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130

Zur Geschichte

der persischen Litteratur des 19. Jahrhunderts.

Von

Dr. Alexander von K^gl.

Man ist gewöhnt, die neueren Producte des orientalischen

Geistes als servile Imitationen der grossen alten Vorbilder zu be¬

trachten. Dieses Urtheil scheint uns gerecht zu sein. In der That

treibt mit wenigen Ausnahmen') der modeme morgenländiscbe

Dichter, welcher Nation er auch sei, das Dichten als Handwerk.

Er ist kein Poet von Gottes Gnaden, sondern nur ein mehr oder

weniger geschickter Versmacber, der seine Gedichte nach Muster

verfertigt, wie der Schneider die Kleider, der Schuhmacher die

Schuhe. Das menschliche Leben, diesen Urquell aller Poesie bei

Seite lassend, studiert er nur die todten Buchstaben seiner Klassiker.

Er bewundert alles was alt ist. Statt etwas Neues zu erfinden,

was immer schwer fällt, bemüht er sich nur, die herkömmlichen

dichterischen Stoffe neu aufzuputzen. Der Stü gilt ihm alles ; den

Inhalt und die poetische Schönheit vemachlässigt er als Neben¬

sache. Man kann darum ohne Uebertreibung sagen, dass er in der

Regel gar nichts empfindet , sondern nur das was andere schon

gefühlt haben nachempfindet. Tausendmal bearbeitete Gegenstände,

wie Jüsuf und Zulejlja, Megnün und Leila, Iskender, 'All's und

Mohammed's kriegerische Abenteuer und Peldzüge, werden wieder

und wieder besungen. Es versteht sich von selbst, dass diese Neu¬

bearbeiter die alten Sagenstoffe, einige stilistische Verzierungen

abgerechnet, fast ganz so wieder erzählen wie ihre Vorgänger sie

beschrieben haben. Ein Europäer kann immöglich einem solchen

Machwerke Geschmack abgewinnen. Dies ist auch eine der Ur¬

sachen, warum die neueste persische Litteratur von Seiten der

Abendländer so wenig Beachtung gefunden. Ethe ^) und alle die¬

jenigen, welche über die persische Litteratur geschrieben haben,

begnügen sich mit einer kurzen allgemein gehaltenen Charakteristik

1) Hierher gehören die neueren tUrkischen Autoren , wie Kemäl Bej, Tewiik, Hilmi.

2) Mystische, didaktische und lyrische Poesie und das spätere Schriftthum der Perser. Hamhurg 1888.

(2)

V. Kigl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 10. Jahrh. 131

der zeitgenössischen Poesie. So ist es nicht auffallend, wenn der

moderne persische Parnass für die grösste Zahl der Orientalisten

eine terra incognita ist. Man kennt höchstens drei oder vier Dichter

dem Namen nach. Nicolas nennt deren drei: Ka'äni, Jagmä,

Serüs'). Polak erwähnt in seinem klassischen Werke Ka'äni als

einen berühmten Dichter, der mittelst Opium seine Phantasie zu

erfrischen und sie zu steigern gewohnt war. Ueber seine dichterische

Thätigkeit weiss er übrigens nichts zu berichten. In den folgenden

Zeilen werden wir versuchen, Ka'äni und ein Paar andere Grössen

der modernen persischen Dichtkunst vorzuführen. Ka'äni (^^^)

oder mit seinem vollen Namen Hablb-ulläh el-FärsI stammt, wie

schon sein Beiname andeutet, aus Färs. Seinen Vater Mirza

Mohammed 'All, der unter dem Dichternamen Gulsen (Kosenhain)

einen Dlwän Gedichte zusammengeschrieben hat, kennt der als

Litteraturhistoriker und Lexicograph berühmte Perser Rida Kull

IJän persönlich. Nach ihm war er ein bescheidener, genügsamer

Mann (merdi käni' derviS-mesreb) und als solcher in seiner Geburts¬

stadt allgemein geachtet ^). Gulsen's Gedichte erheben sich jedoch

nicht über das Mittelmässige. Er verdient nur insoweit Erwähnung,

als wahrscheinlich sein Beispiel dem jungen Ka'äni den ersten

Antrieb gab, sich der Poesie zu widmen. Ka'äni war ein frühreifes

Genie; als achtjähriger Knabe machte er sich bereits durch seine

gelungenen Gedichte einen Namen. Sein Lebenslauf bietet wenig

Interessantes, Als Lobdichter wusste er die Gunst des Prinzen

Hasan 'Ali Sugä' es-Seltenet zu gewinnen, der damals Statthalter

von IJoräsän war. Damit war sein Glück begründet. Später wirkte

er noch als Hofpoet Mohammed-Schah's und uach dessen Tode be¬

kleidete er dieselbe Stelle bei dem jetzigen Herrscher. — Ka'äni

ist anerkannt der beste moderne persische Dichter unseres Jahr¬

hunderts. Ein Wortkünstler ersten Ranges, wie Victor Hugo, be¬

zaubert er alles mit der Farbenpracht seiner zuweilen schwulstigen

aber immer doch poetischen Sprache. Schöne, echt orientalische

Metaphern und kühne Gleichnisse wechseln bei ihm mit den aus¬

gesuchtesten Stilwunderlichkeiten. Er trachtet darnach , den Leser

zu überraschen. Besonders seine Lobgedichte sind in dieser Hin¬

sicht bemerkenswerthe Beispiele eines kunstvollen blumenreichen

Stils. In einem Gedichte, in welchem er den Prinzen Suga 'es

Sel^enet preist, beginnt er folgendermassen :

1. Weinschenk, in dieser kalten Winterszeit enthalte das Glas

den Trinkern nicht vor.

2. Betrachte die Kälte des Winters, welche so gross ist, dass selbst

das brennende Feuer des Kohlenbeckens eine Eiskruste bekommen hat.

1) Dialogues persans fran(;ais 11. ed. Paris 18C9. X'roface.

2) L.i^fiJi ^-«-^^w« II. Bd. p. 42G.

1 ?^ 0*

(3)

132 ^- Kegl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh.

3. Die Flamme des Feuers , welche noch mit demselben zu¬

sammenhängt , beschämt mit ihrer Feuchtigkeit den Regentropfen.

4. So zusammengefroren ist das Blut in den Adern , dass du

meinen könntest , ein rother Bakam zweig sei an die Stelle des

Blutes getreten.

5. Die Erde ist wohl für ein Jahrhundert mit Lebensmitteln

versorgt; so viel Mehl hat aus ihrem Sacke die Wolke auf sie

ausgeschüttet.

6. Das Feuer in der Schmiede beschämt, was Härte betrifFt,

den Hammer und verspottet den Amboss.

7. Der schneebedeckte Berg unter der starkarmigen Wolke gleicht

dem Div Sipid unter den Händen Rustems, des Sohnes Destän's.

8. So zum Eisklumpen zusammengefroren ist das Mark der Knochen,

dass man meinen könnte, man hätte sie mit Felsblöcken ausgefüllt.

9. Der Himmel ist über die Erde erzürnt, und Hagel wie

Lanzenspitzen schleudert er auf ihren Leib.

10. Ich bemitleide die Sonne, dass sie in dieser Jahreszeit an

jedem Morgen nackt ihren Lauf beginnen muss

1)

0 >-^j r-^ ^'-^

|i_kJ!j —i\ Ci«—ji J-J

i!i\_»_Ht*vj »wXÜ>j vi^^j w tXjj Ä-Äjila

3

(4)

V. Kigl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh. 133

Noch gewagtere Gleichnisse findet man in einem andern Ge¬

dichte, in welchem er die Schönheit seiner Geliebten und seinen

durch Liebespein zerrütteten Zustand beschreibt:

1. Des Morgens, als die Sonne vom Osten her ihr Haupt

erhob, trat mein liebliches mondgleiches Liebchen zur Thüre herein.

2. Bis zur Mitte reichte ihr wallendes Haar; mit dem Gürtel

spielten ihre krausen Locken.

3. Sage nichts von Locken; ein Hyacinthenbeet ist es. Was

sprichst du von Augen? Ein paar Narcissen sind es.

4. Als sie zur Thüre herein kam und mich erblickte, fand sie

mich jämmerlich und krank im Bette liegen,

5. mit einem Pelz, gleich einer Igelhaut, um die Schultern,

einer Nachtmütze, wie der Wiedehopf sie hat, auf dem Kopfe;

6. die Nase hoch emporstehend, das Kinn eingesunken, Schnur¬

bart und Backenbart in wilder Unordnung.

7. Mein Mund und meine Lippe waren so dünn wie die des

Affen. Hände und Füsse , was Schwäche anbelangt , glichen denen

der Eidechse.

8. Meine Nägel waren (so dünn) wie Katzenkrallen. Mit dem

des männlichen Affen vergleichbar war mein Kinn').

Um etwas Neues sagen zu können, schreckt er vor geschmack-

Lithogr. Bombay 1277. f^'

1) y j! y^ »U ^\j>^ j^Li» yA ^ 1

(5)

134 Kigl, ^^i" Geschichte deir persischen Litteratur des 19. Jahrh.

losen und wenig poetischen Bildern nicht zurück. In einem seiner

Gedichte zum Beispiel, wo der Dichter das lockige Haar seiner Ge¬

liebten beschreibt, spricht er so :

1. Oh, das wallende Haar meiner Schönen! Oh, du leblose

Viper ! Du krümmst dich noch, während doch eine todte Viper sich

nicht mehr krümmen kann.

2. Du bist eine todte Viper und wir alle sind aus lauter

Liebe zu dir Tag und Nacht so leblos , wie die erschlagene Viper.

3. Die Sehlange verliebte sich einst in die Cypresse des

Gartens; eine solche Schlange bist du und bewohnst die schwankende Cypresse.

4. Du nimmst dich gerade so aus wie die Schaale einer Waage,

Aber die Wangen meiner Geliebten glänzen noch mehr als der Stern

Venus, wenn er im Sternbilde der Waage steht.

5. Gekrümmt bist du wie ein Krebs, aber das Antlitz meiner

Schönen ist lieblicher anzuschauen als der Mond, wenn er im Zeichen des Krebses verweilt ').

Wie fast alle modernen Dichter Iräns, so liebäugelt zuweilen

auch Ka'äni mit dem seit 'Omer IJejjäm's Zeiten Mode gewordenen

Cynismus und rühmt die Trunkenheit und den Wein. In einem

Ghasel drückt er sich so aus :

1. Ich werde mich von jetzt an nicht mehr mit dem Kruge

und der Weinflasche begnügen. Komm Schenke , lass mich im

Weinfass sitzen, dass mir der Wein bis zur Kehle reiche.

2. Aus einem Stücke meiner Leber will ich Braten machen,

1)

p

O^-^^-t^ lT*-^' CT* j'^-^ 'j^ C5'

Diw&n S. ril .

(6)

V. Kigl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh. 135

aus meinem Blute Wein. Denn so lege ich mir das Gebot der

Schrift : esset und trinket, aus ').

Den Wein empfiehlt er als Panacea gegen alle Debel und

Sorgen des Lebens:

1. Wie lange sollen wir uns noch um Zeid und 'Omar küm¬

mem ? Es lohnt sich mehr als Grillen fangen aus dem Kruge

Wein zu schlürfen.

2. Erfreue dich am Zechen und Kneipen. Es ist ja so be¬

schlossen, dass wir von der Palme des Lebens einmal Früchte, ein

andermal Domen essen müssen ^).

Ka'äni scheint einer pessimistischen Weltanschauung zu huldigen;

wenigstens in seinen moralisirenden Dichtungen betrachtet er alles

von diesem Standpunkte aus:

1. Erwarte nichts Gutes von dieser Chamäleon weit; sie wechselt

ja so schnell ihre Farbe wie der Hermaphrodit sein Geschlecht.

2. Aber du weisst es nicht, dass mit jedem Parbenwechsel

sie dich ganz so beschämt, wie seine Geschlechtsverwandlung den

Zwitter »)

In gleichem Sinne beklagt er sich über die Erfolglosigkeit der

Wissenschaft und der Tüchtigkeit hienieden:

Gazelij&t Hektm Ka'änt S. f •

2) r-^J-^-^ x-^ r-^ ^

rhy^ j-*-^ ^) i^L-^ ^ ^ o'

1 J *

(7)

136 K^gl) Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh.

1. Mein Herz, sei ja nicht stolz auf deine Vorzüge und deine

Vortrefflichkeit hier in dieser Welt; denn der Baum der Tüchtig¬

keit und des Verdienstes trägt nur Elend und Armuth.

2. Du sollst das Ackerfeld des Wissens nimmer mit dem

Samen der Hoffnung anbauen. Hege keine Hoffnung, vom Zweige

des Hirschgeweihes je Flüchte zu erhalten.

3. Um das liebe Brod schmeichle dem gemeinen Manne nicht.

Um Blut zu gewinnen, lass nicht einen Todten zu Ader ').

Treffend charakterisirt Ka'äni das Wesen der wahren Mensch¬

lichkeit und Wohlthätigkeit:

1. Das ist keine wahre Humanität, wenn du wie der Blitz

bei Nacht nur einen Augenblick der Karawane Licht spendest.

2. Das erst ist wahre Humanität, wenn du wolkenähnlich das

Seelenfeld des Bittenden bewässerst '').

Es ist nicht zu leugnen, dass es uns etwas sonderbar anmuthet,

wenn der Dichter den verknöcherten Geizhalz mit dem Reiher ver¬

gleicht. Aber nach orientalischen Begriffen ist der Reiher das

Symbol des Geizes, weü er so verliebt in das Wasser ist, dass er

keinen Tropfen davon zu sich zu nehmen wagt, aus Furcht, es zu

erschöpfen ^) :

1. Ich hab' es vernommen, dass der Reiher ein Vogel sei,

der die Pein der Liebe zum Wasser in sich trägt.

1) ^y^cattj qL-^^- y ^-^ »y^

y, Oji xi'ts ^ jjis Jwcas ^Ui >S

f*-^-' }^ ji^ß' KJ^^'^ tti^LiAj

^ )^ ^yS>V ^j»)

(^i^ qLj "'^^ ^-T*^

j 0^'=' ^l-^ j' üi'° "^y

S. Iii' . ") ^^i ^Lil J eine bekannte persische Redensart, um etwas Unmögliches zu bezeiclmen.

2) 0;J xT tXüLj yj\ \j ^^^yj\yS-

^^-X^^y, ^J^JLj ^.,Ij5jK j_j v^-^

/ ü-^-^ ^ r'^^' t5-^^-*-^l>->

^j-i^-^ d\ J^L-*« ^.^L=. o^^ixXj

s. fvf.

3) Dumiri, Hajät al-Hnjwän II. Bd. ("a. .

1 3 *

(8)

V. Kegl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh. 137

2. Am Wasserrande sitzend spricht er immer vor sich hin:

Wenn ich einen Schluck davon nehme, vyird das Wasser noch ein

wenig kleiner.

3. Du könntest mit Recht behaupten, dass solch eine Reiher¬

natur dem bösen Geizigen in dieser Welt zugetheilt worden sei.

4. Aus übertriebener Knauserei versagt er ja sich selbst den

Genuss seines Vermögens.

5. Jedenfalls bemüht er sich unablässig Silber und Gold zu

sammeln für das Nichtewige (d. h. zu vergängliche Leben) ').

Man kann zum Lobe Ka'änI's sagen, dass er, obgleich, wie

wir schon erwähnt haben , dem Opiumgenusse ergeben , die Aus¬

schweifungen und das unnatürliche Laster nicht billigte. So paro-

disirt er ein Gedicht des Hekim Süzeni *) und äussert seine Ent¬

rüstung darüber, dass man die Dichtkunst so missbrauchen könne ").

Dasselbe lässt sich zur Charakteristik eines andern Grossen des

neupersischen Parnasses, Jagmä Gendekl's, nicht wohl anführen.

Er ist xar' i^oyjiv der Pornograph des modernen Persiens. Die ekel¬

erregenden Schattenseiten des menschlichen Lebens, die bestialischen

Ausschweifungen und vor allem das unnatürliche Laster, die Knaben¬

liebe, spielen bei ihm die Hauptrollen. Man muss freilich, um

1)

(*^ O^J^ U*-?' 'wÄ.i^c ä.j'

i\-j^Jjj) UJl

1*5' |^^_5'iAJI 1—Ji J.i iS

I LT—^ ^ ^-^-^^

J 0.wä_A3 ^^jt

b LT ——* Lf^j—'^ *3

JjiO y-'*—.i^-Jy-S> ß

<3^y-i 3' ^'-=^

^/j)^ r-A— r^y

S. fAf .

2) Das fragliche Gedicht findet man in extenso abgedruckt in Megma' el-fa.<ehä I. Bd. S. 249.

3) {j'A^, o-^i ^.,J>lJ J^S /

J—? J'-'iJ-»' .' -^i—f ikX_S> Q_J_ftJ S. Iff.

(9)

138 Kigl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh.

nicht allzu streng zu urtheilen , beachten , dass auch andere, weit

berühmtere Dichter Irans in diesem Punkte gesündigt haben. So

der grosse Moralist Sa'di in seinen Matabljät wa Hazalijät ; er sagt

selber, dass man ihm dies nicht übelnehmen solle, weil der Spass

eine Würze der Sprache sei, die dem Salze der Speisen gleich¬

komme (|.L«iiJl gJuJI^) • Der Orientale kennt die feine Satyre

überhaupt wenig; er häuft Zote auf Zote, um die Lachlust seiner

Zuhörer oder Leser zu erregen und ihre Nerven zu kitzeln. Eiu

gutes Beispiel hiervon bietet die zeitgenössische humoristische Volks¬

litteratur der Perser. Eines der gangbarsten Bücher dieser Gattung,

die Latäif wa-Zeräif, wimmeln von Obscönitäten. Es giebt und es

gab von jeher viele Orientalen, die der von Mohammed verbotenen

Päderastie huldigten und diese Bestialität als etwas erlaubtes be¬

trachteten. Häliänl fand es für gut, sich gegen die Vorwürfe

seiner Freunde zu vertheidigen, dass er die Mädchen den Knaben

vorziehe '). Die dichterischen Ergüsse der Morgenländer sind

nicht für Damen ^bestimmt. Unanständiges findet man selbst bei

dem gauz ernsten Geläl ed-Dln Rümi. Man kann schwerlich sich

etwas zotigeres denken als die Erzählung im fünften Buche seines

Matnawi, wo der Eselshengst und die vorsichtige Magd und ihre

unvorsichtige Gebieterin vorkommen''). Whinfield, der neueste

Uebersetzer des Matnawi , bemerkt in Bezug auf diese Eigenthüm¬

liehkeit des Dichters in seiner Vorrede : Of course a man so deeply in earnest as Jaläl ud-Dln has no sense of humour, and he is utterly

unconscious that some of his illustrations verge on the absurd 3).

Ueber Jagma's Lebensumstände wissen wir sehr wenig. Die

besten Tedkerehs enthalten nur eine sehr kurze Notiz über die¬

selben *). So viel kann festgestellt werden, dass er in 'Irälf studirte

1) ^'Jr ^.j? ^j^'^^

o<jy>^ ü-^^ o^Ah ^ .Ii'

^ff'^ ^

^'o. J^iy xJ ^

leTBepOCTBmijl XaKaHH. St. Petersburg 1875. S. 134. ed. Salemann.

2) Matnawi Buläk 1268. III. Bd. S. of .

3) Masnavi Ma' navi transl. by Whinfield 1887 (Trübner Oriental Series) Introd. XXXI.

4) Rida Kuli I19n in seinem litterarhistorischen Werke widmet dem Ge¬

dächtnisse des Dichters kaum einige Zeilen. Möglicherweise missfiel ihm die pornographische Richtung Jagmä's. Am Schlüsse findet er es für gut , sich zu vertheidigen, dass er aus dem Diwän desselben nur wenige Beispiele giebt.

vü^ijj IjXvoLi qjI iJiJjiXi] jl ^^^*iDi*j jUj-ij ci^^.-o yol»- ,jiJ[jj>>

iXJiXyo . Mejjma' el fusel.iä, II. Bd., S. Oa. .

(10)

7. Kegl, Zur Geschichte der persischen Litteraiur des 19. Jahrh. 139

und in seiner Jugend bei einem persischen General, Dulfiltär IJän

genannt, eine Stelle als Secretär hatte. Dieser war ein guter Soldat,

aber in seinem Privatleben ein unmoralischer grober Klotz, der

seinen Secretär mit ungemeiner Härte behandelte. Diese unmensch¬

liche Behandlung erbitterte den jungen Jagmä so sehr, dass er,

nachdem er seinem tyrannischen Gebieter glücklich entkommen war,

seinem lange unterdrückten Zorne und Rachgefühle in einer beissen¬

der Satyre Luft gab. In der Serdärijeh — so betitelte unser

Dichter mit Anspielung auf den General sein Erstlingswerk —

wüthet er mit der ganzen Macht seiner jugendlichen Entrüstung

gegen seinen früheren Principal; so ist also dieses ,Generalbuch"

ein Pasquill in Versen. Der Autor benützt alles, was die persische

Sprache an Kraftausdrücken und unanständigen Redensarten aufweist,

um damit seinen ihm verhassten Patron zu beschimpfen. Sein

Lieblingswort ist: das Freudenmädchen; so benennt er und damit

vergleicht er alles mögliche '). Ka an! , der unmöglich Jagmä's

geschmacklose Obscönitäten gut heissen konnte, geisselt ihn in einer

herben Satyre, wo er, den Stil des Dichters glücklich nachahmend,

ihn mit seinem eigenen Lieblingsausdruck bezeichnet^). Es ist

nicht zu leugnen, dass Jagmä Ka'änI's Tadel in vollstem Maasse

verdient; denn nicht nur im Serdärijeh, sondern — man kann es

1) ^'x-^j j' ;5 ^\^i x^-i^Uüj ^_yO

jjiAjS^j jil/ ujLixi. i.x:<aJÜj jJl*^ ^j!

noch deutlicher drückt er sich in einem andern Verse aus:

JJ! »-^.ÄäJj ^j-^ lM)/! ^yüj yA

t\jt xj^iüj j^xAaj vJlbLj juoLs> ^■^yfP' Divrän, Teherän 1283, S. Ca .

2) iAjU-« (jiUij üS ik-i-^SLjLjj ^li:, ^\

ß uit^^^jsuüj ^ x>.^5^iÜJ x*5> iji^

L5y^ Lr^j-> '} 3

ws=Viü; i.*3> ^\yi.

r^j^ x*3>jl ^y-x-x-^vjuj y x^^j

jj.S^'A yi ^ iiy:^^ jc^^S^j n.^ ^'lc

P .w

y> v,:^^! sjLzi yi jljj^j x>.:s^j X4J? oJ^ iS (ii«.*.!

etc. etc. Diwän S. TCt .

(11)

140 ^- Kegl, Zur Geschichte der persisehen Litteratur des 19. Jahrh.

ohne Uebertreibung sagen — in allen seinen Dichtungen, seine

Ghazelen ausgenommen , huldigt er derselben krassen Frivolität.

Ueberall , im Ahmedä sowohl wie im Tergi' bend , herrscht die

schamloseste Sinnlichkeit '). Seine Satyren kann man ohne Ekel

gar nicht lesen ^). Das einzige, was man zum Lobe Jagmä's sagen

kann, ist seine unbestrittene Meisterschaft über die Sprache.

Neben Ka'änt und Jagmä giebt es noch eine grosse Anzahl

namhafter Poeten. Originalität fehlt zwar den meisten dieser Vers¬

künstler. Nur als Nachahmer der alten Classiker leisten sie zu¬

weilen Tüchtiges , wie der Hofdichter Serüs , dessen Ghazels man

kaum von denen Sa'di's unterscheiden kann. Eigendünkel und

Stolz findet man oft bei diesen mittelmässigen Pflegern der Poesie ;

jeder dieser Dichterlinge wünscht als eiu classischer Dichter gefeiert

zu werden. Mirza Esger IJän, der Emin es-Sultän, zum Beispiel

hat das folgende, das Horazische ,Exegi monumentum" in Schatten stellende Lobgedicht auf sich selbst verfasst: 1. Ich sag' es nicht,

dass ich ein Kenner der Worte bin. Aber das behaupte ich, dass

ich die Seele bin im Leibe des Wortes. 2. Ich bin kein IJäkänl,

doch als ein IJäkän (Kaiser) regiere ich im Reiche der Rede.

3. Von der Sprache kommt die Auszeichnung des Menschen. Mein

Diwän ist die Auszeichnung der Zunge. 4. Mein Ruhm ist nicht

von dem Dichten. Aber das weiss ich wohl, der Ruhm der Poesie

ist von mir. 5. Nicht die Rednergabe allein, sondem die Meister¬

schaft in sämmtliehen Wissenschaften kann ich als mein Eigenthum

beanspruchen. 6. In der Philosophie beneiden mich die Griechen und

Avicenna. 7. In der Himmelskunde und A.'trologie kann ich mich als

einen selbständigen Meister rühmen. 8. Was Grammatik und Sprach¬

wissenschaft betrifft, bin ich ein entscheidender Richter. 9. Ich bin

kein Arzt, aber ich habe doch den belebenden Hauch eines 'isä.

Ich bin kein gewöhnhcher Weiser, sondern ein zweiter Lokmän*).

1) iii^^y^^ c>yiij L> ^ ^ vS vi>-«^Aj'l_Äj!jj(,J'jjj^y_^l^s\J'^

\.jß iX/iJ ^-fc* f\\XS^ »jIXm ^ <o3~^

Diwan Jagmä Gendeki's S. ffl ,

2) Der Refrain in einer Satyre, in welcher er den Kädi von Semnän verspottet, ist folgender:

C)*-^ ^ j, ^

^.jLU— jJjj. jJ

Diwän S. r.f.

3) O"^^ s-JJi y sJA) j»JIA-«-ä=V-». yA >S »Ki yA

jfciLjSL_i» f^^kS u^JL»._j i.J' > xJ yA

l«jLjO vi:^w-».! «JLlaLi c;*—«.! ^ ä.SL* j ui^—il

(12)

V. Kigl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des l'.K Jahrh. 141

Esger Hän's poetische Leistungen rechtfertigen übrigens sein

an Prahlerei grenzendes Eigenlob uicht im mindesten. Er ist ein

mittelmässiger Reimschmied ohne Genie und Originalität.

Die höheren Stände Persiens haben von jeher ein reges Interesse

für die poetische Litteratur ihres Landes an den Tag gelegt. Als

Mäcenaten haben sie zur Förderung der Litteratur mächtig bei¬

getragen und die dichterische Thätigkeit in einem Lande, wo das

Publikum im europäischen Sinne des Wortes fehlt, erst möglich

gemacht. Liebhaberpoeten findet man in ihrer Reihe viele. Prinzen

und Prinzessinnen und selbst Könige sind als Verfasser von Diwänen

aufgetreten. Man braucht nur an Tahmäsp Feth 'All Shäh und an

den jetzigen König zu denken. Einer der bekanntesten zeitgenössischen

Dichter aus dem Kagarenstamme ist Ihtisäm el-Mulk, geb. 1853.

Wie Ka'äni und so viele andere Zierden der modernen persischen

Dichtkunst hat er einen Poeten zum Vater gehabt. Ferhäd Mirza,

so hiess er, war seiner Zeit ein Reimkünstler ersten Ranges.

Nach dem Berichte Ridu Kuli Hän's ') hat er in einer einzigen

Nacht ein aus achtundzwanzig Erzählungen bestehendes Gedicht, in

dem jedes Märchen auf einen anderen Buchstabeu reimte, zusammen¬

zuschmieden verstanden. Ihtisäm el-Mulk, oder mit seinem Familien¬

namen Abd ul-'All, hat eine gute Erziehung genossen. In seiner

Autobiographie, die er für die Tedkereh Nasiri verfasst hat, widmet

er den Studien seiner Jugendzeit ein ganzes Kapitel. Schon in

seinem sechsten Jahre erhielt er einen Hauslehrer ; vor allem musste

er das Lesen des Koräns und seiner Muttersprache erlemen. Dann

wurde er im Arabischen unterrichtet, üm eine copia verborum

zu erlangen , lernte er eine grosse Anzahl arabischer Sprichwörter

und kürzerer Gedichte auswendig. Er rühmt sich, dass er im Stande

war, die Koranworte schön auszusprechen und den heiligen Text

richtig zu lesen (we koränrä beelhän ho§ kiräjet kerdem). Die

Erfrischung meiner Augen, bemerkt er fromm dabei, habe ich immer

im Lesen des Koräns gefunden. Die Lebensumstände des Propheten

interessirten ihn sehr; er las fleissig Ibn Hisäm und schrieb dazu

einen beinahe aus zehntausend Verszeilen bestehenden Randcommentar

^iJ^ y^ 3i

r

1) Megmn 'el-f«sel.iä I , S. f v .

(13)

142 Kigl, Zur Geschichte der persischen Litteratur des 19. Jahrh.

(nezdtk deh hezär bejt heväsl). Neben der Theologie nahmen die

arabischen und persischen Poeten sein Interesse am meisten in

Anspruch. Sein Lieblingsdichter war Nasr IJosrev 'Aluvi; keiu

Dichter gefiel mir so, sagt er, und an den Werken keines habe ich

so viel Gefallen gefunden wie an den seinigen. Daneben gedenkt

er auch rühmend des Firdausi, dessen Shähnämeh er treffend auf

die Zahl der Verszeilen anspielend sechzig Tausend intakte Edel-

perlen nennt. Auch Sistän Farrähl's und Mas'üd Selmän's Diwäne

erwähnt er als seine Lieblingslectüre. Am Ende seiner Lebens¬

beschreibung weist er mit Stolz darauf hin , dass er trotz seiner

relativen Jugend eine geehrte SteUung beim Hofe erlangt habe

und viel Lebenserfahrung besitze. Ich habe, so drückt er sich aus,

wie die Araber sagen, im Leben Glück und Unglück erlebt und

gekostet (walakad lakltu min al'aisati laddatan walakltu min sazfi-

1-umür sadädihä). Ihtisäm el-Mulk's Gedichte bieten freilich wenig

Neues; es herrscht bei ihm der gewöhnliche schmeichelnde Ton

eines Höflings vor. In vielen Versen bettelt er um Gnadenlohn :

„Warum soll 'Abdl (Kosename des Dichters) deine Wohlthätigkeit

entbehren? Man findet ja in allen Ecken die Spur deiner Wohlthat').

1) u>-mm;^ ^ yi c5'-^+*

(14)

143

History of Child-Marriage.

By- B. G. Bhandarkar.

In his article on the History of Child-Marriage, published

in Vol. XLVI of this Journal (pp. 413—426) Prof. Jolly discusses

from the historical standpoint the question which agitated Hindu

Society in the beginning of 1891 and was discussed by us in India

from the legal point of view. In the course of his treatment of

the subject he expresses his disagreement with my views on some

of the points sought to be made out by me in my 'Note on the

age of marriage". I deem it necessary in the interests of the

history of the Institution to notice his remarks on those points.

I have read and understood Prof Jolly's article; but as I have

had no practice whatever in speaking and writing German, I beg

the permission of the Editor of this Journal to write my reply

in English.

As to the Smrititexts adduced by Prof. Jolly which prescribe

marriage before puberty and lay down the limits of the age of

the girl between which the ceremony should be solemnized I have

nothing to say. But he takes the text from Manu 9, 89 to be

intended simply for emphasizing the choice of a good bridegroom.

If it were so and the text had no significance whatever as to the

law and usage on the point and it was considered a sin at the

time when the text was written to delay marriage till after puberty,

Manu's language would certainly not be so strong as it is : —

"Better that she should remain unmarried in a state of puberty

till her death than that she should be wedded to an unworthy

husband". Again the force of api in the preceding verse 9, 88

should not be lost sight of "When a good husband is to be had

one should give away the girl eoen {api) if she has not arrived

apräptä [at the condition]'. This shews that usuaUy a girl should

not be given away imless she has arrived [at the condition] , but

this rule may be broken when a good bridegroom is available.

The word apräptä is vague and variously interpreted; but if it is

vague it must be so for the reason that the implied accusative

pointed to an event ordinarily well known There is therefore no

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