5 Mittelwerteigenshaft und harmonishe Funktionen
Im vorigen Abshnitt hatten wir das Maximumsprinzip fur holomorphe Funktionen
aus dem Satz
uber die Gebietstreue hergeleitet. Erstes Ziel dieses Abshnitts ist es
zu zeigen, dass das Maximumsprinzipfureine groere Klasse vonFunktionengilt.Im
zweitenTeildiesesAbshnittsuntersuhen wirdannharmonisheFunktionen, dassind
Funktionen, furwelhe u=0 ineinem Gebiet GC gilt.
Im FolgendenseiGC einGebiet,f :G!C eineholomorphe Funktion,z
0
2Gund
B
r (z
0
)G. Nah der Cauhyshen Integralformelgilt
f(z
0 )=
1
2i Z
Br(z0) f(z)
z z
0 dz =
1
2 Z
2
0 f(z
0 +re
it
)dt:
DasIntegralaufderrehtenSeiteheitauhMittelwertvonfaufB
r (z
0
).Diefolgende
Denition istdaher naturlih.
5.1 Denition. Es sei GC ein Gebiet und f : G! C eine stetige Funktion. Gibt
es zu jedem z
0
2G ein R>0 mit
f(z
0 )=
1
2 Z
2
0 f(z
0 +re
it
)dt fur alle rR ;
so besitzt f auf G dieMittelwerteigenshaft.
5.2 Bemerkungen.
a) Wir haben shon gesehen, dasss holomorphe Funktionendie Mittelwerteigenshaft
besitzen.
b) Genugen f und g der Mittelwerteigenshaft, so gilt dies auh fur f +g mit
; 2C sowie furRef;Imf und f.
Das Maximumsprinzip lautet indieser Situationwie folgt.
5.3 Satz. Es sei G C ein Gebiet und f : G!C eine Funktion, welhe der Mittel-
werteigenshaft genugt. Besitzt jfj in z
0
2 G ein lokales Maximum, so ist f in einer
Umgebung von z
0
konstant.
Beweis.OBdA durfen wirannehmen, dassf(z
0
)reell und f(z
0
)>0gilt.WahleR >0
so, dass
f(z
0
) jf(z)j; jz z
0
jR und
f(z
0 ) =
1
2 Z
2
f(z
0 +re
it
)dt; r R
gilt.Denierenwir g weiter durhg(z):=Ref(z) f(z
0
),sobesitzt nahBemerkung
5.2.b) g ebenfallsdieMittelwerteigenshaftund es gilt
(5.1)
g(z) jf(z)j f(z
0
)0; jz z
0 jR ;
g(z
0
) = 0:
Somit folgt
0=g(z
0 )=
1
2 Z
2
0 g(z
0 +re
it
)dt
und wegen (5.1) folgt g(z
0 +re
it
) = 0 fur alle t 2 [0;2℄. Da r R beliebig gewahlt
werden konnte, giltg(z)0furallez mitjz z
0
jR .Dies impliziertjedohf(z
0 )=
Ref(z) und somit
jf(z)jf(z
0
)=Ref(z)jf(z)j; jz z
0 jR :
Es giltalsof(z)=Ref(z) und somit f(z)=f(z
0
) fur allez mitjz z
0 jR .
5.4 Korollar. Ist f in der Situation von Satz 5.3 das Gebiet G beshrankt und f :
G!C stetig, so nimmt jfj ihrMaximum bezuglih G auf G an.
Im Folgenden studieren wir weiter sogenannte harmonishe Funktionenund beginnen
mitihrer Denition.
5.5 Denition. Eine Funktion u : M R 2
! R heit harmonish, falls u zweimal
stetig dierenzierbar istund
2
u
x 2
+
2
u
y 2
=u=0
gilt furalle(x;y)2M.
Ist insbesondere u:U C !C holomorph, so gilt
2
u
x 2
+
2
u
y 2
=4
2
u
zz
=0;
welhes besagt, dass holomorphe Funktionen harmonish sind. Die Beziehung u =
u impliziertferner, dass Real-und Imaginarteileholomorpher Funktionenwiederum
harmonishsind. Wirfassen diese
Uberlegungen imfolgenden Satz zusammen.
5.6 Satz. HolomorpheFunktionen und ihre Real-bzw.Imaginarteilesindharmonishe
Gibt esnohweitereharmonishe Funktionen?Eine Antworthierauf gibt derfolgende
Satz.
5.7 Satz. Es sei G C ein konvexes Gebiet und u : G ! R eine harmonishe
Funtkion. Dann existiert eine holomorphe Funktion f :G !C derart, dass Ref =u
gilt. Weiter gilt f =u+i fur ein 2R.
Beweis. Deniere dieFunktion h:G!R durh
h=2 u
z
= u
x i
u
y :
NahVoraussetzungisthstetigdierenzierbar.DaruberhinausisthaufGholomorph,
da
h
z
=2
z u
z
= 1
2
u=0; z 2G
gilt.Nah Satz 1.3besitzt h eine Stammfunktionf auf G,d.h. es giltf 0
(z)=h(z)fur
allez 2G. Somit giltnahden Cauhy-Riemannshen Dierentialgleihungen
h(z)=f 0
(z)=2
Ref(z)
z
=
Ref(z)
x i
Ref(z)
y
und esfolgt, dass sih u und Ref nur um eine Konstante untersheiden. Setzen wir
g = f , so gilt Reg = u. Die zweite Aussage des Satzes folgt aus dem folgenden
Lemma.
5.8 Lemma. Es sei G C ein Gebiet und f;g : G ! C zwei holomorphe Funktion
mit Ref =Reg auf G. Dann existiert ein 2R mitf =g+i.
Beweis.
Ubungsaufgabe.
5.9 Korollar. Jede harmonishe Funktion ist beliebig oft dierenzierbar.
Kombinierenwir Satz 5.7 mitBemerkung 5.2a) und b), so folgtdiefolgende Aussage.
5.10 Satz. Harmonishe Funktionen besitzen die Mittelwerteigenshaft.
Das Maximumsprinzip
ubertragt sih wegen Satz 5.3 auf die Situation von harmoni-
5.11 Satz. (Maximumprinzip furharmonishe Funktionen).
Es seiGR 2
ein Gebiet.
i) Besitzt eine harmonishe Funktion f : G ! R in z
0
2 G ein lokales Maximum
(Minimum), so ist f konstant.
ii)IstG zusatzlihbeshranktund f :G!C harmonishsowie aufGstetig,so nimmt
f ihr Maximum bzw. ihr Minimum auf G an.
ZumAbshlussdiesesAbshnittsbetrahten wirnoheinklassishesProblemderAna-
lysis,das sogenannteDirihlet-Problem.DiesesProblemlautet wiefolgt:Es seiGC
ein Gebiet und g eine auf G stetige, reelle Funktion. Gesuht ist eine auf G stetige
und in G harmonishe Funktionmit uj
G
=g, d.h. also
u = 0; x2G;
u = g; x2G:
Im Folgenden zeigen wir, dass das Dirihletproblem auf dem Einheitskreis losbar ist
und dass es auf beshrankten Gebieten hohstens eine Losung dieses Problems geben
kann. Hierzu sei D =fz 2 C : jzj <1g und f holomorph in einer Umgebung von D.
Nah der Cauhy Integralformelgilt
f(z)= 1
2i Z
D f()
z
d; z 2D:
Setzen wir =e i
, sofolgt
f(z)= 1
2 Z
2
0
f(e i
)
1 e i
z d:
Wenden wir diese Darstellungauf dieFunktion f(z)
1 zz
an, so folgt
f(z)
1 jzj 2
= 1
2 Z
2
0
f(e i
j1 e i
zj 2
d;
und somit
f(z)= 1
2 Z
2
0
(1 jzj 2
)
j1 e i
zj 2
f(e i
)d = 1
2 Z
2
0 f(e
i
)
1 jzj 2
je i
zj 2
d:
Die obige Darstellung des Funktionswertes als Integral
uber einen gewissen
"
Kern\,
den sogeannten Poissonkern, fuhrtauf folgende Denition.
5.12 Denition. Die Funktion
P :DD!R; P(e i
;z):=
1
2
1 jzj 2
je i
zj 2
DerPoissonkernhatdanndieimfolgendenSatzbeshriebenenwihtigenEigenshaften.
5.13 Satz. (Poissonshe Integralformel).
a) Ist f eine auf D stetige und in D harmonishe Funktion, so gilt
f(z)= Z
2
0 P(e
i
;z)f(e i
)d:
b) Ist g :D!R eine stetige Funktion, so ist f gegeben durh
f(z)= Z
2
0 P(e
i
;z)g(e i
)d
harmonish in D.
) Es gilt
Z
2
0 P(e
i
;z)d =1 fur alle z 2D:
Beweis. Wirzeigen zunahst dieAussage b).
b) Fur festes 2[0;2)ist P(e i
;)der Realteilder in D holomorphenFunktion
z 7!
1
2 e
i+z
e i
z :
Somit ist P(e i;
) harmonish und dierenzieren unter dem Integral liefert f(z) = 0
furallez 2D.
a)Wirnehmen zunahst an,dass f ineinerkonvexen Umgebung U vonDharmonish
ist. Nah Satz 5.7 ist f der Realteil einer auf U holomorphen Funktion F, fur welhe
dieDarstellung
F(z)= Z
2
0 F(e
i
)P(e i
;z)d
gilt.Da P reellwertig ist, giltdiese Darstellungauh fur f =ReF.
Ist f wieinder Voraussetzung, sowahlen wireine Folge (r
n
)mitr
n
<1furallen2N
und lim
n!1 r
n
=1und betrahten
f
n
(z):=f(r
n
z); z 2D;n2N:
Dannistf
n
furjedesn 2N harmonishineinerUmgebungvonDund(f
n
)konvergiert
gleihmaigauf D gegen f. Daher gilt
Z
2
f
n (e
i
)P(e i
;z)d ! Z
2
f(e i
)P(e i
;z)d;
und also
f(z)= lim
n!1 f
n
(z)= lim
n!1 Z
2
0 f
n (e
i
)P(e i
;z)d = Z
2
0 f(e
i
)P(e i
;z)d:
) Dies folgtaus Aussage a) angewandt auf diekonstante Funktion f 1.
Die Poissonshe Darstellung liefert das folgende wihtige Resultat
uber das oben dis-
kutierte Dirihletproblem.
5.14 Theorem. (Eindeutige Losbarkeit des Dirihletproblems).
Es sei D = fz 2 C : jzj < 1g und g : D ! R eine stetige Funktion. Dann existiert
genau eine stetige Funktion u:D!R mit
a) u(z)=0 fur alle z 2D,
b) u(z)=g(z) fur alle z 2D.
Die Funktion u ist gegeben durh
(5.2) u(z):=
R
2
0 g(e
i
)P(e i
;z)d; z 2D;
g(z); z 2D:
Beweis. Zum Beweis der Existenz notieren wir, dass nah Satz 5.13b) die Funktion
u gegeben durh (5.2) in D harmonish ist. Den (etwas muhsamen) Nahweis der
Stetigkeitvonu auf D wollen wir an dieser Stellenihtausfuhren.
Nun zum Beweis der Eindeutigkeit von u. Hierzu seien u;v stetige Funktionen auf
D, harmonish in D und es gelte u = v = g auf D. Dann ist u v stetig auf D,
harmonoish in G und es giltu v =0 auf D. Das Maximumsprinzip besagt dann,
dass dieFunktion u v ihr Maximum auf D annehmen muss. Dahergiltuv.