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Über den Zoroastrismus.
Von Friedrich v. Spiegel.
Zuerst die ürsprünglichkeit Indiens. Allerdings wissen wir
.ja. dass Indien früher von Indogermanen eingenommen worden sei
als unsere Geschichte beginnt. Die Ansicht aber, dass die Inder
Autochthonen seien, ist längst widerlegt ; von auswärts können sie
aber nur durch Persien nach Indien gekommen sein. Es ist darum
nicht notwendig, bei jedem religionstechnischen Ausdruck des
Eränischen anzunehmen , er sei aus Indien gekommen : er kaim in
Eran entstanden sein, eher als die Inder nach Indien kamen, denn
das Persische ist das ursprünglichste, nicht das Indische.
Zweitens : die altpersische Religion hat gar nichts mit Indien
zu thun. Die Perser haben dieselbe ursprünglich von Westen her,
ursprünglich aus Babylon, wahrscheinlich durch Vermittelung eines
anderen Volkes, erhalten. Ein Beweis dafür ist, dass wir anstatt
des Göttorgewimmels der alten indischen Religion einen Gott haben,
der Himmel und Erde geschaffen hat. Den Himmel hat or sich
vorbehalten, die Erde lässt er durch seinen nahen Verwandten, den
König, der aus dem Göttergeschlecht stammt, verwalten. Ahura-
Mazda und der König gehören deswegen zusammen. Ausserdem
werden noch fünf Götter genannt, es sind die vier Elemente, indem
das erste, das Lieht, in zwei Teile gespalten ist: das Lieht des
Tags und das Licht der Nacht. Der Unterschied von .\hura-Mazda
ist der, dass diese Götter erst von Ahura-Mazda geschaffen und
deswegen von ihm abhängig sind. Mehr als diese Götter gab es
in jener Zeit wohl nicht, man beschränkte sicb auf die Erde und
kümmerte sich um den Himmel nicht weiter. Die Aufgabe des
Königs war. dass dem Ahura alles das geleistet werde, worauf er
Anspruch habe, daneben aber auch für die Ausbreitung des Reiches
von Ahura-Mazda in der Welt zu sorgen, die man sich damals
wohl nicht viel grösser dachte als das persische Reieh. Die fünf
Götter dachte man als sehr wichtig und verehrungswürdig für die
Menschen, auf Ahura hatten sie keineu Einfiuss weiter, denn sie
waren ja von ihm geschaffen und abhängig so gut wie die Menschen.
Diese Religion erhielt sicb, so lange das altpersische Reich bestand.
746 c. Spiegel, Uber den Zoroastrismus.
Von den Achämeniden findet sich nur wenig Spur in den Keil¬
inschriften und die Urgeschichte geht auf eine ältere Dynastie
zurück, die vor diesen regierte.
Mit dem altpersischen Reiche endete auch diese Religion. Das
Reich des Ahura-Mazda bestand nicht mehr, der König existierte
nicht mehr.
Es bildete sich in Baktrien ein neues Königreich in geringem
Umfange , denn die Priesterschaft brauchte eineu Mittelpunkt an
der Stelle des Königs. Der König der Baktrier hatte kein Recht
sich um religiöse Dinge zu bekümmern : er erhielt dieses .jetzt durch
einen Gesandten des Ahura-Mazda, den dieser an ihn sandte. Die
Religion erhielt bedeutende Veränderungen : der bisher allmächtige Ahura-Mazda wurde zu einem Gott der GerechtigkeitO degradiert.CD
Er erhielt einen Himmel und Beisitzer, die Amesha-Spenta. Es
entstanden verschiedene Geister, die sich um die Verhältnisse der
Welt bekümmerten. Als Gegensatz des Ahura-Mazda erschien Amgra-
Mainyush, ganz ähnlich wie im alten Testament der Satan und
andere Wesen ähnlicher Art, wie in anderen Religionen. Indischer
Einfluss auf diesen Himmel ist nicht abzuleugnen. Die Macht des
Amgra-Mainyush ist sehr gross, aber sie wird verschwinden und
das Gute allein übrig bleiben. Die Bedeutung Ahura-Mazdas als
Schöpfer tritt zurück, alles spitzt sich zu auf den grossen Kampf,
der mit Amgra-Mainyush in einigen Jahrtausenden stattfinden wird,
und bei welchem die gläubigen Menschen den Ahura-Mazda als sein
Heer unterstützen werden. Dadurch erhalten sie das Recht an
seinem Reiche teilzunehmen. Für die Welt ist von Bedeutung,
dass das Gottesreich wieder entstehe, aber zur Zeit Zaratustras war
das nicht möglich. Die Fremden waren noch zu mächtig in Eran.
Man konnte sich Jahrhunderte lang nur mit Vorbereitungen dazu
beschäftigen. Endlich aber besserten sich die Zeiten und man
konnte ein zweites persisches Reich errichten , das wenigstens den
Eraniern genügte; die auswärtigen Besitzungen jenseits des Tigris
und noch mehr jenseits des Euphrat blieben allerdings dem neuen
Reiche verloren.
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ILs/ „der Mönch".
Vou Dr. Paul Riegrer.
Auf S. 5()2 des letzten Jahrg.anges dieser Zeitschrift fragt Nestle,
woher der Ausdruck „Trauernder" im Sinne von „Mönch"
stamme und wann dieser Ausdruck geprägt worden ist. Ich glaube,
dass das hebräische bSN in der Zeit zwischen 70—130 diese Be-
" T
deutung angenommen hat.')
b;:N ist „der um einen Verstorbenen Trauerbräuche Haltende"
(Gen. 37", 38; Ps. 35, 14); b^Nnrt hat Gen. 37, 34 wie 2 Sam. 14, 2
die Bedeutung „Trauerbräuche halten" (vgl. bat! Jer. 16, 7). Der
Begriff baNnii wird Dan. 10, 2 f. dahin erklärt: „sich des Fein¬
brotes, des Fleisches, des Weines und der Salbungen enthalten".
Insbesondere sind Jes. 61, 2 ö''baN die im dritten Vers näber be¬
zeichneten ivi: ■'bSN, die um Zions Sturz Trauernden.
Es war nach der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem. Die
Vernichtung des Heiligtums , das Blutbad bei der Eroberung der
Gottesstadt , die Wegführung der Edelsten hatte eine Verbitterung sonder Gleichen in Israel hervorgerufen. Die tiefe Niedergeschlagen¬
heit nach dem nationalen Sturze wird durch den Ausspruch Rabbi
Josuas ben Ch.anania trefflich char.akterisiert : „Seit dem Tage der
Tcmpelzerstörung giebt es keinen Tag ohne Fluch , der Thau hat
die Segenskraft, die Frucht hat die Süssigkeit verloren (Misnah
Sotah IX, 12)'. Der Wunsch, jede Lustbarkeit durch die Er¬
innerung an das nationale Unglück zu verdüstern , batte das Be¬
dürfnis nach Trauersymbolen geweckt. Ja , Rabban Simeon ben
Gamliel sprach geradezu den Grundsatz aus: „Für ein jedes Unglück,
welches die Gemeinde trifft, ist ein Freudenbrauch zu verbieten
(Thosiftha Sotah XV, 6)'. Denn „wer um Jerusalem trauert, wird
den Wiederaufbau Jerusalems froh miterleben' (Thos. Sotah XV, 15,
Thos. Baba Bathra II, 17, Thos. Tha'anith IV (HI) 14, b. Tha'anith
80 b, Jaiq. Jes. § 371 u. s.).
1) Ttsvd'ovvTSS Matthaeus 5, 4 (nicht in Lucas G, 21!), das auf ein hebräisches D"'53N scbliessen lässt, wäre eventuell die älteste Belegstelle fiir die Verwendung des Begriftes iu christlichen Kreisen.