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Kapitel III: Fallinterpretationen

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Academic year: 2022

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Kapitel III: Fallinterpretationen

4. Das Praktikum aus einer lebensweltbezogenen Perspektive: Der Fall Maja

M.: „Also, nach meinem Abitur bin ich drei Monate in die USA gegangen, zu ner Netzwerk- firma, und hab da drei Monate in äh Marketing-Abteilung gearbeitet, um einfach mal zu se, also ich wollte, eigentlich Ziel war, eigentlich nur in die USA zu kommen, ne. Und hab dann halt so das erste Mal in ne Firma richtig reingeguckt, während der Schule hab ich auch schon ähm bei andern Netzwerkfirmen halt mal so Telefonjobs und so was gemacht, aber das war jetzt nicht so explizit gewesen, konnte allerdings halt auch aus dem Praktikum nicht sehr viel rausnehmen, ähm, daa, ja, das war nicht im Rahmen eines Praktikums eigentlich gewesen, sondern ich wurde bezahlt und äh, dadurch, dass die Firma in dem Moment halt ne Fusion hatte, hat sich auch keiner um mich gekümmert und ähm, ja, anfallende Kopiearbeiten und so was kamen dann halt bei raus. Also von daher wars jetzt, von der Effizienz, was ich draus gelernt hab, weniger. Gut, dann hab ich mein Studium angefangen, hatte nach nem Nebenjob gesucht, ja und dann bot sich halt im Tutorenkurs ähm mir meine Tutorin halt an, ähm in ei- ner Nachhilfeschule zu arbeiten, ähm, auch Zweck der ganzen Angelegenheit war eigentlich primär gewesen, irgendne Tätigkeit zu machen, wo ich möglichst viel Geld verdiene und die mir vielleicht auch noch Spaß macht. Und das hat sich auch beides so erfüllt, ähm, hab dann Englisch, Mathe, Deutsch und Französisch unterrichtet, das mach ich auch heute noch und äh es macht mir auch heut noch Spaß und ich bin da auch eingegliedert und ich kann auch sagen so von äh der Weiterbildung her, also was was die Fremdsprachen anbetrifft, so Mathe und so, ähm also hats mir superviel gebracht. Ähm, in der pädagogischen, ja für die pädagogische Arbeit auch, aber das seh ich vielleicht nicht so, also vereinzelt, dass ich mal Sachen von der Erwachsenenbildung, also Methoden und so was halt da auch mal umsetze, an den Kindern halt ausprobiere, also Zielformulierung und so weiter. Aber da läuft auch keine Betreuung, hab darüber auch mein Praktikumsbericht geschrieben, hab den auch anerkannt. Ja, dann ähm, hab ich noch im Grundstudium bei Controlware en dreimonatiges Praktikum parallel zum Lernstudio gemacht, ähm, dort, ähm das war auch ne Netzwerkfirma, das war aber auch nur ähm noch mal zusätzlich Geld zu verdienen und ähm, das warn auch anfallende Kopier- arbeiten, also nichts irgendwas, wo ich hätte draus was schöpfen können. Jaa. War da noch irgendwas gewesen im Grundstudium? (..) Nee.“

Nachdem für Maja geklärt zu sein scheint, worüber im Interview gesprochen werden soll, beginnt sie mit ihrer Erzählung und berichtet interessanterweise zuerst über ein Praktikum, das zeitlich noch vor dem Studium angesiedelt ist, somit streng genommen über den von der Interviewerin vorgegebenen thematischen Rahmen hinaus geht. So habe sie also nach dem Abitur drei Monate in einer Netzwerkfirma in den USA verbracht. Vorrangiges Ziel dieses Praktikums sei gewesen, in die Vereinigten Staaten zu kommen. Wie es ihr dort ergangen ist, welche Eindrücke sie mitgenommen, was sie erlebt hat, darüber spricht sie nicht. Statt dessen geht sie auf ihre (Lern-)erfahrungen im Kontext ihrer Tätigkeit in der Firma ein. Dort habe sie zum ersten Mal „richtig“ (1:12) in ein Unternehmen hineinschauen können, also Einblicke in dessen Funktions- und Arbeitsweise erhalten. Sie grenzt diese Erfahrung sowohl zur Schule als auch zum (antizipierten) Studium ab und markiert damit auch ihren damaligen, etwas un- definierten Status zwischen zwei biographischen Statuspassagen (nicht mehr Schülerin, noch keine Studentin). Dies geschieht, indem sie zum einen darauf hinweist, bereits als Schülerin für Netzwerkfirmen gearbeitet zu haben. Es habe sich dabei aber hauptsächlich um Telefon- jobs gehandelt und das sei nicht so „explizit“ (1:14) gewesen. Zum anderen, indem sie den Ertrag des Praktikums für das noch nicht begonnene Studium, sozusagen im Vorgriff bilan- ziert. So habe sie aus dem Praktikum „nicht sehr viel rausnehmen“ (1:15) können, was sie damit erklärt, dass der Aufenthalt ja „nicht im Rahmen eines Praktikums eigentlich“ (1:15/16)

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stattgefunden habe. Im Folgenden nennt sie die Merkmale, die es aus ihrer Sicht rechtfertigen, nicht von einem Praktikum zu sprechen. So sei sie bezahlt worden, es habe sich niemand um sie gekümmert, was sie allerdings auf firmenpolitische Gründe zurückführt (Fusion mit einem anderen Unternehmen) und sei hauptsächlich mit Kopierarbeiten beauftragt worden. Sie fasst noch einmal zusammen: „Also von daher wars jetzt, von der Effizienz, was ich daraus gelernt hab, weniger.“ (1:18/19).

Über diese negativen Ausschlusskriterien gibt Maja erste Hinweise darauf, was sie unter Prak- tikum versteht. Demnach sind Praktika dadurch gekennzeichnet, dass sie betreut, aber nicht entlohnt werden sowie anspruchsvollere Tätigkeiten beinhalten als bloß Kopien herstellen.

Ein weiteres wichtiges Merkmal – so geht aus ihrer letzten Äußerung hervor – ist, dass in ihm etwas gelernt wird oder werden soll. In Majas Verständnis handelt es sich bei diesem ersten skizzierten Praktikum sicherlich um keines, das den Kriterien des Fachbereichs Erziehungs- wissenschaften entspricht. Somit könnte es in Majas Schema den ‚nebenbei’-Praktika zuge- ordnet werden. Ein Praktikum, das für sie persönlich sicher wichtig (Auslandsaufenthalt, Ein- blick in die Arbeitsabläufe eines Unternehmens), von institutioneller Warte aus gesehen je- doch uninteressant ist.

Bleibt die Frage, warum Maja ihre Erzählung ausgerechnet mit einem Praktikum beginnt, das genau genommen keines ist. Ein Grund könnte sein, dass Maja beabsichtigt, ihr Verständnis von Praktikum anhand der einzelnen Praktika langsam und in chronologischer Reihung zu entfalten. Jedes Praktikum würde dann unter der Frage diskutiert, ob es sich um ein ‚reinstes’

Praktikum handelt oder nicht. Sie würde damit ihrer Erzählung eine gewisse Spannung verlei- hen. Ausgangspunkt ist dabei ein Praktikum, das sie qualitativ höher bewertet als einen ge- wöhnlichen Ferienjob (der ja auch nicht unter dem Begriff Praktikum läuft, wie sie wahr- scheinlich mit dem Wörtchen ‚explizit’ ausdrücken will, und nicht im Kontext von Lernen steht), gleichzeitig aber noch kein ‚richtiges’, in den Kontext des Pädagogik-Studiums einge- bettetes Praktikum darstellt. Es nimmt eine Zwischenstellung ein und spiegelt damit den Sta- tus wider, den Maja zu diesem Zeitpunkt innehat. Dennoch bietet es Gelegenheit, einige grundsätzliche Merkmale des Praktikums zu veranschaulichen

Maja setzt ihre Erzählung fort. Mit Beginn des Studiums sei sie auf der Suche nach einem

„Nebenjob“ (1:19) gewesen. Von ihrer Tutorin in der Einführungsveranstaltung habe sie dann das Angebot bekommen, in einer „Nachhilfeschule“ (1:21) zu arbeiten. „Primär“ (1:21) habe der Zweck dieser Nebentätigkeit für sie darin bestanden, „möglichst viel Geld“ (1:22) zu ver- dienen, dabei aber auch „Spaß“ (1:23) zu haben. Beide Erwartungen seien erfüllt worden, seitdem unterrichte sie dort Englisch, Mathematik, Deutsch und Französisch.

Gleich zu Beginn, mit dem Hinweis auf den Gelderwerb als vorrangiges Ziel, macht Maja unmissverständlich deutlich, dass auch in diesem Fall die genannten Kriterien nicht greifen, es sich somit um kein makelloses Praktikum handelt (sie spricht ja auch von ‚Nebenjob’ und nicht von ‚Praktikum’). Gleichzeitig verweist das Wörtchen ‚primär’ darauf, dass es (mindes- tens) auch einen sekundären Zweck gibt, der vielleicht in Verbindung mit der Thematik

‚Praktikum oder nicht’ steht. Erneut stellt sich also die Frage, warum sie es in ihre Aufzäh- lung mit aufnimmt. Antwort darauf gibt die folgende Passage. Maja bilanziert zunächst den Nebenjob unter zwei Aspekten. Zum einen hebt sie den individuell-persönlichen Wert hervor, der für sie nicht nur darin besteht, Geld zum Lebensunterhalt zu verdienen, Spaß zu haben und „eingegliedert“ (1:25) zu sein, sondern auch in der Möglichkeit, sich persönlich weiter- bilden zu können. Gerade was die Fremdsprachen, aber auch die Mathematik angehe, habe ihr der Job „superviel“ (1:27) gebracht. Zum anderen geht sie auf das Verhältnis von Studium und Praktikum ein, wechselt dabei die Perspektive. Ausgangspunkt ist nun nicht mehr das Praktikum und sein möglicher Nutzen für das Studium (so wie es ihre Formulierung auf den ersten Blick vermuten lässt), sondern umgekehrt: die Frage, inwiefern sie inhaltliche Aspekte aus dem Studium im Praktikum anwenden kann. Und so stellt Maja fest, dass es für die „pä- dagogische Arbeit“ (1:28) auch viel gebracht habe, wenn auch nur punktuell. „Vereinzelt“

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(1:29) habe sie etwa Methoden aus der Erwachsenenbildung umsetzen können. Damit präsen- tiert Maja ein weiteres Kriterium, das eine Tätigkeit zu einem Praktikum macht: Von einem (pädagogischen) Praktikum kann man sprechen, wenn pädagogisch gehandelt wird.

Mit dem Satz „aber da läuft auch keine Betreuung“ (1:31) schließt Maja an diese letzte Passa- ge an, in der sie die pädagogischen Aspekte ihrer Arbeit hervorhebt. Vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Diskussion kann der Satz folgendermaßen verstanden werden. Da die Be- schäftigung in der Nachhilfeschule eindeutig pädagogischen Elemente beinhaltet, könnte sie durchaus als pädagogisches Praktikum durchgehen. Dagegen spräche jedoch, dass keine Betreuung stattgefunden hat, ein für Maja offensichtlich zentrales Kriterium. Damit ist noch immer ungeklärt, als was nun der Nachhilfejob zu klassifizieren ist. Die Lösung findet sich schließlich in Majas letzter Bemerkung. So habe sie nämlich über diese Tätigkeit ihren Prak- tikumsbericht geschrieben und „auch anerkannt“ (1:32) bekommen. Die Frage also, ob es sich um ein ‚richtiges’ Praktikum handelt oder nicht, spielt in dem Moment keine Rolle mehr, als die Arbeit in der Nachhilfeschule aufgrund einer institutionellen Entscheidung eindeutig und vorbehaltlos als Praktikum akzeptiert wird. Maja kann somit ein weiteres Merkmal in ihren Katalog aufnehmen. Ein ‚richtiges’ Praktikum ist demnach eines, das alle Kriterien eines Praktikums erfüllt (Betreuung, keine Bezahlung, Lernkontext, pädagogische Tätigkeiten), oder das von der Institution offiziell anerkannt ist und zwar unabhängig davon, ob es allen Attributen gerecht wird. Maja macht also die Erfahrung, dass die institutionelle Definition des Praktikums dehn- und verhandelbar ist. Der zu Beginn dieses Abschnittes von Maja implizit benannte ‚sekundäre’ Zweck des Praktikums könnte nun in dem für sie angenehmen Nebenef- fekt liegen, dass eine zunächst eigentlich als Nebenjob konzipierte Arbeit gleichzeitig auch als Praktikum zugelassen wird, somit quasi zweifach genutzt werden kann.

Maja beendet ihre Erzählung über die Praktika im Grundstudium mit dem knappen Bericht über ein drittes Praktikum, das sie, „parallel zum Lernstudio“ (1:33), für weitere drei Monate erneut in eine Netzwerkfirma geführt habe. Mit der Frage im Hinterkopf, ob es sich wohl um ein ‚richtiges’ Praktikum handelt, weist Maja direkt auf den alleinigen Zweck dieses Prakti- kums hin („das war aber auch nur ähm noch mal zusätzlich Geld zu verdienen“ (1:34)), eben- so auf die Aufgaben, die sie dort übernommen hat: „Das warn auch anfallende Kopierarbei- ten“ (1:35). Zusammenfassend stellt sie fest, dort nichts gemacht zu haben, aus dem sie etwas hätte „schöpfen“ (1:36) können.

Das dritte Praktikum im Grundstudium hat deutliche Parallelen zum ersten, noch vor dem Studium absolvierten und zwar insofern, als es kein einziges der Merkmale aufweist, die Maja bis dahin als für ein Praktikum wesentlich aufgeführt hat. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es im Kontext des Studiums stattfindet. Nach Majas eigener Einteilung handelt es sich hierbei um ein wirkliches ‚nebenbei’-Praktikum (es findet sogar ‚parallel’ zu einem ande- ren Praktikum statt): weder als Praktikum angelegt noch als solches anerkannt.

Mit der an sich selbst gerichteten Frage „war da noch irgendwas gewesen im Grundstudium?“

(1:35) und der anschließenden Verneinung („Nee.“ (1:36)) beendet Maja den ersten Teil ihrer Darstellung über die Grundstudiumspraktika, in dem sie ihre anfangs genannten Kriterien

‚reinste’, ‚reine’, ‚nebenbei’-Praktika inhaltlich gefüllt hat.

(...)

Referenzen

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