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(1)Das Sklavenwesen in der Türkei

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Das Sklavenwesen in der Türkei.

Eine Si(izze, entworfen im Jahre 1858.

\'oii 1'. X. PUclion,

Königlich Preussischem Gesandtschaflsprediger zu Konsinntinopel.

Unter den christliciien llunianitätsbestrehnngen , welche in

dem Laufe uusers Jahrhunderts iu den meisten europäiscbeu

Staatsgebieten Bürgerrecht errungen Iiuben, nimmt der Kampf

gegen die Sklaverei eine der vornehmsten Stellen ein. Nach¬

dem die dänische Regierung sich den Ruhm erworben , auf ihren

westindischen Colonien den Sklavenhandel zuerst sehr beschränkt

uud danu schon 1803 gänzlich verboten zu haben, folgten jene

denkwürdigen und im Jahre 1807 mit dem ersteu Siege gekriin-

teo Keldzüge, die der christliche Humaoisnius io Bugland unter

der Führung eines William Wilberforce, Henry Thornton, Sir

Thomas Buxton unternahm uud mit gläubigeoi Muthe durchführte,

Bs ist bekaont, dass die Abscbatfuug des .Sklavenhandels, voo

der ersten franziisischeo Republik decretirt, vuu der Mehrheit

des englischen Parlaments seit 1807 auf die wirksamste Weise

angestrebt, aof dem Wiener Congress 1815 als eio wesentlicher

Grundsatz des christlichen Völkerrechts anerkannt wurde, und

dass demgemäss nicht nur vuu deo fünf christlichen Grussmäch-

teo , sondern vou alleo christlichen .Staaten Kuropas, zuletzt und

nothgedrungen auch von Spanien, Gesetze zur allmählichen völ¬

ligen Aufhebung des Skluveiiwesens nicht nur iu ihren europäi¬

scheo Gebieten , sondern auch in ibren aussereuropäiscben Colu-

oieo erlassen wurden. Innerhalb Kuropas schlössen sich au diese

Gesetze die mannigfaltigen Bestrebungen für Aufhebung der Leib¬

eigenschaft, Ablösung der Frohndco und anderer Feudallasteu,

Verbesserung der Lage der sogenannten arbeitenden Volksklasseo

u. 's. w. ao , die bis io uusre Tage dus mit ernster Kntschlos-

seobeit erstrebte Ziel erleuchteter Regierungen und freier Ver¬

einigungen der hochgesinnten Geister unsers Jahrhunderts bilden.

An alleu diesen segensreichen Reformeo , die allerdiogs we¬

sentlich von dein Mutterbodco eines von Herzen gläubigen uud

iu Bruderliebe tbätigen Christentbums ausgegangen sind, hatte

uur Kin Reich , das Buropo mit seioer Hauptstadt und fast der

(2)

Pischon , das Sklavenwesen in der Türkei. 243

Bälfte seiner Unterllibnen angehört, bis in das Jabr 1855 keinen

oder fast keinen Antbeil , — das osinaniscbe. Hatte dieses Reich

bereits seit dein Vertrage voo Curlowitz (1699) aufgehört eioe

das christliche Buropa bedrohende Machtstellung einzunehmen, so

War es doch bis auf Muhmüd II. zu keiuem cbristlicbeo .Staate

io dauernd freundscbaftliclie Beziehung getreten uud befand sich

namentlich mit seinen christlichen Nachbarstaaten fortdauerod auf

dem Fusse eines voo beideo Seiten häufig und blutig uoterbro-

cbeoeo Waffenstillstandes. Unter diesen Verhältnissen kunnte

nicht erwartet werden, dass der türkische Despotismus den F"or-

derungen der christlichen Civilisation in Bezug auf die Sklaven¬

frage Concessionen mnclien würde Ja, die Schrecken des Skla¬

veuwesens sullten gerade im osmaoischeo Reiche ooch eiomal im

Laufe des 19. Jabrbunderts Buropa mit Klaggeschrei uod Ent¬

setzen erfüllen. Deun wenn schon der Türkensäbel nicht mehr

in Beutezügen auf christlichem Boden Tausende zu Gefangeoeo

macbte und aus ihrer Heimath in die Sklaverei trieb, so muss¬

ten docb das aufgestundene Griechenland, der Archipel und die

insurgirten Theile Macedoniens und Thessaliens in dem dritten

Decennium unsers Jahrhunderts die Sclireckensscenen auf osina-

oischem und griechischem Gebiete sich wiederholen sehen, die

früher an den Gränzen des Reichs so häufig stattgefuoden hatten.

Die Einwohnerschaft ganzer .Städte und Inseln, z. B. Chios,

Fsura, Kydonia u. a., wurde, soweit sie nicht im Kampfe fiel

oder entfloh, als kriegsgefangen io die Sklaverei geschleppt,

viele Tausende von griechischen F'rauen und Jungfrauen in die

türkischen Harems gebracht und eine oicht gerioge Zahl voo

griechischen Knaben zu Verschnittenen gemacht oder noch grös¬

serer Schmach unterworfen.

Diese GräucI mussten aufhören, weun christliche Staaten dem

wenkenden Osinauentbum Beistand uud Unterstützung gewähren

sollten. In der That haben die Schutzmächte der Christen in

der Türkei seit der Zeit des griechischen Aufstaudes nicht ab¬

gelassen gegeu deu Skluveobandel , insofern er Christeo betraf,

zu protestiren. Veranlassung und Gelegenheit Christen-Männer

oder Weiber zu .Sklaven zu machen oder uls Sklaven zu ver¬

handeln hat seither aber fast gänzlich gefehlt, bis der letzte

orientalische Krieg eintrat. Da hätte es fraglich werden können,

ob die russiscben Kriegsgefangenen auf den Sklavenmärkten zu

Constantinopel, Smyrna, Cairo und Tunis wie in den frühern

Kriegen verhandelt werdeu würden. Die Furage wurde voo Nie-

luaod aufgeworfeo , weil sie durch deo entscheidenden Umstaod

beantwortet war, dass zwei christliche Grossmächte die an der

.Spitze der Kriegsführung steheodeo Alliirteo Sultan Abdulme-

^id's waren. Die russischen Kriegsgefangenen wurden nach

den Grundsätzen des christlichen Völkerrechts behandelt und in

Stambul selbst voo dem türkischeo Volke mit besonderer Milde

16*

(3)

und Theilualime verpflegt. — Der Ausgang des Krieges, die

Freigehuug des Handels auf dem schwarzen Meere und die Ga¬

rantie, welche der Pariser Vertrag für das Fortbestehen der

Türkei als eiues berechtigten Gliedes im europäischen Staaten¬

bunde übernahm, haben in Uezug auf das .Sklaveuwesen im os¬

manischen Reiche nicht uhne Wirkung bleiben können. Diese

Folgen sind bis jetzt erst in einzelnen Anordnungen der türki¬

schen Regierung hervorgetreten , die in Europa wenig bekannt

geworden sind. Sie sind aber wichtig genug um die Aufmerk¬

samkeit christlicher Humanitätsfreunde auf sich zu lenken , weil

sie ohoe Zweifei buld zu weitero Schrilteo io derselbeo Richtung

und zunächst zu bedeulenden Erleichterungen des Looses der

Sklaven wenigstens io dem europäischeo Theile dieses Reiches

führeo werden.

Um diesen Gegeostaod aof erspriessliche Weise zu erörtero,

wird es jedoch oötbig seio, zuvörderst deo wirklicheo Zostand

der Sklaven io der Türkei zu heleuchteo , um dann weiler zu

untersuchen , in welcher Weise und auf welcbem Wege die all¬

mähliche Abschaffung der Sklaverei hier wünschenswerth und

erreichbar ist.

Die .Sklaverei hat unter den orieotaliscbeo Völkern zwar

bis auf deo lieotigeo Tag eine grosse Zahl von Verbrechen

gegen persönliche Menschenwürde und sociale Gesittung in ihrem

Gefolge , sie ist jedoch uoter dieseo Völkern niemals zu einem

Verhältniss geworden, welches der rechtlichen ood sittlichen

Regelung absulut und durchaus entbehrte. Sie ist genau su alt

wie der oatürliche Mensch und die Unterschiede der natürlichen

Begabung, und besteht so lange fort bis der Geist der Kind¬

schaft Gottes in Christo Jesu diese Unterschiede aufhebt, nach

des Apostels Worten: ,, Hier ist keio Uoterschied, weder Jude

noch Grieche, weder Knecht noch F'reier; wir siod durch

Eiuen Geist alle zu Einem Leibe getauft" (1 Cor. 12, 13. Gal.

3, 28. Col. 3, 11.). So lange die Theokratie im Alteo Bonde

eine gesetzliche Anstalt war, hatte auch sie bekanotlich die Kraft

nicht, die Sklaverei aufzuheben. Aber sie umschränkte dieselbe

mit Verordoungeo , die daraof hiouosgiogeu , auch dem .Sklaven

und der Sklavin einen gewissen Grad voo freier Selbstbethätiguug,

voo Schutz wider gewultthätige Rohheit ond voo Betheiligung

an religiöser Festfreude zu sichern (Exod. 20, 19. 21, 20 ff.

Deut. 12, 12. 18. 16, 11. 14.). Voroehmlicb aber gestattete schon

das mosaische Gesetz .Sklavenhandel unter dem eignen Volke oicht

(Levit. 25, 44 ff.). „Willst du leibeigeoc Koechte und Mägde

liaben, so sollst du sie kaufen von den Heideo, die um

euch her sind, voo deo Gästen, die Fremdlinge unler eucb

sind, und von ihren Nachkommeo, die sie hei euch in euerem

Lande zeugen, dieselben sollt ihr zu eigeo haben. Und sollt

jie besitzen und eure Kioder nach euch, zum Eigenthum für und

(4)

Pischon, das Sklaventcesen in der Türkei. 245

für. Die sollt ilir leibeigene Knecbte sein lassen.

Aber über eure lirüder, die Kinder Israel, soll kei¬

ner des iin dern berrscben mit der Strenge." Nur wenu

sicb Kinder Israels iu Zeiten der Notb freiwillit; ilirem Näcbsten

verkauften, war es erlaubt sie als .Sklaven bis zum Halljalir zu

bebalten. Doch auch bis dahin stand den .Sklavn oder denen, die

an ibrem .Schicksale Theil uahinen, frei, sie für eineu der Ferne

oder Nähe des Halljahrs entsprechenden l'reis loszukaufen. Von

dem patriarciialischen Verhältuisse, in welchem die Herren so¬

wohl iu Israel als Aegypteo mit vielen ilirer Sklaven lebten,

geben die Bücher des Alten Bundes vielfältige Beispiele (vgl.

Gen. 15, 2. 24, 2. 30, 3. Exod. 21, 9. 1 Chron. 2, 35., die Ge¬

schichte Josephs u. a. m. ). — Diese auch bei den Juden der

exilischen und nachexilischen Zeit grossentheils io Geltuug ver¬

bliebenen Groodsätze waren jedenfalls nicht ohne Eiollüss auf

die Aussprüche des Korans über die Behandlung der Sklaven.

Wie in tausend anderen Beziehungen ist der Koräo auch in sei¬

nen Bestiiniiiungen über das .Sklaveuwesen nichts als eine den

zeitlichen und iiitliclieu \ erliältuissen , unter denen der arabische

Religionsstifter lebte, accommodirtc Nuclialiinung des Alten Bun¬

des ohne den heiligen Geist desselben. Der Korän gebietet zwar

die .Sklaverei nirgends und unterwirft keineswegs etwa die An-

dersgläuiiigeii uder die Schwarzeo schlechthin diesem Loose. Er

setzt stillschweigend voraus, dass (j^riegsgefaugene Sklaven wer¬

den , und ändert an diesem Rechte des Stärkeren nichts. Die

.Sklaverei ist ihm ein tbatsächlich und nothwendig vorhaodeoes

Institut, das zum Wohlbefinden der Freien gehört und io wel¬

chem die Unfreien auf .Selbstständigkeit verzichten, sonst aber

io wohlwollende Fliege genooiiiien werden müssen. Eine theore¬

tische Anerkennuog der orsprüngliclieu Gleichberechtigung aller

Menscben zur Freiheit findet sich allerdings im Korän, weun es

in der 4, .Sure liinsiclitlicli der Ehe zwischen Freien und Skla¬

vinnen heisst: ,,llir seid ja alle Eines Urspruogs". Uod

dieselbe .Sure knüpft an diesen Grundsatz die philanthropische

Ermahnung: ,,Seid gütig gegen eure .Slil a ven, denn

.Stolze und Huchmüthige liebt Gott nicht!" — Die Sklaven sol¬

len vielmehr als dienende Glieder des Hauses , die aber uobediugt

den Willen des Gebieters zu erfüllen haben, angesehen werden.

Die niuhainmedanische Frau darf sich vor ibreo Sklaven, wie vur

ihreu \ äterii , .Söhnen uud Brüdern uoverschleiert zeigen ( Sure

24, 33;. Die gehorsame moslemische Sklavin ist voo frommen

Eltern dem freien Sohne und Erben des Hauses viel lieher in

rechtmässige Ehe zur Frau zu geben als die freie Götzendienerin

(Sure 4). „Nehmt keioe Götzeodienerinuen zur F'rau , bis sie

gläubig gewordeo siod. Deoo wahrlich, eioe gläobige Skla¬

vio ist besser als eioe (freie) Götzendienerio, weoo

sie euch auch nocb so sehr gefiele" (Sure 2). In diesen und

(5)

ähnliclien SteUen gebietet der Koran eine entschiedene Anerken¬

nung der geistigen Vorzüge, welclie sich an Sklaven und Skla¬

vinnen finden können. (Jnd dem entsprechend empfiehlt er den

Herren die Freilassung ihrer Sklaven als ein Gott unter ge¬

wissen Bedingungen wohlgefälliges Werk. ,,Uenjenigen unter

euren Sklaven , welche einen Freischein wünschen,

schreibt einen solcheo, wenn ihr sie als rechtschalfen

kennt, und gebt ihoen von dem Reichtbum Gottes, welcbeo Fr

euch geschenkt" {.Sure 24.). „Zwingt auch eure Sklavinnen,

weno sie ehrbar und keusch seio wollen , nicht zur Hurerei um

des Gewinnes willen." — Diesen Krmalinungen , die nach ihrem

Wortlaut doch meistens mehr das Gepräge des Anenipfoblenen,

als des schlechthin Gebotenen tragen , treten indessen nndere

Aussprüche des Korans entgegen, die den Werth jener erstern

bedeutend vermindern. Der Sklave und die Sklavio gelten denn

doch, so luogu sie in der Knechtschaft sind, nur wie zu steter

Unmündigkeit verurtbeilte Menschen, die oichts besitzeo, deoeo

oichts gehört. Wie Gott über deo Menschen, so steht der Freie

über seinem Knecht (Sure 16 u. 30.). .Sklaven und .Sklavinnen

sind Güter, die Gott den Freien aus Gnaden zutbeilte (Sure 33.),

Unter die von Gott erlaubten VVeisen , diese Güter zu benutzen,

rechnet der Koräo ausdrücklich den geschlechtlichen Umgang des

Hausherrn mit deu vou ihm erworbenen .Sklavinnen, mögen ilie-

selben vordem verheirathet gewesen sein , oder nicht (.Sure 4, 23.

Sure 66, 1.) „Glücklich siod die Gläubigen , die sich vor fleisch¬

licher Berührung hüten, mit Ausnabme ihrer Frauen und .Skla¬

vinnen , denn dies ist unsträflich." ,, Warum willst du zu Uiier-

laubtem machen was Gott dir erlaubt bat'^' liier verstattet der

Koräo offeobar Unzucht , wenn sie nur nicht ausserhalb der

Gränzen des Hauses und um des Gewinnes willen getrieben wird

(s. o.) '). .So wird der Sklave und die Sklavin zu einer Art

Zwitter zwischen dem freien Menschen uod dem Thier; doch mit

merklichem Unterschiede in ihrer Haltung und Stellung , je nach¬

dem sie in die Thätigkeit der Freien nützlich miteingreifen,

oder hauptsächlich zur Befriedigung sinnlicher Begierden be¬

nutzt werden.

Auf diesen Grundlagen hat sich wie io allen muliaininedani-

schen so auch io deo osmanischen Ländern das Sklavenwesen

weiter aosgebildet und bis auf beute erhalten. Die Sklaven bil¬

den in allen muhammedanischen Staaten einen so bedeuteodeo

Theil der Bevölkeruog, dass auch das moslemische Recht nicht

umhin gekooot hat, ausführliche und specielle Bestimmungen über

ihre Erwerbung, Behandluug und resp. Freilassuog aofzustelleo.

Das Sklaveorecht hildet eine Abtbeilung des Civilrecbts und

1) Vgl. dagegen 5 Mos. 21, 11 — 14. Wieviel höhere Humanität hälte .Vluhammed uus dem Allen Bunde lernen können !

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Pischon , das Sklavenwesen in der Türkei. 247

wird von den muliaininediinisclien Reclitsgelelirten in der Lebre

von den Verträgen (^oLcLfijt) abgehondelt ■),

VVir wollen ons eine Uebersiclit der Bestimmungen des mu¬

bammedaniscben Sklavenrecbts versebaffen , indem wir zonäcbst

von der Krwerbuog der Sklaven, sodunn vou ibrer Behandlung

und Verwendung uud endlich von deo verschiedeoeo Arteo und

Graden der Freilassung sprechen.

l. Die. Erwerbung. Sklaverei entstellt rechtlich nur aus

deo Folgeo des Krieges reclitgläobiger Muhammedaoer gegen

Ungläubii^e, seien die letztem nuo Beideo , ' Christen , Juden oder

irrgläubige Muliamniedaner. Die Kriegsgefangenen beiderlei Ge¬

schlechts gehören dem, der ihrer habhaft wird. Bei Eroberuog

VOD Siädteo oder Wegoabme feindlicher .Schiffe durch osmaoische

Truppeo gehöreD voo Reclitswegeo 20 Procent der Kriegsge¬

fangenen der Regierong; die übrige Beute wird unter die Sieger

nach Verbältniss des Ranges vertheilt. Seitdem es muhammeda¬

nische Staaten verschiedener Bekenntnisse (.Sunniten und Schiiten)

giebt, sind die Kriegsgefangenen die sie gegen einander mach¬

ten auch als Sklavenbeute betrachtet wordeo.

Da in glücklichen Kriegen von deu muhammedanischen Trup¬

pen in der Regel viel mehr Kriegsgefangene gemacht wurden,

als dieselben für sich zu behalten gesonoeo wareo, staod es den

Besitzern frei dieselben zu verkaufen. Dazu wurden in allen

grossem nioslemiscbeo Städteo öffeotliche Sklavenmärkte einge¬

richtet, auf denen die Kriegsgefaogeoeo verkauft und wieder

verkauft werden köonten. Sehr früh geschah es aber, dass die

sich mit diesem Gewerbe befassenden Sklavenhändler nicht hloss

Kriegsgefangene, sondern sowohl Weisse als .Schwarze, die durch

Menschenraub oder Kauf oder eigneo Eotschluss io ihre Hände

kamen, auf diesen Märkten mit zum Verkauf ausstellten oder in

eigens zu diesem Zweck eingerichteten Häusern unterhielten und

je nach Gelegenheit verkauften. Dies ist durch kein positives

inuhammedanisches Gesetz je erlaubt gewesen , wohl aber all¬

mählich ädet (Gewohnheitsrecht) gewordeo.

Fortgepflanzt wird der Zustand der Sklaverei von Rechts¬

wegen durcli jede Ehe zwischen Sklave und Sklavin oder durcb

ausserelieliche Verbioduugen , die Sklave oder Sklavio ohoe Er¬

laubniss des Herrn eingehen. In beiden Fällen gehören die Kin¬

der, sowohl Knaben als Mädchen, dem Besitzer der Mutter.'

Jeder freie Moslem und jede freie Moslemio ist oach dem

Gesetz berechtigt Sklaveo uod Sklaviooeo zu besitzen. Aucb

Ungläubige (Christen und Juden , aber nicht Götzendiener) dürfen

1) Vgl. Nioulans v. Tornanw : Dns Moslemische Recht aus den Qnellen dargestellt. Leipzig, 1855. S. 176 ff.

(7)

Sklaven und Sklavinnen besitzen. Wenn diese letztern aber zum

Islam übertreten, so muss ibre ungläubige Herrscbaft sie gegen

Geldentscbädigung an eine muhammedaniscbe Herrscbaft über¬

geben lassen , wenn sicb eine solcbe findet.

Gegenwärtig ist in dem gesammten Umfange des türkisclien

Reichs die ursprünglich erffiebigste Quelle . der Sklaverei, näm¬

lich die Führung des Glaubenskrieges (^ihäd) wider Ungläubig!»,

versiegt. Die für die Sklavenmärkte bestimmte Waare wird

daber anderweitig aufgebracht: die Schwarzen meist durch

Menschenraub aus dem Scnnaar, Kordofan, Darfur, Nubien und

andern Gegenden des innern Afrikas; die Weissen meist durch

freiwilligen Verkauf von Seiten ihrer Anverwandteu in den un¬

abhängigen Ländern des Kaukusus (Lesghicrinnen , Daghestane-

riooeo , Georgierinnen, selteo Mäooer). Oder die zum Verkauf

Gestellten sind schoo voo früherher im Sklaveostande oder Skla¬

venkinder voo Geburt.

Es mag hier gleich bemerkt werdeo, worauf wir uoteo wei¬

ter zorückkommeo , dass der öffeotliche S k I a v e o h a o d e I

vom regiereodeo Sultao Abdulmegid seit dem J. 18.55 verboteo ist.

Diesem Verbote gemäss ist die öffeotliche Abhaltuog der

S k I a V e n m är k t e seit 1855 zunäclist in Coostantinopel, sodaun

in Smyrna, in Alexandrien und Cairo eingestellt worden. Dieses

Verbot (jasäk) wird, soweit europäiscbe Ueberwachung reicht,

befolgt, erstreckt sich aber oicht auf deo im Innern der Häuser

betriebenen Handel.

Nacb wie vor ist also im osmaoischeo Reiche jeder Freie

berechtigt Sklaven zu kaufen, zu miethen, zu verkaufen uud zu

Vermietben, auch Sklaven durcb testamentarische Verfüguog oder

Schenkung zu erwerben und sie auf dieselbe Weise an .Andere

zu überlassen.

Das Recbtsverbältniss der Sklaven als solcher zu ibreo Her¬

ren wird im Türkischen durch das persische Wort heodegi aus¬

gedrückt; der mäooliche Sklave heisst bende (pers.) oder kul

(türk.), die Sklavio chalaik (>_Aj.^li>- arab., eig. Creatureo, Plur.

für Sing.). Der (ursprünglich arabische) Ausdruck jesir (stutt

esir ^_A_A»I ) bezeichnet gleich dem griechischen alxnuXuiTog

eigentlicb einen Kriegsgefangenen.

2. Die Behandlung und Verwendung der Sklaven.

Die Sklaven gehören nach der einstimmigen Erklärung der mu¬

hammedanischen Rechtsgelehrten zu dem beweglichen Be¬

sitzthum ihrer Herrschaft, sie sind mülk, d. h. aus freier

Hand veräusserlich. lonerhalh der Hausgeoosseoschuft, io die sie

aufgenommen sind, haben sie Anrecht auf Verpflegung, Beklei¬

dung, Erziehung wie die Kinder des Hauses. Aher als Sklaveo

bleiben sie unmündig und in Allem dem Willen des Herrn oder

der Herrin untergeordoet. Der Herr oder die Herrio köooeo die

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Pischon , das Sklavenwesen in der Türkei. 249

Sklaven zu jeder beliebigen Arbeit und Bescbaftigung verwenden.

Was Sklaven erwerben, gehört der Herrschaft. Sklaven bezahlen

keine Abgaben, sind auch nicht zur Wallfahrt uach Mekka ver¬

pflichtet, obgleich sie soost pheosogut als Moslims gelleo wie

Freie. Sie können, so lange sie Sklaveo siod, nichts erheo,

auch nicht Vormünder sein. Auch können sie ohue Kriaubniss

ihrer Herren keine gültigen Schuldverbindlicbkeilen eingehen.

Die Herrschaft ist berechtigt ihre Sklaven wegeu Ungehorsams

zu züchtigen, soll aber dabei sich vorsehen, dass sie den Skla¬

ven nicht die Augen oder andre Gliedmassen verletze. Recht

über Leben und Tod der Sklaven steht der Herrschaft nicht

zu. Weoo eine Herrschaft Sklaven oder Sklavinnen graosam

oder onoatUrlich behaodelt, so köooeo diese die Hi'rrschaft ver-

klageo , weon sie Zeogeo haben, uod die Obrigkeit soll die

Uerrschaft in Geld- oder andere Strafen uehmen .Auch soll die

Obrigkeit io solchen Fällen zusehen, die gemissliandelten Skla¬

ven wo möglich aus dem Ertrage der von den Mohammedanern

zu gemeinnützigen Zwecken erhobenen Abgabe zekät freizukau¬

fen, wenn die Sklaven Muhammedaner sind.

Vor Gericht gilt die Aossage von Sklaven alleio weder

gegeo ihre Herrschaft noch gegen andere Freie. Doch lässt das

Gewohoheitsrecht (ädet) Sklavenzeugniss nehen dem voo Freien

uod hie uod da auch alleinstehend zu. Werden Sklaven verklagt,

so muss ihre Herrschaft für sie mit eiostehn , wenn sie allein

oicht fällig siod die Strafen (oamentlicb Geldbusseii) zu leisten.

Für Trunkenheit werden Sklaven doppelt so streng gestraft wie

Freie ; für Diebstahl dagegen nur balb so streng. \'erstümme-

lungen an Sklaven ausgeübt werden nur mit der Hälfte der für

Verstümmelung freier Menschen bestimmten Strafe belegt. Hat

Jemand (unvorsätzlicli) eineo Sklaven getödtet, so zahlt er den

soost üblichen Ulutpreis nicht ganz, aber fast voll ao den Be¬

sitzer. Doch darf dieser Preis den Werth des Sklaveo, für deo

er gekauft wordeo war, oicht Ubersteigeo.

Aus allen diesen Bestimmungen der Gesetze und des Her¬

kommens erhellt deutlich, dass im Ganzen die Sklaven in den

muhammedanischen Staaten iu den durch den Korän angedeute¬

ten Rechtsverhältnissen verblieben sind. Bei den Türken, deren

Nutionalcharakter durch grosse Robe, Gerechtigkeitsliebe und

viel mehr Menschenfreundlichkeit, als man ihnen gewöhnlich zu¬

traut, ausgezeichnet ist, kommen F'älle grausamer Behandlung der

Sklaven sehr selten vor. Voo Plantagenarbeit, besoodero Skla¬

venaufsehern, Hetzpeitschen und Schweissliundeu , die man auf

dje Flüchtigen losliesse, ist in der Türkei nirgends die Rede.

Durchschnittlich werden treue Sklaven wie bei uns treue Knechte

und .Mägde gebalten und sind dem Hause sehr anhänglich. Skla¬

venkinder werden allgemein mit deu Kindern des Hauses erzogen

und erhalten im Ganzen denselben Unterricht wie sie.

(9)

Dennoch bleibt die Sklaverei auch im osmaoischen Reiche in

gewisser lieziehung eio entschieden unsittliches Institut, zu¬

nächst durch ihr auch hier proclamirtes Princip: die Vorenthal¬

tung der persönlichen Freiheit, der Selbstbestinnnong , des Eigen¬

besitzes u. s. w. , die an Menscben jeder Altersklasse ond jeder

geistigen Befähigung geübt wird. Besonders grell entwickelt

sich die hierdurch begründete (Jugcrecbtigkeit , wenn eine Herr¬

schaft ihren Sklaven oder ihre Sklavin zum mauküf d. h. zum

Gegenstaode einer frommen Stiftung maclit. Eine solche Verfü-

goog überträgt den Besilz des Sklaven oder der Sklavin für

immer unil ewig an üfl'entliclie Institute, — besooders Mos¬

cheen, — Oller auch au Private. .Sklave uod Sklavin, die durch

ihre Herrschaft zum niauköf gemacht worden sind , gehören dem¬

nach saniint ullen ihren Nachkommen der Körperschaft oder dem

Einzelnen an , dem sie vermacht worden sind. Für sie ist jede

Hoffnung frei zo werden auf ewige Zeiten dahin.

Diese, meist ans religiöseo Gründen und zum Besten reli¬

giöser Stiftungen gemacliteo Legate (wakf) sind gegenwärtig

nicht mehr sehr häufig. Desto allgemeioer uod , wie wir schoo

obeo erwähnten , auf einen ausdrücklichen Ausspruch des Kor¬

ans gegründet ist ein anderer Missbraucb der Herrengewalt

über die Sklaven und Sklavinnen, nämlich der der gesclilecht-

liehen li.e i w o Ii n u n g. Der Herr hat das unbedingte Recht

diese bei seinen .Sklavinnen auch ohne Eingehung der Ehe zu

vollziehen (s. o.). Die von dem Herrn mit Sklavinnen erzeugten

und von ihm anerkannten Kinder sind frei. Die .Sklavinnen selbst

dürfen, sobald sie vom Herrn schwanger geworden, nicht mehr

an andre verkauft und müssen gnt unterhalten werden. Soliald

sie eio lebendiges Kind geboren haben, heissen sie üniin-i-weied

(Kindermutter) ood haben Anwartschaft auf Freilassung (s. u.). —

Sklaven ood Sklaviooeo untereinander zu vcrbciratlien steht ihren

Herren unbedingt frei. Die Kinder gehören den Herren. -

.Sklavioncii an andre freie .Männer zur Beiwobnung zu geben ist

voo deo strengeren Scholeo (Hanefiteo, Haiibeliteo) nach .Sure 24

verboten , erlaubt nur dann , wenn diese Sklavinnen in Freiheit

gesetzt werden und dann mit den .Männern in wirkliche Ehe

treten. Doch ist die Praxis auch in diesem Punkte sehr lax.

Die äusserlich glänzeodsteo ood einflussreiclisteo Stellungen

habeo oatürlicb die Sklaveo und .Sklavionen der Hofhaltung des

Padiscbah. .Abgeschafft sind bei dieser Hofhaltung seit etwa 30

.lahren die weissen männlichen .Sklaven , die sämmtlich Verschnit¬

tene ') waren. Von denselhen existiren nur noch eine sehr be¬

schränkte , iminer mehr aussterbende Zahl , die als Wächter des

1) Die Verschneidunj; wird meistens in Aegypten und zwar — dureh die christliehen (!) Miiiiehc der kopliseheii Klüsler an den Salzsecu voll¬

zogen, die ein Monopol für dieses ahscheuliche Handwerk hahen.

(10)

Pischon, das Sklavemoesen in der Türkei. 251

vom Hofstaate des Sultans seit dem Aufstande der Janitscliareu

onter Malimud II. verlassenen alten Serails verwendet werden.

Dagegen gieht es noch .jetzt mehrere Hundert schwarze Ver-

sclioittpoe (Chadein, — als Aufseher der Frauen Lala genannt)

am kaiserlichen Hofe. Diescilien kommen alle aus Nubien und

Abessinien. Der oberste unter ihnen , der BnJUk Aga oder Kyzlar

Agasy, das „Oberhaupt der Verschnittenen", ist noch jetzt

eioer der höchsteo Würdenträger des Reichs. — Fr hat die

Oberaufsicht über das kaiserliche Harem. In dem kaiserlichen

Harem befinden sich ausschliesslich gekaufte, geschenkte oder

geerbte Sklavinnen, und zwar schwarze Sklavinnen (^ärie) zur

Verrichtung der gröberen Dienste der Haushaltung mehrere hun¬

dert. Auch die Anzahl der weissen .Sklavinnen des Padiscbah

soll 200 Ubersteigen. Da der Padiscbah nach türkischem Reichs¬

gesetz keine ebenbürtige Ehe schliesseo darf, um Frbfolgestrei-

tigkeiten und Ne|iotismus vorzubeugen , so wählt er sich aus

seineu weissen Sklavinnen 4 — 7 erste F'rauen oder Kad inen

(qi^Ij, aus dem ältern l'j>-''-^ erweicht), unter denen diejenige,

die den ersten Sohn gebiert, den Vorrang vor allen [Jcbrigen

erhält und als erste Frau des Reichs die höchsten Ehren ge¬

niesst. Kommt der .Soho dieser Kadin auf deo Tliruo, so erhält

sie den Beinamen Wälide (die Gebärerin, — .Sultanin Mutter) und

hat gewöhnlich eineu sehr bedeutenden Einfluss auf die Regie¬

rung des Reichs. — Nächst den Kadincn stehen im Range

12 Gediklik's, d. h. Privilegirte , Auserwählte, die den Padi¬

scbah persönlich hedienen. Die Uebrigen sind io Oda's (Zimmer)

getheilt, dereo jedes seioe besoudere Vorstelierio (Usta) hat.

.Alle zusammen sind aber der Oberhofineisterin (Ketclioda) unter¬

geordoet. Die noch im Kiudesalter stehenden Sklavinnen des

Sultans werden io besoudern, nach aussen streng abgeschlosseoen

Erziehungshäusern bis zur Mannbarkeit auferzogeo und ausge¬

bildet, daun aber dem Harem einverleibt.

Ehen freier Türken mit Sklavinneo sowohl aus dem Serail

des .Sultans als mit Sklavinnen des eignen Hauses werden sehr

häufig geschlossen. Oft halten die Mütter es für das Beste,

junge gelehrige Sklaviooeo our zu dem Zwecke späterer Ver¬

heirathung mit ihren Söhoen zu kaufen und aufzuziehen. Durch

Abschliessung der Ehe wird die .Sklavin zur freien Vrnu (Hanum

— zusammengezogen aus ^j^ld>^ Madame — oder Kadio). Dies

führt uos

3. zur Besprechuog der biosicbtlich der Freilassung der

Sklaven besteheodeo Gesetze und Gewohnheiten. Hier wolleo

die Fälle onterschieden sein, io deoeo die Freilassung durch das

Gesetz geboten ist, und diejenigen, in denen sie durch den

Selbstentschluss des Herrn zu Stuode kommt. Durch das Gesetz

geboten ist die FVeilassung der Sklavinnen, die von ihren

1 7

(11)

Herren Kinder Iiuben (Uinin-i-weleil), sobald der Herr stirbt, voraus¬

gesetzt dass das Kind oder die Kinder oocb leben. Niemand

d a r f n ä m I i c b nabe U I u t s v e r w a n d t e als .Sklaven hal¬

ten. Die .Sklavin würde nun zunächst als Tlieil des Krbes iu

den Besitz ihres mit dem freien Herrn erzeugten und deshalb,

wie oben bemerkt, von Natur freien Kindes übergclion. Da das

Kind aber uiclit die Alutter io Besitz haben kaun, so niuss die

Umni-i-weied deshalb frei werdeo. Tehersteigt der Werth einer

solcheo .S>!davin das rechtmässige Brbtlieil ihres Kindes, so muss

letzteres den undern Erbberechtigten Geld herausgeben, um die

Freilassong der .Mutter zu erwirken. Feroer müsseo mit schwerer

Krankheit, besooders mit dem Aussatz behaftete Sklaveo nach

dem Gesetz frei gelassen werden.

Jede Sklavin wird ferner dadurch frei , dass ein freier Mann

mit ihr nach den kannoischen Bestimmuogeo eine rechtmäs¬

sige Ehe schliesst.

Nicht nach dem Gesetz, aber nach sehr verbreitetem Ge¬

wohoheitsrecht werdeu die weisseo Sklavinnen freigelassen,

die ihren Herren Kinder gebären. Ebenso ist es ädet, männliche

Sklaven, wenn sie nicht schon als Kinder gekauft oder in der

Sklaverei geboreo sind, nach sieben- his neunjährigem Dienste

freizulassen. Um iu dieser Beziehung nicht in Ansjiruch genom¬

meo zu werden, verkaufen viele Herreo ihre Sklaveo kurz bevor

sie das siebente Dienstjahr bei ihoen volleodet habeo. Offenbar

ist in diesem Gebrauche der Loslussuog der .Sklaveo im siebenten

Jahre eine unmittelbare Reminiscenz aus dem alttestamentlichen Bundesrecht erhalten.

Diese Fälle gehören oun schon ganz unter die der F'reilus-

sung durch den Willen des Herrn. Man unterscheidet

hier deo 'ytk , deo tedbir uud die kitäbet als verschiedene Ar¬

ten der Freilassung. Alle diese Freilassungen gelten uls ver¬

dienstliche Werke, die durch einen hadis, d. Ii. einen münd¬

lichen , nicht in den Korän aufgennmineoen Ausspruch Muham¬

meds , allen Gläubigeo empfohlen wurden. Dieser hadis lautet,

wie (^übeir ibn Abdullah ihn aufbewahrt hat, folgendermasseo '):

„Der allmächtige Gott wird Jedem, welcher einen rccbtgläu-

„bigen Sklaven freilässt, von ewigeo Hölleostrafeu erlöseo,

„indein im Verhältniss zur Zuhl der freigelassenen Sklaven

„Theile des Körpers desjenigen, der ihnen die Freiheit sclienk-

,,te, vom ewigen Feuer werdeo befreit werdeo."

Demgemäss lässt es sich die muhammedanische Geistlichkeit in

ihren Ermahnungen an die Gläubigen besonders während der

Ramazän-Zeit angelegen sein, die Freilassung der Sklaven als

Gott wohlgefälliges oud voo Muhammed empfohlenes Werk zu

preiseo. Auch geschieht die Loskaufung voo Sklaveo, die Mu-

1) Vgl. v. Tornauw a. a. 0.

(12)

Pischon , das Sklavenivesen in der Türkei. 253

hammednner sind, zu holien Festen aus den durch die Religions¬

steuer zekät gesammelten kirchlicheo Geldero (s. o.).

Ist die Freilassuog, die der Herr freiwillig vollzieht, eine

unbedingte, so heisst sie "ytk. Sie wird ölfentlich vor min¬

destens zwei Zeugen durch das Wort des Freilasseodeo (mü'tik)

verkiiodigt, wenn er spricht: „Du (Name des Sklaven oder der

Sklavin) bist frei, Gott zu Gefallen" — d. Ii. deine Freispre¬

chung erfolgt rein in der Absicht, damit ein gutes Werk zu tbun

und einen böbern Grad der göttlichen Gnade zu verdienen.

Die Freilassung kann aber aoch in der Art gesclieben, dass

der Herr dafür eine Entschädigung von dem Sklaven

schriftlich stipulirt. Diese Fntschädigong heisst kitäbet

und muss in einer festgesetzten Frist geleistet werden. Sobald

der Herr vor Zeugen gesprocbeo: „Ich hahe dir ( Naoie des

Sklaveo oder der Sklavio) die mükjätebet für so und soviel er¬

theilt", ist der Sklave, der nuo mükjäteb geoaoot wird, oicht

mehr zu verkaufen, zu verpfänden oder zu verscheokeo, erhält

aber seine volle Freiheit erst oacb völliger Abzahlung der aus-

bedungenen Summe.

F)ndlich kann die Freilassung von dem Herro auch testa-

meotarisch für die Zeit seines Ablebens dem Sklaven gegen

beliebige vorher zu erfülleode Dienstleistungeo versprocheo wer¬

deo. Solche testamentarische Clausel heisst tedbir, der Sklave

auf den sie sich bezieht, müdebber. In der Regel aber sind

diese Clausein widerruflich, und geniessen die müdebber, so lauge

der Herr lebt, nur wenige Vorrechte vor gewöhnlichen Sklaven.

Diese Freilassung wird durch die Worte: „Du sollst frei sein

nuch meinem Tode" bescblosseo uod, wie die vorerwähote Art

der Freilassung, durch ein schriftliches Documeot verbrieft.

F'reigelassene Sklaven haben alle Rechte der Freien. Nur

im F'älle, dass sie keine Nachkommeo haheo, fällt ihr Vermögen

bei ihrem Ableben an die F'amilie ihres frühern Herrn zurück.

Freigelassene .Sklaven steigen nicht selten zu den höchsten Wür¬

den des osmanischen Reichs empor. So erzählt der Schriftsteller

Skarlatos Byzaotios iu seiner topographischeo , archäologischen

uod historischeo Beschreibung Cuostaotioopels ') folgeude Anek¬

dote aus des Sultans Muhammed IV. Zeiten, der gegen Ende des

17. Jahrhunderts regierte. Ein zum Mitgliede des Divan ernann¬

ter und durch seine kaustischen Bemerkungen bekannter voroeh-

mer Türke Namens Sari Kjatib Effendi kam eines Tuges zu

dem Aga der Janitscharen. Auf dessen Frage, ob er beute

schon im Divan gewesen sei, antwortete er: „Du willst sagen

auf dem Jesir-bäzär (Sklavenmarkt) , — da komme ich ebeo her".

f) 'H Kovaravrtvovnolie V na^iy^mpri r07toyQa<pi>tfj äoxaioXoyixrj xal larooiKtj rijs ne.Qio>vv/iov laviris fiiyaXonii.e(Os vno Sxa^Xäiov toü Bv- t,aviiov, 'A9^vr,aiv 1851. Tom. 1. pag. ♦lO.

(13)

Die Melirzalil der damaligen Vezire der Pforte wareo nämlicli

freigelassene Sklaveo, und wenn ihre Persooeo nicht mehr käof-

lich waren , so mochten es doch ihre Stimmeo und Rath¬

schläge seio.

Aehnliche Fälle hahen sich auch in spätern Zeiteo his auf

die Gegenwart öfters wiederhult. Kutschuk Husein Pascha,

ursprünglich ein gekaufter Sklave des Sultans Mustafa III. in

der Mitte des vorigeo Jahrhunderts, gelangte zu den höchsten

Reichswürden und starh als .Schwiegersohn von Mustafa's Nacli-

fulger, deiQ Sultan Abdulhumid. Der erst vur weuigen Jahren

verstorbene Cbosrew Pascha, einer der bedeutendsten unter den

türkischen Staatsmännern unsers Jahrhunderts, verwaltete unter

den .Sultanen .Mahmüd II. und Abdulmegid sechsmal das Amt des

Grossvezirats uud pflegte als achtzigjähriger Greis jedem , der

es hören wollte, zn erzählen, wie er einst, unansehnlich von

Gestalt, auf dem Sklavenmärkte zu Stambul für wenige hundert

Piaster zum Verkauf feil gestanden habe.

Die Preise der Sklaven wechseln selbstverständlich

nach ihrem Alter, ihren Fähigkeiten, ihrer Schönheit, ihren

Charaktereigenschaften. Im Allgemeinen sind die Preise während

des letzten Jahrzehnts im Verhältniss zu der Verringerung des

Geldwerths gestiegen. Der mittlere Preis eines ausgebildeten

starken schwarzen Sklaven soll gegeowärtig in Stambol 4—.5000

Piaster (2 — 300 Tbaler pr. Cour.) betragen. Weisse Sklavinnen

voo besonderer Schönheit sind mit 50,000 P. und mehr bezahlt

wordeo. Davoo, dass der Handel mit schwarzen Sklaven gegen¬

wärtig nicht öffentlich geduldet wird, habe ich mich anf den

frühern Stätten dieses Handels in Stambul selbst überzeugt.

Auch hat mir der frühere Aufseher des Sklavenmarktes bei der

Suleimän-Moschee ( Jesir^iler-kiahja ) versichert, öffeotlicher

Verkauf voo .Sklaveo ond Sklaviooeo sei io Stambol durchaus

jasäk , verboten. Uoter der Haod geht der Haodel dennoch

fort. Der mit weissen cirkassischen Sklaviuuen, meist in ge¬

wissen Kaffeehäusern der Quartiere Tophana und Galata betrie¬

ben, aher vor Kuropäero möglichst geheimgehalten, soll sich in

fortdaueroder Zunahme befinden. — Ueber die jährliche Zufuhr,

die Constantinopel an Sklaven hezieht, hestehen keine Register.

Früher wurden den Sklavenhändlern sogenaoote Ispen^e's oder

Pen^ik's d. h. Certifikate von der Regierung verkauft, durch

welche sie sich als rechtmässige Besitzer der von ihnen einzu¬

führenden Sklaven auszuweisen hatten '). Gegenwärtig hat seihst

diese Cootrolle aufgehört. — Weoo aber die Aooahme, dass

unter den Bewohoern Constantinopels uod des Bosporus sich

gegen 400,000 Muhammedaner befinden , annähernd richtig ist.

1) Vgl. Mouradgea d'Ohsson, Tableau de l'Empire Ottomau. Vol. Vll, pag. 56 ir.

(14)

Pischon . das Sklavenwesen in dm Türkei. 255

HO dürfte von diesen weoigstens der vierte Theil Sklaven nder

Freie^elussene sein. Soll die jährliche .Sterblichkeit unter diesen

huiiderttnusend , meist au ein viel südlicheres Klima gewöhiiteo

Bewohnern der Hauptstadt aucb uur uuf 2'. Procent berechnet

werdeo (wahrscheiulicb ist sie grosser), so müsseo jährlich un¬

gefähr 2500 Sklaven beiderlei Geschlechts eingeführt werden,

um die entstandenen Lücken auszutÜllen. Wenigstens vier Fünf¬

tel voo diesen werden in .Aegypten, die andern in den Gegenden

des onabhängigen Kaokasus gekauft und durch dortige Uoter-

häodler an die hiesigen Adressen befordert.

Lieber die Behandlung, welche die Sklaven bei den Türken

geniessen , sei hier noch Folgendes bemerkt. Nuch muhammeda¬

nischeu Rechtsbegrifl'en hat der Sklave seiner Herrschaft unbe¬

dingt zu geliurcbeo; auch ist er deo freieo Muhammedanern

gegenüber stets durch die Sitte verpflichtet seine Unterwürfig¬

keit in seinem gauzen äussern Verhalten zu erkennen zu geben,

Sklaven setzen sich nicht in Gegenwart der Herrschaft. Siu

haben keiuen eignen Besilz und künneo solchen uuch nie erlan¬

gen, wenn sie nicht unbedingt freigelassen werden. Selbst die

unbedingt Freigelasseneu werdeu, wenn sie nicht Leibeserben

haben , von ihren frühem Herrn beerbt. .Soweit dehnt sich das

Recht der Herrschuft über die Sklaven aus, dass dieselbe sie

nach Gutdünken verheiratheu uud diese Heirathen wieder auf¬

lösen kann, wenn sie will ■). - Uoch gütige Behandlung, ge¬

bührende äussere Verpflegung sind die Herren uacb Recht und

Sitte verpflichtet den gehorsamen .Sklaven angedeilieu zu lassen.

Zu harten Frohndiensten werden die .Sklaven selten verwendet.

Meist sind sie als Diener der Fersou oder dem Haose des Ge¬

bieters zugetheilt. Die Sklavenkinder geniessen häufig gaoz

deoselbeo Uoterricht wie die Kinder des Hauses. Macht eio

Sklave Schulden , so hat der Herr sie bis zum Werthe des Skla¬

ven zu bezahlen. Erkrankt eio Sklave, so lässt der Herr ihn

auf seioe Kosteo verpflegen. — Neuerdings mehren sich in Coo¬

staotinopel die Fälle, dass Sklaven oder Sklavinoeo aus deo tür¬

kischen Quartieren ihren Herrschaften eiitflieheu und in christ¬

lichen europäischeo Häusern Zuflucht sucheo. Das Kloster S.

Beoedetto io Galata hat ein eignes Asyl für solche flüchtige

Sklaveo eiogerichtet. Von der türkischen Polizei werdeo sie

unsers Wissens nie reclamirt , obwohl die mubummedanischeo Ge¬

setze im Flinzeluen bestimmen, auf wieviel Lobo die Aogeher

solcher flüchtigen Sklaven Seiteos der Herrschaften Anspruch

machen dürfen. Die entlaufenden Sklavinnen fallen leider oft

deo Kupplero io die Häode, die — zur Schmach des christlichen

Namens — in den fränkischen Stadtvierteln Constantinopels ihr

schamloses Handwerk uogestört hetreibeo dürfen.

1) Mouradgea d'Ohsson a. a. 0. VI, 2 ff.

1 7 ♦

(15)

Da UDVorsätzliclie Verletzung oder selbst Tödtung eines

Sklaven nach tUrkiacbem Gesetz deo Herro oicbt strafbar macbt, so

ist die persönliche Sicherheit der Sklaven ihrer Herrschaft gegen¬

über rechtlich wenig gewährleistet. Allerdings soll der Herr deo

Sklaveo nicbt grausam zUchtigeo , ihm keine Gliedmasseu (na¬

mentlicb kein Auge) verletzen , — das Gesetz bestimmt zum Theil

strenge Strafen für dergleichen Misshandlungen —, aher wie selten

kann dieser Gesetzesbuchstabe iu .Anwendung kommeo, da das Zeug¬

niss de.. Sklaven wider deo Herrn keine oder doch our eine sehr

beschränkte Gültigkeit bat. Zuweilen allerdings haben türkische

Gerichtshöfe das Zeugniss von Sklaven gegeu ihre Herrn gelten

lassen , wie Charles White in dem 2. Bande seiner „Tbree years

at Cunstantinople " einen denkwürdigen derartigen Fall erzählt.

Der Besitzer des Sklaven wurde durcb des letztern Zeugniss

einer Mordthat überwieseo erklärt ood demnacb zum Tode ver¬

urtbeilt. — Aus demselben Bucbe verdient hier die willkürliche

Hinrichtung Erwähnung, die der Kapudan Pascha Mebmed Ali

vor etwa 20 Jahreo aus Eifersucht über eioeo seiner Sklaven

verhängte. Diese That wurde jedoch, als sie ruchbar gewordeo,

durch die öffentliche Missbilligung sowohl des Sultans als der

europäischeo Diplomatie gebraodmarkt ood oöthigte den Sultans¬

schwiegersohn seioe Mioisterstelle niederzulegen.

Die bedeutendste Concessioo, welche die türkische Regie¬

ruog in unserm Jahrhuodert der öffentlicbeu Meinung des christ¬

lichen Europa io der Sklavenfrage gemacht hat, bleibt das durcb

die vereinten Bemühungen Englands und Frankreichs im Jahre

1855 durchgesetzte Verbot des öffentlichen Sklaven¬

handels. Durch dieses Verbot entsagte die türkische Regie¬

ruog stillschweigeod zugleich dem scbon seit 1827 oicht mehr

voo ihr geübten Rechte, die Kriegsgefangenen, die ihre Heere

im Kriege mit fremden Staaten machten, auf Sklavenmärkten zu

verkaufen. Die Sklavenmärkte wurden ja gleicbzeitig in allen

grössern Städten des osmanischen Reichs geschlossen. Doch war

es keineswegs die Absiebt der Pforte, die bierio, wie bei den

meisteo ihrer anderen Reformen , getrieben durch europäische

Grossmächte, ihrem eigenen VVunscIi und Willen entgegen han¬

delte, die Sklaverei selbst abzuschaffen und den .Sklavenhandel

gänzlich zu unterdrücken. Unter der Haod dauert dieser Haodel

vielleicht io grösserem Umfaoge als früher fort. Wie wenig es

für europäische Behörden gerathen ist, in den Proviozen auf

eigene Hand die Unterdrückung dieses Handels zu versuchen,

zeigte sich im Jahre 1857 zu Trapezunt. Das russische Coo-

sulat an diesem Orte stellte bei dem Anlanden mehrerer tscher-

kessischer Schiffe mit Töcbtern der kaukasischen Gebirgsbewoh¬

ner, die zum Verkauf in die Harems voo Coostaotioopel bestimmt

wareo, die Furderuog ao die türkische Stadtobrigkeit, sie solle

diese Schiffe festoehoien und die Tscherkessinoeo io Freiheit

(16)

Pisckon , das Sklavenwesen in der l'ürkei. •157

.setzen. Diesem Verlangen wurde tiirkischerseits insoweit gewill-

fahrtet, dass den Passagieren jener Schiffe im Beisein eines Be¬

amten des russischen Coosulats von Ohrigkeitswegeo erklärt

wurde, sie seieo frei uod eio Jeder köooe hiogeheo, woliio er

wolle. Die einstimmige Antwort der Mädchen aher war, duss

sie alle nach Constantinopel wollteo uod keine sich nach den

Bergen ihrer Beimath zurücksehne. Als das russische Consulat

sich bei dieser Erklärung nicht beruhigte, soodero die Sequestri-

rung der Schilfe verlangte, versammelte sich die Besatzung sämmt¬

licher tscherkes&iscber Schilfe, die im Hafen vor Aoker lageo,

zog io voller Bewaffnung vor die Häuser der europäischeo Coo-

sulo und drohte mit Demuliruog derselben, wenn auf die Schiffe

Beschlag gelegt würde. Diese Demoostratioo hatte zur Polge,

dass das Ansiooeo des russischeo Consulats von der türkischen

Behörde zurückgewiesen wurde und die tscherkessische Flottille

ihren Weg ungestört nach der Reicbshauptstadt fortsetzen durfte.

Diese uod äholicbe Ereignisse beweisen, dass an eine wirk¬

liche Abschaffung des Sklavenhandels in der Türkei nicht eber

zu denken ist, als bis der Sultan und die vornehmsten Familien

des Reichs sicb entschliessen, ibre Harems abzuschaffen. Die

Bedienung der F'rauen des Harems nöthigt die Muhammedaoer

geradezu sicb Sklaveo zu halten, da sich keine ehrbare F'rau

(vgl. Sure '24 u. 33) vor freien Männern — es seien denn ihre

nächsten Anverwandten — unverschleiert zeigen durf. Die Be-

sorguog häuslicher Geschäfte, soweit sie Mäonerarbeit sind, kann

daher, wenn Frauen oder Jungfrauen zugegen sind, bei den Mu¬

hammedanern in der Regel nur durch Sklaven verricbtet werden.

Die Sitten, die der Koräo geheiligt, werdeo aber uoter den

TUrken auf keine andre Weise zu brecben sein , als durch Re¬

ligionsänderung , Bekehrung zum Christenthum, — und zwar

nicht einzelner bedeutungs- uod einflussloser lodividuen, was zur

.Aenderung der Volkssitten zuoäcbst nicht viel helfen kann, sondern

der Inhaber der Macht und Autorität. Die FUlle aller Autorität

aber ist oach türkischen Begriffen Fleiscb geworden im Hause

Osman. So laoge dieses Haus nicht zum Christenthum übertritt,

ist auf grossartige Missiooserfolge uoter der tUrkischen Nation

keine Aussicht. Wie es mit dem Glauben des Padiscbah stebt,

so steht es im Grosseo uod Ganzen auch mit dem Glauben der

Osmanlis. Und nach dem Glauben richten sich die Sitten. Dieser

Glaube hat jetzt noch die Formeo des Muhammedaoismus , —

docb das iaoere Lebeo ist ibm entschwunden. Selbst als Fana¬

tismus zeigt sicb unter den eigentlichen TUrken ■) die Kraft

1) Viel mehr zum Fanatismus neigt sich der Araber, der Kaukasus- bewohaer und der indische Muhammedaner.

Bd. XIV. 17

(17)

des Islam nur liöchst selten mehr. -- Duch ist auch für die Be¬

kehrung des Hauses Osman his jetzt weder durch die naiven Vor¬

schläge des römisch-katholischen Griechen Pitzipios (in seiner

neuesten Schrift L' Orient et les r^formes de la Turquie. Paris

1858) noch durch die dem Sultan im Auftrage der British and

Foreign Bible Suciety überreichte Prachtbibel Aussicht gewon¬

nen wurden.

Bevur das türkische Volk ein christliches wird, bleibt alles

Reformiren an seinen Sitten, Lebensgewohuhciten und Gesetzes¬

einrichtungen .Stuck- und Flickwerk. Doch muss vor der Haod

aucb hieriu eiue vorläufige Annäherung zum Bessern erstrebt

werden. .So lässt sich auch in Itezug auf das .Sklaveuwesen,

bevor das türkische Volk zur Aooahoie des Christenthums kommt,

our Biozeloes als Palliativ gegeo die schlimmsteo Auswüchse

dieses uosittlicheo lostituts jetzt schun anratben.

Bs durfte zunäcbst eifrigen und menscbenfreundlicheo Ver-

tretero der europäischeo Grossmächte wobl gelingen, die .S k I a-

veujagden dauerud zu verhindern, welclie uoch in den letzt-

verflosseoeo Jahrzehoteo auf Befehl vuo Regierungen , die der

Pforte tributär sind (.Aegypten, Tripolis, .Sennaar), im Innern

Afrikas stattgefuoden habeu. Alle Grausamkeit des Menscheo-

raubes uud alle Gräuel der Unzucht werden hier fort und fort

ao den widerstaodsoofäbigeo Bewolioero Nubieos, Kordofans und

der libyschen Wüste ausgeübt. Diese Sklaveujagden erlaubt der

Islam ebensowenig als das Cbristentbum , du sie vun den lUu-

hummedaneru selbst nicbt als ^iliid ( Religiunskrieg) betrachtet

werden. Vereinigte Reclamatiooeo der christlichen Grossmächte

gegen diese Gräuel würdeo die Absetzung der Schuldigen und

die Binstellung dieser Frevel weoigsteos io vielen Fälleo zur

Folge habeo. Auch die türkischeo Greozprovinzeo nach dem

Kaukasus hin, io deoen zuweilen äholiche Gewaltthateo mit

Vorwissen türkischer Grosseo ausgeübt werdeu, wären hier ios

Auge zu fasseo.

Feruer köunen sich die Beamteten christlicher Mächte im

Orient dadurch Huinuuitätsverdlenste erwerben , dass sie den

ölfentlichen Verkauf der Sklaven, wo er noch stattfindet oder

wieder ans Tageslicht treten sollte, auf Grund des vom Sultan

erlassenen Gesetzes hintertreiben und, wo .Sklaven grausam be¬

handelt werden , ihnen Schutz und Unterstützung angedeihen

lussen, beziehungsweise die für solche Fälle iu den türkischen

Gesetzen vorgesehenen .Abhilfen zur DurchfUbriiug bringen.

Endlich durfte es nicbt unmöglich sein, dass die Gross¬

mächte von der Pforte einen Erlass in Uehereinstimmung mit den

allgemeinen Verurdouogeo des Hatt-i-humäyüu vom 18. Februar

I85t> über die .Stellung der .Sklaven in rechtlicher und socialer Beziehung erwirkten, wobei namentlich die Rechtsfähigkeit

der Sklaven uuter nähern Bestimmungen, resp. Einschränkun-

(18)

Pischon , das Sklavenwesen in der Türkei. 259

geo, ausdrücklich auszusprechen würe. — Da der H»tt die Gleich¬

stellung aller Unterthanen des Sultans vor dem Gesetze ausspricht,

unter deo Sklaven aber wenigstens diejenigen , die öffentliche

Aemter bekleiden oder Gewerbe treibeo , jedenfalls zu deu Unter-

thaneu des .Sultans zu zählen sind , so würde eio solcber Er¬

lass als ein den Hatt weiter ausführendes orgauisches Gesetz

betrachtet werdeo köooen.

Ao plötzliche Abschaffoog der Sklaverei ist io dei Türkei

ein für allemal oicht zu denkeo. Es besteht ooter den Türken

kein freier Dienstbotenstand. Die Raja (Griechen, Armenier,

Judeo) habeo dergleichen, da sie keine muhammedaoischen Skla¬

ven balten dUrfen (vgl. Mouradgea d'Ohssoo a. a. 0. Vol. VII.).

Diese cbristlicbeo Dieostboteo habeo aber gemeiniglich (und be¬

sooders io Coostaotioopel) die Fehler der Unredlichkeit und Ar¬

beitsscheu in hohem Grade an sich. In türkischen Häusern zu

dienen sind sie ebenso selten Willens, als die tUrkischen Herr¬

schaften mit ihnen auskommen köuoeo. Der Sklave gehorcht

iminer, während der Dienstbote sehr häofig widerspricht oder

weoigsteos das Befohleoe oicbt thut. Es gehört schoo ein sehr

intensiv christlicher Geist in einer Haushaltung dazu , christlichen

Dienstboteo diese Fehler ubzugewöhoeo und sie durch liebevolle

Zucht zu Uberwindeo.

An dieser Klippe ist die Abschaffung der Sklaverei im Orient

Schoo währeod der byzaotioischen Herrschuft gescheitert. Deno

die christliche Religioo als Staatsreligion des by-

zaotioischeo Kaiserthums hat uicht die Kraft ge¬

habt, das Institut der Sklaverei aufzuheben Die

byzantinische Gesetzgebung hat das Fersuneurecht in ein Recht

der Freien und ein Recbt der Sklaveo getheilt. Die meisteo

Detailbestimmungen des muhammedanischen Sklavenrecbts sind

entweder direct aus dem byzantinischen Recbte eutuummen, oder

nach Analogie desselben entworfen. Manche Bestimmungen des

christlich byzantinischen Sklavenrecbts lauten sogar viel härter

als die der muhammedanischeu Gesetzgebung').

Wir meinen darum nicht, dnss die Mängel der byzantini¬

schen Gesetze eine bleibende Schranke für die sociale Gestal-

tuog der Völker des Orients bleiben sollen. Der Geist des

Christenlhoms ringt nach stets freierer ood vollkominoerer Ent¬

faltung und zieht allmählich alle noch von ihm unberührten oder

erst halb erfassten trägen Massen in den Bereich seiner leben¬

digen Wirkung. Haben nuu in unsern Tugen die sich vom

osmaoischeo Reichskörper ablöseodeu Glieder, das Königreich

1) Conslanlinos Hiirineoopulos , Manuale Legum sive Hexnhiblos, illustravit Heinibach. Lipsiae 1851. BißXiov I. Tul. iS'. irf . — (iibbon, the hislory oT Ihe decline nnd lull oX tbe Romnn Empire. New edition in one \olume London 18,37. pag. 727 ff.

17*

(19)

Griechenlaud , die Donaufürstentliümer uud Serbien, Sklaverei und

Leibeigenscbaft allmäblicb abgeschafft; denkt das russische Kai¬

serreich unter dem Vortritt seines jetzigen Czaren ernstlich an

die Lösuog der Banden, in deoen noch fast eio Drittel seioer

Gesammtbevölkeruog nicht viel anders als Sklaven gebunden

liegt: so wird auch die Gesetzgebuog des osmaoischeo Reichs

dieseo mächtigeo Impulseo oicht auf die Läoge der Zeit zu

widersteheo vermögeo. Doch gilt für die Durchführung der

Sklavenbefreiung überall der Kanoo : Sklaverei ist our in dem

Grade drückend, als sie als Debel empfunden wird, und Frei¬

heit ist nur in dem Grade eine Segnung, als der, welcher sie

empfängt, fähig ist, sich seihst zu beherrschen. Der Druck der

Sklaverei wird von der uoeodlicheo Mehrzahl der Sklaveo in der

Türkei wenig empfunden und die Fähigkeit der Selbstbeherr¬

schung ist nie in ihnen entwickelt worden.

Bs bedarf daher zunäcbst einer auf gesunden Grundsätzen

beruhenden öffeotlicheo Erziehung für diese muhammedanischen

Völker, damit die Aufhebung der Sklaverei unter ihnen auf die

Gesittung der hisher Unfreien wirklich vortheilhuften Einfluss

auszuüben vermöge. Eine Regenerutioo der häuslicheo und

öffeotlicheo Erziehung wird sich hier aber gewiss nicht nach

geborgteo europäischeo Verwaltuogsschablooeo , sondern nur dann

durchführen lassen , wenn der Islam aufgehört hat die sie be¬

herrschende Religioo zu seio.

(20)

261

Notizen, Correspondenzen und Vermischtes.

Zur Erklärung der Mälavikä.

Von

Dr. A. Weber.

Die in Band XIII pag. 480 B'. befladlicheo ,, Beiträge zur Erklärung der Mälavikä" von Herrn Professor Bollensen enthalten einige dankenswerthe Berichtigungen meiner l'ebersetzang: im Allgemeinen indess vermag icb mich nichl den vorgeschlagenen Aenderungen anzuschliessen, wie dies die nach¬

folgende Durchmusterung aller eiozeloeu Fälle zu zeigen hestimmt ist.

Str. 15. samkranti als „Nachahmung" zu fassen, streitet gegen den

Zusammenhang. ,,Die eigne Geschicklicbkeit der beiden Lehrer ist he¬

kannt" sagt der König: „welchen weiteren Beweis fdr die Höhe ihrer Kunsl können sie nun nocb beibringen ?" Die Antwort der auf seine versteckte Absicht bereitwillig eingehenden Parivriijika lautet: „Nur den, dass sie ihre Kunst auch ricbtig zu lebren, auf ibre Scbüler zu übertragen verstehen.

Denn: des Einen Kunsl ruht in ihm allein , an ibm festbangend ((lishtä)"

d. h. ist auf ihn selbst beschränkt, kana nicht voo ihm fort, er hat nicht die Gabe sie auf Andere zu Übertragen: „bei einem Andern dagegen ist' zwar diese Gabe in hohem Grade vorbanden (er selbst aber weniger fertig als Jener), l'nd nur wer Beides, eigne Fertigkeit und Lehrergabe, Praxis uod Theorie, vereinigt, ist an die Spitze (so ist natürlich zu setzen statt:

an der Spitze) der Lehrer einer Kunst zu stellen." — Dieselbe Bedeutung:

,,L'ebergeben , l'ebertragung" hat samkranti auch in v. 18, wo Ganadusa mit olfenbarem Bezug auf unsern Vers hier sagt: ,,ich will meine kriya-

sainkräntim Kunstübertragung, Lehrergabe zeigen." Ebenso san¬

kr änta 28, 13: ,,mich, dessen Herz auf eine Andere übergegangen isl", so wie v 80: „die Blüthen — sind jelzt auf ibn übergegangen". Die ge¬

waltsame Aenderung von ^lishtu in fixa, die Herr B. vorschlägt, ist

somit nicbt nur unnötbig, sondern im Gegentheil flishtä statt eines „unver¬

ständlichen, verdorbenen Ausdrucks" ein durchaus angemessener, vgl. Wilson unter 9 I ish yal: clinging, adhering to, being in close contact witb.

17, 18 samgilakam „das Orchester bat schon begonnen". Icb hahe diesen Ausdruck bier mit Absiebt gewählt., weil scbwer zu denken ist, dass dem Auftreten der Malavika aine „Anfrührung von Musik, Gesang und.Tanz"

vorhergegangen sei: es ist vielmebr dieses Auftreten der Mit. selbst das samgitam, für welcbes die Vorkehrungen zu treffen die heiden Lehrer 16, 22 aufgefodert werden. Diese Vorkehrungen müssen unter Anderm aucb darin

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