P 89 -102
Folgen von Arbeitslosigkeit für die Wohlfahrt von Individuen und Haushalten
DetlefLandua Wolfgang Z a p f
Zusammenfassung
In den meisten westlichen Industrieländern haben sich in den letzten Jahren die Beschäftigungsprobleme verschärft. Ansätze zu ihrer Lösung gab es in hoher Zahl, doch bislang ohne durchgreifenden Erfolg. Dieser Beitrag versucht, mittels eines besonderen Datensatzes, einen empirischen Zugang zu einigen Aspekten des nach wie vor brisanten Problems der Arbeitslosigkeit zu schaffen. Untersucht werden sowohl objektive wie auch subjektive Folgen, die mit der Veränderung des Erwerbsstatus verbunden sind.
Die verwendete Datenbank des Sozio-ökonomischen Panels (SOP) wird mit ihren Besonderheiten in Kapitel 2 vorgestellt. Es zeigt sich dabei, daß auch über längere Zeitperioden hinweg durch das SOP ein repräsentatives Abbild der arbeitslosen Bevölkerung in der Bundesrepublik reproduzierbar ist (Kapitel 3). Arbeitslosigkeit wird darüberhinaus hier nicht nur als individuelles Schicksal betrachtet, sondern auch im Rahmen familialer Bezugssysteme analysiert (Kapitel 4). Betrachtet man die Verläufe von Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen im Zeitablauf, so ergeben sich für einzelne Haushaltsmitgliedergruppen jeweils sehr unterschiedliche Verlaufsformen von Arbeitslosigkeit. Insbesondere für (Ehe-Partnerinnen ist die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt mit Schwierigkeiten verbunden (Kapitel 5). Die Erwerbsabsichten der Befragten selbst erweisen sich nicht immer als gute Prädik- toren für das tatsächliche Arbeitsmarktverhalten.
Auf die hohe Arbeitsmotivation von Arbeitslosen, auch bei längerfristiger Arbeitslosigkeit .verweist Kapitel 6. Daß die finanziellen Einbußen durch Arbeitslosigkeit stark variieren, je nachdem welche Person im Haushalt als Einkommensbezieher ausfällt, ist ein Ergebnis von Kapitel 7. Deutlich erkennbar ist aber auch, daß die Veränderung des Erwerbsstatus Auswirkungen bei subjektiven Wohlfahrtskomponenten zeitigt. Sowohl Sorgen wie auch Zufriedenheiten reagieren sichtbar auf die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit. Im Haushaltskontext läßt sich bei (Ehe-)Partnem sogar eine wechselseitige Beeinflussung der subjektiven Wohlfahrt auch bei unverändertem eigenen Erwerbsstatus identifizieren (Kapitel 8).
Nach einem methodischen Exkurs über den Einfluß monatlicher vs. jährlicher Zeitreihendaten auf die Interpretation der Dynamik von Arbeitsmarktprozessen (Kapitel 9) wird abschließend in Kapitel 10 auf die bei Dauerarbeitslosen auftretende Akkumulation von problembeladenen Sozialmerkmalen aufmerksam gemacht.
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Inhaltsübersicht S eite
1 Einleitung 2
2. Bemerkungen zur verwendeten Datenbasis:
Das Sozio-ökonomische-Panel 3
3. Zur Repräsentativität der Längsschnittdaten
des Sozio-ökonomischen Panel: 1984 bis 1986 4
4. Zum Stellenwert des Haushaltskontextes bei der Analyse von
Arbeitslosigkeitsverläufen 6
5. Typen und Verläufe von Arbeitslosigkeit und Nichterwerbstätigkeit 7 5.1. Der Vergleich der beruflichen Statusübergänge von Arbeitslosen und
Nichterwerbstätigen im Haushaltskontext 11
6. Die Veränderung von Berufswünschen bei andauernder
Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit 14
7. Die Veränderung des Erwerbsstatus und die Folgen für die objektive
Wohlfahrt 19
8. Die Veränderung des Erwerbsstatus und die Folgen für die subjektive
Wohlfahrt 21
8.1. Der Einfluß von Arbeitslosigkeit auf die Sorgen der Betroffenen 22 8.2. Der Einfluß von Arbeitslosigkeit auf die Lebenszufriedenheit der
Betroffenen 25
8.3 Subjektive Wohlfahrtsveränderungen von Haushaltsvorständen und
deren (Ehe-)Partnem im Haushaltskontext 30
9. Methodischer Exkurs: Der Vergleich von retrospektiven monatlichen
Kalenderdaten mit den jährlich erhobenen Daten 32
10. Die Dauerarbeitslosen: Eine Nahaufnahme 35
11. Politische Schlußfolgerungen 37
Anmerkungen 38
Literaturverzeichnis 41
Seite 2
Einleitung
In der Bundesrepublik hat sich die Arbeitslosigkeit in zwei Schüben auf den ge
genwärtigen Jahresdurchschnitt von fast 2,3 Millionen erhöht: Aus dem Zustand der Vollbeschäftigung wurde nach 1974 zunächst die Einmillionenschwelle, nach 1982 sodann die Zweimillionenschwelle überschritten. Seit sechs Jahren scheint diese hohe Jahresdurchschnittszahl im Aggregat unveränderlich zu sein, obwohl sich dahinter massenhafte Bewegungen ereignen. So finden wir z.B. allein im Jahre 1987 ca. 1,9 Millionen Fälle von Eintritten in die Erwerbstätigkeit aus Arbeitslosig
keit, "Stiller Reserve" und Berufsausbildung sowie ca. 2 Millionen Austritte aus der Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit und "Stille Reserve". Von 1983 bis 1987 hat sich die Zahl der Arbeitsplätze um eine Million erhöht, ohne daß an der hohen Ar
beitslosigkeit sich Wesentliches gändert hätte. In derselben Zeit hat sich der Anteil der "Langzeitarbeitslosen” (über ein Jahr Arbeitslosen) von 530 Tsd. auf 730 Tsd.
deutlich gesteigert. Andererseits zeigen Umfrageergebnisse, daß die Angst in der nächsten Zeit arbeitslos zu werden oder die Stelle wechseln zu müssen, die ohnehin nur eine kleine Minderheit der Erwerbstätigen äußert, von 1984 auf 1988 von 9%
auf 5% bzw. von 6% auf 5% zurückgegangen ist1.
Die heutige Arbeitslosigkeit ist offenbar ein komplexeres Problem als noch in der unmittelbaren Nachkriegszeit oder gar in der Weltwirtschaftskrise. Ein deutlicher wirtschaftlicher Aufschwung vermag den hohen Sockel von Arbeitslosigkeit nicht zu verringern. Langjährige Massenarbeitslosigkeit führt nicht zu massenhafter Kri
senstimmung. Subtile Ausleseprozesse vergrößern die Gruppe der langfristig oder immer wieder von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen, während die Mehrheit sich nur wenig betroffen zeigt und kürzere Perioden der Arbeitslosigkeit inzwischen als normale Lebensereignisse wahmimmt oder einplant. In dieser Situation sind alle Forschungsansätze von besonderem Interesse, die neue theoretische oder empiri
sche Einsichten in das Phänomen der heutigen Arbeitslosigkeit versprechen.
Mit dem Sozio-ökonomischen Panel können wir einen empirischen Zugang zu ein
zelnen Aspekten der Arbeitslosigkeit eröffnen, der bisher weder mit den Daten der amtlichen Arbeitsmarktstatistik noch mit anderen Umfragedaten möglich war.
Seite 3 - Wir können die Arbeitslosigkeit im Haushaltskontext untersuchen, d.h. nicht
nur als Schicksal einer einzelnen Person, sondern in der Konstellation eines Haushalts mit seinen einzelnen Mitgliedern, z. B. nach der Zahl weiterer Er
werbstätiger in diesem Haushalt (Für eine entsprechende Querschnittsbetrach
tung s. KRAUSE 1987)
- Wir können danach spezifische Typen von Arbeitslosigkeit bzw. von Arbeitslo
sen unterscheiden.
- Diese Typen zeigen unterschiedliche Verlaufsformen, wenn man sie über die Jahre 1984,1985 und 1986 betrachtet, was nur mit einer Längsschnitterhebung, wie sie das Panel darstellt, möglich ist
- Wir können die "objektiven" Folgen von Arbeitslosigkeit im Haushaltskontext untersuchen, nämlich Veränderungen des Haushaltseinkommens.
- Wir können die "subjektiven" Folgen von Arbeitslosigkeit im Haushaltskontext untersuchen: Zufriedenheiten, Sorgen und Zukunftserwartungen von Haus
haltsvorständen und Ehepartnern, auch in der wechselseitigen Bewertung ihrer Situation.
- Wir können Arbeitslose und Nichterwerbstätige bezüglich ihrer weiteren Er
werbsabsichten und Erwerbsverläufe vergleichen und damit auch einen neuen Beitrag zur Untersuchung der "Stillen Reserve" leisten.
- Wir können schließlich Kumulationen von Belastungen bei den von Arbeitslo
sigkeit betroffenen Personen feststellen.
Diese Mikroanalyse auf der Ebene von Betroffenen in ihrem Haushaltskontext lösen keine Probleme des Arbeitsangebots und der Arbeitsnachfrage auf der gesamtwirt
schaftlichen Ebene, wie sie etwa durch wirtschaftlichen Strukturwandel oder durch den Berufseintritt der geburtenstarken Jahrgänge entstehen. Sie ergeben aber neue Einsichten in die Umstände und Folgen von Arbeitslosigkeit sowie in die Erwartungen und Handlungen von Nichterwerbstätigen gegenüber dem Arbeits
markt. Diese Einsichten sollten auch für die Arbeitsmarktpolitik von Interesse sein.
2 . Bemerkungen zur verwendeten Datenbasis: Das Sozio-ökono- mische Panel
Im Rahmen des Sozio-ökonomischen Panels2 (SOP) wurden ab 1984 jährlich in ca.
6.000 Haushalten der Bundesrepublik Deutschland alle Haushaltsmitglieder, die 16
Seite 4
Jahre und älter waren, befragt (in Welle 1 ca. 12.000 Personen). Die dabei ange
sprochenen Themengebiete - wie Einkommen, Wohnsituation, Zeitverwendung, Gesundheit, Erwerbsbeteiligung, regionale Mobilität, Bildung, Zufriedenheiten und Werteinstellungen etc. - ermöglichen es, ein breites Spektrum von Lebensbereichen zu untersuchen. Darüberhinaus ermöglicht das SOP mit seinen Verlaufsdaten eine detaillierte Analyse von Veränderungen im Zeitablauf, also die Analyse von sozia
lem Wandel oder Mobilitätsprozessen. Durch die Haushaltsstichprobe liegen des weiteren auch Informationen über haushaltsinteme Verteilungen von Personendaten vor.
Den Vorzügen einer solch umfassenden Panel-Datenbank stehen aber auch eine Reihe komplizierter methodologischer Probleme gegenüber, die mit dieser Art von Längsschnittdaten verbunden sind. Das Erhebungsdesign des SOP ist prinzipiell so angelegt, daß die Daten als repräsentativ gelten dürfen. Um die Analyse bestimmter Problemgruppen zu erleichtern, sind im SOP ausländische Haushalte aber deutlich überrepräsentiert (ca. 1.400 Haushalte der Welle 1). Dieser disproportionale Stich
probenansatz3, mögliche Veränderungen der Grundgesamtheit, die sich in der Panelpopulation widerspiegeln sollten, und Veränderungen der Panelpopulation im Zeitablauf - insbesondere die Panelmortalität - sind jedoch Faktoren, die die Frage, ob das Panel auch in späteren Erhebungswellen noch repräsentative Daten für die Bundesrepublik liefert, berühren könnten. Neben besonderen erhebungstechnischen Vorgehensweisen zur kontinuierlichen Erfassung von bspw. mobilen Personen oder Haushalten wurden zur Erhaltung der Repräsentativität des SOP auch mehrere Längsschnitt- und Querschnittgewichte4 entwickelt, um diesen Einflußgrößen Rechnung zu tragen.
3 . Zur Repräsentativität der Längsschnittdaten des Sozio-ökono- mischen Panel; 1984 bis 1986
Die Analyse bestimmter und relativ kleiner Problemgruppen der Gesellschaft mit Hilfe des SOP läßt die Frage nach der Repräsentativität - also die Frage, ob von einer Stichprobe auch Aussagen für die Grundgesamtheit gemacht werden können -
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Schaubild 1: Anteile der A usländer a n d en A rbeitslosen (gezüchtete L än g ssch n ittd aten des SOP)
Schaubild 2: G eschlechtsspezifische Anteile a n allen A rbeitslosen (gezüchtete L an g ssch n ittd aten des SOP)
%
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besonders dringlich erscheinen, da die Sicherheit, mit der man Ergebnisse als repräsentativ ansehen kann, umso geringer wird, je kleiner die Zahl der Unter
suchungseinheiten ist5.
Wir vergleichen aus diesem Grunde die Daten des SOP zu einer Reihe von Struk
turmerkmalen der in ihm enthaltenen arbeitslos gemeldeteten Personen mit den ent
sprechenden Daten der "Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit"
(ANBA) für das jeweils entsprechende Jahr. Ergebnisse dieses Vergleichs werden exemplarisch durch die Schaubilder 1 und 2 repräsentiert. Als Fazit der von uns durchgeführten Repräsentativitätsprüfungen der Arbeitslosen im SOP, nach der (gewichteten) Hochrechnung im Längsschnitt6 mit verschiedenen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Ausländeranteil etc., kann festgestellt werden, daß das Panel auch über mehrere Wellen hinweg ein repräsentatives Abbild der Gruppe arbeitslo
ser Personen in der Bundesrepublik beinhaltet. Eine völlige Gleichverteilung der Paneldaten und der amtlichen Zahlen ist nicht zu erwarten, da sich letztere jeweils auf Jahresdurchschnittswerte beziehen, der Erhebungszeitraum des Panels sich je
doch nur auf wenige Monate im Jahr konzentriert.
4 . Zum Stellenwert des Haushaltskontextes bei der Analyse von Arbeitslosigkeitsverläufen
Bislang wurden in den Sozial Wissenschaften vor allem individuelle Merkmale zur Messung und z. T. auch zur Erklärung sozialer Variablen wie Schichtzugehörigkeit, Ungleichheit, Mobilität etc. herangezogen. Weitaus seltener fand in diesem Zusam
menhang der Haushaltskontext Beachtung. Ein Anliegen dieses Beitrages ist es deshalb auch, den Stellenwert von haushaltsbezogenen Analysen hervorzuheben, denn sowohl in "subjektiver"7 wie "objektiver" Hinsicht kann der (familiale) Haushalt als "intervenierende Variable" bei den hier betrachteten Statusübergängen8 Bedeutung erlangen:
Aus "subjektiver" Perspektive kommt dem Haushaltskontext bspw. die wichtige Funktion eines psychischen Spannungsausgleiches bei der möglichen individuellen
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Belastung durch die persönliche Betroffenheit von Arbeitslosigkeit zu. Aus
"objektiver" Sicht stellt der Haushalt einen Ort dar, an dem vielfache materielle Transfers erfolgen. Individuelle Einkommenseinbußen durch Arbeitslosigkeit könnten deshalb im Haushaltskontext in ihrer Bedeutung durch haushaltsbezogene Veränderungen der Anteile von Einkommenstransfers zum Teil kompensiert wer
den. Die Analyse des Prozesses "der" Arbeitslosigkeit allein aus der Sicht des be
troffenen Individuums heraus kann deshalb kaum befriedigen, da sowohl die
"subjektive" Betroffenheit als auch die "objektiven" Folgen von Arbeitslosigkeit trotz gleicher individueller Statuslage je nach der Personenkonstellation im Haushalt durchaus differenzierte Auswirkungen zeitigen können. Es ist anzunehmen, daß sowohl Einkommenseinbußen wie auch psychische Belastungen, die durch Ar
beitslosigkeit verursacht werden, durch Interventionen einer Haushaltsgemeinschaft in ihren Auswirkungen beeinflußt werden.
5 . Typen und Verläufe von Arbeitslosigkeit und Nichterwerbstä
tigkeit
Betrachtet man Arbeitslosigkeit im Haushaltskontext, so lassen sich drei Typen bzw. drei9 unterschiedliche Verläufe von Arbeitslosigkeit identifizieren (vgl.
Schaubild 3 und 4).
Typ 1: Über 60 Prozent der Arbeitslosen des SOP sind H au sh altsv o rstän d e größtenteils Männer (vgl. Schaubild 3). Im Zeitablauf verbleiben die meisten von ihnen jedoch nicht lange in diesem Status. Bezogen auf den Übergang der 1985 neu arbeitslos gemeldeten Haushaltsvorstände (Gruppe B) zeigt sich, daß über die Hälfte von ihnen ein Jahr später wieder erwerbstätig wurde; ein Drittel ist auch 1986 weiterhin arbeitslos; ein Sechstel scheidet aus der Erwerbstätigkeit aus (vgl. Schau
bild 4).
Typ 2: Etwa ein Viertel der Arbeitslosen sind (Ehe-)Partner, meist Frauen (vgl.
Schaubild 3). Ihr Verlaufsprozeß zeichnet sich zwar ebenfalls durch eine geringe Verbleibwahrscheinlichkeit im Arbeitslosenstatus aus, jedoch ist bei ihnen zugleich
Seite 8
S c h a u b i l d 3 : Ü b e r g ä n g e a u s d e r A r b e i t s l o s i g k e i t ( a b s o l u t e G r o ß e n J
— H a u s h a l t s v o r s t ä n d e —
1 9 8 4 1 9 8 4 1 9 8 5 1 9 8 5 1 9 8 6 1 9 8 6 J a h r
U e r 1 a u f s g r u p p e n •
A = G ru p p e l : A r b e i t s l o s i n 1 9 8 4 B = G ru p p e 2 - A r b e i t s l o s ln 1 9 8 5
E r w e r b s s t a t u s :
■ A r b e i t s l o s g e m e l d e t 0 E r w e r b s t ä t i g
□ N i c h t e r w e r b s t ä t i g
Seite 9
S c h a u b i l d 4 : Ü b e r g ä n g e a u s d e r A r b e i t s l o s i g k e i t ( r e l a t i v e G r ö ß e n )
— H a u s h a l t s v o r s t ä n d e —
A B A B
B
1 9 8 4 1 9 8 4 1 9 8 5 1 9 8 5 J a h r
( E h e — I P a r t n e r
1 9 8 6 1 9 8 6
1 3 . 3
3 4 . 4
5 2 . 3
•A
1
1
^■PSf
‘
KXXXf B & a i, 1 8 0 , 1 9 8 4 1 9 8 4 1 9 8 5 1 9 8 5
J a h r
1 9 8 6 1 9 8 6
37.S
3 8 . e
3 2 . 7
K in d e r d e s HHU
1 9 8 4 1 9 8 4 1 9 8 5 1 9 8 5 J a h r
1 9 8 6 1 9 8 6
2 7 . 3 9 . 1
6 3 . 6
Seite 10
auch die auf den Erwerbsstatus bezogene "Erfolgsquote" am geringsten. Knapp 33 Prozent der 1985 neu arbeitslos gemeldeten (Ehe-)Partner schaffte ein Jahr später die Rückkehr in den Beruf (vgl. Schaubild 4; Gruppe B). Der größte Teil (37.3%) zieht sich - zumindest vorläufig - aus dem Erwerbsleben zurück; 30 Prozent verbleiben als arbeitslos Gemeldete.
Typ 3: Die kleinste Gruppe bilden die im Haushalt lebenden ledigen Kinder des Haushalts Vorstandes. Obwohl die Fallzahl für eine weiterreichende Interpretation ihres Status Verlaufs zu gering ist, kann festgehalten werden, daß sich gerade für diese sozialpolitisch besonders brisante Gruppe jugendlicher Arbeitsloser ein ver
gleichsweise schneller Rückstrom bzw. Übergang in das Erwerbsleben abzeichnet Die Statusübergänge aller Arbeitslosen in 198410 (Schaubild 3 und 4; Gruppe A) ähneln tendenziell bis 1986 in hohem Maße den Verlaufstypen der 1985 neu ar
beitslos gemeldeten Personen (Gruppe B). Bei Verläufen von Arbeitslosigkeit sind somit im Haushaltskontext drei Übergangsformen erkennbar, von denen die der Haushaltsvorstände starke Parallelen mit den Verläufen arbeitsloser Jugendlicher aufweisen. Diese Parallelität sollte jedoch nicht über die jeweilige Bedeutung der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit hinwegtäuschen: Der Verlust der Erwerbsarbeit des Haushaltsvorstandes bedeutet für die Haushaltsgemeinschaft meist den Wegfall der Haupteinkommensquelle, für den Haushaltsvorstand selbst auch den Verlust einer mit Sozialprestige versehenen Statusposition. Obwohl Arbeitslosigkeit für die (noch) im Eltemhaushalt lebenden Kinder finanziell weniger schwerwiegende Fol
gen haben kann, ist die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen - gerade zu Beginn der Erwerbskarriere - meist eine schmerzliche Erfahrung, die sich sowohl auf den weiteren Berufsverlauf, wie auch auf die Einstellungen Jugendli
cher negativ auswirkt11.
Eine andere Verlaufsform von Arbeitslosigkeit zeichnet sich für (Ehe-)Partner ab.
Zum Teil erkennbar sind noch die auf traditionellen Berufsorientierungen basieren
den Erwerbskarrieren verheirateter Frauen. Nach wie vor ist die Hausffauenrolle eine gesellschaftlich anerkannte Alternative zur weiblichen Erwerbstätigenrolle. Der hohe Abstrom arbeitsloser Ehefrauen in den Nichterwerbstätigenstatus bei kriti-
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sehen Arbeitsmarktsituationen wird deshalb insgesamt nicht erstaunen, da aufgrund der - meist durch familiale Gründe verursachten - diskontinuierlichen Erwerbs Ver
läufe von Frauen diese, besonders bei guten Verdiensten des Ehepartners, häufiger als Männer keine oder nur kurzfristige Leistungen vom Arbeitsamt beziehen und deshalb auch eher davon Abstand nehmen, sich weiter beim Arbeitsamt zu melden.
5 .1 Der Vergleich der beruflichen Statusübergänge von Arbeitlosen und Nichterwerbstätigen im Haushaltskontext
Die Identifizierung typischer haushaltsbezogener Verlaufsformen, die auf den Arbeitsmarkt zurückführen, wird durch die Kontrastierung der Arbeitslosen mit einer größeren Gruppe erwerbsloser Personen erleichtert. Schaubild 5 sowie Ta
belle 1 zeigen deshalb als "Gegenbild" den Statusverlauf der Nichterwerbstätigen.
Im Schaubild 5 wird ersichdich, daß sich für Nichterwerbstätige mit festem Er
werbswunsch (1984) zwar deutiieh andere Größenverteilungen der drei Haushalts
mitgliedergruppen als bei Arbeitslosen ergeben, die Muster der jeweiligen Verläufe aber starke Ähnlichkeit mit denen der Arbeitslosen aufweisen. Besonders nichter
werbstätigen Kindern von Haushaltsvorständen (50%; incl. "Lehre") und Haus
haltsvorständen selbst (44%; incl. "Lehre") gelingt es relativ leicht, bis 1986 (wieder) auf dem Arbeitsmarkt in Erscheinung zu treten. Zumindest für die letztge
nannte Gruppe ist jedoch auch ein nicht unerheblicher Anteil mißlungener Rück
kehrversuche erkennbar, die in Arbeitslosigkeit münden. Für die (Ehe-)Partner der Haushaltsvorstände ist am häufigsten der Verbleib in der Nichterwerbstätigkeit bis 1986, diese Personengruppe bildet das größte Reservoir der sogenannten "Stillen Reserve".
Tabelle 1 gestattet darüberhinaus eine detailliertere Darstellung der Statusübergänge von 1984 auf 1985, differenziert nach der Intensität des Erwerbswunsches der Be
fragten. Zwar ist ein allgemeiner Zusammenhang zwischen der Stärke der Erwerbs
neigung und der "Erfolgsquote" der Nichterwerbstätigen unübersehbar, doch muß diese Globalaussage für (Ehe-)Partner von Haushaltsvorständen relativiert werden.
Neben ihrer generell geringeren Erfolgsaussicht, wieder erwerbstätig zu werden,
Seite 12
Tabelle 1: Übergänge aus der Nichterwerbstätigkeit, diffe
renziert nach der Stellung zum Haushaltsvor
stand.
Frage: "Wie sind heute Ihre Zukunftspläna: Wollen Sie überhaupt noch einmal erwerbstätig werden?"
Beruflicher Status 1985:
Vollzeit Teilzeit Lehre Arbeitslos Nichterwerbs-
beschäftigt beschäftigt gemeldet tätig
in Prozent N
- Haushaltsvorstand Erwerbswunsch 84:
- Ja, auf jeden Fall 1) 13-7 ' (22.6)
16.5 3.1 17.5 49.1 160
- "Stille Reserve" ( 7.0) ( 1.7) (38.8) (29.9) ( 51)
- Vielleicht - 5.9 - 25.5 68.7 30
- Nein 0.2 1.0 — 0.6 98.2 1404
- (Ehe-)Partner Erwerbswunsch 84:
- Ja, auf jeden Fall 4.1 12.9 5.1 77.8 262
- "Stille Reserve" ( 4.9) (13.3) - (10.7) (71.0) ( 79)
- Vielleicht 2.7 9.7 - 3.4 84.3 324
— Nein 0.7 4.2 0.4 94.7 1143
- Kind(er) des HHV Erwerbswunsch 34:
- Ja, auf jeden Fall 10.5 3.8 11.2 2.3 72.2 346
- "Stille Reserve" (24.6) ( 1.5) (13.8) ( 7.1) (53.0) ( 37)
- Vielleicht N-3 - - - N-6 9
- Nein - N-3 - - N-19 22
1) "Scilla Reserve” : Erwerbswunsch 34 - a. Ja, auf jeden Fall,
+ b. Erwerbswunsch sofort oder innerhalb des kommenden Jahres + c. Könnte mögliche Stelle auch sofort antreten.
Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel; Gewichtete Längsschnittdaten von Welle 1 (1984) bis Welle 3 (1986).
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S c h a u b i l d 5 : Ü b e r g ä n g e a u s d e r N i c h t e r w e r b s t ä t i g h e i t
— a b s o l u t e u n d r e l a t i v e G r o ß e n — (*)
HHU PAR KIND HHU PAR KIND HHU PftR KIND
HHU PAR KIND HHU PAR KIND HHU PAR KIND
(*) Hur Nichterwerbstätige mit fe ste « Zrweriswunsch ("ja, auf jeden F all") HHU = Haushaltsvarstand
PAR = (Ehe-)Partner des HHU KIND = (Kind(er) des HHU
E r w e r b s s t a t u s :
■ A r b e i t s l o s g e m e l d e t 0 E r w e r b s t ä t i g
□ N i c h t e r w e r h s t ä t i g 3 L e h r e
□ N i c h t e r w e r b s t ä t i g e , d i e o h n e W u nsch 1 9 8 5
e r w e r b s t ä t i g w u r d e n
Seite 14
zeigt sich, daß die Stärke des Erwerb swunsches hier einen weitaus schwächeren Einfluß auf den Rückkehrprozeß ausübt als bei den anderen Befragtengruppen.
Selbst die ansonsten stark differenzierende Unterteilung der Kategorie "ja, auf jeden Fall" in die noch strengere Untergruppe der von uns definierten "Stillen Reserve"12 zeigt bei (Ehe-)Partnem nennenswerte Auswirkungen lediglich in einem höheren Anteil gescheiterter Rückkehrversuche (10.7%). Den (Ehe-)Partnem gelingt es also weitaus seltener als Jugendlichen oder Haushaltsvorständen, ihre eigenen Be- rufspläne innerhalb eines Jahres in die Tat umzusetzen. Andererseits ist für (Ehe-)Partner auch im umgekehrten Falle eine geringere Übereinstimmung ihrer geäußerten Erwerbsabsichten mit ihrem tatsächlichen Verhalten in 1985 festzu
stellen: Obwohl auch Haushaltsvorstände und Jugendliche schon ein Jahr, nachdem sie fest äußerten, nicht erwerbstätig werden zu wollen, auf dem Arbeitsmarkt in Erscheinung traten - oder dies wenigstens versuchten -, ist diese Form der
"Beschäftigung aufgrund von Opportunität" oder aufgrund besonderer Notlagen ein Mobilitätsvorgang, der überproportional häufig bei nichterwerbstätigen (Ehe-)Part- nem festzustellen ist.
Dieses hier kurzgefaßte Resultat entspricht den Ergebnissen detaillierterer Panel
analysen zu Rückkehrprozessen auf den Arbeitsmarkt und ist vor allem in dem all
gemeineren Kontext geschlechtsspezifischer Erwerbsbiographien, Sozialisations
verläufe und arbeitsmarktbezogener Segmentationsstrategien anschaulich zu machen (s. LANDUA 1986).
6 . Die Veränderung von Berufswünschen bei andauernder Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit
Die scheinbare inhaltliche Parallelität der untersuchten beruflichen Mobilitätspro
zesse von Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich hier, bezüglich ihrer weiteren Berufsorientierungen, um höchst unter
schiedliche Personengruppen handelt. Dies zeigt sich sehr deutlich in den Struktu
ren der weiteren Erwerbswünsche bei dauerhaftem Verbleib außerhalb des Er
werbsstatus. Ergebnisse einer anderen Studie zu diesem Themenbereich
Seite 15
Tabelle 2: Die Veränderung von Erwerbswünschen im Zeitablauf.
Gruppe: Dauerarbeitslose und "Dauernichterwerbstätige''; 1984 bis 1986.
Frage: "Wie sind heute Ihre Zukunftspläne: Wollen Sie überhaupt noch einmal erwerbstätig werden?"
Nichterwerbstätige |
1. Männer 1
2. Frauen |
Erwerbswunsch 1986: 1 Erwerbswunsch 1984:1
-ja,auf jeden Fall 1 ja, auf vielleicht nein 1
11 jeden Fall (%) 1 N
1 i
1 Erwerbswunsch 1985:
1 1
|-ja, auf jeden Fall 1. 69.3 0.5 5.1 I 93
1 (%) 2. 35.2 6.6 4.4 I 110
1 1
1-vielleicht 1. 2.0 • 0.7
1 1 3
1 2. 12.6 10.3 3.6 | 64
| :
I-nein 1. 11.2 1.1 10.0 | 28
11 _ _ ---
2. 7.8 4.8 14.6 | 65
1 - - -vielleicht
1
|— ja, auf jeden Fall 1.
1
1 2. 1.5 2.1 2.1 1 15
I
1-vielleicht 1. — — (3) 15 1
1 3
1 2. 5.0 20.2 12.7 I 98
1 1
I-nein 1. (1) - (7)
1 1 8 11 --- 2. 1.9 16.3 38.2 I 145
1 - - -nein
1
I-ja, auf jeden Fall 1.
1
11 2. 0.2 0.1 0.2 1 10
I
1-vielleicht 1. - - (2)
1 1 2
11 2. 0.2 0.5 0.7 1 25
1
1-nein 1. — - 99.7 I 700
1 2. 0.2 1.8 96.7 11803
Arbeitslose 84-86 1 1
(Insgesamt): 1 1
-ja, auf jeden |— ja, auf jeden Fall 82.4 9.7 6.0 1 71
Fall 1 1
I-vielleicht
1 1.8 — — I 1
1 1
1-nein - - -
1
1) Fallzahlen in Klammern
Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel; gewichtete Längsschnittdaten von Welle 1 (1984) bis Welle 3 (1986).
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D i e V e r ä n d e r u n g d e r E r w e r b s w ü n s c h e v o n ' ’D a u e r a r b e i t s l o s e n ' ’ 1 9 8 4 — 1 9 8 6
8 0 7 0 6 0 5 0 N 4 0 3 0 2 0 10
0
1 9 8 4 1 9 8 5 1 9 8 6 J a h r
S c h a u b i l d 7 : D i e V e r ä n d e r u n g d e r E r w e r b s w ü n s c h e v o n ' ’D a u e r —"
n i c h t e r w e r b s t ä t i g e n ” 1 9 8 4 — 1 9 8 6
M = M änner F s F r a u e n
Seite 17
(s. NOELLE-NEUMANN/GILLIES 1987) wurden von den Autoren dahingehend gedeutet, daß ca. die Hälfte der Arbeitslosen wenig zur Arbeit motiviert seien:
"Arbeitslosigkeit wird nur von der Hälfte der Arbeitslosen als Zustand empfunden, der möglichst bald beendet werden muß, und auch nur etwa die Hälfte gibt sich größere Mühe, ohne Verzug wieder Arbeit zu finden." (ziL nach: ebda.:48).
Als eine der Hauptursachen für diese "schwache" Arbeitseinstellung sei dabei vor allem die materielle Absicherung der Arbeitslosen anzusehen. Umgekehrt sei auf
grund fehlender staatlicher Unterstützung die Bereitwilligkeit zur Arbeit bei der
"Stillen Reserve" der nicht gemeldeten Arbeitslosen besonders groß.
"Die Angehörigen der 'stillen Reserve' verdienen augenblicklich nichts ... Die Arbeitslosen dagegen sind auf verschiedene Weise versorgt, auch wenn sie länger als zwei Jahre arbeitslos sind." (zit nach: ebda.:68).
Schaubild 6 und 7 sowie Tabelle 2 zeigen für die Erwerbswünsche von Dauerar
beitslosen bzw. "Dauer-Nichterwerbstätigen" ein anderes Bild: Von allen Dauerar
beitslosen (1984 bis 1986) die 1984 einen klaren Erwerbswunsch äußerten ("ja, auf jeden Fall") wich bis 1986 nur ein kleiner Anteil von diesem festen Vorsatz ab.
Diese Kontinuität ist dabei für weibliche Arbeitslose fast ebenso stark ausgeprägt wie für männliche13. Auffallend ist weiterhin, daß für Arbeitslose schwächere Rückkehrmotivationen ("vielleicht", "nein") in nennenswertem Umfang kaum exis
tieren (vgl. Schaubild 6 und Tabelle 2).
Seitens der dauerhaft Nichterwerbstätigen ist diese Motivationsintensität allenfalls für männliche Nichterwerbstätige erkennbar, obwohl auch für sie eine höhere Fluktuationsrate als bei Arbeitslosen festzustellen ist (vgl. Schaubild 7 und Tabelle 2). Für weibliche "Dauer-Nichterwerbstätige" hingegen sind konstante und inten
sive Rückkehrabsichten eher die Ausnahme. Vergleicht man die Prozentanteile von Tabelle 2, so überwiegen für Frauen deutlich die Abwanderungen in Kategorien schwächerer Rückkehrabsichten14.
Die Schaubilder 8 bis 10 ergeben für die Rückkehrvorstellungen von Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen einen vergleichbaren Eindruck: Arbeitslose planen, so bald als irgend möglich auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren, während sich sowohl
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S c h a u b i l d 1 0 : D i e V e r ä n d e r u n g d e r z e i t l i c h e n R ü c k h e h r p l ä n e v o n
" D a u e r —N i c h t e r w e r b s t ä t i g e n ' ’ 1 9 8 4 — 1 9 8 6
1 9 8 4 1 9 8 4
—M— —F—
1 9 8 5 1 9 8 5 - M - —F—
J a h r
1 9 8 6 1 9 8 6
—M— - F —
0
M F
M ä n n e r F r a u e n
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männliche wie weibliche Nichterwerbstätige hierfür meist weitere Zeiträume offen
lassen15.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Daten des SOP in keinster Weise die These einer "fehlenden Arbeitsmoral der Arbeitslosen" unterstützen16. Es kann hier nur gefolgert werden, daß der Wunsch der Arbeitslosen, wieder erwerbs
tätig zu werden, trotz möglicher staatlicher Unterstützungsleistungen, sehr hoch ist und als solcher auch über die Zeit hinweg erhalten bleibt, wohingegen die entspre
chenden Motivationen von Nichterwerbstätigen mit Erwerbswunsch - der poten
tiellen "Stillen Reserve" - weitaus schwächer sind.
7 Die Veränderung des Erwerbsstatus und die Folgen für die objektive Wohlfahrt
I
Durch Arbeitslosigkeit induzierte Prozesse der Abwärtsmobilität bewirken, neben den psycho-sozialen Folgen für die betroffenen Personen, insbesondere einkom
mensbezogene Veränderungen. Das Einkommen stellt in fast allen Schichtungs- und Ungleichheitstheorien eine zentrale Variable dar. Viele Untersuchungen zeigen, daß gerade im Armutsbereich ein starker Zusammenhang zwischen der Einkommens
höhe und dem Versorgungsniveau in allen Lebensbereichen besteht (s. bspw.
TOWNSEND 1979). Auch für die subjektive, auf Prestige bezogene Ungleichheit ist das Einkommen von großer Bedeutung (vgl. BOLTE/KAPPE/NEIDHARDT
1975:87).
Neuere Studien gehen dabei über den individuellen Kontext hinaus und betonen, daß die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die soziale Stellung und insbeson
dere die Gefahr der Verarmung sehr stark vom Familien- bzw. vom Haushaltskon
text mitgeprägt werden (vgl. bspw. ZAPF et al. 1987:93ff.; s.KLEIN 1987a).
Deshalb wild in diesem Kapitel die Bedeutung von Haushaltsgemeinschaften für die einkommensbezogenen Auswirkungen17 von Arbeitslosigkeit hervorgehoben.
Tabelle 3 weist darauf hin, daß die Folgen der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit in hohem Maße davon abhängig zu sehen sind, welche Einkommensquelle(n) für den
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Tabelle 3: Veränderungen innerhalb haushaltsinterner Erwerbskonstellati nen und ihre Auswirkungen auf das Haüshaltseinkommen - IS und 1985.
+ = Erwerbstätig (Voll-, Teilzeit) 1 1
- = Arbeitslos (Für Kinder auch 1 1 Haushalts- Differenz
"Nichterwerbstätig”) 1 1
I 1 nettoeinkommen Erwerbskonstellation im H a u s h a l t :
1 i
1985 1986 1985 1986 1986-1985
HHV PAR KIN HHV PAR K I N 1 ' 1 N Z) | in DM in DM
+ + + + + + 1 408 | 4589 4837 + 248
+ + + + + - I 120 | 4076 3531 - 545
+ + + - - 1 27 | 4487 2316 -2171
+ + - + + 1 14 |
1 1
3837 3243 - 594
+ + — + + +
1 1
1 80 | 3423 4037 + 614
+ + - + + - 11440 | 3663 3832 + 169
+ + - I 220 | 3359 3255 - 104
+ + — — + — 1 25 I
1 1 3635 2842 - 794
+ — - + + +
1 1
1 11 1 2592 6443 +3851
+ - - + + - 1 212 | 2553 3131 + 578
+ - - + - - 11518 | 3037 3186 + 149
+ - - + - + 1 120 | 4150 4657 + 507
+ — — — — - 1 50 |
1 1 2367 2066 - 301
+ — + + + +
1 1
1 51 1 4530 4455 - 75
+ - + + + - 1 18 | 4263 3797 - 466
+ - + + - - f 104 | 4189 3741 - 448
•h — + — + | 290 | 3933 4237 + 304
- - + + — 1 1
1 14 | 2129 2888 + 759
- - • - + - - 1 23 | 1453 2183 + 730
— — — — — 1 87 |
I 1 1617 1584 - 33
- + - + + - 1 1
1 53 | 2377 3404 + 1027
+ + 1 30 |
1 1
2551 1984 - 567
1) HHV - Haushaltsvorstand; PAR = (Ehe-)Partner; KIN = Kinder des HHV.
2) Die Konstruktion von Haushaltskonstellationsvariablen führt zu eine datentechnisch bedingten Überhöhung der Eallzahlen. Die Höhe der be rechneten Einkommensmittelwerte (bzw. deren Differenzen) wird dadurc.
nicht verändert. Nur Fallzahlen von N > 10 werden angeführt.
Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel; gewichtete Längsschnittdaten vo.
Welle 1 (1984) bis Welle 3 (1986)
Seite 21
Haushalt ausfallen. Besonders gravierend wirken sich die "Verluste" von Haupt- verdienem (Haushaltsvorstände, z.T. auch Kinder) oder mehreren Verdienern im Haushalt aus. Vergleichsweise geringere Einkommenseinbußen entstehen hingegen durch die Arbeitslosigkeit des (Ehe-)Partners. Es wäre jedoch sicherlich voreilig, die Arbeitslosigkeit von (Ehe-)Partnem in ihren finanziellen Folgen allgemein zu verharmlosen. Gerade in einkommens schwachen Haushalten ist der Einkommens
beitrag, den erwerbstätige Ehefrauen leisten, häufig fast ebenso hoch, wie der des Haushaltsvorstands. Durch die Arbeitslosigkeit des Ehepartners bedingte Einkom
mensdefizite zeigen in diesem Fall sehr starke Auswirkungen auf die finanzielle Lage von Haushalten (vgl. ZAPF et al. 1987:95).
Obwohl an dieser Stelle die realen Veränderungen des Haushaltsnettoeinkommens betrachtet werden, gibt es auch Indizien, die einen Zusammenhang zwischen der Familiengröße bzw. -Zusammensetzung sowie der Verdienerzahl im Haushalt und der Gefahr der Verarmung durch Arbeitslosigkeit zeigen. Selbst der Ausfall des Haushaltsvorstandes als Erwerbsperson in Haushalten mit zwei oder mehr Ein- kommensbeziehem kann durch die verbleibenden Einkommensquellen in seiner Tragweite wenigstens teilweise aufgefangen werden18. Nicht unerwähnt bleiben darf allerdings, daß diese Form von "haushaltsbezogener Absicherung" vor materi
ellen Arbeitslosigkeitsfolgen nur vergleichsweise wenigen Haushalten Vorbehalten ist und Arbeitslosigkeit, auch in ihrer individuellen Form, sich nicht über alle Haushalte gleichverteilt, sondern sich auf Gesellschaftsgruppen konzentriert, die in mehreren Lebensbereichen belastet und "benachteiligt" sind (s. hierzu auch Kapitel 8.1 und 10).
8 . Die Veränderung des Erwerbsstatus und die Folgen für die subjektive Wohlfahrt
Lebensqualität oder individuelle Wohlfahrt konstituiert sich nach unserem Ver
ständnis nicht nur aufgrund "objektiver" Lebensbedingungen - im Sinne von (im Prinzip) beobachtbaren Lebensverhältnissen wie dem Haushaltseinkommen -, son
dern auch durch die von den Betroffenen selbst abgegebene Einschätzungen über
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ihre Lebensbedingungen. Unter solchen Einschätzungen sind einerseits Zufrieden- heitsangaben, aber andererseits auch generellere kognitive Gehalte wie Hoffnungen, Ängste, Sorgen etc. zu verstehen. Nach den Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die objektiven Lebensbedingungen von betroffenen Personen soll im folgenden un
tersucht werden, ob sich erkennbare Reaktionen auch auf der Ebene der subjektiven Wohlfahrtskomponenten reflektieren.
8 .1 Der Einfluß von Arbeitslosigkeit auf die Sorgen der Betroffenen
Die Ergebnisse der Tabelle 4 ergeben ein klares Bild. Fast zwei Drittel der Arbeits
losen (1984 und 1985) machen sich große Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation; bei den Erwerbstätigen trifft das lediglich für 18 bis 19 Prozent zu. Diese Größenordnungen folgen dabei dem Statuswechsel der Befragten von 1984 auf 1985, also von Arbeitslosigkeit zu Erwerbstätigkeit und umgekehrt. Es ist offen
sichtlich, daß individuelle Erwerbsstatusübergänge nicht als "zufällig" anzusehen sind, sie beinhalten die jeweilige Situation oder auch Problemsituation bestimmter Teilgruppen der Befragten zum jeweiligen Befragungszeitpunkt. So wiesen Grup
pe I und Gruppe DI (vgl. Tabelle 4) 1984 bezüglich ihres Erwerbsstatus zwar noch keinerlei Unterschiede auf, doch zeigten sich zum selben Zeitpunkt schon auffällige Unterschiedebei der Beurteilung ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation ("große Sorgen": 18.3% vs. 28.9%). Das Risiko der Arbeitslosigkeit verteilt sich nicht gleich auf alle Bevölkerungsgruppen, sondern betrifft überproportional Bevölke
rungsteile, die in mehreren Status- bzw. Lebensbereichen als "benachteiligt" gelten können (s. auch Kapitel 10). Diese "Benachteiligung" setzt sich offensichtlich schon im Falle eigener Erwerbstätigkeit in eine häufigere Nennung von Sorgen be
züglich der eigenen wirtschaftlichen Situation um.
Bemerkenswert ist weiterhin, daß viele Befragte die eigene Erwerbsbiographie nicht unabhängig von allgemeineren wirtschaftlichen Entwicklungen sehen. Obwohl diese für alle Befragten dieselben Trends aufweisen müßten, wurden sie je nach Verlauf des Erwerbsstatus sehr unterschiedlich beurteilt. Über die Hälfte der
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Tabelle 4: Die Veränderung von Sorgen in der Bevölkerung in Ab
hängigkeit von unterschiedlichen Erwerbsbiographien.
(Antwort 1984/1985) : l 1 Große
| Sorgen
| 1984 1985
Einige Sorgen
Keine Sorgen
Insgesamt
1984 1985 1984 1985 1984 1985
1 in Prozent N
(Frage 1984/1985): 1
Hie ist es mit den folgenden 1
Gebieten? Machen Sie sich da Sorgen? 1
- Um die allgemeine wirtschaftliche I1’
1 41.7 51.2 55.4 47.3 2.9 1.4 116 117
Entwicklung? II2>
1 53.7 36.9 33.5 53.1 12.8 10.0 80 80 m 3)
1 35.2 33.7 55.1 56.5 9.7 9.9 4427 4410 iv4) 1 52.3 52.0 35.9 40.3 11.8 7.7 141 139
- Um Ihre eigene wirtschaftliche i
1
1 28.9 58.6 52.5 30.2 18.7 11.2 117 117
Situation? ii 1 61.1- 23.0 28.5 51.5 10.4 23.5 80 80
i n 1 18.3 19.1 44.1 44.2 37.6 36.7 4407 4402
IV 1 64.9 66.0 24.0 29.1 11.0 4.9 142 140
- (Bei Erwerbstätigen): Um die i f 37.3 - 36.7 - 26.1 - 115 -
Sicherheit Ihres Arbeitsplatzes? i i 1 - 28.5 - 30.5 - 41.0 - 75
i n 1 15.1 11.2 30.8 26.6 54.1 62.2 4112 4218
1) Gruppe I: Erwerbsstatus - 1984 - 1985
•> Erwerbstätig
» Arbeitslos 2) Gruppe II: Erwerbsstatus - 1984 - Arbeitslos
- 1985 - Erwerbstätig 3) Gruppe III: Erwerbsstatus - 1984 - Erwerbstätig - 1985 - Erwerbstätig 4) Gruppe IV: Erwerbsstatus - 1984 - Arbeitslos
- 1985 - Arbeitslos
Datenbasis: Sozio-ökonomlsches Panel; gewichtete Längsschnittdaten von Helle 1 (1984) bis Helle 3 (1986)
Seite 24
Tabelle 5: Die beruflichen Zukunftserwartungen (1985) in Abhän gigkeit von unterschiedlichen Erwerbsbiographien
(Antwort 1985):
ganz sicher/
wahrscheinlich
eher unwahrscheinlich/
ganz sicher nicht
Insgt samt
in Prozent
(Frage 1985) :
Wie wahrscheinlich ist es inner- halb der nächsten zwei Jahre ...
- daß Sie von sich aus eine I1’
28.2 71.7 100
neue Stella suchen? II21
9.2 90.8 100
- daß Sie Ihren Arbeitsplatz I 19.9 80.0 100
verlieren? II 5.0 95.0 100
- daß Sie ln Ihrer jetzigen Firma einen I 24.7 75.2 100
beruflichen Aufstieg schaffen? II 16.6 83.4 100
- daß Sie Ihren derzeitigen Beruf auf- I 19.0 81.0 100
geben und in einem anderen Beruf anfangen? II 4.9 95.2 100
- daß Sie Ihre Erwerbstätigkeit ganz oder I 2.9 97.1 100
vorübergehend aufgeben? II 6.3 93.5 100
1) Gruppe I: Erwerbsstatus - 1984 * Arbeitslos W * 80 - 1985 - Erwerbstätig
2! Gruppe Xis Erwerbsstatus - 1984 - Erwerbstätig N » 4340 - 1985 - Erwerbstätig
Datenbasis: Sozia-ökonomisches Panel; gewichtete Längsschnittdaten von Welle 1 (1984) bis Welle 3 (1986)
Seite 25
Arbeitslosen, aber nur ca. ein Drittel der Erwerbstätigen (1984 und 1985) machten sich große Sorgen um die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung (vgl. Tabelle 4).
Auch hier folgen die Veränderungen der Sorgen dem Statuswechsel. Ehemalige Ar
beitslose sehen 1985 auch die allgemeine wirtschaftliche Lage deutlich positiver, und Personen, die 1985 arbeitslos wurden, zeichnen nun auch vom weiteren Wirt
schaftskontext ein eher düsteres Bild.
Arbeitslose Befragte, die bis 1985 wieder erwerbstätig wurden, machen sich kaum mehr Sorgen um ihre eigene wirtschaftliche Lage, als dies Personen tun, die weder 1984 noch 1985 arbeitslos gemeldet waren. Heißt dies nun, daß mit dem erneuten Übergang in das Erwerbsleben alle Sorgen und Ängste der ehemals Arbeitslosen verschwunden sind? Einige Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage liefert Tabelle 5.
Trotz der Rückkehr in das Berufsleben fürchten ehemalige Arbeitslose viermal häu
figer als Personen, die im gesamten Befragungszeitraum nicht von Arbeitslosigkeit betroffen waren, innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder ihren Arbeitsplatz zu verlieren, bzw. den Beruf wechseln zu müssen. Die "Mauer" herkömmlicher Ver
drängungsstrategien ("Das kann mich nicht treffen!") hat demnach durch die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit deutliche Risse bekommen. Daß über 28 Prozent der ehemals Arbeitslosen es für wahrscheinlich halten, von sich aus eine neue Stelle zu suchen, kann darüber hinaus als ein Indikator dafür gelten, daß die Befragten sich mit der neuen Stelle noch nicht zufrieden geben. Inwieweit berufliche Ver
schlechterungen bei der Wiedereingliederung von den Betroffenen wieder wettge
macht werden können, wird durch weitergehende Panelanalysen zu prüfen sein (vgl. hierzu BÜCHTEMANN 1983:201ff.).
8.2 Der Einfluß von Arbeitslosigkeit auf die Lebenszufriedenheit der Betroffenen
Nachdem im vorangegangenen Kapitel ein deutlicher Einfluß der Arbeitslosigkeit auf die Sorgen der Befragten festgestellt werden konnte, wird im folgenden der
Seite 26
Frage nachgegangen werden, inwieweit auch die Lebenszufriedenheit - als Maß der Gesamtbewertung der Lebensumstände einer Person - sich in ihrem Niveau mit den beruflichen Statusübergängen verändert.
Es wird von einigen Ökonomen die These vertreten, daß Arbeitslose ihre "Freizeit"
schätzen und von sich aus die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit verlängern.
Auch in diesem Zusammenhang steht die These,
"...daß die Opportunitätskosten der Freizeit umso geringer sind, je höher die Ar
beitslosenunterstützung relativ zum Nettolohn ist, so daß Arbeitslosengeld plus Freizeit im Sinne einer Nutzenmaximierung die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit erhöht." (zit. nach KIRCHLER 1984:7)
Neben dieser "ökonomischen" Dimension der Erwerbsarbeit bzw. Arbeitslosigkeit, ist jedoch auch auf die sozio-psychische Bedeutung der Berufsarbeit für den einzel
nen hinzuweisen. Ihr Ausmaß erfassen Studien über die psychischen Folgen an
dauernder Arbeitslosigkeit:
- Der Zerfall der Zeitstruktur und der damit einhergehenden Planlosigkeit des Verhaltens.
- Die Arbeitslosigkeit als Risikofaktor für Alkoholgefährdung und Suizid.
- Der Beginn von Identitätskrisen bzw. Identitätsdiffusionen.
- Das Schwinden der Loyalität gegenüber dem gesellschaftlichen und politischen System.
- Der Autoritätsverlust von arbeitslosen Männern.
- Der Rückzug aus sozialen Beziehungen.
- Das Aufkommen von politischem Desinteresse und Passivität.
(vgl. HÖRNING/KNICKER 1981:84f.; s. auch: MAIERS/MARKARD 1980:Teil B; KCESELBACH/WACKER 1985).
Die negativen Folgen des Verlustes von zentralen sinnstiftenden Lebenskomponen
ten für das Individuum lassen vermuten, daß der Verlust der Erwerbsarbeit subjek
tiv als erhebliche Einschränkung der Handlungsfreiheit bewertet wird. Die Schau
bilder 11 bis 15 zeigen für vier Erhebungszeitpunkte (1984-1987) den Zusammen
hang von individuellen Statusverläufen und deren Auswirkungen auf die Lebens-
Seite 27
Zufriedenheit der Befragten. Kontinuierliche Erwerbstätigkeit über die vier Erhe
bungszeitpunkte hinweg induziert - für Männer und Frauen gleichermaßen - eine hohe und stabile Lebenszufriedenheit sowie optimistische "Zukunftserwartungen"
(vgl. Schaubild 11). Kontinuierliche Arbeitslosigkeit führt hingegen - zumindest für männliche Arbeitslose - zu einer sehr niedrigen und im Zeitablauf sogar noch weiter sinkenden Lebenszufriedenheit sowie zu pessimistischen Zukunftserwartungen (vgl. Schaubild 12). Dies spricht dafür, daß die Dauer der Arbeitslosigkeit als eine entscheidende Kenngröße für den "Schweregrad" von Arbeitslosigkeit angesehen werden kann.
Komplizierter stellen sich die Beziehungen zwischen befristeten Unterbrechungen der Erwerbsbiographie durch Arbeitslosigkeit (vgl. Schaubild 13, 14 und 15) und den Veränderungen im Bereich des subjektiven Wohlbefindens dar. Zumindest für Männer kann als Globaltrend jedoch durchaus konstatiert werden, daß die Verände
rungen im Zufriedenheitsbereich dem Wandel des Erwerbsstatus folgen: Phasen der Arbeitlosigkeit führen zu - teils drastischen Einbußen - im subjektiven Wohlbefin
den von Männern. Die Rückkehr in den Beruf führt umgekehrt die Zufriedenheits
werte i.d.R. schnell wieder in einen Aufwärtstrend. Weniger eindeutige Aussagen hingegen lassen sich für weibliche Befragte machen. Offensichtlich intervenieren in die Lebenszufriedenheit von Frauen in einem erheblichen Umfang Faktoren bzw.
Lebensbereiche, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Erwerbs
karriere stehen.
Ob dieses Phänomen möglicherweise auch auf unterschiedliche Attributionspro
zesse der Ursachen der eigenen Arbeitslosigkeit bei Männern und Frauen zurückzu
führen ist, was nicht nur im Rahmen der psychologischen Arbeitslosigkeitsfor
schung von zentralem Interesse ist, kann auch mit den Daten des SOP nicht beant
wortet werden. Dieser schwierige Fragenkomplex steht leider noch zur Klärung offen, aber seine Bearbeitung erscheint mehr als wünschenswert, da zum einen zweifelsohne die individuelle Belastung durch Arbeitslosigkeit in hohem Maße von der subjektiven Ursachenzuschreibung abhängig ist und zum anderen Studien zu diesem Thema einen engen Zusammenhang zwischen der Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz und der Ursachenattribuierung der
Seite 28
S ch au b ild 11: V eränderungen von (e rw a rte te n ) Zufriedenheiten(*)-
M e a n
1 9 8 4 -E W 1 9 8 5 -E W 198 6-E W Jahr und Status
19 8 7 -E W EW = Erwerbstä ALO = Arbeitslc
S chaubild 12: V eränderungen von (e rw a rte te n ) Z u fried en h eitec
M
e a n
1 9 8 4 -ALO 1 9 8 5 -ALO 1 9 8 6 -ALO 1 9 8 7 -ALO Jahr und Status
( * ) M itte lw e rte einer Zufrledenheltsskalavon O(ganz und gar unzufrieden) bis 10(ganz und gar zufrieden)
Aktuelle Lebenszufriedenheit (Frauen) Aktuelle Lebenszufriedenheit (Männer)
— E rw artete Lebenszufriedenheit in einem Jahr (Frauen) - — E rw artete Lebenszufriedenheit in einem Jahr (Männer)
Seite zy S chaubild 13: V eränderungen von (e rw a rte te n ) Z u frie d en h eiten
S chaubild 14: V eränderungen von (e rw a rte te n ) Z u frie d en h eiten
Schaubild 15: V eränderungen von (e rw a rte te n ) Z u fried en h eiten
Seite 30
Arbeitslosigkeit vermuten lassen (vgl. hierzu KIRCHLER 1984:73ff.; 84ff.; 96ff.;
GRAU/THOMSEN 1985; sowie allgemein KELLEY 1972a und 1972b).
Ein weiteres wichtiges Resultat besteht in der Vielfalt der Verlaufsmuster von Statusübergängen selbst. Die vorliegenden Schaubilder stellen nur eine Auswahl von Statusübergängen dar, die über vier Panelwellen des SOP identifiziert werden konnten. Besonders unter Berücksichtigung der schärfer differenzierenden Kalen
derdaten (s.u.) wird ersichtlich, daß zwar viele Arbeitslose, über einen Zeitraum von vier Jahren betrachtet, wieder eine Beschäftigung aufnehmen, dies jedoch häufig keine stabile Wiedereingliederung in das Berufsleben bedeutet, sondern weitere Arbeitlosigkeitsphasen nach sich ziehen kann.
Eine interessante Fragestellung, die mit den hier verwendeten jährlich erhobenen Paneldaten nicht zu beantworten ist, ist der Phasenverlauf der individuellen Erfah
rung mit der Arbeitslosigkeit. Es wäre zu prüfen, ob mit zunehmender Dauer die psychischen und sozialen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit in ihrer Vehemenz zunehmen, ob - bspw. im Sinne von EISENBERG/LAZARSFELD(1938) - aufein
anderfolgende Phasen des "Schocks", "Optimismus", "Pessimismus" und des
"Fatalismus" identifizierbar sind, bzw. ob sich typische individuelle Verarbeitungs
formen der Arbeitslosigkeitssituation charakterisieren lassen19.
8.3 Subjektive Wohlfahrtsveränderungen von Haushaltsvorständen und deren (Ehe-)Partnern im Haushaltskontext
Versteht man den Haushalt bzw. die Familie nicht nur als einen "Ort" des Zusam
menlebens, sondern auch als eine "Einheit", in der psychische Belastungen direkt mit anderen Personen geteilt und verallgemeinert werden, so wäre zu erwarten, daß einschneidende Veränderungen im Leben einer Person dieser Gemeinschaft sich auch auf das Lebensumfeld der anderen Haushaltsmitglieder auswirken.
Tabelle 6 verweist hierbei auf ein interessantes Muster. Zunächst zeigt sich - gemäß den vorangegangenen Erläuterungen - daß Haushaltsvorstände deutlich stärker von statusbedingten Veränderungen der subjektiven Wohlfahrt betroffen sind als ihre
Seite 31
Tabelle 6; Die Veränderungen der Lebenszufriedenheit im Haushaltskontext - Ergebnisse im Rahmen von Veränderungen des Erwerbsstatus1' .
Aktuelle LebensZufriedenheit ' HHV (Ehe-)Partner 1985 1986 1985 1986
Mean (Differenzen in Klammer) Statusübergänge:
1985-1986
- Haushaltsvorstand - EW-ALO
3)
(-1.3) ( - 0 .4)
7.2 5.9 7.0 6.6
- ALO-EW (+1.5) ( + 0 .8)
4.9 6.4 5.8 6.6
- (Ehe-)Partner4^
- EW-ALO (-0.2) ( - 0 .5)
7.5 7.3 7.2 6.7
- ALO-EW (-0.1) ( + 0 .5)
7.3 7.2 6.6 7.1
- Status HHV und (Ehe-)Partner ohne Veränderung
7.4 7.4 7.5 7.4
1) Haushaltsgröße und Erwerbsstatus der Kinder im Haus
halt werden kontrolliert.
2) Durchschnittswerte auf einer 11-stufigen Skala; 0 =
"ganz und gar unzufrieden", 10 = "ganz und gar zu
frieden" .
3) Der Erwerbsstatus des (Ehe-)Partners bleibt konstant 4) Der Erwerbsstatus des Haushaltsvorstands bleibt kon
stant .
Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel; gewichtete Längs
schnittdaten von Welle 1 (1984) bis Welle 3 (1986)
Seite 32
(Ehe-)Partner, wenn sie selbst arbeitslos, bzw. wieder erwerbstätig werden. Die Differenz beträgt -1.3 (+1.5) Punkte auf einer Elferskala gegenüber -/+ 0.5 bei den (Ehe-)Partnem. Aber (Ehe-)Partner nehmen - bei konstantem eigenem Berufsstatus - viel stärkeren Anteil an Veränderungen des Erwerbsstatus "ihres" Haushaltsvor
standes, als dies umgekehrt der Fall ist. Dies sollte nun nicht vorschnell dahinge
hend interpretiert werden, daß (die zumeist männlichen) Haushaltsvorstände weni
ger "Sensibilität" oder "Empathie" gegenüber dem Schicksal ihres Partners aufbrin
gen, denn dieses unterschiedliche Zufriedenheitsgefälle könnte auch die Folge un
terschiedlicher "objektiver" Veränderungen im Haushalt sein: Die Arbeitslosigkeit des Haushaltsvorstandes zeigt - wie erwähnt (s.o.) - deutlich stärkere Auswirkun
gen auf die Höhe des Haushaltsnettoeinkommens als die Arbeitslosigkeit von (Ehe-)Partnem. Einkommensveränderungen betreffen jedoch häufig alle Haushalts
mitglieder, so daß eine Beziehung zwischen "objektiven" und"subjektiven"
Variablen in der Vorgefundenen Art bei konstantem eigenen Erwerbsstatus durchaus plausibel erscheint.
9 . Methodischer Exkurs: Der Vergleich von retrospektiven monatlichen Kalenderdaten mit den jährlich erhobenen Daten Neben den jährlich erhobenen aktuellen Angaben der Befragten zu ihrer Erwerbstä
tigkeit werden im SOP in jeder Welle auch retrospektive Angaben über den Er
werbsstatus zu jedem Monat des vorangegangenen Jahres abgefragt. Dies ermöglicht den Vergleich von (aktuellen) Angaben zum jeweiligen Befragungsjahr mit den (retrospektiven) Monatsdaten für das betreffende Jahr. Es kann auf der Basis dieses Vergleichs nicht unerwähnt bleiben, daß die bisherigen Zeitreihendaten und ihre Veränderungstendenzen einer Ergänzung bedürfen, denn vergleicht man die nach dem jährlich erhobenen Berufsstatus als "Dauerarbeitslose" kategorisierten Personen von 1984 bis 1986 mit den für diesen Zeitraum retrospektiv erfragten Kalenderdaten der gleichen Personen, so zeigt sich, daß nur ca. ein Drittel von ihnen in vollem Umfang als "Dauerarbeitslose" (36 Kalendermonate hindurch
"arbeitslos Gemeldete") zu bezeichnen sind (vgl. Schaubild 16).