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UND JEDEM ANFANG WOHNT, NAJA SIE WISSEN SCHON

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Academic year: 2022

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UND JEDEM ANFANG WOHNT …“, NAJA SIE WISSEN SCHON

„Zauber“ –ein viel bemühtes Wort, dass man unter Abnutzungsschutz stellen sollte. Aber ich komme um die bekannten Zeilen aus Hermann Hesses Stufengedicht nicht herum: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Weil es ein gewisses Maß an Verzauberung braucht, um den Anfang zu wagen. Ich verstehe darunter eine Mischung aus Lust, Neugier, Respekt, Ungewissheit, Mut und Freiheit. Als hätte es über Nacht in mein Leben geschneit, so dass ich es am anderen Morgen kaum erwarten kann, die noch unberührte Weite zu betreten. Und dann kommt es – im Großen wie im Kleinen: Das

„Ich liebe Dich“, mit dem sich alles verändern kann. Die Unterschrift im neuen Arbeitsvertrag. Der erste Tag an der (neuen) Schule.

Aber wer kennt es nicht, dass wir Menschen aus irgendwelchen Gründen zögern, bis der Zauber verfliegt. Wir erleben die Stunden und Tage dann, als würden die Möglichkeiten des Neuen zerfließen.

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Dabei wollten wir doch das, was sich in den vergangenen Zeiten alles angestaut hatte, endlich mal abfließen lassen.

„Die Zeit des Anfangens ist, bei halbwegs glücklichem Verlauf, der lichterlohe Moment, da man sich mit der Zeit im Bunde fühlt.“ So leuchtend beschreibt das Rüdiger Safranski in seinem Buch „Zeit“

(S. 62). Die Vergangenheit entlässt mich, während die reizende Zukunft Sog erzeugt. Und gerade für die großen Anfänge, bei denen der glückliche Verlauf alles andere als selbstverständlich ist, darf man als gläubiger Mensch sagen: Ich verdanke es einem Bündnis des Geistes Gottes mit mir.

Zeiten des Anfangens sind Situationen, in denen Menschen häufig erfüllt und ergriffen werden vom Heiligen Geist. Sie können dann plötzlich wieder etwas mit sich anfangen, allen Um- und Widerständen zum Trotz. Und häufig, so wissen wir aus der Geschichte des Geistes, zetteln die Begeisterten kollektive Neuanfänge an, mal laut, mal mystisch leise.

Der Hinweis, dass wir die Neuanfänge unseres Lebens anderen, letztlich dem Heiligen Geist verdanken, ist mir ganz wichtig.

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Denn ich erlebe, wie unbarmherzig das Leben und die Mitmenschen von uns den Neustart verlangen können. Aber so stark sind wir oft nicht. Das hat damit zu tun, dass die meisten Anfänge unseres Lebens mangelgetrieben zustande kommen.

Umstände, Ereignisse und Lebensverläufe nehmen uns derart in die Mangel, dass uns dämmert: So kann und will ich nicht weitermachen. Gerade deshalb sind wir dieser Anfänge häufig nicht mächtig, sondern kommen uns eher ohnmächtig darin vor.

Unsere pandemische Zeit zwingt immer mehr von uns zu einem Neustart. Aber ein verfügter Neuanfang kann leicht dazu führen, dass wir erst mal gar nichts mit uns und unserem Leben anzufangen wissen.

Wenn wir diesen Beobachtungen auf der Spur bleiben, kommen wir ganz beim Anfang an: Meine Eltern haben mich angefangen!

Ich wurde nicht gefragt. Man kann im Schreien des Neugeborenen die Empörung über das eigene Angefangenwordensein hören.

Und es wird noch ungeheuerlicher, wenn der Uranfang ein freier und spontaner Akt Gottes war – aus dem Nichts. Niemand war beteiligt.

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Wie wird aus dem angefangenen Ich eine Person, die mit sich selbst und dem Leben anfangen kann, wiederum im Kleinen des Alltags wie im Großen des Lebensentwurfs?

Ich glaube, der geheimnisvolle Übergang vom Angefangenwordensein zum freien Anfängersein vollzieht sich unter der Erfahrung und im Gefühl der Liebe. Deshalb danke ich den liebenden Anfängern meines Lebens, unter denen Gott der Größte ist.

Er hat die Welt nicht geschaffen aus einem Mangel, einer Willkürlaune oder egoistischen Motiven. Eine Schöpfung anfangen, um mit sich ans Ziel zu kommen, hat er nicht nötig.

Verzückt hat er die Welt mit einem Anfang, der aus der unbeschreiblichen Fülle seines Lebens hervorgeht – vor lauter Liebe. Am schöpferischen Grund des Lebens liegt keine selbstbehauptende Positionsmacht, sondern eine liebende Ermächtigungsmacht.

Und diese göttliche Art des Anfanges setzt sich dort fort, wo Menschen in der Kraft des Geistes mächtig werden, etwas Neues mit sich und der Welt anzufangen. Vielleicht gerade dann, wenn sie sich vom Leben oder den eigenen Mangelerfahrungen dazu

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genötigt fühlen. Noch hinter all dem entdecken sie die geistgewirkte Freiheit, ihre schöpferische Lebensfülle wieder neu von der Leine zu lassen. Anfangen ist göttlich!

Immer mal wieder etwas Neues anzufangen, ist großartig.

Mindestens genauso erstaunlich ist, wenn man mit etwas immer wieder neu anzufangen vermag.

Mein ehemaliger Karatelehrer hat einen schwarzen Gürtel.

Genaugenommen, einen weißen Gürtel, mit schwarzer Seide umwickelt. Seine Lebensaufgabe besteht darin, nun so lange zu trainieren, bis sein schwarzer Gürtel wieder so weiß ist wie der eines Anfängers.

Das Glück meines Lebens liegt vielleicht nicht darin, mit allem, was ich neu angefangen habe, ans Ende zu kommen. Wie öde und lieblos wäre das auch, wenn ich mit einem geliebten Menschen jemals fertig wäre, wenn ein geschätztes Stück Welt mich nicht mehr faszinieren könnte!

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Ich wage die Spekulation: Die Sehnsucht danach, immer wieder am Anfang anzukommen, hat sich vom göttlichen Anfänger auf mich übertragen.

Das Kommen Gottes in die Welt und die Sendung des Heiligen Geistes gelten mir als untrügliche Hinweise darauf, dass er mit seiner Schöpfung und uns Menschen niemals fertig sein will. Bis in alle Ewigkeit wird Gott immer etwas anzufangen wissen mit uns.

Und wir mit ihm und allen anderen Kreaturen.

Was zunächst peinlich ungöttlich und gotteslästerlich klingen mag, wird mir Lobpreis Gottes: Er ist und bleibt ein Anfänger! Im Bunde mit diesem heiligen Anfängertum, schäme ich mich nicht länger, ein Anfänger zu bleiben. Im Gegenteil, wir sollten es feiern, wenn wir mal wieder am Anfang angekommen sind. Damit sich das auch ordentlich rumspricht: wir nennen uns Kirche der Reformation, weil wir weder mit uns selbst, noch mit dem Leben und schon gar nicht mit Gott fertig sind. Wir glauben an den Geist Gottes, dem die Ideen nie ausgehen werden, mit den Menschen was anzufangen. So sind wir ein herrlicher Haufen von Anfängerinnen und Anfängern.

Inspiriert durch Reflab.ch, Andreas Loos, 3. September 2020

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