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Betreuung pflegebedürftiger Menschen als Zukunftsaufgabe

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Academic year: 2022

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Leitartikel

„Ärztliche Versorgung in Heimen ist misera- bel“ lautete die Überschrift eines Artikels in der „Süddeutschen Zeitung“ Anfang Septem- ber. Der Text setzte sich kritisch mit dem Ende des von uns initiierten Projekts „Geriatrischer Praxisverbund“ auseinander. Trotz reißerisch formulierter Überschrift machte er inhaltlich auf ein sich stetig verschärfendes Problem auf- merksam, nämlich die Betreuung der Men- schen, die in Pflegeheimen untergebracht sind.

Dies ist keineswegs ein rein ärztliches Pro- blem. Wir stehen vor einer gesamtgesellschaft- lichen Zerreißprobe. So nimmt die Anzahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland laufend zu. Lag deren Zahl im Jahr 2003 noch bei rund zwei Millionen, so wird sie in fünf Jahren auf knapp 2,5 Millionen angestie- gen sein. Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in die- sem Land im Jahr 2050 gar bei knapp fünf Millionen liegen. Dem gegenüber steht ein zu- nehmender Nachwuchsmangel und eine stei- gende Zahl an Arbeitslosen. Die bange Frage lautet: Wie viel Pflege wollen und können wir uns noch leisten?

Wir haben uns im Vorstand der Kassenärzt- lichen Vereinigung Bayerns (KVB) entschie- den, dieses Problem aktiv anzugehen. Mit Unterstützung des Bayerischen Sozialministe- riums und in Partnerschaft mit der AOK Bayern, der Bundesknappschaft, der LKK so- wie der Münchenstift GmbH haben wir am 1. April 2004 den „Geriatrischen Praxisver- bund“ im Pflegeheim an der Tauernstraße in München gestartet. 13 Ärzte erklärten sich zur Teilnahme bereit. Ein Drittel der Bewoh- ner des Pflegeheims waren dabei. Insofern wa- ren die Startvoraussetzungen aus unserer Sicht nicht schlecht.

Diese Einschätzung sollte sich im Nachhinein als zu blauäugig herausstellen. So fehlte ein ein- heitliches Grundverständnis unter den teilneh- menden Ärzten, was zur Kündigung von elf der 13 Ärzte im Herbst letzten Jahres führte.

Der häufige Wechsel des Pflegepersonals in dem Heim erschwerte zudem die Kooperation. Die ambitionierte elektronische Dokumentation aller Behandlungsfälle erwies sich in der Pra- xis als zu kompliziert. Und schließlich führte das mangelnde Engagement der übrigen Kran- kenkassen noch zu einer Mehr-Klassen-Gesell- schaft im Pflegeheim: Privatpatienten, Patien- ten im Praxisverbund sowie Patienten außer- halb des Verbundes. Als dann auch noch die AOK ihren Fokus auf eigene Projekte im Rah- men der Integrationsversorgung legte, war nicht nur das Ende des einstmals mit großen Hoffnungen gestarteten Projekts besiegelt, son- dern auch die Rahmenbedingungen für weite- re regional begrenzte Projekte der KV denkbar schlecht. Die keineswegs zufrieden stellende Ver- gütung der Heimbesuche für die Ärzte durch den neuen EBM 2000plus war dann nur noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Doch wir haben unsere Lehren aus diesem Projekt gezogen. Es hat sich gezeigt, dass die Grundkonzeption der optimierten Versorgung erfolgreich war: So gingen die Alarmierungen des Bereitschaftsdienstes und die Kranken- hauseinweisungen auf Grund der klar geregel- ten Zuständigkeiten deutlich zurück, bei den Transportkosten ließen sich erhebliche Einspa- rungen erzielen. Die tägliche Präsenz betei- ligter Ärzte erwies sich als Kernelement einer Verbesserung der Lebensbedingungen der be- troffenen Menschen. Aufbauend auf dieser Er- kenntnis haben wir kürzlich eine Umfrage unter den rund 1200 Altenpflegeeinrichtungen mit vollstationärer Pflege in Bayern gestartet, um den wirklichen Bedarf genauer bestimmen zu können. Inzwischen liegen die ersten Zwi- schenergebnisse vor:

1. 70 Prozent der Bewohner behalten beim Einzug ins Heim ihren gewohnten Hausarzt bei.

2. In der Hälfte der Einrichtungen kümmern sich zehn und mehr Hausärzte um die Patien- ten.

3. Die Hälfte der Ärzte ist in Heimen tätig, in denen sie weniger als vier Patienten be- treuen.

4. Im fachärztlichen Bereich ist laut den Heimleitungen insbesondere bei gerontopsychi- atrischen, nerven- und augenärztlichen Leis- tungen die Nachfrage noch nicht zufrieden stellend abgedeckt.

5. Zwei Drittel der Heime sind mit der Ruf- bereitschaft sehr zufrieden. Knapp die Hälfte gab sogar an, nie vergeblich den betreuenden Hausarzt zu alarmieren.

Welche Erkenntnis lässt sich aus diesen Punk- ten ziehen? Zum einen ist die Situation in den Pflegeheimen wohl keineswegs so drama- tisch, wie in der Überschrift des eingangs zi- tierten SZ-Artikels suggeriert. Zum anderen ist die Zufriedenheit in den Heimen besonders hoch, wo sich eine überschaubare Zahl an Ärz- ten um die Patienten kümmert und vor allem regelmäßig zu Visiten vor Ort ist. Entschei- dende Kriterien für den Gütegrad der ärzt- lichen Versorgung in einem Pflegeheim sind aus unserer Sicht vor allem die Zuverlässigkeit der Rufbereitschaft, die Regelmäßigkeit der Visiten, eine enge Koordination ärztlicher und pflegerischer Leistungen und die Präsenz vie- ler verschiedener Facharztgruppen. Mit die- sem Wissen wird der Vorstand der KVB nun kein neues Modellprojekt starten. Nein, wir werden alle uns vom Gesetzgeber zugestande- nen Möglichkeiten voll ausschöpfen, um ein bayernweites Rahmenkonzept zu entwickeln, das bei Bedarf durch einzelne, individuelle Lösungen ergänzt wird. Ziel ist es, Anreize für die Ärzte insbesondere in den Bereichen der Versorgungsgenehmigungen, der Mengen- steuerung und der Abrechnung zu schaffen, um ein erhöhtes Engagement in den Pflegeeinrich- tungen attraktiver zu gestalten. Dazu sind wir auch auf die Unterstützung aller bayeri- schen Krankenkassen angewiesen, um dem Flickenteppich der vielen, mehr oder minder gut gemeinten Einzelprojekte ein flächende- ckendes Konzept der geriatrischen Versorgung aus einer Hand entgegenzusetzen. Dieses Ziel ist sicher wieder ambitioniert, aber ich bin überzeugt, dass wir es auf Grund unserer Er- fahrungen aus der Vergangenheit erreichen werden.

Betreuung pflegebedürftiger Menschen als Zukunftsaufgabe

Dr. Axel Munte, Vorsitzender des Vorstands der KVB

Bayerisches Ärzteblatt 11/2005 731

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