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Besaugen bei Kälbern der Rasse Deutsches Fleckvieh: Risikofaktoren und Bedeutung der individuellen Stressreaktion

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Besaugen bei Kälbern der Rasse Deutsches Fleckvieh:

Risikofaktoren und Bedeutung der individuellen Stressreaktion

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von

Ina Gaude

Bergen (Rügen)

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Wissenschaftliche Betreuung: Apl. Prof. Dr. M. Kaske Klinik für Rinder

Tierärztliche Hochschule Hannover

1. Gutachter: Prof. Dr. M. Kaske

2. Gutachter: Prof. Dr. H. Hackbarth

Tag der mündlichen Prüfung: 16.05.2014

Die vorliegende Arbeit wurde unterstützt durch ein Stipendium der Dr. Dr. h.c. Karl Eibl-Stiftung des Besamungsvereins Neustadt a. d. Aisch (BVN)

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Meiner Familie

in Dankbarkeit gewidmet

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INHALTSVERZEICHNIS

1  Einleitung ... 1 

2  Literaturübersicht ... 3 

2.1  Verhaltensstörungen bei Nutztieren ... 3 

2.2  Stress in der Nutztierhaltung ... 3 

2.3  Methoden zur Erfassung von Stress ... 4 

2.4  Besaugen als Verhaltensstörung von Kälbern ... 6 

2.5  Physiologische Konsequenzen des Besaugens ... 7 

2.6  Ansätze zur Reduzierung des gegenseitigen Besaugens ... 8 

3  Material und Methoden ... 11 

3.1  Betriebe und Versuchstiere ... 11 

3.1.1  Fragebogen und Tränkeplan ... 12 

3.1.2  Betriebsbesichtigung ... 13 

3.1.3  Blutproben ... 13 

3.2  Experimentelles Design ... 14 

3.2.1  Herzfrequenzmessungen ... 14 

3.2.2  Versuchsablauf ... 15 

3.2.3  Vorversuche ... 17 

3.2.3.1  Vorversuch 1 ... 17 

3.2.3.2  Vorversuch 2 ... 17 

3.2.4  Datenerfassung ... 20 

3.2.4.1  Kälber ... 20 

3.2.4.2  Blutproben ... 21 

3.2.4.3  Beobachtender Landwirt und zweiter Betriebsbesuch ... 22 

3.2.5  Datenbearbeitung ... 23 

3.2.5.1  Bearbeitung der Herzfrequenzdaten ... 23 

3.2.5.2  Quantitative Darstellung der Stressreaktion mithilfe der Herzfrequenzdaten ... 24 

3.3  Statistik ... 25 

3.3.1  Fragebogen ... 25 

3.3.2  Blutproben ... 26 

3.3.3  Versuch ... 26  3.3.3.1  Besaugen in Relation zu tier- und betriebsassoziierten

(6)

3.3.3.2  Besaugen in Relation zur Herzfrequenz ... 27 

3.3.3.3  Besaugen in Relation zum Verhalten... 28 

3.3.3.4  Besaugen in Relation zum Serum-Cortisolwert ... 28 

4  Publikation 1... 30 

4.1  Abstract ... 30 

4.2  Introduction ... 31 

4.3  Material and Methods ... 32 

4.3.1  Farms ... 32 

4.3.2  Questionaire and milk feeding plan ... 32 

4.3.3  Farm visit... 33 

4.3.4  Blood sampling and analyses ... 33 

4.3.5  Statistics ... 34 

4.4  Results ... 35 

4.4.1  General management ... 35 

4.4.2  Calves in the first and the second weeks of life ... 35 

4.4.3  Calves aged 3-10 weeks ... 36 

4.4.4  Weaned calves ... 37 

4.4.5  Blood samples ... 37 

4.4.5.1  Individually housed calves at an age of 1-2 weeks ... 37 

4.4.5.2  Group-housed calves ... 38 

4.5  Discussion ... 38 

4.6  References ... 43 

4.7  Figures and Tables ... 48 

5  Publikation 2... 55 

5.1  Abstract ... 55 

5.2  Introduction ... 56 

5.3  Materials and methods ... 58 

5.3.1  Preliminary study # 1 ... 58 

5.3.2  Preliminary study # 2 ... 59 

5.3.3  Animals and housing ... 59 

5.3.4  Experimental design ... 60 

5.3.5  Data collection ... 61 

5.3.5.1  Blood samples ... 64 

5.3.5.2  Observation of subsequent calf behaviour ... 64 

5.3.6  Data processing ... 65 

5.3.7  Statistics ... 68 

(7)

5.4  Results ... 70 

5.4.1  General ... 70 

5.4.2  Relation between cross-sucking and calf- and farm- associated factors ... 70 

5.4.3  Relation between cross-sucking and heart rate ... 71 

5.4.4  Relation between cross-sucking and behaviour ... 76 

5.4.5  Relation between cross-sucking and serum cortisol concentration ... 76 

5.4.6  Correlations ... 77 

5.5  Discussion ... 80 

5.6  References ... 84 

6  Übergreifende Diskussion ... 90 

6.1  Risikofaktoren für das Besaugen (Publikation 1) ... 90 

6.2  Stress als Auslöser für das Besaugen (Publikation 2) ... 94 

6.3  Schlussfolgerungen ... 98 

7  Zusammenfassung ... 99 

8  Summary ... 102 

9  Literaturverzeichnis ... 105 

10  Tabellenverzeichnis ... 118 

11  Abbildungsverzeichnis ... 120 

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1 EINLEITUNG

Die Aufzucht gesunder und frohwüchsiger Kälber gilt als zentrale Voraussetzung, damit diese sich zu leistungsfreudigen und metabolisch belastbaren Milchkühen ent- wickeln (KASKE et al., 2010). Bei der Optimierung der Haltungs- und Fütterungsbe- dingungen spielt die Minimierung von Stressoren eine zentrale Rolle. Stress- induzierte Störungen der Homöostase können zwar teilweise durch Verhaltensände- rungen und hormonelle Adaptationsmechanismen kompensiert werden; werden die- se aber überfordert, so resultiert chronischer Stress, Verhaltensstörungen und Stere- otypien (BLOKHUIS et al., 1998).

Bei Kälbern stellt das gegenseitige Besaugen eine häufige Verhaltensstörung und damit ein erhebliches ökonomisches und ethologisches Problem in der Aufzucht dar (KEIL und AUDIGÉ, 1999). Dabei besaugen betroffene Kälber Flotzmaul, Ohr, Nabel, Vorhaut, Hodensack, Schwanz und Euteranlage anderer Tiere (HAFEZ und LINEWEAVER, 1968; STÖBER, 2002). Es resultieren haarlose Körperstellen, Ent- zündungen der besaugten Körperteile (UNSHELM et al., 1982; WIEPKEMA et al., 1983), Trichobezoare sowie Wachstumseinbußen infolge Urinsaufen und verminder- ter Tränkeaufnahme (KILEY-WORTHINGTON, 1977). Zudem erhöht das gegenseiti- ge Besaugen die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene Tiere später als Jungkühe die Euter anderer Tiere besaugen (KEIL und LANGHANS, 2001) und dies Verhalten schließlich als adulte Milchkühe beibehalten (KEIL et al., 2001). Euterbesaugen kann zu Deformationen des Euters, Mastitiden, Milchverlust sowie zum Abgang betroffener Tiere führen (BURMEISTER et al., 1981).

Besaugen tritt gehäuft bei Kälbern der Rasse „Deutsches Fleckvieh“ auf, während Kälber der Rasse „Deutsche Holstein“ und anderer milchbetonter Rinderrassen of- fenbar seltener betroffen sind (KEIL und AUDIGÉ, 1999).

Besaugen wird multifaktoriell ausgelöst und kann sich auf zwei verschiedene Arten

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auch „milchabhängige“ Besaugen, das im Zusammenhang mit der Tränkeperiode in der Kälberaufzucht auftritt und während bzw. innerhalb von 15 Minuten nach der Tränkung beobachtet wird (WEBER und WECHSLER, 2001; ROTH et al., 2009). Be- saugen, das dagegen zeitlich unabhängig von der Tränkeaufnahme auftritt, wird als nicht-nutritives bzw. „milchunabhängiges“ Besaugen bezeichnet. Es wird vermutet, dass diese Verhaltensstörung eine Reaktion auf stressauslösende Haltungsbedin- gungen ist (KEIL et al., 2002; ROTH et al., 2009).

Während nutritives Besaugen mit Hilfe verschiedener Maßnahmen, z. B. durch An- passungen der Tränketechnik reduziert werden kann (KEIL und AUDIGÉ, 1999;

JUNG und LIDFORS, 2001; WEBER und WECHSLER, 2001), ist das nicht-nutritive Besaugen durch derartige Maßnahmen kaum beeinflussbar. Zudem wurden die Ur- sachen und Strategien zur Reduzierung dieser Art des Besaugens bisher nur in we- nigen Studien untersucht. Da ein genetischer Zusammenhang in Bezug auf die Aus- prägung von Besaugen eine Rolle zu spielen scheint (KEIL und AUDIGÉ, 1999;

FUERST-WALTL et al., 2010), stellt sich die Frage, inwieweit eine erblich bedingte erhöhte Sensibilität gegenüber Stressoren zum nicht-nutritiven Besaugen führen könnte. Allgemein herrscht jedoch Einvernehmen, dass nicht ein einzelner, sondern viele verschiedene, sich mitunter gegenseitig beeinflussende Faktoren diese Verhal- tensstörung verursachen.

Ziel der vorliegenden Studie war es, im Hinblick auf eine multifaktorielle Genese Ri- sikofaktoren für das nutritive und das nicht-nutritive Besaugen bei Fleckviehkälbern nachzuweisen. Es wurde die Hypothese geprüft, dass bestimmte Haltungs- und Füt- terungsformen sowie Stallhygiene, Tiergesundheit, etc. das Auftreten von Besaugen begünstigen. In einer experimentellen Studie wurde zudem geprüft, ob Kälber, die auf einen standardisierten Stressor eine ausgeprägte Stressreaktion zeigen, mit hö- herer Wahrscheinlichkeit während der Aufzucht nicht-nutritives Besaugen zeigen als Tiere mit einer moderaten Stressreaktion.

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2 LITERATURÜBERSICHT

2.1 Verhaltensstörungen bei Nutztieren

Als Verhaltensstörung gelten Verhaltensmuster, die von der Norm bzw. dem zu er- wartenden physiologischen Verhaltensrepertoire eines Individuums abweichen. Als Auslöser kommen verschiedene Faktoren in Frage; vor allem nicht tiergerechte bzw.

ungenügende Haltungsbedingungen, welche z. B. durch räumliche Einengung, Reizarmut und nicht artgemäße Gruppenzusammensetzung charakterisiert sein kön- nen (SAMBRAUS, 1991; WIEDENMAYER, 1991). Weiterhin können auch Langewei- le, Frustration und Stress, unerfüllte Bedürfnisse sowie Krankheit und Schmerz Ur- sachen für Verhaltensstörungen sein. Zeigt sich bei einem Individuum eine wieder- holte, gleichbleibende Sequenz von Verhaltensweisen, die kein offensichtliches Ziel haben bzw. keine Funktion erfüllen, so spricht man auch von Stereotypien. Diese werden vor allem durch Frustration, Funktionsstörungen des Gehirns aber auch durch wiederholte und mitunter gescheiterte Bewältigungsversuche bestimmter Um- weltfeinflüsse hervorgerufen (MASON, 2006). Beispiele für Verhaltensstörungen bei Nutztieren bilden z. B. das Ketten- bzw. Stangenbeißen oder Leerkauen bei Schwei- nen (RUSHEN, 1985; VIEUILLE-THOMAS et al., 1995) sowie das Zungenspiel (REDBO et al., 1996) und Milchsaugen bei Rindern und das gegenseitige Besaugen bei Kälbern (GRAUVOGL, 1989).

2.2 Stress in der Nutztierhaltung

Stress kann als eine biologische Reaktion definiert werden, die ausgelöst wird, wenn eine Bedrohung der Homöostase wahrgenommen wird. In der Nutztierhaltung korre- liert Stress mit Wachstum, Reproduktion, Fleischqualität, Wohlbefinden und Krank- heitsanfälligkeit (KIM et al., 2011). Beispielweise wird bei Mastschweinen das Wohl- befinden und die Fleischqualität infolge von Stresssituationen durch unzureichendes Platzangebot bei Transporten oder Aggressionen und Auseinandersetzungen bei

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Schweinen sondern auch bei Legehennen spielt die Gruppenzusammensetzung und besonders die Gruppengröße eine wichtige Rolle. So führt eine beengte Haltung in einer großen Gruppe von Tieren vermehrt zu Verhaltensstörungen wie dem Federpi- cken, was wiederum Infektionen und erhöhte Mortalität zur Folge hat (BLOKHUIS und METZ, 1992). Im Rahmen der Trächtigkeit wirkt sich Stress bei Nutztieren nega- tiv auf die spätere Leistung, Gesundheit, das Verhalten und die Stressanfälligkeit der Nachkommen aus (GRÄBNER et al., 2009).

Stressoren lassen sich in drei Kategorien einteilen. Dabei handelt es sich einerseits um psychischen Stress, welcher vor allem durch Prozeduren wie Transport, Hand- ling, Neugruppierung und Separation verursacht wird und andererseits um physi- schen Stress, der z. B. durch extreme Temperaturen oder Mangel an Nahrung aus- gelöst wird (KIM et al., 2011). Die dritte Kategorie stellt eine Kombination aus psychi- schen und physischen Stressoren dar und beinhaltet unter anderem Lärm, Schmerz, Anbindung aber auch das Absetzen von der Milchfütterung (KELLEY, 1980).

Reaktionen auf Stressoren manifestieren sich durch eine Aktivierung des Sympathi- kus einhergehend mit einer Tachycardie, einer veränderten hormonellen Konstellati- on (gesteigerte Ausschüttung von Catecholaminen und Glukocorticoiden) sowie An- passungen des Verhaltens bis hin zur eventuellen Ausprägung von Stereotypien. Die Kapazität zur Stressbewältigung variiert zwischen einzelnen Individuen stark und wird unter anderem durch Faktoren wie Genotyp, Aufzucht und Entwicklung sowie frühe Erfahrungen des jeweiligen Tieres beeinflusst (DANTZER und MORMÉDE, 1983; KOOLHAAS et al., 1999; VAN REENEN et al., 2005).

2.3 Methoden zur Erfassung von Stress

Ein wichtiger Aspekt zur Beurteilung und Optimierung der Nutztierhaltung ist die Feststellung und Evaluierung von stressverursachenden Faktoren und im Zuge des- sen stressbedingten Verhaltens bei Tieren. Dafür bieten sich verschiedene Möglich- keiten, allen voran die Beobachtung des Verhaltens über einen bestimmten Zeit-

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raum. Dies kann durch eine Person, aber auch mit Hilfe von Videoaufzeichnungen bei einzelnen Tieren oder größeren Tiergruppen erfolgen (BLOKHUIS et al., 1998;

WECHSLER, 1993). Neben der klassischen Verhaltensbeobachtung eignen sich au- ßerdem verschiedene physiologische Parameter wie die Bestimmung der Konzentra- tion von Stresshormonen im Blut oder Speichel (Glukocorticoide und Catecholami- ne), Messungen der Herzfrequenz sowie Messungen der Herzfrequenz-Variabilität zur Beurteilung von Stress (MOHR et al., 2002). Zur Quantifizierung des Reaktions- potentials auf kurzfristige Stresseinwirkung und zur Bestimmung des Stresslevels bei Tieren stellt die Messung der Herzfrequenz einen etablierten Parameter dar (POLLARD und LITTLEJOHN, 1995; BOISSY und LE NEINDRE, 1997; VISSER et al., 2002). Als nützliches Hilfsmittel zur Herzfrequenzmessung bei Rindern kann ein Herzfrequenzmonitor verwendet werden (HOPSTER und BLOKHUIS, 1994). Dieser zeichnet mit Hilfe eines am Tier befestigten Gurtes mit Elektroden, kontinuierlich die Herzfrequenz auf und speichert sie in einem speziellen Empfangsgerät. Bei Rindern und insbesondere Kälbern wirken Handling und Fixation, welche gelegentlich auch mit Schmerz einhergehen können (z. B. zootechnische Eingriffe wie Enthornung) sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Isolation stressprovozierend und können daher als Stressoren für Stress-, Verhaltens- und Temperamentsstudien ge- nutzt werden (FRIEND et al., 1985; DELLMEIER et al., 1985; DE PASSILLÉ et al., 1995; SISTO und FRIEND, 2001; STEINHARDT und THIELSCHER, 2001; GAULY et al., 2001; GAULY et al., 2002; HICKEY et al., 2003).

Die Bestimmung von neuroendokrinen Stressparametern, wie die Glukocorticoid- konzentration sowie die Konzentration von Catecholaminen im Blut kann bei Hüh- nern, Schweinen und Rindern als Methode zur Stressquantifizierung genutzt werden (HOPSTER et al., 1999) und eignet sich somit zusammen mit der Herzfrequenz als Parameter zur Bestimmung des Stresslevels bzw. als Stressindikator sowie zur Beur- teilung des Temperaments bei Nutztieren (COOPER et al., 1995; GRANDIN, 1997;

GAULY et al., 2002; VAN REENEN et al., 2005).

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2.4 Besaugen als Verhaltensstörung von Kälbern

Beim gegenseitigen Besaugen zeigen Kälber das eigentlich der Ernährung dienende angeborene Saugverhalten in abgewandelter Form an Körperteilen anderer Kälber.

Neben Ohren, Flotzmaul, Hoden, Nabel und Penis werden vor allem die Euteranla- gen anderer Tiere der Gruppe besaugt (KEIL und LANGHANS, 2001; ROTH et al., 2005). Dabei nimmt das jeweilige aktive, besaugende Kalb am passiven, duldenden Kalb eine identische Position zu der eines Kalbes, welches am Euter der Mutter saugt, ein. Dies Verhalten wird üblicherweise bei Kälbern beobachtet, die mit Eimer- oder Automatentränke aufgezogen werden; gegenseitiges Besaugen wird bei Käl- bern in Mutterkuhhaltung nicht oder allenfalls sehr selten beobachtet (SAMBRAUS, 1991; SATO und KURODA, 1993). Kälber in natürlicher Aufzucht saugen in den ers- ten Lebenswochen 6 bis 12 mal und insgesamt bis zu eine Stunde täglich am Mutter- tier (SAMBRAUS, 1978). Bei der Kälberaufzucht mit Eimertränke trinken die Kälber täglich lediglich zwei bis dreimal für jeweils nur wenige Minuten Milch; dies führte zu der Hypothese, dass das Saugbedürfnis eines Kalbes bei Eimertränke nicht vollstän- dig befriedigt wird.

Es werden zwei Arten von gegenseitigem Besaugen, denen unterschiedliche Motiva- tionen zugrunde liegen, beschrieben. Nutritives bzw. „milchabhängiges“ Besaugen wird innerhalb der ersten 15 Minuten nach der Tränke beobachtet (WEBER und WECHSLER, 2001; ROTH et al., 2009), und wird aufgrund eines unbefriedigten Saugbedürfnisses hervorgerufen. Bereits kleinste Milchmengen können ein starkes Saugbedürfnis auslösen (RUSHEN und DE PASSILLÉ, 1995) wobei die Saugmotiva- tion durch die Milchaufnahme selbst und insbesondere den Milchgeschmack noch zusätzlich gesteigert wird (DE PASSILLÉ und RUSHEN, 1997). Da die Saugmotiva- tion erst 10-15 min nach Beginn der Milchaufnahme sinkt (DE PASSILLÉ et al., 1992) und das Saugbedürfnis durch die üblichen Tränkeverfahren nicht annähernd befriedigt wird, kompensieren die Tiere dieses Saugdefizit durch das Besaugen an- derer Kälber (SCHEURMANN, 1974; BROOM et al., 1991).

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Nicht-nutritives bzw. „milchunabhängiges“ Besaugen dagegen tritt sporadisch über den Tag verteilt und ohne jedweden Bezug zur Milchaufnahme auf und steht in Ver- dacht der Bewältigung von Stress, hervorgerufen z. B. durch ungünstige Haltungs- bedingungen zu dienen. Aktuelle Studien zeigen, dass mitunter mehr als zwei Drittel aller Besaugakte in Kälbergruppen nicht-nutritiver Natur sind (ROTH et al., 2009), was die Bedeutung dieses Problems unterstreicht. Als ein auslösender Faktor wird Hunger bzw. Stress und Frustration durch Mangelernährung diskutiert, denn Kälber mit einer positiven Energiebilanz zeigen deutlich seltener gegenseitiges Besaugen als Kälber mit negativer Energiebilanz (KEIL et al., 2000; KEIL und LANGHANS, 2001; ROTH et al., 2008; ROTH et al., 2009). Weiterhin kommen als Auslöser auch Langeweile infolge eines Mangels an Umweltreizen und Stress durch Platzmangel bzw. unzureichende Möglichkeiten für Erkundungsverhalten in Frage (KEIL et al.

2002). Auch ein eventueller angeborener Auslösemechanismus (AAM) scheint eine Rolle zu spielen, denn Geräusche eines saugenden Kalbes regen andere Tiere der Gruppe zur Nachahmung an (KITTNER und KURZ, 1967). Außerdem können dul- dende Kälber durch das Besaugtwerden ebenfalls zum Saugen animiert werden (ROTH et al., 2009; DE PASSILLÉ et al., 2011).

2.5 Physiologische Konsequenzen des Besaugens

Stressauslösende Umweltfaktoren bzw. Haltungsbedingungen scheinen das gegen- seitige Besaugen und insbesondere die nicht-nutritive Form zu begünstigen. Interes- sant ist in diesem Zusammenhang, dass dem nicht-nutritiven Saugen bei Kindern, Hundewelpen und Ratten ein beruhigender Effekt zugeschrieben wird (LEVY, 1934;

KESSEN et al., 1967; FIELD und GOLDSON, 1984). Inwieweit dies auch auf Kälber zutrifft, ist bisher nicht geklärt. Bei Kälbern, die Milch am Euter des Muttertieres auf- nehmen, treten jedoch wesentlich höhere Plasmakonzentrationen von Oxytocin wäh- rend der Milchaufnahme auf als bei Kälbern, die Milch aus dem Eimer saufen (LUPOLI et al., 2001). Es wird angenommen, dass Oxytocin stressmindernde Wir- kungen hat, da es Blutdruck- und Cortisolspiegelsenkende Eigenschaften besitzt

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saugend aufnehmen deutlich entspannter und legen sich nach der Tränke schneller ab als Kälber, die Milch aus offenen Eimern trinken (VEISSIER et al., 2002). Wie be- reits erwähnt, spielt Hunger bzw. eine negative Energiebilanz eine Rolle als Auslöser von gegenseitigem Besaugen. Hunger steigert nachweislich die Saugmotivation (DE PASSILLÉ und RUSHEN, 1997) und wirkt in chronischer Form als Stressor.

Saugen, auch ohne Aufnahme von Milch, stimuliert beim Kalb die Sekretion von In- sulin, Gastrin und Cholecystokinin (CCK), und induziert infolge eines starken An- stiegs im Portalvenenblut zeitnahe Sättigungseffekte (DE PASSILLÈ et al., 1993;

LUPOLI et al., 2001).

In aktuellen Studien wird das gegenseitige Besaugen als eine Gewohnheit bzw. ein Charakteristikum individueller Kälber diskutiert (DE PASSILLÉ et al., 2011). Da es Tiere gibt, die nie gegenseitiges Besaugen zeigen und solche die es ihr Leben lang tun, stellt sich die Frage, inwieweit bei Letzteren eine genetisch bedingte vermehrte Stressempfindlichkeit besteht. Dies erscheint nicht unwahrscheinlich, da der Umgang mit Stresssituationen und die damit einhergehende Prädisposition zur Entwicklung von stressbedingten Krankheiten und Stereotypien, zu einem Teil genetisch bedingt ist (VAN REENEN et al., 2005).

2.6 Ansätze zur Reduzierung des gegenseitigen Besaugens Im Hinblick auf die Reduzierung des gegenseitigen Besaugens wurden bereits diver- se Bekämpfungsmaßnahmen geprüft. Diese stellen allerdings meistens Anpassun- gen der Tränketechnik und des Tränkeregimes dar und wirken sich deshalb überwie- gend auf das nutritiv bedingte Besaugen aus.

Ziel dieser Maßnahmen soll im Allgemeinen die Befriedigung des Saugbedürfnisses im Rahmen der Kälberaufzucht sein. Dies kann zum einen durch eine Erhöhung des Saugwiderstandes bzw. Verringerung der Milchflussrate, und damit Erhöhung der Dauer des Saugaktes, z. B. durch Einsatz von Nuckeln mit geringerem Lochdurch- messer, ermöglicht werden (GRAF et al., 1989; HALEY et al., 1998; JUNG und

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LIDFORS, 2001). Weiterhin kann dem Besaugen durch Fixierung der Kälber nach der Tränke für eine Dauer von mindestens 10 bis 30 Minuten, also bis zum Abklingen der Saugmotivation, entgegen gewirkt werden (MEES und METZ, 1983). Während der Fixation ist es möglich, zusätzlich frisches Heu und Kraftfutter zur Verfügung zu stellen und/oder die Nuckeleimer leer oder mit Wasser gefüllt als Blindsauger zu be- lassen (KITTNER und KURZ, 1967; ANDREAE et al., 1979; DE PASSILLÉ und RUSHEN, 1997; HALEY et al., 1998). Bei der Tränke mittels eines Tränkeautomaten hat sich ein verschließbarer Tränkestand als wirksam erwiesen. Da das trinkende Kalb für die Dauer der Tränkeaufnahme ungestört ist, kann es am Nuckel bis zum Abklingen der Saugmotivation saugen, wodurch der Drang zum nutritiven Besaugen abnimmt (WEBER und WECHSLER, 2001). Auch eine Erhöhung der täglichen Milchmenge führt infolge einer Verlängerung der Dauer des Saugaktes zur Reduzie- rung von nutritivem Besaugen (JENSEN, 2006; NIELSEN et al., 2008; DE PASSILLÉ et al., 2010).

Diese überwiegend Tränke-assoziierten Maßnahmen reichen in der Regel jedoch nicht aus, um auch das nicht-nutritive Besaugen effektiv zu reduzieren. Hierbei muss vor allem die multifaktorielle Genese dieser Verhaltensstörung berücksichtigt werden.

Daher beschränken sich Bekämpfungsstrategien meistens auf Empfehlungen zur Optimierung der Fütterungs- und Haltungsbedingungen von Kälbern in Gruppenhal- tung. So wird zur Verhinderung von Hungerzuständen besonders während der Ab- tränkphase eine graduelle Absetzmethode empfohlen („step down“): dabei werden die Kälber in Abhängigkeit von der Höhe der Kraftfutteraufnahme abgetränkt (ROTH et al., 2005). Da das Saug- und Fressverhalten in einem engen Zusammenhang ste- hen, sollte die Milchmenge pro Mahlzeit 3 Liter nicht überschreiten, sodass die Tiere frühzeitig beginnen festes Futter aufzunehmen (KEIL et al., 2000). Sind die Kälber bei Reduzierung der Milchmenge nicht an die Aufnahme von genügend festem Futter gewöhnt, können infolge einer negativen Energiebilanz Hunger, chronischer Stress, Frustration und Gewichtsverlust auftreten (KAHN et al., 2010; ROTH et al., 2009).

Eine Tränkeperiode von mindestens 12 Wochen soll dagegen diese Folgen vermei-

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den, da ein Großteil der Kälber dann in der Lage ist den gesamten Energiebedarf über festes Futter zu decken (DE PASSILLÉ et al., 2010).

Neben einer optimierten Fütterung spielen auch die Haltungsbedingungen bei der Reduzierung des nicht-nutritiven Besaugens eine wichtige Rolle. So wird zum Bei- spiel empfohlen, den Kälbern ausreichend Platz, Beschäftigungsmöglichkeiten und Umweltreize zu bieten, um Stress und Langeweile in der Gruppe zu vermeiden (KEIL et al., 2002). Dafür eignet sich am besten eine Offenstallhaltung, die den Kälbern reichlich Platz und möglichst auch Weidegang bietet. Auch eine optimale Stallhygie- ne und eine angepasste Gruppengröße (maximal 10 Tiere) (SVENSSON und LIBERG, 2006) stellen infolge der Reduzierung des Keimdruckes, eventueller Rivali- täten und der Konkurrenz um die Tränke nicht zu vernachlässigende Faktoren dar (KEIL, 2007).

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3 MATERIAL UND METHODEN

3.1 Betriebe und Versuchstiere

Im Rahmen einer epidemiologischen Studie wurden von Mai 2010 bis Dezember 2011 63 Milchviehbetriebe in Deutschland besucht und vor Ort eine Befragung und Besichtigung durchgeführt. In die engere Auswahl kamen ausschließlich Betriebe mit Fleckvieh bzw. Betriebe mit Kreuzungstieren (Fleckvieh x Deutsche Holstein oder Fleckvieh x Red Holstein). Es wurden 30 Betriebe im süddeutschen Raum (Mittel- franken, Oberfranken, Oberpfalz), 23 Betriebe im norddeutschen Raum (Nordfries- land, Schleswig, Dithmarschen) und 10 Betriebe im mitteldeutschen Raum (Nieder- rhein, Bergisches Land, Ostwestfalen) ausgewählt.

Im Anschluss daran wurden im Zeitraum von August 2011 bis Juni 2012 Versuche an 79 klinisch gesunden Kälbern von 16 der 63 vorher besuchten Betriebe durchgeführt (39 Kälber in Norddeutschland, 40 Kälber in Süddeutschland). Die Tiere waren im Alter von zwei bis drei Wochen (Alter in Tagen: 12 [8; 16,5]; 35 männlich, 44 weib- lich). Der Gesundheitszustand der Tiere wurde vorab im Gespräch mit dem Landwirt, und außerdem im Rahmen einer klinischen Kurzuntersuchung ermittelt. Ausschlag- gebend bei der Beurteilung waren das Verhalten des Tieres (Reaktion auf die Um- welt, Ohrenspiel, keine auffällige Apathie) und das Fehlen offensichtlicher Krank- heitsanzeichen wie z. B. Husten, Nabelentzündung oder Durchfall. Die Kälber befan- den sich in Einzelhaltung, wurden zweimal täglich mittels Nuckeleimer oder offener Eimer getränkt und verließen den Betrieb nicht vor Vollendung des 50. Lebenstages.

Als weitere Voraussetzung galt die Teilnahme der Kälber an der Gruppenphase der Milchfütterung nach Versuchsdurchführung. Letztere sollte dabei nach Möglichkeit nicht über einen Tränkeautomaten erfolgen.

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3.1.1 Fragebogen und Tränkeplan

Mithilfe eines Fragebogens wurden im Gespräch mit dem Landwirt bzw. der für die Kälberbetreuung zuständigen Person, 138 Fragen bearbeitet. Diese waren auf 11 Kategorien aufgeteilt, wovon die ersten fünf Kategorien zunächst der Erfassung all- gemeiner Betriebsdaten, und -charakteristika sowie Managementfaktoren wie z. B.

Herdenjahresleistung, Tiergesundheit, Zukäufe, Trockenstehphase und Abkalbung dienten. Weitere zwei Abschnitte enthielten Fragen zur Tränketechnik wie Tränkeau- tomaten (falls vorhanden) und Nuckeleimer bzw. Eimer. Darüber hinaus wurde ge- meinsam mit dem Landwirt der derzeit gültige Tränkeplan des Betriebes skizziert. In Form einer Tränkekurve wurde die tägliche Milchmenge in Abhängigkeit zum Alter der Tiere bis zum Absetzen dargestellt. Zusätzlich wurde die Art der Tränke (Voll- milch oder Milchaustauscher), Beginn der Wasserverfügbarkeit sowie Art und Beginn bzw. Dauer der Zufütterung (Heu, Kälberkorn, Kälbermüsli, TMR, etc.) hinzugefügt.

Im Anschluss an diesen allgemeinen Teil der Befragung, erfolgte eine detaillierte Da- tenerfassung hinsichtlich der Haltungs-, Fütterungs- und Hygienebedingungen ver- schiedener Altersklassen von Kälbern. Diese waren unterteilt in die Abschnitte; Käl- ber der ersten und zweiten Lebenswoche, Kälber der dritten bis zehnten Lebenswo- che und Kälber ab der zehnten Lebenswoche. Die letzte Kategorie befasste sich ausschließlich mit Fragen zum gegenseitigen Besaugen. Beginnend mit der Beurtei- lung des Problemgrades durch den Landwirt selbst (geschätzter prozentualer Anteil von Kälbern, die milchabhängig bzw. milchunabhängig besaugen), wurden Daten zum Besaugen (wann, wie, welche Tiere, wie häufig, welche Art und Weise, etc.) für jede der drei Altersgruppen ermittelt. Des weiteren waren Fragen zu den besaugten Körperregionen, zu den Folgen des Besaugens bei betroffenen (passiven besaugten und aktiven besaugenden) Tieren, eventueller Ausbreitung des Besaugens innerhalb der Gruppe sowie zu den bekannten oder selbst praktizierten Bekämpfungsmaß- nahmen der Landwirte enthalten.

(21)

3.1.2 Betriebsbesichtigung

Im Anschluss an den theoretischen Teil erfolgte gemeinsam mit dem Landwirt eine Besichtigung des gesamten Betriebes. Ziel derer war es einen persönlichen Eindruck von den Haltungsbedingungen, vor allem der Belegungsdichte, den Umweltfaktoren wie Helligkeit, Luftqualität, Zugluftvorkommen etc. sowie vom Zustand des Futters, der Wassertränke und der allgemeinen Hygiene der Stallungen und Tränkesysteme zu bekommen. Außerdem konnte gleichzeitig der Zustand der Tiere (Sauberkeit, eventuelle Erkrankungen, etc.) beurteilt und deren Verhalten beobachtet werden.

3.1.3 Blutproben

In insgesamt 25 der befragten nord- und mitteldeutschen Betriebe wurden Blutpro- ben bei Kälbern entnommen. Pro Betrieb wurden jeweils 5 Kälber in Einzelhaltung zufällig ausgewählt. Nach Punktion der V. jugularis (Neoject® 18 G, 1,2 mm x 40 mm) wurden je ein Serum- (10 ml, Firma Sarstedt) und ein Kalium-EDTA-Röhrchen (5 ml, Firma Sarstedt) befüllt. Im Labor der Klinik für Rinder der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover wurde das Blut zentrifugiert (3,000 x g für 15 min) und an- schließend auf folgende Parameter untersucht: rotes Blutbild (Leukozyten, Erythrozy- ten, Hämatokrit, Hämoglobin, MCV, MCH, MCHC, Plättchen) mittels Hematology Analyzer (Modell MEK-6108G VET, Nihon Kohden Europe GmbH) sowie Gesamt- Eiweiß kolorimetrisch, Harnstoff enzymatisch und Albumin photometrisch mittels Cobas Mira®, (Hoffmann-La Roche & Co. AG Diagnostika, Basel). Weiterhin wurden auf jedem der 25 Betriebe fünf ältere Kälber in Gruppenhaltung beprobt. Zusätzlich zum roten Blutbild wurden die Konzentrationen von Selen, und Kupfer mittels Emis- sionsspektroskop (ICP-OES), sowie die Gehalte der Vitamine A und E fluoreszenz- photometrisch mittels HPLC im Serum gemessen.

(22)

3.2 Experimentelles Design

3.2.1 Herzfrequenzmessungen

Im Rahmen des experimentellen zweiten Teils wurde bei jedem der 79 Versuchskäl- ber über eine Dauer von 36 Minuten ohne Unterbrechung die Herzfrequenz (Schläge pro Minute) aufgezeichnet. Die Erfassung erfolgte mittels einer speziellen Messappa- ratur, die normalerweise für das Training von Sportpferden verwendet wird. Mit Hilfe von zwei flachen Hautelektroden, einer Positiven im Bereich des linken Widerristes und einer Negativen am linken Herzbereich, welche an einem elastischen Bauchgurt befestigt waren, wurden die vom Herz ausgehenden Impulse im, ebenfalls am Gurt befestigten Sender verarbeitet (POLAR® electro GmbH, Horse trainer sender) und über Funk an einen Empfänger, ähnlich einer Pulsuhr, gesendet (POLAR® electro GmbH, Vantage NV Empfänger). Um den Haut- und vor allem den Fellwiderstand zu minimieren, musste dabei ein intensiver Feuchtigkeitsfilm zwischen Elektroden und Fell gewährleistet sein. Am Empfänger wurde die Messfrequenz auf fünf Sekunden eingestellt, sodass pro Minute zwölf Werte für die Herzfrequenz aufgezeichnet wur- den. Die Speicherung der Herzfrequenz-Daten erfolgte im Empfänger als Datei mit Messdatum, Uhrzeit bei Messbeginn und Dauer der Aufzeichnung in Minuten. An- schließend wurden die Herzfrequenz-Daten mit Hilfe einer Docking-Station (POLAR®

electro GmbH, Polar advantage Interface) und der Polar-Software (POLAR® electro GmbH, Precision Performance Version 2.0) vom Empfänger ausgelesen und in Form von Trainingseinheiten auf dem Computer gespeichert. Die anschließende Bearbei- tung und Auswertung der Messungen erfolgte mit Excel (MS Office 2007) und SAS (Statistik-Softwarepaket SAS/Enterprise Guide 9.2 der Firma SAS Institute, Cary (USA)).

Vor der Benutzung erfolgte die Wartung der Sender, Elektroden und der Empfänger durch den POLAR®-Service und die Überprüfung der EKG-Genauigkeit. Anschlie- ßend wurde die Funktionalität an vier Kälbern der Klinik für Rinder der Stiftung Tier- ärztliche Hochschule Hannover getestet. Dies erfolgte durch Anlegen des Gurtes, Aktivierung der Messung und zwischenzeitliches Auszählen der Herzfrequenz mittels

(23)

Phonendoskop. Währenddessen konnte die Messgenauigkeit des POLAR-Systems und dessen Reaktion auf Herzfrequenzveränderungen am Empfängerdisplay kontrol- liert werden. Um Frequenzveränderungen zu provozieren, wurden die Kälber z. B.

durch plötzliche laute Geräusche, Fixieren und Treiben durch das Iglu gestresst. Bei allen vier Tieren erfolgte eine unmittelbare Herzfrequenzveränderung mit einer zeitli- chen Verzögerung von maximal 5 sec. Die phonendoskopisch ermittelten Herzfre- quenzen stimmten, mit einer gegebenenfalls maximalen Abweichung von 10 Schlä- gen pro Minute, mit denen des Polar-Systems überein.

3.2.2 Versuchsablauf

Bei Ankunft am Betrieb wurden zunächst die teilnehmenden Kälber anhand oben genannter Kriterien ausgewählt und deren Daten erfasst. Neben der Ohrmarke, dem Geschlecht und dem Geburtsdatum/Alter, wurde auch die Rasse oder die jeweilige Kreuzung vermerkt. Jedes Kalb wurde anhand seiner Körperkondition beurteilt und gescort (1 = unterentwickelt und schlechter Ernährungszustand, 2 = normaler Ent- wicklungsstand, mäßiger Ernährungszustand, 3 = gut entwickelt, guter Ernährungs- zustand). Anschließend wurde ein geeigneter Ort für die Anbindung ausgewählt, wel- cher möglichst reizarm in ca. 5-10 m Entfernung lokalisiert, und dessen Umweltfakto- ren (Klima, Helligkeit, etc.) nicht zu stark vom Einzeliglu- oder Einzelbuchtenstandort abweichen sollten. Zum Beispiel, für draußen gehaltene Tiere wurde ein Außenklima- geprägter Ort für die Anbindung gewählt. Die Kälber wurden dem Versuch nachei- nander unterzogen. Der detaillierte Versuchsablauf ist in der nachfolgenden Tabelle 1 abgebildet.

(24)

Tabelle 1: Ablauf des Fixationstests

Ver- suchs phase

Ge- samt- Zeit [min]

Versuchs- zeit + Messab- schnitte (detail)

Aktion Erfasste Parameter Voraussetzungen

1 0-10 Ankunft auf dem Betrieb, Auswahl der Tiere und Ermittlung der Daten Auswählen des „Anbindeortes“

Ohrmarke, Geschlecht, Alter, Rasse/Kreuzung, Beurteilung des BCS und des Gesundheits- zustandes

2 11-12 Anlegen des Bauchgurtes und

Befeuchten des Fells; Aktivieren des Empfängers des Polar®- Messgerätes

Empfänger bekommt

schnellstmöglich Signal, Fell ist gut genug angefeuchtet 3 13-15 Min. 1-5 Beginn der Herzfrequenzmessung

– zunächst zwei-minütige Adapta- tionsphase

4 16- 25 Min. 6-12

„basal 1“

10 min Messung der HF am unbe- einflussten Tier

HF keine Einwirkung von

Stressoren, alle Per- sonen stehen außer- halb des Blickfelds des Kalbes

5 26- 27 Min. 13-14

„Blut 1“

Blutentnahme aus der V. jugularis externa mittels Kanüle (Neoject 18 G, 1,2 mm x 40 mm, Firma Dis- pomed Witt OHG, Gelnhausen) in ein Serumröhrchen (10 ml, Firma Sarstedt, Nümbrecht) bei minima- ler Stresseinwirkung

Basalwert Cortisol im Serum

Blutentnahme so schnell und schonend wie möglich (Vermei- dung von Stressoren aller Art)

6 28- 37 Min. 15-19 weitere 10 min Messung der HF (ohne Einwirkung von Stressoren)

Veränderung der HF nach Blutentnahme; Beruhi- gungszeit

keine Einwirkung von Stressoren, Entfernen vom Tier (Kalb bleibt im Iglu)

Min. 20-24

„basal 2“

7A 38- 42 Min. 25-29

„Fixation 1“

Aktivierung eines 10- Minuten- Timers, Anlegen eines Halfters und Führen des Tieres ca. 5- 10 m vom Iglu entfernt in reizarme, jedoch nicht zu sehr vom Iglu- standort abweichende Umgebung, Anbinden des Tieres (Stricklänge 40 cm)

Scoren des Verhaltens und der Renitenz des Kalbes beim Halftern und Führen

Anbindung in neutraler Umgebung; die Sepa- rierung, das Heraus- führen am Führstrick und die Anbindung fungieren als Stresso- ren

7B 43- 47 Min. 30-34

„Fixation 2“

Fixation über die verbleibenden Minuten bis zum Ertönen des Timersignals (ohne Einwirkung anderer Stressoren)

HF

Scoren des Verhaltens und der Renitenz des Kalbes

Umgebung muss reizarm und nicht zu stark unterschiedlich vom Ausgangsstand- ort sein, Vermeidung zusätzlicher beeinflus- sender Faktoren (Geräusche, Perso- nen, etc.)

7C 48- 49 Min. 35-36

„Blut 2“

Blutentnahme aus V. jugularis externa

Cortisol im Serum nach Belastung

schnelle, schonende Blutentnahme

8 50-51 Beenden der Herzfrequenz- Mes-

sung, Entfernung des Bauchgur- tes; Kennzeichnung mittels Vieh- zeichenstift an Rücken und Stirn, Zurückführen ins Iglu und Entfer- nen des Halfters

Kennzeichnung für an- schließende Beobachtung durch den Landwirt

9 52-56 Gespräch mit Landwirt und Erklä-

rung des Beobachtungsbogens Landwirt wird am Versuch teil- nehmende Kälber für vier Wochen beobachten und auffälliges Verhal- ten dokumentieren

Ermittlung der Versuchs- kälber, die Besaugen nutritiver oder nicht- nutritiver Art zeigen

Zuverlässigkeit und kompetente Beobach- tung durch den Land- wirt für den vorgege- benen Zeitraum von vier Wochen

(25)

3.2.3 Vorversuche

3.2.3.1 Vorversuch 1

Um die Funktion und die Praktikabilität des Polar®- Messsystems zu testen und den Versuchsablauf zu erproben, wurden an verschiedenen Kälbern unterschiedlichen Alters und Rassen in der Klinik für Rinder der Stiftung Tierärztliche Hochschule Han- nover Vorversuche nach obigem Schema durchgeführt. Bei den Kälbern handelte es sich zumeist um klinikeigene Tiere, die in der Klinik geboren waren und in den dorti- gen Iglus aufgestallt und aufgezogen wurden. Mithilfe dieser Vorversuche wurde die benötigte Adaptationszeit der Kälber im Hinblick auf die Gewöhnung an den Bauch- gurt ermittelt und Messzeiten der einzelnen Versuchsabschnitte angepasst. Weiter- hin wurden die Durchführung der Blutentnahme und des Fixationstests ausprobiert und optimiert. Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Polar-System auftra- ten (z. B. Signalverluste durch zu große Entfernungen zwischen Sender und Emp- fänger, Verrutschen des Bauchgurtes beim Handling), wurden erkannt und Lösungen für deren Beseitigung erprobt. Zusätzlich wurden im Rahmen dieser Versuche Scorepunkte für die Verhaltensbeobachtung und -beurteilung (Tabelle 3) der einzel- nen Versuchsabschnitte ermittelt.

3.2.3.2 Vorversuch 2

In einer weiteren Versuchsreihe wurde überprüft, inwieweit die Basalherzfrequenzen und Reaktionen auf die Blutentnahme und die Fixation zu verschiedenen Messzeiten individuell variieren. Dafür wurden drei ausgewählte Tiere an drei Tagen, im Abstand von jeweils 72 Stunden, dem oben beschriebenen Versuch unterzogen. Die Versu- che wurden an Holstein-Friesian-Kälbern des Lehr- und Forschungsgutes Ruthe, immer im Zeitraum von 13.00 bis 16.00 Uhr durchgeführt und die Kälber jedes Mal in der gleichen Reihenfolge getestet. Die Tiere waren unterschiedlichen Alters und Ge- schlechts, befanden sich in Einzeliglus und wurden zweimal täglich mittels Nuckelei- mern getränkt. Für die Versuche wurden Tiere mit besonders gegensätzlichen Ru-

(26)

letzten Versuch am dritten Tag wurden die Daten von den Herzfrequenzcomputern ausgelesen und statistisch ausgewertet (siehe Tabelle 2). Dabei stellte sich heraus, dass zwei der drei Kälber (Tier 2 und Tier 3) bei allen drei Messungen hinsichtlich der Basalherzfrequenz und der Reaktionen auf Blutentnahme und Fixationstest, so- wie der Serum-Cortisolkonzentration kaum nennenswerte Abweichungen und Varia- tionen der Werte zeigten. Eins der drei Kälber (Tier 1) zeigte dagegen beim dritten Versuchstag eine, deutlich von den vorherigen Versuchstagen abweichende, niedri- gere Basalherzfrequenz und analog dazu niedrigere Werte bei der Blutentnahme und dem Fixationstest. Eine Erklärung dafür könnte eine im Vergleich zu den anderen beiden Kälbern schnellere Gewöhnung des Kalbes an die Prozedur sein.

(27)

Tabelle 2: Herzfrequenzdaten aus den Vorversuchen zur Reproduzierbarkeit Tier-

daten

Datum basal 1 Blut 1 basal 2 Fix 1 Fix 2 Blut 2 Corti- sol 1

Corti- sol 2 Tier 1

DE 03555 28809 weibl.

geb.

04.03.

2012

06.03.12 127 +6

140 +5

144 +18

141 +13

131 +7

118

+2 34 52

09.03.12 122 +5

130 +9

113 +5

141 +10

117 +10

115

+2 27 53

12.03.12 72,6 +1,7

86 +2

73 +4

88 +19

107 +20

105

+3 12 35

MW + SD VK

107 + 25 22,8

118 + 24 19,9

110 + 29 26,7

123 + 25 20,2

119 + 10 8,5

113 + 6 5,1

24+9 37,8

47+8 17,7

Tier 2 DE 03555 28873 männl.

geb.

01.03.

2012

06.03.12 107 +7

172 +16

118 +4

135 +20

122 +4

123

+5 18 10

09.03.12 99 +13

129 +6

84 +3

110 +14

101 +6

97

+2 29 21

12.03.12 96 +14

113 +14

93 +7

131 +36

133 +16

97

+0,2 19 14

MW + SD VK

101 + 5 4,5

138 + 25 18,0

98 + 15 14,9

125 + 11 8,9

118 + 13 11,3

105 + 12 11,7

22+5 21,3

15+5 32,7

Tier 3 DE 03555 28874 männl.

geb.

22.02.

2012

06.03.12 68 +8

134 +7

84 +5

99 +10

96 +7

107

+2 10 12

09.03.12 79 +10

95 +21

72 +9

84 +16

66 +2

85

+5 13 17

12.03.12 79 +9

117 +11

65 +3

79 +13

75 +11

81

+11 8 13

MW + SD VK

76 + 5 6,8

116 + 16 13,8

74 + 8 10,5

87 + 8 9,4

79 + 13 16,3

91 + 12 12,9

10+2 21,3

14+2 16,4

Messabschnitte mit Mittelwerten der Mittelwerte aus jeweils 12 fünf- Sekunden Messwerten und Standardabweichungen sowie Serum-Cortisolwert der ersten (Cortisol 1) und zweiten (Cortisol 2) Blutentnahme + pro Tier und Messabschnitt ermittelte Mittelwerte (MW) und Standardabwei- chungen (SD) sowie Variationskoeffizienten (VK)

basal 1 (Min 6-12) Fix 1 (Min 25-29) Blut 1 (Min 13 und 14) Fix 2 (Min 30-34) basal 2 (Min 20-24) Blut 2 (Min 35 und 36)

(28)

3.2.4 Datenerfassung

3.2.4.1 Kälber

Für jedes Kalb wurden die Ohrmarkennummer, das Geschlecht, das Geburtsdatum, die Rasse bzw. die Art der Kreuzung und die Körperkondition erfasst. Je nach Be- trieb bestand außerdem die Möglichkeit Daten bezüglich der Ohrmarken-Nummer der Mutter und des Namen des Vaters/Deckbullen zu vermerken. Zusätzlich wurden der Name des Betriebes, das Datum der Messung und die Uhrzeit für den Messbe- ginn notiert. Über den gesamten Versuchszeitraum von 36 Minuten wurde die Herz- frequenz des Tieres regelmäßig alle 5 Sekunden in Herzschlägen pro Minute ge- messen und aufgezeichnet. Gleichzeitig wurden alle Messzeitpunkte der einzelnen Versuchsabschnitte jeweils mit Beginn und Ende notiert, sodass die Herzfrequenzen ausgewählten Zeitpunkten des Versuches genau zugeordnet werden konnten. Das heißt jeweils der Beginn und das Ende der ersten Ruhephase, der ersten Blutent- nahme, der zweiten Ruhephase, des zehnminütigen Fixationstests und der zweiten Blutentnahme wurden vermerkt.

Des weiteren erfolgte über die gesamte Versuchszeit und insbesondere während des Führens zum Anbindeort und der Anbindung eine ständige Beobachtung des Verhal- tens und der Renitenz des Kalbes. Mit Hilfe eines Score-Punktesystems (Tabelle 3) wurde das Verhalten bewertet und aus den einzelnen Scores für die Ruhephase, die Phasen des Halfterns und Führens sowie der Anbindung ein Gesamt-Score ermittelt.

(29)

Tabelle 3: Scorepunkte für die Verhaltensbeurteilung

Score 1 2 3 4 5

Verhalten ohne Stressor (in den 10- minü- tigen Ru- he-

phasen (V 1)

Ruhig, ent- spannt, legt sich auch hin, kaum Notiz vom Bauch- gurt, evtl.

fressen

Überwiegend ruhig, zwischen- zeitlich vermehr- tes Herumlaufen im Iglu, kaum Notiz vom Bauchgurt, Beknabbern von Iglu etc.

Ruhig im steti- gen Wechsel mit hin- und herlau- fen, gelegentlich mal treten zum Bauchgurt, vermehrte Auf- merksamkeit und Notiz vom Geschehen

Kaum ruhige Phasen, läuft viel bis hin zum gele- gentlichen Sprin- gen oder toben im Iglu, übermütig, treten zum Gurt oder häufiges Umdrehen

Ständig in Be- wegung, kommt nicht zur Ruhe, springt und tobt herum, blökt, treten zum Gurt, Abwehr (auch spielerische) bei Herantreten oder Betreten des Iglus

Verhalten beim Heraus- führen aus dem Iglu zum Fixations- ort

(V 2)

Läuft bereitwil- lig mit, nur sehr geringer Zug am Halfter nötig, unpro- blematisch und schnell

Zug am Halfter ist nötig, leistet geringen Wider- stand, geringe Abwehrbereit- schaft, trotzdem zügig, evtl. Ver- such wegzulau- fen

Leistet mäßig Widerstand, Abwehrbereit- schaft mäßig, muss entweder stark am Halfter gezogen oder rückwärts ge- schoben wer- den, springt und versucht wegzu- laufen

Leistet starken Widerstand mit hoher Abwehr- bereitschaft, star- ker Zug aufs Half- ter/Weigerung beim Rückwärts- schieben, Ver- bringen dauert lange, mehrere Versuche wegzu- laufen, springen, treten, blöken, hinschmeißen

Sehr starke Abwehr, absolut unkooperativ, Verbringen fast nicht möglich oder sehr lange dauernd, häufig und andauern- des Treten, springen, bis hin zum Angriff oder Ausbruch

Verhalten während der An- bindung (V 3)

Entspannt, ganze Zeit über ruhig stehend, kaum Bewegung, keine Reaktion (knabbern am Strick oder an Mauer, etc.) , kein Zug am Anbindestrick (Strick hängt ohne Span- nung)

Kalb etwas nervös/unruhig, Zug am Strick ab Beginn für maximal ein bis zwei Minuten, danach ruhig oder beknab- bern von Strick, Wand, etc., selten zwi- schendurch gespannter Strick

Kalb unruhig im Wechsel mit ruhigen Interval- len, Zug am Strick, bewegt sich viel und zeigt Abwehr bei gespanntem Strick über ge- samten Zeit- raum

Zug am Strick und gleichzeitig sprin- gen, treten, blö- ken, über den gesamten Zeit- raum in mehreren Intervallen, wenig still stehend

Wild und stark unruhig, Dauer- hafte Abwehr am Strick, Kalb

„hängt sich rein“

(passiv), oder springt und zieht ständig und nicht intervall- weise über den gesamten Zeit- raum

3.2.4.2 Blutproben

Im Laufe der 36-minütigen Messung der Herzfrequenz wurde jedem Kalb zweimal Blut entnommen. Die erste Entnahme erfolgte nach den ersten 12 Minuten der Ver- suchszeit und diente als Basalwert für Serum-Cortisol vom ruhigen und ungestress- ten Kalb. Die Entnahme erfolgte am fixierten Kalb durch Punktion der V. jugularis

(30)

rum- Röhrchen (10 ml, Firma Sarstedt, Nümbrecht). Die zweite Blutentnahme erfolg- te im direkten Anschluss an den zehnminütigen Fixationstest durch erneute Punktion der V. jugularis in ein Serum-Röhrchen. Diese zweite Probe wurde ebenfalls zur Be- stimmung von Serum-Cortisol genutzt und sollte die Veränderungen im Vergleich zur ersten Blutprobe nachweisen. Nach der Entnahme wurden die Blutproben gekühlt und in das Labor der Klinik für Rinder, der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hanno- ver transportiert. Dort wurden die Serum-Röhrchen bei 3.500 x g für 10 min zentrifu- giert, das Serum abpipettiert und bis zur Analyse bei -18° C eingefroren. Alle Serum- proben wurden schließlich gesammelt durch das endokrinologische Labor der Klinik für Rinder der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover mittels Chemilumines- zenz-Immunoassay (Immulite®, Siemens Diagnostics, Eschborn, Deutschland) ana- lysiert. Bei Messungen mit einem solchen kompetitiven Immunoassay konkurriert das Cortisol in der zu messenden Probe mit Cortisol, welches mit alkalischer Phosphata- se konjugiert ist, um Antikörperbindungsstellen (beschichtet mit polyklonalen Kanin- chen-Antikörpern gegen Cortisol) im Test-tube. Die dabei messbare Lichtemission ist zur Cortisolmenge der zu messenden Probe umgekehrt proportional. Anschließend erfolgte die Berechnung der Konzentration im Vergleich zu einer Standardkurve.

3.2.4.3 Beobachtender Landwirt und zweiter Betriebsbesuch

Die ausgewählten Kälber wurden im Anschluss an den Versuch für vier Wochen (30 Tage) im Hinblick auf das Auftreten von Besaugen vom Besitzer bzw. der kälberbe- treuenden Person des Betriebes intensiv beobachtet. Die Landwirte bekamen ein Formular (siehe Abbildung 1) ausgehändigt, in dem die Identifizierungsdaten der teil- nehmenden Tiere dokumentiert waren, sodass bei Beobachtung entsprechenden Verhaltens ein Vermerk gemacht werden konnte. Dabei sollte zwischen Besaugen, welches innerhalb von 15 Minuten nach der Tränke auftrat und Besaugen, welches sich unabhängig davon zeigte, unterschieden werden. Um insbesondere diese Un- terscheidung zu erleichtern, wurden Betriebe ohne Tränkeautomatenfütterung aus- gewählt. Weiterhin sollten ausschließlich Tier-Tier-Besaugungen an Körperteilen, wie z. B. Ohren, Flotzmaul, Schwanz, Nabel, Euterregion, Penis oder Hodensack, nicht jedoch Besaugen von Gegenständen notiert werden. Nach Ablauf der vierwöchigen

(31)

Beobachtungszeit wurden die ausgefüllten Beobachtungsbögen durch die Landwirte verschickt.

Ohrmarke Ge- schle cht

Geburts- datum

Besaugen innerhalb von 15 Min nach der Tränke

Besaugen ohne Bezug zur Milch- tränke

Besaugen innerhalb von 15 Min nach der Tränke

Besaugen ohne Bezug zur Milch- tränke

Besaugen innerhalb von 15 Min nach der Tränke

Besaugen ohne Bezug zur Milch- tränke

Besaugen innerhalb von 15 Min nach der Tränke

Besaugen ohne Bezug zur Milch- tränke --- ---- --- Woche 1 von – bis Woche 2 von – bis Woche 3 von - bis Woche 4 von - bis

DE XXXX M 1.11.11 X X X

DE XXXX W 5.11.11 X X X

Abbildung 1: Beobachtungsbogen (Auszug)

Zusätzlich wurden im Januar 2012 vier Betriebe (Betriebe Nr. 13-16 mit insgesamt 25 getesteten Kälbern) nochmals besucht, um die Validität der Einschätzungen durch den Landwirt zu prüfen. Die Tiere wurden dafür sechs Stunden kontinuierlich insbe- sondere vor, während und nach dem Tränken hinsichtlich ihres Verhaltens in der Gruppe beobachtet. Analog zum oben dargestellten Beobachtungsbogen wurde für jedes Kalb die Art des Besaugens (nutritiv, d. h. innerhalb von 20 min während/nach der Tränke) bzw. nicht-nutritiv (d. h. außerhalb der Tränkezeit) und die Intensität (Häufigkeit während der Beobachtungszeit („-“ kein Besaugen; „+“ bis zu 5 min im Beobachtungszeitraum; „++“ 6-10 min im Beobachtungszeitraum; „+++“ mehr als 10 min im Beobachtungszeitraum) des Besaugens notiert. Anschließend wurden die Beobachtungen mit denen der Landwirte verglichen und Übereinstimmungen bzw.

Abweichungen dokumentiert sowie die Validität der von den Landwirten übermittelten Informationen überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass bei 21 von 25 Kälbern, also in 84% der Fälle, die Beobachtungen denen der Landwirte entsprachen.

3.2.5 Datenbearbeitung

3.2.5.1 Bearbeitung der Herzfrequenzdaten

Nach Übertragung in Excel (MS-Office 2007) lagen die Daten in tabellarischer Form vor, wobei die Spalten die Herzfrequenzwerte in Schlägen pro Minute und die Zeilen

(32)

(Min 1-12), Blutentnahme 1 (Min 13-14), Ruhephase 2 (Min 15-24) und Anbindung (Min 25-36) gesondert ausgewertet, wobei die letztgenannte Periode noch in Anbin- dung 1 (Min 25-29), Anbindung 2 (Min 30-34) sowie Blutentnahme 2 (Min 35-36) un- terschieden wurde.

Für jede Minute der Versuchszeit wurde aus je 12 Messwerten ein Mittelwert berech- net. Anschließend wurde für jeden Messabschnitt der Mittelwert der Mittelwerte und die Standardabweichung ermittelt. Um die Verläufe der Herzfrequenzen in Abhängig- keit zur Messzeit während des Versuchs zu veranschaulichen, wurde mit Hilfe von Excel für jedes Kalb ein Liniendiagramm erstellt.

3.2.5.2 Quantitative Darstellung der Stressreaktion mithilfe der Herzfre- quenzdaten

Um die Reaktionen der Kälber auf die verschiedenen Stressoren wie Blutentnahme, Halftern, Führen und Anbinden quantitativ darzustellen, wurde sich einer Methode ähnlich der „Area under the curve (AUC)- Berechnung“ bedient. Um die Adaptations- zeit des Tieres nach dem Anlegen des Bauchgurtes zu berücksichtigen, wurden die ersten fünf Minuten der Messung bei der Berechnung des Basalwertes nicht berück- sichtigt, sodass der Mittelwert für „basal 1“ aus den Mittelwerten der Minuten 6-12 ermittelt wurde. Um Veränderungen der Herzfrequenz zu quantifizieren, wurden je- weils Differenzen aus dem Mittelwert von „basal 1“ und den Mittelwerten der Minuten 13 sowie14, also der ersten Blutentnahme („Blut 1“), sowie den Minuten 35 und 36, der zweiten Blutentnahme („Blut 2“), berechnet. Ebenso wurde mit jedem Mittelwert der Minuten 25 bis 36 des Anbindetests verfahren. Für jede der genannten Minuten war nun eine Differenz ermittelt, die die Abweichung zu „basal 1“ darstellte. Diese konnten auch negative Zahlenwerte annehmen, da die Herzfrequenzmittelwerte der einzelnen Minuten mitunter unter dem Mittelwert von „basal 1“ lagen. Die Differenzen wurden nun aufsummiert und als repräsentative und unter den einzelnen Kälbern vergleichbare Werte für die Stressreaktion verwendet. Sowohl für die Differenzen von Minute 13 und 14 als auch für Minute 35 und 36 wurden Summen gebildet, die die Reaktion auf die Blutentnahmen quantitativ beschrieben. Ähnlich wurde mit den Dif-

(33)

ferenzen der Minuten vom zweigeteilten Anbindetest verfahren. Hierfür wurden die Differenzen der Minuten 25-29 und die Differenzen der Minuten 30-34 jeweils auf- summiert. Weiterhin wurde die prozentuale Erhöhung der Herzfrequenz im Verlauf des Versuches berechnet. Dabei wurde ausgehend vom Mittelwert der basalen Herz- frequenz als Ausgangswert, für die Messabschnitte „Blut 1“ und „Fixation 1“ der An- stieg der Herzfrequenzmittelwerte in Prozent berechnet.

3.3 Statistik

3.3.1 Fragebogen

Zur statistischen Auswertung der Daten des Fragebogens wurden von den 63 be- fragten Betrieben 53 ausgewählt und in die Kategorien „kein Besaugen“ (kP), „Be- saugen gesamt“ (P) und letztere wiederum in die Kategorien „überwiegend nutritives Besaugen“ (nB) und „überwiegend nicht-nutritives Besaugen“ (nnB) eingeteilt. Die Einteilung erfolgte hierbei anhand der Aussagen der Landwirte hinsichtlich der pro- zentualen Anteile von milchabhängigem/nutritivem und milchunabhängi- gem/nicht-nutritivem Besaugen und der eigenen Eindrücke nach der Besichtigung der Betriebe. Die statistischen Berechnungen wurden mit der Statistiksoftware SAS (Statistik-Softwarepaket SAS/Enterprise Guide 9.2 der Firma SAS Institute, Cary (USA)) durchgeführt. Mittels des Chi-Quadrat-Tests (SAS Prozedur FREQ CHISQ EXACT) wurden die oben genannten Betriebskategorien (kP, P, nB und nnB) hin- sichtlich der im Fragebogen ermittelten Antworten und der persönlichen Eindrücke gegeneinander getestet. Wurde der Chi-Quadrat-Test aufgrund zu niedriger erwarte- ter Häufigkeiten von SAS als eventuell ungültig bewertet, wurde das Ergebnis des exakten Tests von Fisher für die Beurteilung der Signifikanz genutzt. Sowohl für den Chi-Quadrat- als auch den exakten Test von Fisher, galten Unterschiede bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von P ≤ 0,05, als signifikant.

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3.3.2 Blutproben

Die statistische Auswertung der Ergebnisse, der durch das Labor der Klinik für Rin- der untersuchten Blutproben, erfolgte ebenfalls mit Hilfe des Statistikprogramms SAS (Statistik-Softwarepaket SAS/Enterprise Guide 9.2 der Firma SAS Institute, Cary (USA)). Die Prüfung auf Normalverteilung der Werte wurde mittels der SAS- Proze- dur UNIVARIATE durchgeführt. Relevant waren die Ergebnisse des SHAPIRO- WILK- und des KOLMOGOROV-SMIRNOV-Tests. Normal verteilte Parameter wur- den als Mittelwert mit Standardabweichung (MW + sd) dargestellt, während die Dar- stellung nicht normal verteilter Parameter in Form von Median mit 25%- und 75%- Quartilen (Median [25/75]) erfolgte. Signifikanztests wurden nach folgendem Schema durchgeführt: Die analog zum Fragebogen nach Ausprägung und Art des Besaugens gruppierten Kälber der beprobten Betriebe wurden entsprechend ihrer Altersklasse (einzel/Gruppe) im Hinblick auf die oben genannten Blutparameter gegeneinander getestet. Dabei wurden Kälber von Betrieben ohne Besaugen (kP) Kälbern von Be- trieben mit überwiegend nutritivem (nB) bzw. nicht-nutritivem Besaugen (nnB) ge- genübergestellt. Die Signifikanztests erfolgten bei normal verteilten Werten mittels einfaktorieller Varianzanalyse (SAS- Prozedur GLM) und bei nicht normalverteilten Werten mittels Kruskal-Wallis-Test und Wilcoxon-Test (SAS-Prozedur NPAR1WAY WILCOXON). Unterschiede wurden als signifikant bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von P ≤ 0,05 gewertet.

3.3.3 Versuch

Zunächst wurden alle Versuchskälber anhand der Beobachtungsdaten der Landwirte in Gruppen eingeteilt. Kälber, bei denen während des Beobachtungszeitraumes kein Besaugen nachweisbar war, wurden in die Gruppe „kein Besaugen“ (37 Kälber – Gruppe 1), Kälber, die ausschließlich Besaugen im Zusammenhang mit der Milch- tränke zeigten, in die Gruppe „nutritives Besaugen“(17 Kälber – Gruppe 2) und Käl- ber, die darüber hinaus auch außerhalb der Tränkezeiten andere Kälber besaugten, wurden in die Gruppe „nutritives und nicht-nutritives Besaugen“ (25 Kälber – Gruppe 3) eingeteilt. Ergänzend wurden letztere zwei Gruppen noch zu einer Gesamtgruppe

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„Besaugen gesamt“ (42 Kälber – Gruppe 4) zusammengefasst. Alle statistischen Be- rechnungen und Auswertungen wurden mit der Statistiksoftware SAS (Statistik- Softwarepaket SAS/Enterprise Guide 9.2 der Firma SAS Institute, Cary, USA) durch- geführt. Die Darstellung normalverteilter Parameter erfolgte in Form von Mittelwert und Standardabweichung (MW+SD) und nicht-normalverteilter Parameter in Form von Median mit 25%- und 75%-Quartilen (Median [25/75]). Unterschiede wurden als signifikant bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von P ≤ 0,05 gewertet.

3.3.3.1 Besaugen in Relation zu tier- und betriebsassoziierten Einflussfak- toren

Zusammenhänge zwischen dem Auftreten und der Art des Besaugens und Faktoren wie Geschlecht, Alter, Rasse/Kreuzung, BCS, Gruppengröße, sowie Haltungsform der Einzel- und der Gruppenphase wurden statistisch mit dem Chi-Quadrat- Homogenitätstest inklusive Fisher´s exact test (SAS Prozedur FREQ CHISQ EXACT) geprüft.

3.3.3.2 Besaugen in Relation zur Herzfrequenz

Für jede der oben genannten Gruppen wurden die Herzfrequenzdaten zunächst auf Normalverteilung geprüft (SAS Prozedur UNIVARIATE). Gleichzeitig wurden Werte der deskriptiven Statistik wie Mittelwerte, Standardabweichungen, SEM, Mediane und die dazugehörigen 25%- und 75%-Quartile ermittelt. Die statistischen Auswer- tungen erfolgten bei normalverteilten Werten mittels T-Test (Gruppe 1 vs. Gruppe 4) (SAS- Prozedur TTEST) bzw. mittels 1-faktorieller Varianzanalyse mit multiplen Mit- telwertvergleichen (Gruppe 1 vs. Gruppe 2 vs. Gruppe 3) (SAS- Prozedur GLM). La- gen keine Normalverteilungen der Werte vor, wurde der Kruskal-Wallis- und Wil- coxon-Test (SAS-Prozedur NPAR1WAY) verwendet. In gleicher Weise wurde mit den Werten aus den oben beschriebenen AUC- Berechnungen und den Werten der prozentualen Erhöhung der Herzfrequenz von „Fixation 1“ und „Blut 1“ im Vergleich zu „basal 1“ verfahren.

Referenzen

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