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Wertschöpfung und den sozial-ökologischen Umbau in der EU

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Academic year: 2022

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Deutscher Gewerkschaftsbund Abteilung Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik

Maria Beihof

Referentin für Industrie- und Dienstleistungspolitik maria.beihof@dgb.de Telefon: +49 30 24060 396 Telefax: +49 30 24060 677 Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin www.dgb.de Gliederung:

1. Zielsetzung und allgemeine Einschätzung

2. Beschäftigung und Wertschöpfung in der EU sichern 3. Keine Binnenmarktvertiefung zulasten der Beschäftigten 4. Den sozial-ökologischen Umbau voranbringen

1. Zielsetzung und allgemeine Einschätzung

Die EU steht aktuell vor der Herausforderung, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu bewälti- gen und dabei eine tiefgreifende Veränderung der europäischen Wirtschaft in Richtung Dekarboni- sierung und Digitalisierung zu gestalten. Gleichzeitig muss sie auf Protektionismus und Interventio- nismus im globalen Weltmarktgefüge reagieren. Diese Herausforderungen bergen enorme Risiken, die es nicht zu ignorieren, sondern abzufedern gilt. Sie sind aber gleichzeitig auch Chancen für zu- künftige Beschäftigung, Wertschöpfung und Wohlstand. Es bedarf einer aktiven europäischen In- dustriepolitik, die die Unternehmen befähigt, die sozial-ökologische Transformation zu meistern.

Die EU-Kommission hat mit der Aktualisierung ihrer im letzten Jahr vorgestellten Industriestrategie Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen und richtigerweise erkannt, dass die EU resiliente Wert- schöpfungsketten braucht, dass Abhängigkeiten in strategisch relevanten Bereichen und Branchen minimiert werden müssen, und dass gleichzeitig die Transformation beschleunigt werden muss. In diesem Zusammenhang betont der DGB die Problemlösungskompetenz der Industrie, die die Gestal- tung der Herausforderungen der Zukunft erst möglich macht.

Um die durch die Pandemie verschärft zutage getretenen Abhängigkeiten zu adressieren und eine De-Industrialisierung in der EU zu verhindern, muss eine aktive europäische Industriepolitik verfolgt werden, welche die sozial-ökologische Transformation gestaltet und dabei sicherstellt, dass Beschäf- tigung in Europa erhalten und ausgebaut wird. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrü- ßen, dass die EU-Kommission mit ihrer vorgestellten Aktualisierung einen aktiveren industriepoliti- schen Ansatz verfolgt als in der Vergangenheit und neben horizontalen Maßnahmen auch auf vertikales Agieren setzt. Der Erhalt und die Schaffung Guter Industriearbeitsplätze in Europa sowie die Sicherung von Standorten industrieller Fertigung müssen dabei im Zentrum stehen. Industriepoli- tik sollte sich nicht ausschließlich auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren. Schon gar nicht dürfen Arbeitnehmer*innenrechte unter diesem Deckmantel abgebaut werden.

Positionspapier

Positionspapier des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Re- gionen „Updating the 2020 New Industrial Strategy: Building a stronger Single Market for Europe’s recovery”

Aktive Industriepolitik für sichere Beschäftigung,

Wertschöpfung und den sozial-ökologischen Umbau in der EU

29.06.2021

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Seite 2 von 6 des Positionspapier vom 29.06.2021

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften warnen deshalb davor, die Logik der Deregulierung fortzusetzen. Mit Binnenmarkt-Argumenten dürfen nationalstaatliche Regulierungen zum Schutz der Beschäftigten, der Verbraucher*innen oder der Umwelt nicht umgangen, abgebaut oder unanwend- bar gemacht werden. Die Mitgliedstaaten müssen auch weiterhin die Möglichkeit haben, durch Re- gulierungen Arbeitsbedingungen, Sozialstandards, Verbraucher*innenschutz und Umweltschutz zu verbessern.

Zudem bedarf es einer verstärkten Beteiligung der Sozialpartner bei der sozial-ökologischen Trans- formation der EU. Die aktualisierte Industriestrategie stellt zu Recht fest: „For an inclusive transition, a well-functioning social dialogue will be key.“ Diesen Satz gilt es mit Leben zu füllen.

2. Beschäftigung und Wertschöpfung in der EU sichern

Der DGB begrüßt vertiefte Analysen besonders relevanter Branchen mit Blick auf Abhängigkeiten und die grüne und digitale Transformation. Insbesondere eine vertiefte Auseinandersetzung mit energieintensiven Industrien ist begrüßenswert. Aus Sicht des DGB ist es dabei dringend notwendig, Beschäftigungsfaktoren und Qualifizierungsbedarfe vertiefend in die Analysen einzubeziehen. Nur so können daraus auch Maßnahmen erwachsen, die Wohlstand und Beschäftigung sichern. Der DGB begrüßt, dass die Kommission mit den Sozialpartnern zusammenarbeiten wird, um ihre Analyse stra- tegischer Bereiche zu vertiefen und ermittelte strategische Abhängigkeiten anzugehen. Hier gilt es jedoch, Konsequenzen für politisches Handeln zu ziehen. Die identifizierten Abhängigkeiten zu be- obachten, wird nicht ausreichen, um Abhängigkeiten von Drittstaaten abzubauen. Es müssen ent- sprechende Kapazitäten in der EU aufgebaut werden.

Eine Diversifizierung von strategisch relevanten Lieferketten, wie sie in der Aktualisierung gefordert wird, ist auch mit Blick auf das fragile Weltmarktgefüge und populistische Tendenzen in Richtung Protektionismus in Teilen der Welt begrüßenswert. Diese muss politisch angegangen und nicht nur den Unternehmen überlassen werden. Eine zu große Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten oder Regionen muss zukünftig vermieden werden. Insbesondere in kritischen Bereichen wie der Versor- gung mit Medikamenten oder Schutzausrüstung muss Produktion wieder stärker nach Europa verla- gert werden. Die Aufgabe der Politik ist es, dafür geeignete Rahmenbedingungen und Vorausset- zungen zu schaffen.

Der DGB begrüßt die in der Strategie zugesagte Unterstützung von weiteren Industrieallianzen sowie die Tatsache, dass das Schaffen hochwertiger Beschäftigung dabei eine Rolle spielt und KMU explizit aktiv eingebunden werden sollen. Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse – IPCEI – stel- len aus gewerkschaftlicher Sicht ein wichtiges Instrument dar, um Wertschöpfung und Beschäftigung in relevanten Bereichen zu sichern und auszubauen. Die sozial-ökologische Transformation der Wirt- schaft erfordert Investitionen, die mangels fehlender betriebswirtschaftlicher Rentabilität von den Unternehmen nicht geleistet werden. Der Markt kann diese Probleme alleine nicht lösen. Aufgrund ihrer klima-, umwelt- und energierechtlichen Entscheidungen steht die Politik hier in der Verantwor- tung, unterstützend aktiv zu werden, um Fehlallokationen von Ressourcen und ineffiziente Markter- gebnisse zu verhindern. Dabei darf das Beihilferecht der staatlichen Förderung von Projekten, die für die Transformation notwendig sind, nicht im Weg stehen und muss dahingehend reformiert werden.

Bei etwaiger Förderung muss jedoch darauf geachtet werden, Beschäftigungssicherung, Gute Arbeit und Mitbestimmung zu Bedingungen zu erheben. Eine Förderung der öffentlichen Hand darf keine Subventionierung schlechter Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne zur Folge haben.

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Seite 3 von 6 des Positionspapier vom 29.06.2021

Das Fokussieren auf Industrieallianzen und IPCEI allein wird allerdings nicht ausreichen, um die so- zial-ökologische Transformation zu gestalten. Der DGB begrüßt, dass die EU-Kommission ein euro- päisches Konzept für CO2-Differenzverträge erwägt. Ein weiteres Instrument, für das sich der DGB ausspricht, könnte ein öffentlicher (und nach Möglichkeit europäischer) Transformationsfonds sein, der in Unternehmen strategisch wichtiger Branchen investiert. Diese Form der Eigenkapitalversor- gung könnte für notwendige, langfristig ausgerichtete Investitionen sorgen, die andernfalls ausblei- ben oder anderswo stattfinden. Ein solcher Fonds könnte einen wichtigen Beitrag zur Sicherung von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten und dabei auch regionale Aspekte angemessen berücksichtigen.

Die europäische Industrie steht in einem weltweiten Wettbewerb und muss sich auch über den Bin- nenmarkt hinaus behaupten können. Das Entstehen europäischer Champions muss durch das Wett- bewerbsrecht ermöglicht werden.

Auch der Welthandel muss so gestaltet werden, dass er die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert. Der DGB unterstützt einen regelgebundenen internationalen Handel sowie ein europäisches Wettbewerbsrecht, welches Verzerrungen durch außereuropäische Akteure adressiert und unterstützt die Bemühungen, unlautere Geschäftspraktiken anzugehen. Das von der Kommis- sion ebenfalls vorgestellte Instrument gegen Verzerrungen im Binnenmarkt durch Subventionen aus Drittstaaten ist im Ansatz begrüßenswert. Gegen unlautere Praktiken anzugehen schließt allerdings immer auch mit ein, die Ausbeutung von Beschäftigten, die Missachtung oder Umgehung grundle- gender Arbeitsrechte sowie umwelt- und klimaschädliches staatliches Handeln in Drittstaaten zu be- kämpfen. Diese Faktoren müssen entsprechend berücksichtigt werden, um für fairen Wettbewerb und ein „level playing field“ zu sorgen. Des Weiteren sollte sich die EU hier nicht ausschließlich an wettbewerbspolitischen Zwecken orientieren, sondern anerkennen, dass wirtschaftliche Interventio- nen wie Subventionen dafür genutzt werden können und sollen, die sozial-ökologische Transforma- tion zu gestalten.

Der von der EU-Kommission angekündigte Grenzausgleichsmechanismus für Kohlenstoffdioxid (Car- bon Border Adjustment Mechanism) kann nur ein Teil der Lösung sein, um auf international stark unterschiedliche Klimaschutzmaßnahmen zu reagieren und die europäische Industrie vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Ein globales System zur CO2-Bepreisung ist als erste Wahl aktuell nicht absehbar. Ein zielgerichteter Grenzausgleichsmechanismus kann vor klimaschädlichen Importen aus Ländern schützen, in denen keine vergleichbare oder gar keine CO2-Bepreisung etabliert ist. Viele Aspekte dieses Mechanismus gilt es jedoch im Sinne von Beschäftigung und Standortsicherung zu klären, wie beispielsweise dessen Anwendungsbereich oder WTO-Kompatibilität. Außerdem dürfte ein solcher Mechanismus nicht als Ersatz, sondern lediglich als Ergänzung zu bestehenden Carbon- Leakage-Schutzmaßnahmen konzipiert werden, um mögliche Nachteile für die europäische Industrie im weltweiten Wettbewerb zu vermeiden. Schließlich würde ein Grenzausgleich zu steigenden Im- portpreisen führen und damit die europäischen Verbraucher*innen treffen. Die verteilungspolitischen Folgen eines solchen Mechanismus wären aus Sicht des DGB nicht wünschenswert.

Ein multilateraler Ansatz, der auf fairen Wettbewerb und auf die Sicherung von guten Löhnen, Sozi- alstandards und Umweltschutzregeln auch im globalen Rahmen setzt, wird vom DGB unterstützt.

Protektionistische Maßnahmen gefährden jedoch den freien Welthandel, von dem viele exportorien- tierte Branchen abhängig sind, und damit letztlich den Wohlstand.

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Seite 4 von 6 des Positionspapier vom 29.06.2021

3. Keine Binnenmarktvertiefung zulasten der Beschäftigten

Der Vertiefung des Binnenmarktes kommt in der Industriestrategie eine große Bedeutung zu. Aller- dings entspricht das keiner aktiven und gestaltenden Industriepolitik. Zudem wurde in der Vergan- genheit das Ziel der Binnenmarktvertiefung häufig auf Kosten des Arbeitsschutzes, Verbraucher*in- nenschutzes und Umweltschutzes verfolgt. In dieser Tradition steht auch die

Dienstleistungsrichtlinie, deren vollständige Umsetzung in der Industriestrategie gefordert wird. Der DGB spricht sich gegen etwaige Bemühungen aus, welche die Durchsetzung hoher Arbeitsstandards durch Mitgliedsstaaten erschwert.

Die Kommission möchte auch das Instrument der Standardisierung zur Vertiefung des Binnenmark- tes nutzen. Standardisierungsprozesse (etwa im Normungskomitee CEN) sind allerdings formal pri- vat, intransparent und ohne demokratische Legitimation. Deshalb darf sich Standardisierung aus- schließlich auf rein technische Bereiche beziehen und keinesfalls Themen erfassen, die besser durch Gesetze oder Vereinbarungen der Sozialpartner reguliert werden. Der geplante Schwerpunkt auf eu- ropäische Dienstleistungsnormen ist dabei besonders besorgniserregend. Bestrebungen, die darauf ausgerichtet sind, Dienstleistungen, Arbeit- und Gesundheitsschutz oder Arbeitsbedingungen durch Standardisierung zu regeln, lehnt der DGB ab. Auch bei der Gestaltung des geplanten Notfallinstru- ments für den Binnenmarkt, welches die Verfügbarkeit und den freien Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen im Krisenfall gewährleisten soll, ist das zu beachten.

Die Beschäftigten sind der Ursprung von Innovationen, weswegen sie und ihre Vertretungen eine herausragende Rolle im Innovationsprozess einnehmen. In Deutschland leidet die Innovationsfähig- keit unter fehlender Mitbestimmung in Unternehmen. Eine „better regulation“, die darauf abzielt, Innovationen besonders für KMU zu begünstigen, darf dabei nicht quantitativ ansetzen. Dies ist beim in der aktualisierten Strategie betonten one-in-one-out-Prinzip klar der Fall. Diese Regelung ist willkürlich und reduziert Bürokratie nicht im Sinne der „besseren Rechtsetzung“. Schutz- und Mitbe- stimmungsrechte für Arbeitnehmer*innen dürfen nicht angetastet werden. Das gilt insbesondere, wenn gleichzeitig Dienstleistungsnormen seitens der EU adressiert werden sollen. Der DGB spricht sich entschieden gegen verallgemeinernde Regelungen aus, deren Ziel die rein quantitative Reduk- tion von Regulierungen ist. Unnötigen Verwaltungsaufwand für KMU zu minimieren, ist ein begrü- ßenswertes Ziel, allerdings muss qualitativ zwischen unnötigen und sinnvollen Regeln und Rahmen- setzungen unterschieden werden. Einige KMU haben beispielsweise Schwierigkeiten bei der Bewerbung um öffentliche Förderprogramme. Diese könnten durch ausgeweitete öffentliche Bera- tungsangebote verringert werden.

Die Hauptindikatoren für Wettbewerbsfähigkeit, welche die Kommission ermittelt hat und in beson- derem Maße überwachen möchte, sollten um beschäftigungs- und qualifizierungsrelevante Indikato- ren ergänzt werden. Qualifizierte Arbeitnehmer*innen, Mitbestimmung und sichere Beschäftigung sind elementare Bestandteile des Industriestandorts und der Wettbewerbsfähigkeit der EU.

4. Den sozial-ökologischen Umbau in der EU voranbringen

Der DGB begrüßt die geplante Einbindung der Sozialpartner bei der Gestaltung von Transformati- onspfaden für relevante industrielle Ökosysteme. Diese sog. Ökosysteme sollen sämtliche Akteure innerhalb einer Wertschöpfungskette umfassen. Wir begrüßen aktive industriepolitische Maßnahmen für die Förderung von klimagerechter Produktion der Industrie.

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Seite 5 von 6 des Positionspapier vom 29.06.2021

Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt davon ab, inwieweit sie zu realen öffentlichen und priva- ten Investitionen in innovative und klimagerechte Produktion und Prozesse führen. Demnach ist es entscheidend, dass politische Maßnahmen mit zusätzlichen finanziellen Mitteln unterlegt sind. Nur bei ausreichender Finanzierung können die Mitgliedsstaaten oder die EU die notwendigen Schwer- punkte setzen. Nur durch Formalisierung und Verschärfung bestehender Werte oder Jahreszahlen werden noch keine klimapolitischen Ziele erreicht. Mit jeder neuen oder schärferen Zielformulierung steigt die Verantwortung der Politik, geeignete Maßnahmen anzuregen, zu fördern und wo nötig fi- nanziell zu unterstützen.

Um Wertschöpfung in der EU zu erhalten und aufzubauen sowie Produktion und Beschäftigung in Zukunftsbranchen zu sichern, bedarf es einer gesicherten langfristigen Finanzierung. Um diese zu ermöglichen, muss der Investitionsstau, der sich in den Jahren der Austeritätspolitik in der EU gebil- det hat, beendet werden. Es bedarf ausreichender Mittel, um die Dekarbonisierung der Industrie vo- ranzubringen, Beschäftigung zu sichern und regionalen Ungleichheiten entgegenzuwirken. Die Fis- kalregeln der EU brauchen eine grundlegende Überarbeitung, im bestehenden Rechtsrahmen aber zumindest mehr Flexibilität, um zu ermöglichen, dass auf Investitionsbedarfe angemessen reagiert werden kann. Das Wiederaufbauprogramm Next Generation EU und insbesondere die neue Aufbau- und Resilienzfazilität stellen eine Chance dar und könnten eine Kehrtwende in der EU-Investitions- politik einleiten. Der DGB begrüßt die klare Zweckbindung der Mittel unter anderem für den klima- neutralen Umbau der europäischen Volkswirtschaften und die Digitalisierung. Nun müssen die Gel- der aus der Aufbau- und Resilienzfazilität schnell ausgezahlt werden. Bedauerlich ist, dass die Bundesregierung entschieden hat, die Mittel aus dem Fonds (fast 26 Mrd. €) nicht für zusätzliche Investitionen auszugeben, sondern damit weitestgehend das Konjunkturpaket vom Juni 2020 querfi- nanziert.

Die Kommission hat angekündigt, Leitlinien für die wirksame Nutzung der öffentlichen Auftrags- vergabe zur Stärkung der Resilienz wichtiger Ökosysteme zu entwickeln. Die öffentliche Vergabe stellt ein potenziell wirkungsmächtiges Instrument dar, um den ökologischen Umbau voranzubrin- gen und dabei auch das Soziale in den Vordergrund zu stellen. Kriterien wie Tarifbindung, Mitbe- stimmung und Beschäftigungssicherung müssen Bedingung für die öffentliche Vergabe sein. Öffent- liche Gelder dürfen nicht für Lohndumping, Beschäftigungsabbau oder eine Erosion guter

Arbeitsbedingungen eigesetzt werden.

Niemand darf zurückgelassen werden

Die Themen Weiterbildung und Qualifizierung sind Kernelemente einer klugen Industriestrategie und müssen eine prominente Rolle spielen. Hier gilt es, basierend auf branchenspezifischen Analysen, gezielte Angebote zu machen und zu finanzieren, die den Anforderungen der sozial-ökologischen Transformation gerecht werden. Es darf niemand zurückgelassen werden. Die Beschäftigten müssen befähigt werden, mit den sich ändernden Anforderungen Schritt zu halten. Dabei müssen die Sozial- partner von Beginn an mit einbezogen werden.

Insgesamt bleibt die aktualisierte Industriestrategie Details darüber schuldig, wie Gute Arbeit, Be- schäftigungssicherung und Wohlstand in der EU konkret gesichert werden können. Wichtig ist, dass die Transformation nicht zulasten der Kohäsion stattfinden darf. Das Ziel der gleichwertigen Lebens- verhältnisse muss mit konkreteren Vorschlägen angegangen werden. Industriepolitik ist immer auch Regionalpolitik und muss Regionen in der Transformation gezielt fördern. Die erwähnten neuen Leit- linien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung reichen an dieser Stelle nicht aus. Das Prin- zip der Partnerschaftlichen Beteiligung hat sich in den Strukturfonds bewährt und sollte zudem auch im Aufbaufonds verankert werden.

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Seite 6 von 6 des Positionspapier vom 29.06.2021

Die Themen Tarifbindung, Mitbestimmung und Gute Arbeit müssen insgesamt eine größere Rolle in der europäischen Industriepolitik einnehmen. Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft sorgen für langfristige Unternehmensstrategien, stärken damit die Leistungsfähigkeit unserer Industrie und si- chern Standorte und hochwertige Arbeitsplätze. Deshalb muss die Förderung von Tarifbindung, von Mitbestimmung und guter Arbeit ein zentrales Ziel einer fortschrittlichen EU-Industriestrategie sein.

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