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Archiv "Gesundheitsberichterstattung/Public Health: Forschungslücken schließen!" (15.11.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

TA UNGSBERICHT

„Medizin ist eine sociale Wis- senschaft” — dieses Wort Virchows stammt ursprünglich von dem ande- ren Berliner Pionier der Sozialmedi- zin, Salomon Neumann (1819 bis 1908). Mit der nach ihm benannten Medaille ehrte die Deutsche Gesell- schaft für Sozialmedizin und Präven- tion bei ihrer 26. wissenschaftlichen Jahresversammlung in Bielefeld den Präsidenten, der sie in den letzten neun Jahren aus der Krise heraus- führte, Prof. Dr. med. Herbert Vief- hues (Bochum), der nun von Prof.

Dr. Johannes Georg Gostomzyk (Augsburg) abgelöst wurde.

Es war die erste Tagung der Ge- sellschaft nach der Wende; die ost- deutsche Beteiligung war stark, der Zusammenarbeit der Sozialmedizi- ner beider Teile Deutschlands war ein eigener Workshop gewidmet, der wie einige andere zum Vorpro- gramm in Hannover gehörte.

Die Weiterentwicklung und zu- sammenführende Reform beider deutscher Gesundheitssysteme wur- de von Dr. Hans Stein, Bundesge- sundheitsministerium, als eine der schwierigsten Aufgaben der künfti- gen Bundesregierung bezeichnet.

Dafür seien die beiden aktuellen Schwerpunkte der Tagung — Ge- sundheitsberichterstattung und Pub- lic Health — von zentraler Bedeu- tung.

Der permanente Ärger über den Dilettantismus in der Gesundheits- politik und -administration aller Ebenen ist offenbar berechtigt. Alle Planungen sind auf Sand gebaut; sie haben keine Grundlage, denn es fehlt allenthalben selbst an den sim- pelsten Informationen über den Ist- Zustand, geschweige die — nach Pri- oritäten geordneten — künftigen Er- fordernisse. Daher der Ruf nach ei- ner fundierten und differenzierten Gesundheitsberichterstattung. Es fehlt im weitverzweigten Gesund- heitswesen aber auch an Fachleuten, die genauso gut wie die Ärzte für die Krankenbehandlung für ihre speziel- len Aufgaben ausgebildet wären, von

der epidemiologischen Forschung über die praktische Gesundheitsför- derung bis zur Gesundheitsökono- mie, zur Evaluationsforschung oder zum Krankenhausmanagement: ein Defizit, das sich jetzt bei der Sanie- rung des ostdeutschen Gesundheits- wesens besonders verheerend aus- wirken dürfte. Deshalb die Bestre- bungen, interdisziplinäre Aufbaustu- diengänge in Public Health einzu- richten, ein laut Viefhues unüber- setzbares Wort. Es dient als Sammel- bezeichnung für alle wissenschaftli- chen Fächer, die im Gesundheitswe- sen neben der kurativen Individual- medizin eine Rolle spielen, die nicht- medizinischen wie auch die bevölke- rungsbezogenen medizinischen.

Auch in der DDR war man nicht weiter

Auf beiden Gebieten, Gesund- heitsberichterstattung wie Public- Health-Zusatzausbildung, war die ehemalige DDR keineswegs weiter als die Bundesrepublik. Immerhin planen drei Bundesministerien ein mehrjähriges Forchungsprogramm, das bessere Informationen als Grundlage der Gesundheitpolitik liefern soll.

In der DDR hat es zwar eine ausgedehnte zentralisierte Gesund- heitsberichterstattung gegeben, aber sie war offensichtlich konzeptlos und von geringem Nutzen für die Praxis der Gesundheitsförderung und Krankenversorgung. Das läßt sich aus dem kritischen Überblick schlie- ßen, den Professor Dr. Michael Ra- doschewski gab, neuer Leiter des Ost-Berliner Instituts für Sozialhy- giene und Organisation des Gesund- heitswesens. Er nannte auch Gründe für diese Mängel: einerseits die Un- erwünschtheit der wissenschaftli- chen Untersuchung und Veröffentli- chung politisch unliebsamer gesund- heitlicher und sozialer Fakten, die nicht in die fiktive heile Welt des So- zialismus paßten; andererseits die

Beschränkung auf rein quantitative Daten über die Versorgung.

Erstaunlicherweise ist nicht nur die Gesundheitsberichterstattung, sondern die gesamte Sozialmedizin im sozialistischen deutschen Staat ge- nauso unterentwickelt geblieben wie im „kapitalistischen". Nur in fünf westdeutschen Universitäten wird So- zialmedizin — obgleich in der Appro- bationsordnung verankert — durch ei- nen hauptamtlichen Vertreter des Fachs gelehrt, und die Stundenzahl schwankt (nach einer Erhebung von Barbara Griefahn im Wintersemester 1984/85) zwischen drei und 48.

Dagegen gibt es an allen Univer- sitäten und medizinischen Hoch- schulen der einstigen DDR Lehr- stühle für Sozialhygiene bzw. -medi- zin, aber die Studenten hörten nur im vierten Studienjahr 45 Stunden (abgesehen von einem „interdiszipli- nären Komplex" im sechsten), sie lernten aus 20 Jahre alten, obendrein ideologisierten Lehrbüchern, und Forschung über die soziale Bedingt- heit gewisser Gesundheitsbeein- trächtigungen war verpönt. Kein Wunder, daß in Bielefeld der Ent- wurf eines „Memorandums der bei- den sozialmedizinischen Fachgesell- schaften zur Verankerung von Lehre und Forschung in der Sozialmedizin an den Universitäten" kaum kontro- vers diskutiert wurde.

Von der Sozialmedizin unter- scheidet sich Public Health, wie Pro- fessor Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz, Hannover, ausführte, im wesentlichen nur durch die andere akademische Organisationsform — meist Postgraduiertenstudium in ei- genen Fakultäten — und durch den besonders hohen Grad an Multi- und Interdisziplinarität. Gegenüber jähr- lich rund 11 000 neuen Medizinern allein im alten Bundesgebiet werden, so Schwartz, nicht mehr als etwa 260 Absolventen (die Hälfte davon Me- diziner) die gesundheitswissen- schaftlichen Aufbaustudiengänge verlassen können, wenn erst alle ge- planten auch verwirklicht sind.

Berichte aus anderen europäi- schen Staaten zeigten, daß anschei- nend nur die deutschsprachigen Länder noch eine „Insel" ohne Schools of Public Health sind.

Rosemarie Stein, Berlin

Gesundheitsberichterstattung/Public Health

Forschungslücken schließen!

A-3608 (34) Dt. Ärztebl. 87, Heft 46, 15. November 1990

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