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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 9, 3. März 2000
Dornröschenschlaf
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ie Fixerstuben sind legali- siert! Für diesen Schritt sprach sich der von der Bundesregierung einberufene Ver- mittlungsausschuss aus. Nachdem der Bundesrat Anfang Februar die Änderung des Betäubungsmittel- gesetzes abgelehnt hatte, drohten die schon bestehenden Drogen- konsumräume weiterhin illegal zu bleiben. Jetzt kann jede Landesre- gierung selbst den Betrieb der Druckräume regeln, wenn im Ge- setz vorgeschriebene Mindeststan- dards eingehalten und ausstiegs- orientierte Beratungen und Thera- pien angeboten werden.Es scheint, als sei die Politik wachgerüttelt worden. Schließlich ist die Legalisierung der Fixerstu- ben nicht mit der Legalisierung von Drogen gleichzusetzen. Und schließlich geht es dabei nicht um
Kampf, sondern um Hilfe. Hilfe für Suchtkranke. Gerade diese unterschwelligen Angebote sind dringend nötig. In den Druckräu- men wird ja nicht nur unter hygie- nischen Bedingungen konsumiert, hier finden auch Gespräche statt, werden soziale Kontakte geknüpft und Hilfsangebote vermittelt. Lei- der ist dies noch nicht hinreichend bekannt.
Die CDU/CSU-Bundestags- fraktion bedauert das Ergebnis des Vermittlungsausschusses. Auch der Internationale Suchtstoff-Kontroll- rat sprach sich entschieden gegen Druckräume aus. Sie seien ein
„Verstoss gegen die internationalen Drogenkonventionen“. Die Bun- desregierung sieht das anders:
Die Drogenkonsumräume leisteten weder Beihilfe zum illegalen Dro- genhandel noch zum unerlaubten
Besitz. Im Gegenteil, sie könnten helfen, die vertragliche Verpflich- tung umzusetzen, „alle durchführ- baren Maßnahmen zur . . . sozialen Wiedereingliederung der betroffe- nen Personen zu ergreifen“ (Sucht- stoffübereinkommen von 1961).
Wiederholt verweist der Dro- genrat auf die 1961, 1971 und 1988 geschlossenen internationalen Abkommen. Hardliner seien sie nicht, sie wollten nur die ursprüng- lichen Ziele bewahren. Doch hat sich nicht inzwischen einiges ge- wandelt? Kann man an vor zwölf Jahren gesetzten – unbestritten richtigen – Zielen noch festhalten, ohne Details in der Umsetzung zu ändern und an die gesundheitli- chen und sozialen Folgen für die Betroffenen zu denken? Aber viel- leicht ist das nur ein Dornröschen- schlaf. Dr. med. Eva A. Richter
Kampf um Marktanteile
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aum haben die Einrichtun- gen der Vorsorge und der medizinischen Rehabilita- tion die seit Herbst 1996 anhalten- de Phase der Stagnation und der Umsatzeinbrüche (bis zu 30 Pro- zent) überwunden, ist unter den Leistungsträgern ein verschärfter Kampf um die Marktanteile im Gang. Begünstigt werden diese Aktivitäten durch die am 1. Januar im Zuge der GKV-Gesundheitsre- form in Kraft getretenen neuen Rechtsvorschriften. Darin sind die Pflichtzuzahlungen zugunsten der Patienten und Rehabilitationen auf das Niveau der Zuzahlung für Krankenhausbehandlung gesenkt und die Regelverweildauer für sta- tionäre Maßnahmen flexibilisiert worden. Auch ist die Regeldauer bei stationären Vorsorgemaßnah- men für Kinder unter 14 Jahren auf vier bis sechs Wochen verlängert worden. Sosehr diese Leistungs- verbesserungen und die Umstel- lung der Leistungsgewährung anflexible, indikationsspezifische Leit- linien und Parameter befürwortet wird, so sehr klagen die Kliniken und Verbände über das grundlohn- gekoppelte sektorale Budget, das die Leistungsausgaben in engen Entwicklungsgrenzen hält.
Hinzu kommt der Clinch un- ter den Verbänden und den Lei- stungserbringern – auch im Hin- blick auf die Neuabgrenzung des Rehabegriffes von der Akutkran- kenbehandlung und Vorsorge ei- nerseits und den Kuren anderer- seits. Auch gibt es Richtungs- kämpfe derart, dass sich die Ver- bände der Rehakliniken und Lei- stungserbringer eher den gesetzli- chen Krankenkassen als den Ren- tenversicherungsträgern zuwen- den und auch die teilstationäre und ambulante Rehabilitation in das gegliederte Versorgungssystem ein- beziehen wollen.
Interessenkollisionen und Ver- drängungswettbewerb hat inzwi- schen der Deutsche Bäderverband
der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e.V.
vorgeworfen. Deren Geschäftsfüh- rer, Karl Jung, zugleich Vorsitzen- der des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, habe eine konsequente Loslösung der Rehakliniken von der Kur ver- langt. Dadurch solle eine „Gleich- berechtigung von ambulanter Akutbehandlung und stationärer Rehabilitation“ erzielt werden.
Die Kuren sollten aus dem Lei- stungskatalog der Krankenkassen herausgenommen werden. Der Präsident des Bäderverbandes, Prof. Dr. med. Manfred Steinbach, warf dem ehemaligen Staatsse- kretär des Bundesarbeitsministeri- ums, Jung, vor, aus seiner Interes- senkollision die Funktion von Ku- ren falsch darzustellen. Damit sei er ein Lobbyist und schüre den ver- drängenden Wettbewerb. Jung sei als Vorsitzender des Bundesaus- schusses zur strikten Neutralität verpflichtet. Dr. Harald Clade