Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 12|
21. März 2014 A 487 SOZIALE MEDIENRegeln in der virtuellen Welt
Eine Handreichung der Bundesärztekammer erläutert an praktischen Beispielen, worauf Ärzte und Medizinstudierende bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten.
W
enn ein Assistenzarzt im interkollegialen Austausch über ein soziales Netzwerk seine Oberärztin als „blöde alte Stasi- schnepfe“ bezeichnet, kann er sich damit Probleme einhandeln. Denn häufig ist unklar, welcher Personen- kreis Zugang zu solchen privaten Äußerungen im Netz hat, und so kann es passieren, dass ein Arbeits- kollege diesen Eintrag liest und weiterträgt. Ebenso gilt: Diffamie- rende Kommentare im Internet, die gezielt die Reputation einer anderen Person beschädigen, sind nicht er- laubt. Sie können nicht nur berufs- rechtliche, sondern auch straf- und zivilrechtliche Konsequenzen für den Urheber haben.Neben solchen mehr oder weni- ger schwerwiegenden Fauxpas oder Verstößen, die im realen wie auch im virtuellen sozialen Leben vor- kommen (und geahndet werden), gibt es jedoch auch Risiken, die nicht so offensichtlich sind. Wenn beispielsweise ein angestellter Arzt eines Krankenhauses auf seiner Sei- te in einem sozialen Netzwerk de- tailliert über einen speziellen tragi- schen Krankheitsverlauf berichtet, kann dies zu einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht führen, auch wenn er den Patienten und das Krankenhaus nicht namentlich er- wähnt. Häufig nämlich können Anonymisierungsversuche im In- ternet einfach unterlaufen werden, indem sich durch Zusatzinformatio- nen, die an anderer Stelle verfügbar sind, konkrete Zuordnungen her- stellen lassen.
In der Handreichung „Ärzte in sozialen Medien“ hat das Dezernat Telemedizin und Telematik der Bundesärztekammer (BÄK) an- hand von zehn Fallbeispielen zu- sammengestellt, wo mögliche Pro- bleme für Ärzte und Medizinstudie- rende liegen und wie man ihnen be-
gegnen kann. „Die Nutzung sozia- ler Medien ist für viele Millionen Menschen weltweit selbstverständ- lich geworden – so auch für Ärzte, Medizinstudenten und Patienten“, heißt es dazu in der Handreichung.
Vor allem die jüngeren Generatio- nen, die mit Facebook, Twitter, Chats und Blogs aufgewachsen sind, wollen die Möglichkeiten die- ser interaktiven Kommunikations- wege weder privat noch beruflich missen.
Bestimmte Aspekte des Social Web erfordern aus ärztlicher Sicht jedoch eine besondere Sorgfalt in der Handhabung, damit die berufli- chen und ethischen Standards der Ärzteschaft eingehalten werden und insbesondere die Arzt-Patient-Be- ziehung geschützt bleibt (Kasten).
Daher hatte sich bereits der 115.
Deutsche Ärztetag 2012 mit diesem
Thema befasst und in Anlehnung an eine Erklärung des Weltärztebundes Empfehlungen für Ärzte zum Um- gang mit sozialen Medien zusam- mengestellt (www.bundesaerztkam mer.de/downloads/Empfehlungen_
Aerzte_in_sozialen_Medien.pdf). In den Empfehlungen werden die po- sitiven Aspekte sozialer Medien wie etwa die Stärkung der Patien- tenautonomie ausdrücklich aner- kannt.
Gleichzeitig werden aber auch kritische Aspekte thematisiert: So können diese Medien beispielswei- se eine direkte persönliche Bera- tung durch einen Arzt nicht erset- zen. Die Grenzen zwischen Berufli- chem und Privatem können leichter verschwimmen. Der Datenschutz kann sowohl durch technische Ge- gebenheiten als auch durch eine un- angemessene Nutzung gefährdet werden. Mit der jetzt veröffentlich- ten Handreichung kommt die BÄK dem Wunsch des Ärztetages nach, zusätzlich zu den Empfehlungen ei- ne „praktische Anleitung“ für Ärz- tinnen und Ärzte zum Umgang mit sozialen Medien zu entwickeln.
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Heike E. Krüger-Brand
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Handreichnung der BÄK:www.aerzteblatt.de/14487
Inwiefern können Ärzte von sozialen Medien profitieren?
Bartmann: Soziale Medien ha- ben ihren Stellenwert in der ge- sundheitlichen Aufklärung und in anderen Bereichen der öffentli- chen Gesundheit. Aber auch für den einzelnen Arzt bieten sie Möglichkeiten – etwa zum fachli- chen Austausch mit Kollegen. Der Riesenvorteil ist, dass über sozia- le Medien Informationen gezielter vermittelt und ausgetauscht wer- den können.
Sollten sich die Ärzte mehr in sozialen Medien engagieren?
Bartmann: Wenn die Regeln beachtet werden, spricht nichts
gegen eine breitere Nutzung – im Gegenteil. Ärztinnen und Ärzte werden sich in ihrem Kommunikationsverhalten der Bevölkerung weiter annähern müssen. Wenn ein Großteil der Kommunikation heute in sozia- len Medien stattfindet, sind die- se Kanäle auch für die gesund- heitliche Versorgung der Bevöl- kerung nutzbar und bedeutsam.
Im Zentrum steht aber auch in Zukunft das direkte Arzt-Pa- tient-Gespräch, das ein Höchst- maß an Vertraulichkeit garan- tiert. Die Herausforderung wird sein, wie sich um diesen Ver- trauensraum herum soziale Me- dien vermehrt einsetzen lassen.
Wo liegen die größten Risi- ken für die Ärzte?
Bartmann: Die ärztliche Schweigepflicht und der Da- tenschutz müssen immer im Hinterkopf behalten werden.
Wichtig ist auch, die Grenze zur Fernbehandlung einzuhal- ten. Zudem sollte der Arzt Risi- ken aufseiten der Patienten berücksichtigen. Nutzer von sozialen Medien stellen häufig bereitwillig private Informatio- nen über sich ins Netz. Dies ist bei gesundheitsbezogenen Fragen tunlichst zu vermeiden, da diese Form der Selbstoffen- barung dem Patienten schaden kann.
3 FRAGEN AN . . .
Dr. med. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematikausschusses der Bundesärztekammer