilcourage

Die Berliner Filmfestspiele bieten angesichts fehlender amerikanischer Produktionen viel Platz für Filme und Themen der ärmeren Länder.

Feuilleton

Der Film „Hotel Rwanda“ von Terry George klagt die Tatenlosigkeit der Vereinten Nationen an.

Die Opernverfilmung „U-Carmen e-Khayelitsha“ erhielt den Gol- denen Bären.

Fotos (2):Berlinale

Foto:Daniel Rühmkorf

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